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Table of Contents

Titel

Impressum

ERSTE BEGEGNUNG

SAXRANS RÜCKKEHR

DIE BELEIDIGTE PRIESTERIN

IM QUARTIER DER KRIEGER

EIN SCHÄFERSTÜNDCHEN ZWISCHENDURCH

DAS GOTTESURTEIL

KRIEGER DER GWYRN

EIN FLOTTER DREIER

DER GRAUSAME GOTT KARHAN

SEX MIT DEM GRAUSAMEN GOTT

DIE GÖTTIN GWYRN

ZURÜCK IN HELHEIM

IN DEN TEMPELN DER GÖTTER

DER GOTT MARDUR

DER NAMENLOSE GOTT

WELTENTORE

MEHR VON DORIS E. M. BULENDA BEI DEBEHR

ÜBER DIE AUTORIN DORIS E. M. BULENDA

 

 

 

Doris E. M. Bulenda

 

 

 

 

Gwyrn und Axtkämpfer Saxran

auf erotischer Wanderung

zwischen den Welten

 

 

Erotischer Fantasy-Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Doris E. M. Bulenda

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2019

ISBN: 9783957536167

Grafiken Copyright by Fotolia by storm, by nomad2326, by chorazin

 

ERSTE BEGEGNUNG

Meine Freundin Claudia saß auf meiner Couch, nippte an einem Glas Rotwein und versuchte, mir die Einladung zu ihrer feuchtfröhlichen Faschingsparty schmackhaft zu machen. Normalerweise schätzte ich diese Art Partys nicht und ich verkleide mich auch nicht gerne. Aber ich hatte für besagten Abend einfach keine glaubwürdige Ausrede. Jedenfalls keine, mit der ich Claudia nicht tödlich beleidigt hätte. Sicher hatte sie meine Unlust bemerkt, versuchte aber trotzdem, mir ein Nein nicht durchgehen zu lassen.

»Tina, das wird bestimmt lustig. Schau, wir haben auf der Party totalen Männerüberschuss. Du hast gerade mit deinem Freund Schluss gemacht, oder? Schadet doch nicht, wenn du dich in der Männerwelt ein bisschen umsiehst. Mir haben vorhin ein paar Mädchen abgesagt, sodass wir viel zu viele Typies bei dem heißen Event haben.«

Ach so, auch das noch? Sie brauchte mich als Reservegast und lud mich nur ein, damit genügend Frauen auf der Party waren? Sehr nett, wirklich. Natürlich bestritt sie das vehement, als ich sie darauf ansprach. Es wäre ihr sehr wichtig, dass ausgerechnet ich dabei sein würde. Das hätte doch nichts mit den Absagen der anderen Mädchen zu tun. Ja, sicher, es wäre ein wenig kurzfristig, aber trotzdem … Sie schaute mich halb schmachtend und halb bittend an.

Damit hatte sie mich weichgeklopft, einfach deshalb, weil ich nicht mehr die Energie hatte, abzulehnen. »Na gut, meinetwegen, ich komme.«

»Super, die Party wird dir sicher Spaß machen. Aber vergiss nicht, unser Motto heißt: ‚Die Tore zu Asgard und Utgard sind geöffnet‘.«

»Was, wie bitte? Wo soll ich ein Kostüm finden für so ein merkwürdiges Motto?«

Claudia störte sich nicht an meiner leicht gereizten Stimme, sondern redete munter weiter.

»Pass auf, Tina, ganz einfach. Wir tun so, als würden wir für einen Abend die Tore zur germanischen Sagenwelt aufmachen. Sogar ein fast echter Magier wird auftreten und als Allererstes die Brücke Bifröst, den Pfad zu den mystischen Welten der ollen Germanen, öffnen. Das wird ein Spaß werden! Ein Kostüm dafür zu finden ist doch nicht so schwer. Du kannst beispielsweise eine nordische Göttin oder eine Wikinger-Kriegerin sein. Du bist doch immer so kreativ …«

Gleich danach trank Claudia ihr Glas aus, erhob sich von meinem Sofa, entschuldigte sich, dass sie noch viel für die Party vorbereiten musste, und schon war sie draußen.

Natürlich war mir klar, dass ich nur die Frauenquote auf ihrer Party erhöhen sollte. Das Gerücht ging um, bei ihr wäre immer ein leichter, schneller Aufriss möglich. Bisher war ich noch nie zu einer ihrer Feten eingeladen worden, und für einen schnellen One-Night-Stand war ich mir eigentlich zu schade.

Verdammt, ich war in die Falle getappt. Aber gut, ich hatte zugesagt, daher würde ich auch hingehen. Wer weiß, vielleicht war ja wirklich ein heißer Typ da …

Blieb nur die Frage nach dem Kostüm. Kurz überlegte ich, ob ich mich als Hexe verkleiden und Claudias Hausmagier Konkurrenz machen sollte, fand es dann aber nicht originell genug.

In den nächsten Tagen zog ich relativ lustlos durch die Kaufhäuser der Stadt und suchte vergeblich nach einem sexy Kostüm, passend zu diesem eigenartigen Motto.

Bis ich schließlich in einem Laden für extravagante Theater-Ausstattungen das richtige Outfit fand. Da gab es aus dem Film »Rote Sonja« das »wilde Kriegerin«-Kostüm, und damit konnte ich eine Wikinger-Walküre darstellen. Meine langen blonden Haare passten gut dazu.

Natürlich zeigte diese Verkleidung ordentlich Haut. Ein blau-metallisch glänzendes Bustier mit tiefem Dekolleté, ein Minirock, auch metallisch glänzend, der ganze Bauch blieb nackt. Ein breiter Gürtel mit einem Spielzeugschwert und einem Spielzeugdolch wurde meine »Bewaffnung«. Dazu noch Armbänder mit Nieten und offene Sandalen mit hohen Absätzen, deren Lederbänder kreuzweise vom Knöchel bis über die Knie geschnürt wurden. Ein breiter Stirnreif, Ohrringe in Axtform, eine Kette mit einem Schwert-Anhänger … Als ich alles zusammen angelegt hatte und mich im Spiegel betrachtete, gefiel ich mir gut.

In dieser martialischen, kriegerischen Aufmachung sah ich total verändert aus. Doch, das war es! Vorsichtig fragte ich nach dem Preis, der war nicht so hoch, wie ich befürchtet hatte. Und weil ich die komplette Ausrüstung nahm, bekam ich zehn Prozent Rabatt. Das ließ sich hören, ich zahlte und ging zufrieden heim.

Am übernächsten Tag war die Party, und eigentlich freute ich mich mittlerweile darauf. Ich zog meine Kriegerin-Walküren-Ausrüstung an und schminkte mich sehr stark. In eine Geheimtasche im Rockbund packte ich Schlüssel, Lippenstift und Geld und freute mich, dass ich keine Handtasche mitnehmen musste. Ausgiebig bewunderte ich mich fertig kostümiert im Spiegel. Ja, ich gefiel mir gut, auch wenn ich mich selbst kaum wiedererkannte.

Es war Februar, eiskalt, ich musste für die Busfahrt zum Haus meiner Freundin einen dicken Wintermantel anziehen. Für die Heimfahrt plante ich, mir ein Taxi zu gönnen. Schließlich hatte ich vor, dem Alkohol ordentlich zuzusprechen, um auf dieser Party leichter in die richtige Stimmung zu kommen. Vielleicht war ja sogar ein heißer Mann da, den ich mir »schönsaufen« konnte … Mittlerweile war ich einem kleinen Abenteuer gar nicht mehr so abgeneigt.

Claudia hatte ausdrücklich um äußerst pünktliches Erscheinen gebeten, denn ihr Hauszauberer wollte die Show zum »Öffnen der Tore« um Punkt 20 Uhr zelebrieren, als ersten Höhepunkt des Events. Nun gut, ich war rechtzeitig zur Stelle.

An der Haustür wurde mir von meiner Freundin der Mantel abgenommen und ein Begrüßungscocktail in die Hand gedrückt. Ich probierte, er war gut und sehr stark. Genau richtig also, ich trank ihn in einem Zug aus. Sofort schenkte sie mir nach, ich trank mein Glas wieder aus und stellte es dann auf einem Tischchen ab. Der Drink wirkte schnell, er schmeckte super-fruchtig, war aber anscheinend mit einer gewaltigen Menge Wodka zubereitet. Ein bisschen angeheitert war ich schon nach den zwei Gläsern.

Leicht schwankend wanderte ich zu den anderen Gästen in den Partykeller, wo der Magier seine Zauberutensilien aufgebaut hatte. Er stand hinter einem Tisch und versuchte, mysteriös und geheimnisvoll zu wirken. Dieser Typ war sehr anziehend in seinem Hexenmeister-Outfit, ich bewunderte ihn und seine Aufmachung. Mühsam löste ich dann meinen Blick von ihm und schaute mich um. Ja, hier herrschte tatsächlich gewaltiger Männerüberschuss. Leider waren die meisten Verkleidungen nicht besonders kreativ. Fast alle Kostüme waren eher eigenartig, bei einigen war das Thema total verfehlt. Einen interessanten, sexy Typen, der mich angemacht hätte, entdeckte ich nicht.

Dann hob Claudias »Magier« die Hände, bat um Ruhe und startete seine spezielle »Ich-öffne-die-Tore-Zeremonie«.

Grundsätzlich fand ich sie eher langweilig: Kerzen wurden angezündet, ein paar unverständliche Worte darüber gesprochen, dann wurden sie wieder ausgepustet. Räucherstäbchen schmorten vor sich hin und Weihrauchschwaden zogen durch den Keller. Farbiges Pulver wurde in die Luft geworfen und rieselte langsam zu Boden, wobei auch die Feiernden Farbe abbekamen. Der Magier flüsterte eigenartige Worte, bei denen ich nur Asgard, Utgard und Helgard heraushören konnte. So hießen die Welten im germanischen Mythos, oder? Ob dieser Möchtegern-Zauberer mehr davon wusste? Vielleicht konnte ich ihn nachher fragen und ihn mir dabei genauer ansehen …

Kurz vor Abschluss der magischen Zeremonie lief mir plötzlich ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Irgendetwas oder irgendwer schien mich zu beobachten, ich fühlte mich, als ob mich Blicke durchbohrten. Aber ich stand ganz hinten und keiner der Partygäste schaute auf mich. Zudem hatte ich das deutliche Gefühl, dass wirklich etwas geöffnet worden war. Ein Tor, ein Durchgang, eine magische Pforte zu einer merkwürdigen, unheimlichen Welt war aufgestoßen worden und verband sie mit der Erde. Mir war sofort klar, dass dieses Tor besser für immer fest verschlossen geblieben wäre.

Am ganzen Körper bekam ich Gänsehaut und zitterte wie Espenlaub, aber nicht vor Kälte, es war heiß hier im Keller. Grauen und Angst packten mich, sodass ich richtig bebte. Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, war das komische Gefühl vorbei und ich bekam mich wieder in den Griff. Verblüfft schüttelte ich den Kopf und musterte die anderen Partygäste. Anscheinend hatte keiner diesen beängstigenden Augenblick mit seinem unheimlichen Zauber gespürt.

Die Zeremonie ging mit ein paar lateinischen Zaubersprüchen zu Ende, der Magier lachte laut auf, wedelte mit den Händen in der Luft und bat um einen großen Drink. Den hätte er sich jetzt redlich verdient, meinte er. Schon war Claudia mit einem großen Tablett da, sie servierte erst ihm, dann uns anderen. Meinen Drink schüttete ich auf einen Zug hinunter, ich war immer noch befangen von dem, was ich vorhin gespürt hatte. Auch wenn ich das Gefühl immer noch nicht einordnen konnte. Im Moment herrschte Schweigen im ganzen Partykeller, offensichtlich mussten sich auch die anderen Gäste von der sogenannten Magie erholen. Damit hatte Claudia mit Sicherheit ihr erstes Ziel erreicht, sie hatte ordentlich Eindruck geschunden.

Es klingelte laut und lang an der Eingangstür. Dadurch löste sich die eigenartige Stimmung wieder. In der nächsten Sekunde wurde geredet, gelacht und gescherzt.

»Ach, sieh da, Nachzügler. Super, je mehr Gäste, desto besser die Party.«

Claudia eilte nach oben und kam gleich danach zurück in den Keller, vier Personen folgten ihr. Zwei davon waren Frauen, die sich als germanische Göttinnen verkleidet hatten … oder was sie so dafür hielten. Ein Mann war als Gott Odin kostümiert, mit einer Rabenfigur auf der Schulter und Augenklappe. Trotz ihrer aufwendigen Kostüme wirkten diese drei eher unscheinbar. Aber der letzte Nachzügler hatte es in sich, er war absolut sehenswert. Verkleidet war er als Krieger, ein leicht bekleideter Krieger.

Er trug nur einen Lendenschurz und quer über die Brust einen mit Nieten besetzten Waffengurt. Dazu Sandalen ohne Absatz, aber wie die meinen mit Lederriemen bis über die Knie geschnürt. Seine Haare waren lang und blond. Das Gesicht war hinter einer metallischen Vollmaske verborgen. Sie hatte eine vorstehende Nase, aber ohne Atemöffnungen und nur schmale Sehschlitze vor den Augen und einen dünnen Schlitz für den Mund. Auf der linken Schulter trug der Krieger eine gigantische Axt.

Das allein war schon auffallend genug, aber dann dieser Body! Der war sensationell, ich konnte den Blick nicht davon abwenden. Nachdem er fast nackt war, konnte ich den fabelhaften Körper genau bewundern. Die Muskeln waren perfekt ausgeprägt und gut definiert, groß, aber nicht übertrieben. Jeder Millimeter seines Oberkörpers war großartig, kein Gramm Fett, Waschbrettbauch sowieso. Die Arme und Beine muskelbepackt, aber ebenfalls nicht zu muskulös, einfach eine Show. Dazu war er glattrasiert und die Haut gebräunt. Der ganze Mann war ein einziger Augenschmaus, vor allem für eine einsame Frau wie mich, die vor Kurzem von ihrem Freund verlassen worden war.

Dann sah ich ein weiteres Detail: Die Brustwarzen des Kriegers waren mit großen Ringen gepierct. Das war offensichtlich noch frisch, anscheinend hatte jemand mit einer dicken Nadel brutal waagerecht durch die Brust gestochen. Auf der linken Seite tropfte sogar noch ein bisschen Blut aus der Wunde.

Meine Blicke hafteten immer noch an diesem Mann. Der ganze Körper war so grandios, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Von diesem schönen Männerkörper konnte ich die Augen nicht mehr losreißen. Den Magier hatte ich deshalb ganz vergessen.

Derweil stellten sich die Neuankömmlinge vor. »Hallo, ich bin Anne … äh, ich meine die Göttin Freya.«

»Und ich bin die Göttin Gefjon, die Göttin der Fruchtbarkeit – hihi, hihi.« Claudia hatte für ihre Party vorgeschrieben, dass man sich nur mit seinem Fantasienamen aus der Sagenwelt vorstellen durfte. Nun ja, ein Geheimnis waren die beiden Frauen trotzdem nicht. Die kannte ich auch im wahren Leben und ohne Verkleidung, sie waren nicht allzu interessant. Dann waren die zwei Männer dran und mussten sich vorstellen.

»Hört, Menschenvolk, ich bin Odin, der Herrscher über die Götter.« Das sollte wohl mit Donnerstimme kommen, leider reichte das Volumen des grünen Jünglings nicht ganz aus und er kickste am Schluss. Zum Glück konnte ich ein boshaftes Kichern gerade noch unterdrücken.

»Der Axtkämpfer ist Saxran, aus Helheim kommend.« Als ich diese Stimme hörte, zuckte ich zusammen. Wahrscheinlich war es nur die dicke Maske, weshalb die Worte so mysteriös klangen, aber der Mann hörte sich an, als ob er wirklich aus einer anderen Dimension stammte. Dieses heisere, hypnotische Timbre war sehr unheimlich, wieder liefen mir Schauer über den Rücken. Wie vorhin hatte ich einen Moment das Gefühl, beobachtet zu werden.

Schnell schüttelte ich mein Unbehagen ab und widmete mich wieder diesem Krieger, dessen Körper ich überaus geil fand. Schließlich waren wir hier auf einer heißen Party, bei der die Gastgeberin hoffte, dass sich ein paar Leute für einen wilden One-Night-Stand zusammenfinden würden. Auch wenn ich normalerweise nicht sehr draufgängerisch war, nahm ich jetzt meinen ganzen Mut zusammen, ging zu Saxran, stellte mich dicht vor ihn und redete ihn an.

»Hallo, du Axtkämpfer, hallo Saxran. Ich bin … also … ich bin die Kriegerin Sonja, die mit Schwert und Dolch.«

Antwort bekam ich keine, Saxran musterte mich nur abschätzig von oben nach unten. Seine Augen funkelten durch die schmalen Schlitze der Maske. Sie waren grau, wild und stechend. Mir wurde unbehaglich unter diesem forschenden Blick. Anscheinend war der Mann doch nicht so aufgeschlossen, wie ich es von einem Freund Claudias eigentlich erwartet hätte. Um die leichte Verlegenheit wegen meiner plumpen Anmache zu überbrücken, redete ich schnell weiter.

»Weißt du, du hast einen echt tollen Körper, Saxran. Klasse, einfach klasse. Machst du viel Bodybuilding?«

Der Axtkämpfer musterte mich, während er mit der rechten Hand die Axt auf seiner Schulter zurechtrückte. Jetzt glaubte ich, ein bisschen mehr Interesse in seinen stechenden Augen zu sehen. Vielleicht hoffte ich es auch nur. Er antwortete immer noch nicht, wandte sich aber auch nicht ab, sondern schätzte meine Figur und meine Aufmachung genauer ab, was mir den Mut gab, weiterzuplappern.

»Wie machst du das nur, so einen Body zu haben? Das muss doch verdammt schwer sein … äh … glaube ich. Du trainierst sicher jeden Tag stundenlang? Jedenfalls … also, ich finde deinen Körper sexy. Richtig anregend, das ist …« Verlegen brach ich ab, kicherte und hoffte, mich nicht allzu lächerlich gemacht zu haben.

Claudia kam mit einem Tablett voller Drinks vorbei und wir nahmen uns ein Glas. Claudia zwinkerte mir zu und flüsterte mir ins Ohr: »Na, habe ich dir zu viel versprochen? Der Typ da kommt von einem Rollenspiel, der gefällt dir, was! Komm schon, keine Feigheit, schnapp ihn dir. Im ersten Stock sind die Gästezimmer, verzieht euch einfach für ein Stündchen …«

Anscheinend hatte auch Saxran Claudias Worte verstanden, obwohl sie nur geflüstert hatte. Na gut, sie hatte sehr laut geflüstert … Verlegen schaute ich in mein Glas und trank es in einem Zug aus.

Saxran nahm nur einen kleinen Schluck, er hatte beim Trinken aus dem dickwandigen Cocktailglas durch den schmalen Schlitz der Maske offensichtlich Schwierigkeiten. Kurz fragte ich mich, wie er überhaupt atmen konnte. Wir stellten unsere Gläser gleichzeitig beiseite.

In der nächsten Sekunde packte mich Saxran hart um die Taille und zog mich an sich. Natürlich wehrte ich mich nicht, ganz im Gegenteil. Ich drängte mich eng an ihn, dieser muskulöse Körper fühlte sich noch besser an, als er aussah. Dazu ging von dem Mann ein schwacher, aber sehr erotischer Duft aus, ähnlich wie ein bestimmtes süßes, sinnliches Männerparfüm, das ich überaus schätzte.

Saxrans Haut war warm und samtig, die Muskeln spielten leicht darunter. Ich schmiegte mich noch enger an ihn und fühlte mich großartig dabei. Als ich an das Piercing der rechten Brustwarze kam, fiel ein Tropfen Blut auf mein Dekolleté. Meine Haut brannte an der Stelle sofort wie Feuer, aber ich beachtete das nicht weiter.

Saxran drückte mich hart, fast brutal, an sich, ich fühlte mich dabei sehr geborgen. Natürlich war diese Situation sexuell stimulierend, ich war so geil, dass ich es kaum aushalten konnte. Noch nie war ich auf einen Mann so abgefahren wie auf ihn. Claudias Angebot, uns in ein Gästezimmer zu verziehen, hätte ich jetzt liebend gerne angenommen. Normalerweise war ich nicht ganz so schnell bereit, mit einem Fremden ins Bett zu steigen, aber momentan zitterte ich bereits in heißer Vorfreude und konnte an nichts anderes als an wilden Sex denken.

Der Axtkämpfer schien seine eigenen Vorstellungen zu haben. Zum zweiten Mal an diesem Abend hörte ich seine heisere, sinnliche und hypnotische Stimme. »Du sagst, der Axtkämpfer Saxran gefällt dir? Der Körper von Saxran aus Helheim ist verlockend für dich? Dann komm!«

Er ließ meine Taille los, packte meinen linken Oberarm und zog mich abrupt mit sich. Er trug mich fast und ich staunte über seine Kraft. Wir stiegen die Treppe aus dem Keller zum Erdgeschoss hoch. Dann drehte er sich von den Stufen zum ersten Stock mit den Gästezimmern weg und zog mich zur Eingangstür.

»Wohin willst du denn? Wir können doch gleich hier … da sind leere Zimmer …«

»Nein. Du kommst mit Saxran nach Helheim.«

Die Worte waren hart und befehlend, die Stimme wirkte hypnotisch auf mich. Saxrans Hand hatte meinen Oberarm immer noch fest im Griff. Kurz versuchte ich, mich herauszuwinden, schaffte es aber nicht und konnte auch nicht gegen diese rüde Behandlung protestieren, ich brachte kein Wort heraus. Im Flur gelang es mir, schnell meinen Mantel vom Haken zu reißen und umzuhängen. Saxran stieß die Haustür mit der Schulter auf und schob mich vor sich nach draußen.

Moment, ging diese Tür nicht nach innen auf? Aber ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Kaum waren wir im Freien, wurde ich durch die nächtlichen Straßen geführt, eigentlich mehr geschleppt. Saxran hielt meinen Oberarm immer noch fest im Griff. Der Mantel hing mir nur lose über den Schultern und ich musste ihn vor der Brust mit der freien Hand zusammenhalten.

Während ich bibberte, da ich der Kälte fast ungeschützt ausgeliefert war, schien das meinem Begleiter nichts auszumachen. Er war halbnackt, aber er zitterte nicht und seine Haut an meiner fühlte sich warm an.

Saxran zog mich weiter mit sich, ich sträubte mich jetzt nicht mehr dagegen. Ich war geil, wollte mit ihm ins Bett und Sex haben, daher ließ ich es zu, so rüde verschleppt zu werden. Außerdem bezweifelte ich, dass ich mich aus seinem festen Griff lösen konnte. Sprechen konnte ich immer noch nicht. Wieder hatte ich das Gefühl, von irgendwoher beobachtet zu werden.

»Komm weiter, wir sind bald da.« Die Stimme hatte immer mehr hypnotisches Timbre, ich musste dem Axtkämpfer wie in Trance folgen. Wir gingen mit großen Schritten durch die Straßen meiner Heimatstadt, aber schnell wusste ich nicht mehr, wo wir waren. Die Gegend wurde dunkler und schäbiger, die Straßenbeleuchtung wurde von Minute zu Minute schwächer, bis auf einmal die Laternen ganz aufhörten. Es war stockdunkel, unser Weg wurde immer schlechter, der Bürgersteig war verschwunden, die Straße mittlerweile nur noch ein Schotterweg, voll mit Stolpersteinen und Schlaglöchern. Noch nie hatte ich in dieser Stadt so enge, schäbige, ungepflegte Gassen gesehen. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, mich durch eine unsichtbare Barriere drängen zu müssen. Nur der starke Griff von Saxran an meinem Oberarm und die Tatsache, dass er mich mit sich zog, ermöglichten es mir, diese Stelle zu passieren. Zu sehen war nichts, schon war es wieder vorbei und ich fragte mich gleich danach, ob ich mir das nicht nur eingebildet hatte.

Das Licht änderte sich abrupt zu einem nebligen Halbdunkel und ich schaute mich um. Die Häuser auf der anderen Seite des merkwürdigen Hindernisses hatten keine Ähnlichkeit mehr mit denen, die in Claudias gepflegtem Vorort standen. Hier gab es nur noch verfallene, heruntergekommene, schäbige Hütten. Je weiter wir liefen, desto dreckiger und verfallener wurden die Gebäude an der Straße.

Dann fiel mir auf, dass ich nicht mehr fror. Im Gegenteil, mir war warm geworden unter dem dicken Mantel. War die Temperatur etwa gestiegen, wie konnte das sein? Als ich zu Claudia aufgebrochen war, war es schon deutlich unter null Grad gewesen. Als ich den Kopf zu Saxran drehte und ihn mit zitternder, brüchiger Stimme danach fragte, schüttelte er nur schweigend den Kopf. Wieder versuchte ich, mich freizumachen, wie vorher war das vergeblich. Also musste ich mich in dem harten Griff weiterzerren lassen. Langsam bekam ich Angst und fragte mich verwirrt, wohin mich dieser merkwürdige Mann bringen wollte.

Endlich war unser »Spaziergang« zu Ende, wir kamen an eine Hütte, die noch schäbiger war als alles, was ich vorher gesehen hatte. Diese verfallene Bude hatte aber – im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern hier – einen eingezäunten Garten. Der Zaun war sehr hoch, aus dicken, eng nebeneinandergesetzten Gitterstäben gefertigt, mit scharfen, eisernen Spitzen als oberen Abschluss. Gleich danach sah ich ein schweres Eingangstor im Zaun.

Saxran stieß dieses Tor mit der Schulter auf und schob mich hindurch, ohne mich dabei aus seinem Klammergriff zu entlassen. Nachdem er hinter mir durchgegangen war, schlug er das Tor zu, das mit einem metallischen, harten »Klick« ins Schloss fiel. Immer noch hatte er meinen Oberarm in seinem brutalen Griff gefangen. Wir gingen ein paar Schritte durch einen schäbigen Garten, in dem einige halbverdorrte Pflanzen standen. In dem schwachen Licht konnte ich nicht erkennen, was für Unkraut das war.

Schon waren wir am Eingang der Hütte. Saxran stieß auch hier die Tür mit der Schulter auf. Er schob mich weiter vor sich her und drängte mich durch einen engen Gang in ein Zimmer. Das war relativ groß und ich versuchte, im Halbdunkel die Einrichtung zu erkennen. Sie schien vor allem aus einem riesigen, ausladenden Bett zu bestehen. Nun gut, dafür waren wir ja hier, ich seufzte kurz auf. Eigentlich war ich immer noch der Meinung, dass es ein Gästezimmer bei Claudia auch getan hätte. Wenigstens war ich durch den langen Spaziergang wieder nüchtern geworden und konnte meine Lage klarer einschätzen. Und die gefiel mir momentan nicht besonders gut.

Saxran lockerte den Griff um meinen Oberarm, ich löste mich mit einer Drehbewegung ganz von seiner Hand. Wahrscheinlich hatte ich ein paar dicke blaue Flecken abbekommen. Die Stellen, an denen die Finger des Kriegers gewesen waren, taten sehr weh. Das schob ich fürs Erste beiseite, ich legte die Hände auf Saxrans Brust und hob sie dann in Richtung Maske. Die würde ich ihm jetzt abnehmen, ich war mittlerweile verdammt neugierig und wollte wissen, wer mich so rüde entführt hatte.

Mit einem Ruck packte Saxran, der die Axt immer noch auf der Schulter hielt, mit seiner freien Hand meine Handgelenke und drückte sie brutal nach unten. Das tat gemein weh und ich schrie laut auf. Der Druck und der Schmerz an meinen Handgelenken ließen etwas nach, aber anscheinend war er wütend, denn er brüllte mich barsch an: »Der Axtkämpfer Saxran legt niemals seine Maske ab.«

»Ja, gut, wenn du meinst … meinetwegen. Stört das Ding nicht dabei … so vorm Gesicht? Kannst du überhaupt küssen … ich meine …?«

»Das wirst du erfahren.« Der Krieger ließ meine Handgelenke los und stieß mich von sich. Während ich noch überlegte, was das zu bedeuten hatte, redete mich Saxran wieder an. Die Stimme war immer noch rau und hypnotisch, hatte jetzt aber einen grausamen Unterton bekommen.

»Zieh dich ganz aus und geh ins Bad. Die Tür da drüben, du weißt, was du zu tun hast. Dann legst du dich nackt und mit gespreizten Beinen auf das Bett. Los, mach’ schon.«

Von einem anderen Mann hätte ich mich sicher nicht so behandeln lassen, bestimmt hätte ich auch gegen diesen Befehlston protestiert, aber ich war immer noch wie hypnotisiert. Kurz versuchte ich, nein zu sagen, aber ich schaffte es nicht. Mit einem Achselzucken legte ich den Mantel auf den Boden und warf den Gürtel mit den Spielzeugwaffen darauf. Anschließend streifte ich meinen Schmuck ab und legte ihn dazu. Zum Schluss zog ich die Schuhe aus. Das war ziemlich mühsam, da ich die Schnürbänder um die Unterschenkel daheim zu fest angezogen hatte. Ich musste sie ganz vorsichtig lösen, sie hatten auf unserem Spaziergang tief eingeschnitten und blutige Striemen auf der Haut hinterlassen. Der Axtkämpfer starrte gierig darauf, anscheinend gefiel ihm das Muster auf meiner Haut.

Bevor Saxran etwas sagen konnte, ging ich, noch mit Bustier und Rock bekleidet, durch die schwere hölzerne Tür in das sogenannte Bad. Meine Güte, war das primitiv, der ganze Raum starrte nur so vor Dreck. Ich hatte das Gefühl, in einem üblen Slum gelandet zu sein …

Es gab keine Dusche, sondern nur einen großen Waschtrog, gefüllt mit eisigem Wasser, das nicht einmal sauber war. Eine ölige Schicht schwamm auf der Oberfläche, ich schöpfte den Hauptdreck behutsam mit den Händen ab. Dann machte ich mich ein wenig frisch und ging zurück ins Schlafzimmer.

Saxran stand noch an der Stelle, an der ich ihn verlassen hatte. Er hatte die Axt von der Schulter genommen und schwang sie in weiten Kreisen umher. Erst über dem Kopf, dann in Schulterhöhe.

Als ich aus der Tür trat, verfehlte er mich nur knapp, ich konnte gerade noch verhindern, dass er mich mit der Klinge streifte. Auch wenn das nur eine Dekowaffe war, war sie doch verdammt groß und sah schwer aus.

»Hey, Mann, was soll das? Du hättest mich beinahe erwischt mit dieser Axt! Stell’ das blöde Teil endlich weg.«

Saxran blickte mich an und seine stechenden, grauen Augen funkelten böse durch die Sehschlitze. Er zögerte, dann nickte er und lehnte die Axt schräg an die Wand, genau über dem Kopfteil des Bettes. Sie war so gigantisch, dass sie ein Stück über das Bett ragte. Komische Art, eine Waffe abzulegen, aber bitte … meinetwegen.

»Saxran aus Helheim geht jetzt ins Bad. Wenn er zurückkommt, musst du auf dem Bett liegen, bereit für ihn.« Damit verschwand er durch die Badezimmertür, während ich mich vor Ekel schüttelte, als ich an den Dreck dort dachte.

Außerdem nervte mich die Sache langsam, aber sicher. Ich vermutete mittlerweile, dass er eine Art Rollenspiel aus dem Sex machen wollte. Claudia hatte ja gesagt, dass er in so einem Game mitmachte. Eigentlich schön und gut, ich hatte erstaunlicherweise Lust, dabei mitzuspielen. Auch wenn ich normalerweise eher simpel gestrickt war, würde ich ein bisschen Abwechslung zum 08/15-Sex im Moment nicht ablehnen. Aber nur, wenn es nicht zu abartig war. Für meinen Geschmack übertrieb Saxran gewaltig. Er behandelte mich wie eine Sklavin, und das gefiel mir ganz und gar nicht.

Mit Rock und Bustier bekleidet setzte ich mich auf das Bett, das bei näherem Hinsehen ein eigenartiges Modell war. Am Kopf- und Fußende hatte es dicke, aus Eisen geschmiedete Gitter, die Stäbe hatten scharfe Spitzen. Das ganze Gestell war aus solidem, schwerem Metall. Die blanke Matratze, auf der ich saß, war alt, hart und durchgelegen.

Zögernd schlug ich die Beine hoch und legte mich hin, den Oberkörper ein wenig angehoben. Um eine bequemere Position auf dieser schäbigen Matratze zu finden, schob ich mich ein Stück nach oben. Dabei stieß ich versehentlich an den Axtschaft. Die Waffe rutschte ein Stück nach unten und war jetzt verdammt nah über dem Kopfteil. Ein Instinkt sagte mir, dass es Saxran nicht gefallen würde, wenn seine Waffe nicht mehr an ihrem Platz stand. Seufzend hob ich die Arme und wollte die Axt wieder in die vorherige Position bringen. Aber sie war sehr schwer und ich konnte sie auch mit äußerster Anstrengung keinen Millimeter bewegen.

Verdammt, das war mit Sicherheit kein Dekoteil, gemacht für ein Faschingskostüm oder ein Rollenspiel. Diese Streitaxt war eine echte, schwere Waffe … und die hatte Saxran gerade so lässig-leicht umhergewirbelt? Musste der Mann Kraft haben …

Im Hintergrund meines Gehirns fing eine Alarmglocke zu läuten an. Neugierig strich ich mit einem Finger über die Klinge. Mit einem kurzen Schmerzensschrei zog ich ihn sofort wieder zurück. Sie war rasiermesserscharf, ich hatte mich tief ins Fleisch geschnitten. Ich leckte das Blut ab und starrte total verblüfft abwechselnd auf meine Hand und die Axtklinge. Das war also eine echte Streitaxt, eine gigantische, gefährliche, tödliche Waffe, mit der Saxran offensichtlich ausgezeichnet umgehen konnte.

Mir wurde flau im Magen, ich war schockiert. Die Maske, die der Mann nicht abnehmen wollte, diese schäbige Gegend, eine brutale Waffe … Dazu hatte ich das deutliche Gefühl, dass ich irgendwo war, wo ich nicht sein sollte … Wieder hatte ich ganz kurz das Gefühl, amüsiert betrachtet zu werden. Ich erinnerte mich an diesen merkwürdigen Spaziergang durch dunkle, schäbige Gassen, das Hindernis auf dem Weg, wie eine unsichtbare Barriere …

Mühsam unterdrückte ich die aufsteigende Angst und wartete darauf, dass Saxran aus dem Bad kam. Bevor ich mich auszog, wollte ich genau wissen, wo wir hier waren, was er mit mir vorhatte und was das alles zu bedeuten hatte.

Mit einem unmelodischen Knarzen öffnete sich die Badtür und Saxran kam ins Schlafzimmer. Er war nackt, sein Körper war wunderschön, die Brustwarzen mit den Piercings bluteten stark, das Blut lief in dicken Strömen über seine Brust. Ein leichter, goldener Schimmer schien einen Augenblick lang von seinem Körper auszugehen. Sein Schwanz war groß, hoch aufgerichtet und zuckte leicht, ein wirklich schöner Anblick, und für einen Moment war ich wieder total geil. Aber dann sah ich, dass er mir etwas entgegenstreckte, und zwar harte, dicke Stricke. Mit kehligem Lachen warf er sie direkt auf meinen Bauch. Entsetzt spürte ich, dass die Stricke auch noch nass gemacht worden waren.

»Was zum Teufel soll das, Saxran? Was hast du vor? Ich verlange eine Erklärung!« Meine Stimme zitterte, aber in meiner Wut und Angst schaffte ich es, mich teilweise aus dem hypnotischen Bann, der mich bisher gefangen gehalten hatte, zu lösen. Zumindest konnte ich wieder frei reden.

»Du wirst jetzt sofort deine Füße an das Gitter binden, die Beine weit geöffnet. Dann machst du eine Hand über dem Kopf fest, die andere werde ich selbst anbinden. Los, mach schon!« Den letzten Satz hatte Saxran gebrüllt. Dass ich nicht nackt war, hatte er nicht bemerkt oder es störte ihn nicht.

Dieser Körper war wunderschön und anregend, die Stimme immer noch sexy, rau und hypnotisch, aber Saxran hatte in diesem Moment seine Macht über mich verloren. Jetzt übernahmen Angst und Panik endgültig die Kontrolle über meinen Verstand. Auf der von Saxran abgewandten Seite sprang ich mit einem Satz aus dem Bett.

»Nein, auf gar keinen Fall! Fesseln lasse ich mich nicht. Und dann vielleicht auch noch vergewaltigen? Nie und nimmer!«, brüllte ich ihm ins Gesicht.

Ohne zu antworten, kam Saxran um das Bett und griff nach meinem Arm. Das hatte ich vorhergesehen, ich sprang zurück aufs Bett, war mit zwei Schritten darüber, sprang auf der anderen Seite hinunter und riss die Badtür auf. Schnell hinein, von drin schlug ich die Tür zu. Das altertümliche, riesige Schloss hatte einen soliden Riegel, den ich zitternd vorschob.

Vorhin hatte ich in diesem schäbigen Bad eine zweite Tür gesehen. Sie war nur klein und schmal, aber vielleicht führte sie nach draußen und ich konnte aus diesem unheimlichen Haus abhauen.

Während Saxran im Zimmer wütend nach mir brüllte, riss ich heftig an der anderen Tür und brachte sie weit genug auf, dass ich mich hindurchzwängen konnte. Dahinter war ein Schuppen, der klein, niedrig und voll mit altem Gerümpel war. In dieser Rumpelkammer gab es zum Glück gegenüber wieder eine Tür. Ich kletterte über den Müll und stieß sie auf. Sie führte aus dem Haus und in den Garten. Erleichtert atmete ich auf.

Raus hier, nur raus, das war alles, was ich denken konnte. Schon bei den ersten Schritten merkte ich entsetzt, dass der Boden mit Dornenbüschen überwuchert war. Mit jedem Meter schien das Gestrüpp höher und dichter zu werden. Barfuß musste ich mir einen Weg hindurchbahnen. Die furchtbaren Dornen bohrten sich in meine Fußsohlen, stachen in die Knöchel und rissen die Haut an den Unterschenkeln auf. Bald gingen sie mir bis zur Hüfte und stachen durch meine spärliche Kleidung, ich blutete am ganzen Körper, es tat höllisch weh. Trotzdem gab ich nicht auf und kämpfte mich durch die Hecke. Endlich kam ich an den Zaun. Rechts von mir musste das Gartentor sein, aber es war mit Sicherheit keine gute Idee, dahin zu gehen. Wahrscheinlich lauerte Saxran am Eingang, um mich wieder in die Hände und in sein Bett zu bekommen. Das durfte ich nicht riskieren, ein zweites Mal würde er mich sicher nicht entkommen lassen.

So wandte ich mich nach links, drückte mich am Zaun entlang und kämpfte weiter gegen diese furchtbare Dornenhecke. Mit Bustier und Minirock, ohne Schuhe und Mantel, war das eine gewaltige Tortur. Mittlerweile blutete ich aus vielen kleinen Wunden am ganzen Körper, meine Füße waren eine einzige Schmerzlandschaft.

Glücklicherweise bekam ich endlich die Chance, aus diesem grässlichen Garten zu fliehen, obwohl der Zaun viel zu hoch zum Überklettern war. Aber auf der Rückseite des Hauses war ein Teil des Gitters umgekippt und bildete eine schräge Brücke zur Straße. Da war mein Ausweg, mein Ausgang.

Mühsam schwang ich mich hoch, balancierte auf allen vieren auf den Eisenstäben nach vorne und hielt mich an den scharfen Spitzen fest, auch wenn sie mir tief ins Fleisch schnitten. Am Ende wuchtete ich mich darüber und sprang auf die Straße. Ich überstand den Sprung, landete sicher und stand auf hartem Schotter. Zum Glück hatte ich mir nichts verstaucht oder gar gebrochen. Kurz spürte ich eine Art Verblüffung und echte Überraschung in meinem Verstand, gleich danach war das Gefühl wieder weg.

In der nächsten Sekunde rannte ich auch schon los, einfach nur geradeaus, weg von dem Horror-Haus. In meiner Panik achtete ich auf gar nichts, ich rannte wie irre, immer geradeaus, die Schmerzen in meinen Füßen ignorierend. Adrenalin schoss in mein Blut und schenkte mir ungeahnte Kräfte. Die Dornen in meinen Fußsohlen beachtete ich nicht, genauso wenig wie das leichte Seitenstechen in meinem Bauch. Ich wollte einfach nur so viel Abstand wie möglich zwischen mich und Saxran bringen. Als er mich hierher geschleppt hatte, waren wir ständig nach links oder rechts abgebogen, aber ich versuchte gar nicht, diesen komplizierten Weg wiederzufinden.

So raste ich in voller Panik, meine Lungen brannten, ich bekam kaum mehr Luft, meine Beine waren schmerzende Klumpen. Blut floss aus den Wunden, die die Dornen in meiner nackten Haut hinterlassen hatten. Plötzlich war ich an der unsichtbaren Barriere angekommen. Ich rannte direkt dagegen, wurde gestoppt und kämpfte wie wild, um sie zu passieren. Stoßend und drückend versuchte ich, dieses eigenartige, nicht sichtbare Hindernis zu überwinden. Endlich gab es nach und ich taumelte auf der anderen Seite heraus. Hoffentlich hatte ich es damit zurück in meine eigene Welt geschafft. Ein amüsierter, aber auch erstaunter Gedanke streifte mich eine Sekunde. Mittlerweile wunderte ich mich über gar nichts mehr.

Keuchend blieb ich nach ein paar Schritten stehen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ja, ich war ganz sicher auf der richtigen Seite der Barriere: Hier gab es Bürgersteige, Asphaltstraßen und ordentliche Straßenbeleuchtung.

»Hey Mädel, das muss ja eine tolle Party gewesen sein, so wie du aussiehst. Sado-Maso-Event, was?«

»Hat dich dein Kerl echt laufen lassen, nachdem er dich so zugerichtet hat?«

Schallendes Gelächter folgte mir, als ich sofort wieder losrannte und die beiden Männer, die in ganz normalen Klamotten am Straßenrand herumlungerten und mich angafften, einfach ignorierte. Schon kam ich an eine Straßenkreuzung, die ich eigentlich kennen sollte.

Deshalb stoppte ich erneut, lehnte mich an eine Litfaßsäule und atmete tief durch, während ich mich umschaute. Ja, das war das Viertel, in dem Claudia wohnte. Hübsche, gepflegte Reihenhäuser mit höchstens zwei Stockwerken, ein paar freistehende Einfamilienhäuser, schön angelegte Gärten. Und außerdem war es kalt hier, verdammt kalt. Plötzlich begann ich zu zittern, der Schweiß fror in Sekundenschnelle auf meiner Haut zu kleinen Eiszapfen.

Jetzt spürte ich deutlich, dass ich barfuß und nur mit einem Bustier und einem Minirock bekleidet war. Ich würde mir den Tod oder zumindest eine Lungenentzündung holen, wenn ich noch länger in der Kälte herumstand.

Den Tod holen? Bei dem Gedanken zuckte ich zusammen. Was hatte er gesagt, der maskierte Typ, vor dem ich gerade geflohen war? Er hatte sich »Axtkämpfer Saxran aus Helheim« genannt. War das etwa die Hölle, hatten die nordischen Völker ihre Hölle nicht Helheim oder Helgard genannt?

Wo zum Teufel war ich gewesen? Wo hatte dieser verrückte Mann mich hingeschleppt? Was war eigentlich genau passiert? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antworten hatte.