Jacqueline Straub

Kickt die Kirche aus dem Koma

Eine junge Frau
fordert Reformen jetzt

Patmos Verlag

Inhalt

Einleitung

Allerhöchste Zeit, es anders zu machen

Kapitel 1

Im »Supermarkt der Religionen«

oder: Wie findet der Rand zurück in die Mitte?

Kapitel 2

Kein Respekt vor den Alten

oder: Willkommen in der guten alten Zeit

Kapitel 3

Wenn Kirche »hard to get« spielt

oder: Bunt würde ihr gut stehen

Kapitel 4

»God-bye« und kein Ende?

oder: Eine Jugendpastoral gegen den Abschied

Kapitel 5

»… we ain’t spoke in so long«

oder: Wenn Worte reden könnten

Kapitel 6

In der Smartphone-­Kathedrale

oder: Kein Anschluss ohne diese Nummer

Kapitel 7

Darf Kirche Spaß ­machen?

oder: »Prüft alles und behaltet das Gute« (1 Thess 5,21)

Kapitel 8

Bewahren durch ­Loslassen

oder: Die Ersten schalten das Licht an

Anmerkungen

Über die Autorin

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Einleitung

Allerhöchste Zeit, es anders zu machen

Die Kirche steht heute bei vielen Menschen nicht mehr sonderlich hoch im Kurs. Aber merkwürdigerweise scheint sie sich damit abgefunden zu haben. Von Bischöfen kommt immer wieder einmal der entschuldigende Hinweis, dass in Afrika und Asien die Kirche wächst. Fast wie zum Ausgleich dafür, dass sie in Europa an Bedeutung verliert. Man kann den Eindruck gewinnen, hier habe die Kirche schon resigniert, Europa innerlich schon aufgegeben: Die Musik spielt künftig woanders, da kann hier getrost allmählich das Licht ausgehen.

Aber was ist mit den Menschen hier? Sind auch sie von der Kirche aufgegeben? Haben sie kein Recht auf die Frohe Botschaft? Muss die Kirche nicht auch hier der nächsten Generation das Evangelium verkünden? Sollen die Menschen, gerade die jungen Menschen, hier nichts mehr von Gott erfahren? Soll das Evangelium verstummen, die Fackel verlöschen?

Warum ist die Kirche so müde, warum ist die Weitergabe des Glaubens so mühsam geworden, und warum halten gerade so viele junge Menschen die Kirche nicht mehr für wichtig? Zu den zugrunde liegenden Problemen gehören offensichtlich die Sexualmoral, der Umgang mit Randgruppen, eine zuweilen weltfremde Sprache, die bei der Jugend nicht ankommt, Doppelmoral und Skandale. Aber dahinter steckt mehr.

Dietrich Bonhoeffer brachte es auf den Punkt: »Christsein ohne Jüngerschaft ist immer Christsein ohne Christus.« Die Kirche hat von Jesus den Auftrag, allen Menschen die Frohe Botschaft zu bezeugen. Dazu muss sie sich immer wieder von ihrem Ursprung inspirieren lassen und vor allem auf Christus schauen, ihn als Maß nehmen. Jesus verkündete keine Dogmen und er trat nicht hierarchisch-machtvoll auf, sondern er gab den Menschen Hoffnung; er kämpfte für eine bessere Welt und hat es sich das Leben kosten lassen. Er war in vielem so anders als die Kirche.

Deshalb frage ich: Hat die Kirche eine Zukunft, wenn sie sich nicht radikal verändert? Wer soll die Fackel weitertragen, wenn ihre Bedeutung so einknickt?

Es gibt viele Jugendliche, die durchaus eine religiöse und spirituelle Sehnsucht spüren. Viele suchen sich in der breiten Palette der Angebote einen Ersatz für die Kirche. Was kann die Kirche tun, damit sie wieder als Ort entdeckt wird, an dem junge Menschen ihre Spiritualität in Gemeinschaft leben können? Welche Formen von Gottesdienst und Glaubenszeugnis braucht die Kirche Europas jetzt, damit sie eine Zukunft hat? Und welche Reformen muss sie anpacken, damit sie wieder glaubwürdiger wird und die Menschen bereit sind, ihr zuzuhören?

Aus zahlreichen Gesprächen habe ich heraushören können, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene auf der Suche nach einer zeitgemäßen Interpretation des Evangeliums sind, aber sich in den traditionellen Gottesdiensten kaum mehr angesprochen fühlen. Viele gerade der jüngeren Christen wünschen, sich selbst und ihre spirituellen Bedürfnisse mehr in die Gottesdienstgestaltung einbringen zu können. Dafür existieren bereits ermutigende Experimente, die darauf hoffen lassen, dass die Kirche diese neuen, mit der Tradition durchaus vereinbaren gottesdienstlichen Formen würdigt und beherzt aufgreift. Auch wenn man bei den evangelikalen Freikirchen vieles kritisch betrachten kann, ist dies ein Bereich, in dem die katholische Kirche manches von ihnen lernen könnte. Denn auf junge Menschen kann sie nicht verzichten.

»Ihr seid die Zukunft der Welt, die Hoffnung der Kirche, ihr seid meine Hoffnung.« Diese Worte von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1983 an das internationale ­Jugend­zen­trum San Lorenzo in Rom fassen es treffend zusammen. Noch immer gilt: »Nur wenn wir viel wagen, können wir hoffen, wenigstens einiges zu gewinnen. Wir sollten deshalb nicht fragen: Was können und müssen wir heute noch halten?, sondern auch: Was müssen wir heute tun?«1

Für mich steht fest: Die Kirche muss etwas tun. Sie braucht Reformen. Jetzt. Sie darf die jungen Menschen hier nicht aufgeben. Im Gegenteil: Sie muss es sich etwas kosten lassen, die Jugend zu erreichen. Denn ohne sie wird die europäische Kirche in den nächsten Jahrzehnten zur winzigen Gemeinschaft schrumpfen. Die Jugend hat nicht nur ein Anrecht auf das Evangelium. Sie ist auch die Zukunft der Kirche.