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Table of Contents

Titel

Impressum

VORWORT

UM WEN ES SICH HANDELT:

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

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Reimer Jürgensen

 

 

Das Geheimnis der Fenne

Kommissar Mommsens vierter Fall

Ein Föhr-Krimi

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

Copyright by: Reimer Jürgensen

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2018

ISBN: 9783957536044

weiss.jpgUmschlaggrafik Copyright by Fotolia by Benno Hoff

 

VORWORT

Wer Föhr erlebt hat, kommt davon nicht wieder los. So geht es auch dem Autor. Daher spielt auch dieser Roman wieder auf der Insel. Die einzigartige Lage im Meer mit dem Rundumblick auf die Halligen, auf Amrum, Sylt und das ferne Festland, das Leben mit und gegen das Meer, die Faszination der Weite der Marsch, die jahrhundertealte Mischung aus bäuerlicher und seefahrerischer Kultur, aus Heimat und Weltläufigkeit, sind nicht nur Kulisse, sondern auch ein Horizont, der den Handlungen Bedeutung verleiht. Die Insel ist aber nicht nur Idylle, sondern auch Teil einer Welt im Wandel. Die Gefährdung der natürlichen Grundlagen, wie sie auch im Anstieg des Meeresspiegels zu befürchten ist, die Zurückdrängung bäuerlicher Existenzen durch den Druck internationaler, profitgeleiteter Märkte, ein Tourismus, der sich gegen die Konkurrenz niedrigpreisiger Länder behaupten muss, u. a. m. führen dazu, dass diese Veränderungen auch auf der Insel spürbar werden.

Dies ist ein Roman. Daher sind die Personen und ihr Handeln freie Erfindungen der Fantasie des Autors. Etwaige Ähnlichkeiten mit realen Personen wären nur Zufall. Real ist allerdings das Projekt der Aufstockung der Deiche.

Auch für diesen Roman hat Peter Groppler einen wesentlichen Beitrag zur sprachlichen Gestaltung geleistet. Seine Empfehlungen zur Verständlichkeit des Textes habe ich gerne und mit Gewinn aufgegriffen. Dafür möchte ich ihm meinen Dank sagen.           

Übrigens: Der Begriff „Fenne“ bezeichnet Weideland, Grünland

 

UM WEN ES SICH HANDELT:

Holger Langhans:

Wirt der Hafenkneipe „Bi Hella“ in Wyk, Frauenverehrer mit dem Hobby Hochseesegeln

Jennifer van Reken:

Langhans’ neueste Eroberung aus der Karibik, führt seine Kneipe, wenn er auf hoher See ist.

 

Laura Voss:

Langhans’ Schwester; ist da, wenn sie gebraucht wird.

Lars Witthöft:

Kassenwart des Naturschutzvereins „Naturraum e.V.“, Anlageberater mit unseriöser Veranlagung

Sven Witthöft:

Sein nicht sehr liebenswerter Bruder, dem das Schicksal und seine Mitmenschen auch nicht immer gut mitspielen.

Edith Witthöft:

Sven Witthöfts Frau, die einen Roman ihres Lebens braucht, um dieses auszuhalten.

Per-Oluf Ketels:

Bauunternehmer mit dem Hang, sich durch kleine Geschenke hilfreiche Freundschaften zu sichern, Arbeitgeber von Sven Witthöft.

Uwe Ilsemann:

Chef der Jäger, führt seinen Hund „Boss“ in der Oevenumer Marsch spazieren und bekommt Pikantes zu sehen, was allerdings den Hund nicht interessiert.

Günter Dienskämper:

Patient aus der Rehaklinik „Uthlande“, wird gesucht. 

Stefanie Leister:

Patientin der Rehaklinik „Uthlande“, mehr als ein Kurschatten, fährt nach Ende der Kur nicht nach Hause.

Marion und Georg Weirich:

Besitzer einer Ferienwohnung auf Föhr; sie nimmt ihre Romanze mit ihrem Liebhaber nicht sehr romantisch, er prügelt sich mit ihm.

Cosima Bernstädt:

Malerin auf Föhr, Tochter eines Wagnerverehrers, Lebensgefährtin von:

Ludwig Mommsen:

Kriminalhauptkommissar

Caroline Hositz:

Oberkommissarin mit feministischer Einstellung

Dirk Schön,

weniger feministischer Oberkommissar

Lürrsen und Friedrichsen

Polizisten auf Föhr

 

1. KAPITEL

24. September

„Trotzdem, wir können nicht einfach abwarten. Wir haben auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Patienten. Herr Dienskämper ist zum letzten Mal gestern beim Mittagessen gesehen worden. Das ist jetzt fast 24 Stunden her. Der ist gestern Abend gewiss nicht nur in einer Disco versackt. Sie müssen unbedingt die Polizei einschalten.“

Oberschwester Renate schaute Heinz Fliedner, den Verwaltungsleiter der Rehaklinik „Utlande“ auf Föhr kampfbereit an. Dieser seufzte kurz, wandte sich seinem Laptop zu, rief die Daten des Patienten auf und las laut vor:

„Günter Dienskämper, geb. am 6.6.1978, wohnhaft in Wesel, verheiratet, hier in der Klinik seit dem 15.9. aufgrund seines Asthmas.“ Dann zu Schwester Renate: „Hat er ein Einzelzimmer oder hat er einen Zimmergenossen?“

„Einzelzimmer!“ Mit dieser knappen Antwort deutete sie an, dass sie nicht bereit war, sich auf eine weitere, verzögernde Diskussion einzulassen.

„Dann haben wir auch keinen Zeugen dafür, wo er die Nacht verbracht hat.“

„Aber wir haben genügend Zeugen, dass er zum Abendessen, zum Frühstück und zur Visite heute Vormittag nicht da war. Und sein Bett ist unberührt.“

„Also gut, ich spreche mit der Polizei.“ Nach einem kurzen Blick in sein Telefonverzeichnis rief Heinz Fliedner die Wyker Polizeistation an.

„Henning Lürrsen, Polizei Wyk. Was kann ich für Sie tun?“

„Henning, hier ist Heinz Fliedner. Ich glaube, ich muss eine Vermisstenmeldung machen. Einer unserer Patienten ist verschwunden, ein Günter Dienskämper aus Wesel.“

„Wie lange ist der denn schon abgängig?“

„Seit gestern Mittag. Da war er zum Essen noch da. Danach hat ihn keiner mehr gesehen.“

„Du weißt aber, dass wir erst nach 48 Stunden eine Vermisstenfahndung herausgeben können. Vielleicht ist er nach Hause gefahren, ohne euch zu informieren. Das ist doch schon vorgekommen. Habt ihr denn bei seiner Familie nachgefragt?“

„Nee, ich wollt erst deinen Rat einholen, bevor ich seine Frau aufrege. Aber o. k., ich werde mich erst einmal bei ihr erkundigen. Ich melde mich wieder, wenn ich mehr weiß.“ Heinz Fliedner legte auf und suchte die Telefonnummer von Günter Dienskämpers Ehefrau heraus.

„Ja?!“, meldete sich eine unwirsche Frauenstimme, die ihn spüren ließ, dass sein Anruf ungelegen kam.

„Spreche ich mit Frau Dienskämper?“

„Ja doch. Und wer sind Sie?“

„Fliedner von der Rehaklinik ‚Utlande‘ in Utersum auf Föhr. Frau Dienskämper, ist Ihr Mann bei Ihnen zu Hause?“

„Soll das ein verspäteter Aprilscherz sein? Mein Mann ist doch seit über einer Woche bei Ihnen zur Kur. Vorgestern hat er mir über WhatsApp noch Bilder von der Insel und der Klinik geschickt.“

„Nein, leider kein Aprilscherz. Ihr Mann ist seit gestern Mittag nicht mehr gesehen worden. Daher machen wir uns Sorgen, wo er geblieben ist. Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte? Ich möchte keine Vermisstenmeldung bei der Polizei aufgeben, bevor wir nicht alle anderen Möglichkeiten überprüft haben.“

Fliedner registrierte ein verhaltenes Schweigen in der Leitung. „Frau Dienskämper?“, brachte er sich in Erinnerung.

„Ja, ich überlege gerade. Er wollte nach der Kur – also auf dem Rückweg – noch seine Schwester in Pinneberg besuchen. Aber die Kur dauert ja noch fast zwei Wochen. Gut, ich werde sie gleich anrufen, ob sie was von ihm gehört hat.“

„Tun Sie das bitte. Und benachrichtigen Sie mich gleich, wenn Sie mit seiner Schwester gesprochen haben.“

Nach wenigen Minuten meldete sich Dienskämpers Frau mit dem Bescheid zurück, dass dessen Schwester keine Nachricht von ihrem Bruder erhalten habe. Fliedner vereinbarte mit ihr, dass er das Gelände der Rehaklinik nach ihrem Mann absuchen lassen würde und sich auch im Wyker Krankenhaus erkundigen wollte, ob Dienskämper dort eingeliefert worden sei. Sollte dieser bis zum nächsten Morgen nicht wieder auftauchen, müsste er eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben.

Fliedner war nun ernsthaft besorgt. Nach dem Gespräch begab er sich mit der Oberschwester zum Zimmer des verschwundenen Patienten. Gemeinsam versuchten sie zu klären, ob Dienskämper vor seinem Verschwinden seinen Koffer gepackt habe. Sie fanden einen leeren Rollkoffer sowie Wäsche und Garderobe im Schrank.

„Das sieht nicht nach einer geplanten Abreise aus.“ Fliedner schüttelte ratlos den Kopf. „Gab sein Gesundheitszustand denn Grund zur Besorgnis? Vielleicht ist er irgendwo kollabiert?“

„Sein Arzt hat nichts vermerkt.“

„Wer hat ihn denn behandelt?“

„Dr. Ringer.“

Fliedner erkundigte sich per Handy bei Dr. Ringer nach Dienskämper. Dieser bestätigte ihm, bei dem Patienten hätten außer Asthma keine weiteren Befunde vorgelegen. Dass Dienskämper ohne äußere Einwirkung kollabiert sei, erschiene ihm unwahrscheinlich.

Zurück in seinem Büro beauftragte Fliedner alle abkömmlichen Mitarbeiter, während der Zeit der Mittagsruhe möglichst unauffällig die Gebäude und das Gelände der Klinik abzusuchen, ohne die Patienten zu beunruhigen.

Die Suchaktion war dennoch nicht unbemerkt geblieben. So beschloss Fliedner, das Verschwinden des Patienten nicht länger geheim zu halten. Zum Abendessen begab er sich in den Speiseraum und setzte sich an den Tisch, an dem Dienskämper regelmäßig seine Mahlzeiten eingenommen hatte. Die drei anderen Patienten, die schon ebenso lange wie Dienskämper an diesem Tisch ihre Stammplätze hatten, berichteten ihm, dass dieser ein zurückhaltender Mensch sei, der keine näheren Kontakte suchte.

„Allerdings, vorgestern ist er von einem Strandspaziergang mit einer Frau zurückgekommen. Die ist gestern wieder nach Hause gefahren. Ihre Kur war zu Ende.“ Fliedners Gegenüber, ein hagerer Sechzigjähriger, erinnerte sich mit einem süffisanten Lächeln an seine Beobachtung.

„Wie sah die Frau denn aus?“

„Diese Blondine, die immer dort am Tisch neben der Tür gesessen hat. Mit der kurzen Frisur.“

Fliedners Nachbar zur Linken, ein jüngerer Brillenträger, unterstützte die Erinnerung seines Vorredners. „Bob-Frisur heißt das. Trägt meine Frau auch. Ja, jetzt weiß ich, wen du meinst. Eine flotte Biene. Aber meinst du, dass er bei der Chancen hatte?“

„Vielleicht hat er ja Qualitäten, die wir nicht entdeckt haben.“

Fliedner wollte das Gespräch nicht in die Untiefen des Taxierens geschlechtsspezifischer Vorzüge oder Nachteile der besprochenen Personen abgleiten lassen. „Wissen Sie den Namen der Frau?“

„Nein, aber die Bedienung hat manchmal mit ihr geredet. Die kennt den sicher.“

Ein kurzes Gespräch Fliedners mit der Bedienung brachte den Namen heraus: Stefanie Leister. Jetzt erinnerte sich auch Fliedner an die attraktive Frau. Diese war vor zwei Jahren schon einmal als Patientin in der Kurklinik gewesen. Im Computer suchte er nach ihren Personalien. Als er ihren Wohnort „Dinslaken“ las, erinnerte er sich, dass der in der Nachbarschaft Wesels lag, des Herkunftsortes Dienskämpers. Ob sich die beiden etwa kannten? Nach kurzem Zögern wählte er ihre heimische Telefonnummer. Als sich auch nach zweimaligem Anwählen keiner meldete, legte er nachdenklich auf.

Die Unruhe, die ihn ergriffen hatte, ließ Fliedner aufstehen und nervös im Büro hin- und hergehen. Nach kurzem Zögern griff er erneut zum Telefon und rief wieder die Polizeiwache in Wyk an. Nachdem er mit Henning Lürrsen, dem Revierleiter, verbunden war, schilderte er ihm den Stand der Nachforschungen nach Günter Dienskämper. Lürrsen ließ sich eine Personenbeschreibung des vermissten Patienten geben. Er vereinbarte mit Fliedner, dass er die Vermisstenmeldung zum nächstmöglichen Termin herausgeben und auch der Möglichkeit nachgehen würde, dass Dienskämper bereits vorher mit Stefanie Leister bekannt war.

*

Heike Brodersen schaute lächelnd in die Runde um die reich gedeckte Kaffeetafel, die sie im Wohnzimmer ihres Hofes in der Oevenumer Marsch auf Föhr aufgetischt hatte. Ihre Freundinnen hatten ihr gerade ein Ständchen gebracht, um ihre Geburtstagsfeier einzuläuten. Da ihr Geburtstag in die Erntezeit fiel, hatte sie – als Ehefrau eines Landwirts – es sich zur Gewohnheit gemacht, die Feier mit ihren Freundinnen im September nachzuholen. Ihre Cousine Cosima Bernstädt erhob das Glas: „Heike, unseren herzlichen Glückwunsch! Wir wünschen dir für das neue Lebensjahr Gesundheit, Freude, viele schöne Erlebnisse und Harmonie. Unser Geburtstagsgeschenk fängt gleich mit den Erlebnissen an: zwei Karten für das Freiluftkonzert von Santiano auf Langeneß. Sünjhaid!“ Mit diesem friesischen Ausruf leerten sie ihre Gläser mit Manhattan, dem Föhrer Nationalgetränk.

Die Gäste konnten den Verlockungen der üppigen Torten nicht widerstehen und griffen munter zu. Nach zwei weiteren Runden Manhattan wurde auch die Unterhaltung immer lebhafter. Als sich der verwunderte oder auch nachsichtige Meinungsaustausch über Verhalten und Fehlverhalten nicht anwesender Zeitgenossinnen erschöpft hatte, landeten die Gespräche bei der Lokalpolitik.

„Heike, dein Mann ist doch hier in Oevenum im Gemeinderat. Da soll es zum Krach gekommen sein. Hat Arfst Dir davon erzählt?“ Franziska Retting war neugierig.

„Nicht viel. Ich weiß darüber sicher nicht mehr als ihr alle. Es ging da um Klei in der Oevenumer Marsch. Das Land Schleswig-Holstein hat ja das Projekt der Erhöhung der Föhrer Deiche weitgehend durchgezogen. Jetzt wollen die auch das restliche Stück – also den Deich zwischen Dunsum und Utersum – neu machen. Für den Deich brauchen sie jede Menge Klei. Und hier in der Marsch gibt es große Reserven.“

Cosima Bernstädt, ihre Cousine, schaltete sich ein. „Warum gab es denn Krach? Das verstehe ich nicht.“

„Der ergiebigste Standort für den Kleiabbau sind die Flächen, die dieser Naturschutzverein aufgekauft hat, also ‚Naturraum e.V.‘. Die wollen weitere Teile davon fluten, damit sich dort Gänse und Enten in Massen niederlassen. Da werden die nicht gestört und können sich in Ruhe vollfressen.“

„Und das machen die auf unseren Äckern und Fennen. Die Gänse haben uns im letzten Winter acht Hektar Wintergerste kahlgefressen, die neben den gefluteten Flächen liegen. Die mussten wir im Frühjahr neu einsäen. Doppelte Arbeit und geringere Erträge. Mein Mann ist ganz schön sauer, dass ‚Naturraum‘ mit den gefluteten Flächen die Gänse und Enten in solchen Mengen anlockt.“ Franziska Retting bewirtschaftete mit ihrem Mann einen Hof, der auch Flächen in der Oevenumer Marsch hatte.

„Das ist doch nichts Neues. Warum gab es denn gerade jetzt den Krach im Gemeinderat?“ Cosima Bernstädt war hartnäckig.

„Der Verein Naturraum‘ hatte sich bereit erklärt, den Klei von seinen Flächen kostenlos für den Deichbau zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil für den Verein ist, dass dann durch das Absenken der Oberfläche weitere Flächen geflutet werden können. Allerdings haben die an das Angebot eine Bedingung geknüpft. Die Flächen von ‚Naturraum‘ in der Oevenumer Marsch sind durch einen Wirtschaftsweg geteilt, der der Gemeinde gehört. Diesen Weg will der Verein von der Gemeinde kaufen, damit die Teilflächen nicht durch den Weg getrennt sind. Sie haben mehrere Zehntausend Euro dafür geboten. Das Angebot hat der Gemeinderat mit 5 zu 4 Stimmen abgelehnt. Und ohne Klei kein Deichbau zwischen Dunsum und Utersum.“ Heike Brodersen hatte sich fast außer Atem geredet.

Das Thema hatte die Gemüter in Wallung gebracht. In dem einsetzenden Stimmengewirr setzte sich Ellen Hemsen durch. „War das denn schon eine endgültige Abstimmung oder nur so ein Meinungsbild? Ich habe gehört, auf den Flächen will das Land Schleswig-Holstein noch einmal Probebohrungen machen, um die Dicke der Kleischichten genau zu bestimmen. Eventuell auch auf den anschließenden Flächen, die dem Verein nicht gehören. Dann könnte man bei der Beschaffung von Klei den Streit zwischen ‚Naturraum‘ und den Landwirten außen vor lassen.“

Die Diskussion setzte sich noch eine Weile erregt mit Berichten über die Auseinandersetzungen zwischen Landwirten und Naturschützern fort. Die Runde Baileys zum Abschluss ließ Heike Brodersens Geburtstagsfeier dann wieder in Harmonie enden.

Die Gäste waren gegangen. Cosima Bernstädt war noch geblieben, um ihrer Cousine beim Aufräumen zu helfen. Während sie das Geschirr in die Spülmaschine lud, kam sie noch einmal auf das Problem mit dem Klei zurück. „Heike, sag einmal, du warst vorhin bei dem Thema über die Abstimmung in eurem Gemeinderat so vage geblieben. Gibt es da noch einen weiteren Hintergrund?“

„Ich glaube schon, der ist aber auch recht unklar. Da ist Uwe Ilsemann, du weißt, der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft. Die Jäger fühlen sich selber als Naturschützer, werden aber von diesen in ihren Jagdmöglichkeiten beschnitten. Der war recht vehement gegen den Verkauf des Weges an ‚Naturraum‘. Andrerseits Per-Oluf Ketels, der hat das Projekt des Kleiabbaus unterstützt. Da er ein Tiefbauunternehmen hat, verspricht er sich davon wohl Aufträge. Das ist schon ein verworrenes Gemenge von Interessen.“ Heike Brodersen schüttelte ratlos den Kopf. „Selbst der Deich- und Sielverband hatte sich für das Projekt und den Verkauf des Weges an ‚Naturraum‘ ausgesprochen.“

„Heike, was anderes. Ich habe mich noch einmal zu einer Ausstellung meiner Bilder im Gemeindehaus in Nieblum überreden lassen. Am 30. September ist die Vernissage. Kannst du dabei wieder helfen? Du weißt schon, die Gäste einweisen, nach den Getränken sehen und ein Auge drauf halten, dass die sich nicht an den Bildern zu schaffen machen. Beim letzten Mal haben einige Scherzbolde auf zwei Bildern die Signaturen überschrieben. Das war recht ärgerlich.“

„Klar, ich komme gerne. Du hattest mir den Termin ja schon genannt. Erwartest du denn ein kaufkräftiges Publikum?“

„Na ja, manche Touristen kaufen schon mal. Vor zwei Jahren habe ich über 10 Bilder verkauft. Das lohnt schon, da ich keinem Galeristen Provision zahlen muss.“

*

Jennifer van Reken stand hinter dem Tresen der Wyker Traditionsgaststätte „Bi Hella“ in der Nähe des Hafens. Der Gastraum war mit maritimen Objekten angefüllt, die Seeleute von ihren Reisen mitgebracht hatten: von Harpunen über Marineembleme bis hin zu einer imposanten Galionsfigur. Diese Andenken an die Seefahrt waren auch ein Zeichen der Anhänglichkeit und des Respekts, den „Tante Hella“, die frühere Wirtin, bei ihren Stammgästen genossen hatte. Auch nach dem Tod von Tante Hella, als die Gaststätte schon von ihrem Sohn Holger Langhans übernommen war, strahlte der Raum noch eine maritime und familiäre Atmosphäre aus.

Jennifer bemühte sich, die Übersicht zu behalten, denn der Feierabendbetrieb war heute stärker als sonst. Obwohl die Saison sich dem Ende zuneigte, hatte ein buntes Gemisch aus Feriengästen und Einheimischen fast alle Plätze besetzt. Sie hoffte, dass ihre Serviceaushilfe, Jenny, eine junge Studentin, bis zum Monatsende aushalten würde, bevor sie an die Uni zurückkehrte. Im Oktober fielen erfahrungsgemäß die Gästezahlen deutlich ab, sodass sie den Betrieb alleine bewältigen konnte. Zumal auch ihr Freund Holger Langhans, der Besitzer der Gaststätte, bald wieder zurückkommen würde.

Holger Langhans war ein begeisterter Segler, der immer wieder Segelboote von Europa in die Karibik bzw. aus der Karibik nach Europa überführte. Die Gaststätte war früher während seiner Abwesenheit von seiner Schwester Laura Voss geführt worden. Im vergangenen Jahr hatte Holger Langhans Jennifer van Reken auf Curacao kennengelernt, als er sich bei ihrem Bruder Cannabis besorgt hatte. Die Bekanntschaft mit Jennifer war in eine dauerhafte Beziehung übergegangen und Jennifer war mit Holger Langhans nach Föhr gekommen. Ihre braune Hautfarbe – ihre Mutter war eine Farbige aus Curacao und ihr Vater ein Holländer – hatte zunächst für einiges Aufsehen gesorgt, aber inzwischen hatte sie sich auf Föhr eingelebt. Da Holger Langhans wieder einmal auf einem Törn in der Karibik war, führte Jennifer die Gaststätte. Laura Voss fühlte sich dadurch ausgebootet und begegnete ihr mehr oder minder feindselig. So hatte sie sich auch geweigert, Jennifer in der Gaststätte zu helfen.

Im Laufe des Abends flaute der Betrieb ab. So konnte sich in ihrem Kopf wieder die Furcht breitmachen, die sich ihr seit dem Erhalt des Schreibens vor einer Woche immer wieder aufdrängte. Da dieses ohne Briefmarke und Poststempel in ihrem Briefkasten gelandet war, hatte der anonyme Absender den Umschlag wahrscheinlich selbst zugestellt. Der Umschlag hatte nur einen kleinen Zettel enthalten, der mit Druckbuchstaben beschriftet war: "Halt dich von das Gescheft weg, sonst hast du das Leben zu ende." Jennifer hatte sofort versucht, Holger Langhans auf seinem Handy zu erreichen. Da dieser aber schon vor einiger Zeit aus der Karibik abgesegelt war, nahm sie an, dass er auf dem Atlantik keinen Empfang hatte. Nach kurzem Überlegen hatte sie von dem Versuch Abstand genommen, ihn über Funk zu erreichen. Vom Atlantik aus hätte er sie ohnehin nicht schützen können. Also wäre er nur unnütz beunruhigt worden.

Jennifer überlegte mehrere Male, ob sie mit der Drohung zur Polizei gehen sollte. Allerdings hatte sie auch das unterlassen. Einerseits hatte sie in ihrem bisherigen Leben erfahren, dass es besser war, Kontakte mit der Polizei zu meiden, andrerseits hatte sie keine Ahnung, worauf die Warnung zielte und wollte Holger nicht vorgreifen. Und angesichts der Feindseligkeit von Holgers Schwester Laura hütete sie sich, diese anzusprechen.

Als sie merkte, dass sich ihre Gedanken immer wieder ergebnislos im Kreis bewegten, begann sie mit der Tagesabrechnung, um sich abzulenken. Dies gelang ihr nicht zuletzt deswegen, da sich das lebhafte Geschäft heute positiv in den Tageseinnahmen niedergeschlagen hatte. Nachdem der letzte Gast gegangen war und sich auch Jenny verabschiedet hatte, war es fast Mitternacht. Jennifer fühlte sich müde von der langen Arbeit und zerschlagen von der Unruhe, die die Drohung in ihr ausgelöst hatte. Sie beschloss, die Einnahmen erst am nächsten Tag zur Sparkasse zu bringen. Föhr war schließlich eine Insel, auf der Diebstähle nur selten vorkamen.

Sie überlegte noch, ob sie sich etwas zum Essen machen sollte. Sie vermisste auf Föhr ihre karibische Küche. Obwohl die Insel sich als „Friesische Karibik“ vermarktete, hatte die karibische Küche hier noch keinen Anklang gefunden. Sie begnügte sich mit einem Stück Käse und ging dann die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Jennifer schlief unruhig. Die Spannung der letzten Tage wirkte in ihr nach.

Plötzlich, noch in der ersten Schlafphase, wachte sie auf. Sie glaubte, ein ungewohntes Geräusch gehört zu haben und machte Licht. Dann ein Scharren, als würde im Gastraum ein Stuhl oder ein Tisch über den Boden geschoben werden. Sie wagte kaum zu atmen. Regungslos blieb sie liegen und hoffte, dass der Eindringling nicht bis ins Schlafzimmer käme. Die Zeit verging quälend langsam. Nach einer Zeitspanne, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, stand sie auf und rief mit zaghafter Stimme in den Flur hinunter: „Hallo, ist da jemand?“ Keine Antwort. Als sie auch sonst kein Geräusch hörte, wagte sie es, die Treppe hinunter zu gehen. Im Gastraum bemerkte sie, dass tatsächlich ein Stuhl umgestoßen auf dem Boden lag. Offensichtlich war der Einbrecher bei seinem Rückzug darüber gestolpert.

Jennifer schaute sich um und sah, dass die Kasse und die Schubladen an der Innenseite des Tresens aufgebrochen waren. Auch im anschließenden kleinen Büroraum war der Einbrecher am Werk gewesen. Wie im Gastraum waren auch hier die Schubladen des Schreibtisches beschädigt worden, der Tresor mit den Tageseinnahmen war jedoch unversehrt. Als ihr klar wurde, welches Glück sie gehabt hatte, dass der Einbrecher sie nicht persönlich bedroht und gezwungen hatte, den Tresor zu öffnen, bekam sie weiche Knie und musste sich erst einmal setzen.

Wie betäubt saß sie eine Weile da, ohne sich zu rühren. Als sie ihre Umgebung wieder zur Kenntnis nahm, merkte sie, dass sie die ganze Zeit auf die Zimmerpalme geschaut hatte, die neben dem Schreibtisch stand. Erst jetzt fiel ihr auf, dass diese mehrere Blätter verloren hatte und dringend gegossen werden musste. Sie wunderte sich, warum in Phasen großer Angst solche Nichtigkeiten ins Bewusstsein traten.

Jennifer sah auf die Uhr. Sie hatte fast eine halbe Stunde regungslos dagesessen. Als sie aufstand, musste sie sich an der Schreibtischkante abstützen. Dennoch wählte sie zügig die Notrufnummer der Polizei. Diese Situation konnte sie nicht allein bewältigen. Sie war sich aber noch nicht schlüssig, ob sie der Polizei von dem Drohbrief berichten sollte.

Kurze Zeit später hielt ein Streifenwagen vor der Tür und zwei Beamte kamen herein. Sie ließen sich von Jennifer schildern, was vorgefallen war. Eine Übersicht über gestohlene Gegenstände konnte sie den Polizeibeamten nicht geben, sie überzeugte sich aber, dass die Einnahmen des vergangenen Tages noch im Tresor waren. Die Beamten gingen zusammen mit Jennifer durch das ganze Haus. Hierbei stellten sie fest, dass ein Fenster auf dem Flur zu den Toiletten aufgehebelt worden war. Offensichtlich war der Einbrecher hier eingedrungen.

Die Beamten hielten ihre Aussagen für das Protokoll fest. Sie sagten zu, dass gleich am nächsten Morgen Kollegen zur Spurensicherung vorbeikämen.

*

Irgendwie war Edith Witthöft auch froh, dass heute wieder Überstunden anfielen. Als gegen 16.00 Uhr ihr Abteilungsleiter ihr sagte, dass Anja, ihre Ablösung, nicht zur Arbeit erschienen sei und sie daher auch die Spätschicht an der Kasse des Supermarktes übernehmen müsse, hatte sie nur kurz gezögert. Seit sie ihrem Chef unzweideutig mitgeteilt hatte, dass er sich keine Hoffnungen auf Verständnis für seine plumpen Annäherungsversuche machen sollte, hatte er sie immer wieder bei der Schichtplanung gegenüber anderen Kolleginnen benachteiligt. So sah sie eigentlich keinen Grund, ihm entgegenzukommen und heute für Anja einzuspringen. Als sie aber daran dachte, dass zu Hause ihr Mann Sven missmutig vor dem Fernseher hockte und nörgelnd auf sein Essen wartete, kam ihr die stressige Arbeit hier an der Kasse fast wie eine Entspannung vor. Und mit Wehmut, aber auch mit Verbitterung dachte sie an ihr Verhältnis mit Holger Langhans, das ihr zunächst ein neues Leben vor weiten und aufregenden Horizonten verhießen hatte. Dann aber hatte dieser sie aus den Wolken ihrer gemeinsamen Träume in die aufzehrende Perspektivlosigkeit der Ehe mit Sven Witthöft fallen lassen, als er vor einem Jahr in Begleitung seiner neuen Freundin Jennifer van Reken aus der Karibik zurückgekommen war. 

Als Jennifer für einige Wochen in die Karibik zurückgekehrt war, um an der Beerdigung ihres Vaters teilzunehmen, war ihr Verhältnis mit Holger wieder aufgeflammt, – ja „aufgeflammt“ war das richtige Wort. Wie ein Strohfeuer! Sie hätte wissen müssen, dass Strohfeuer zwar hell aufleuchten und die Umwelt ausblenden, aber auch schnell wieder in sich zusammenfallen. Als Jennifer dann zurückgekommen war, hatte Holger sie ein zweites Mal ausgebootet. Sicher, Jennifer war erst Anfang zwanzig und auf eine exotische Weise attraktiv, aber Holger war auch schon vierzig. Sie selbst passte viel besser zu ihm. Mit ihren 36 Jahren war sie schließlich immer noch ganz ansehnlich. Es lohnte sich, dass sie sich stets fit gehalten hatte. Und auch im Bett hatten sie beide immer ihren Spaß gehabt. Wenn das Leben darin besteht, eine Zukunft zu haben, dann hatte Holger Langhans ihr Leben ein zweites Mal zerstört. Er hatte es verdient, dass sein Leben genauso zerstört würde. 

 Als Edith Witthöft endlich ihre Kasse abgerechnet hatte, zog sie sich langsam um, bestieg ihr Fahrrad und radelte nach Hause. Unterwegs verzögerte sie ihr Tempo immer mehr, als wollte sie die Zeitspanne bis zur Begegnung mit ihrem Mann noch ausdehnen.

„Wo kommst du jetzt erst her? Mit wem hast du dich rumgetrieben?“

Als sie die lallende Stimme ihres Mannes hörte, war ihr klar, dass er mal wieder getrunken hatte. In diesem Zustand ließ er häufig seiner Eifersucht mit unsinnigen Verdächtigungen freien Lauf. Bisher hatte Edith angenommen, dass ihr Mann von ihrem Verhältnis mit Holger Langhans keine Ahnung hatte. Sie hatte alles getan, dass es so bliebe. Allerdings hatte Sven einige Male mit merkwürdiger Verbitterung von Holger Langhans als Frauenheld gesprochen, der die „blöden Weiber“ nur vernaschen und nach Gebrauch abservieren würde.

„Ich musste Überstunden machen, meine Ablösung ist nicht gekommen. Dein Handy war ausgeschaltet, da konnte ich dich nicht erreichen. Hast du dir was zu essen gemacht?“

„Dafür habe ich doch meine Frau, auch wenn die nicht mehr weiß, was sich für eine Ehefrau gehört. Wenn die mir nichts macht, muss ich eben hungern. Aber dir ist das sowieso egal.“ Sven Witthöft stellte seine leere Bierflasche, die fünfte, neben seinem Sessel auf den Boden, rülpste vernehmlich und versuchte aufzustehen. Erst fiel er wieder zurück, beim zweiten Mal stand er dann endlich auf seinen Beinen und ging ins Badezimmer.

‚Vielleicht ist es gut, dass er betrunken ist, dann wird er gleich schlafen gehen. Ich könnte jetzt wirklich keine sinnlose Streiterei gebrauchen‘, ging es Edith Witthöft durch den Kopf. ‚Und morgen muss er früh zur Arbeit, dann wird er wieder ruhig werden.‘

Edith Witthöft holte sich ebenfalls ein Bier aus dem Kühlschrank. Mit dem Zubettgehen ließ sie sich Zeit. Erst sollte ihr Mann eingeschlafen sein, bevor sie ins Schlafzimmer ging. Als ihr Blick auf ihr Hochzeitsfoto fiel, vergegenwärtigte sie sich die Hochstimmung, in der sie sich damals befunden hatte. Sven hatte gerade den Hof von seinem Vater übernommen und war voller Tatendrang. Als gemeinsames Projekt wollten sie den Betrieb ausbauen und den Viehbestand aufstocken. Sie hatte nicht gewusst, dass schon damals der Hof überschuldet war. Als in den nächsten Jahren das Auf und Ab der Milchpreise ihre wirtschaftliche Lage verschlechterte und sie den Hof schließlich aufgeben mussten, war auch mit Sven eine Verwandlung vorgegangen. Sein Optimismus und sein Tatendrang waren einem nörgelnden Gewohnheitstrott gewichen. So war sie damals in das Verhältnis mit Holger Langhans hineingeraten, – eigentlich schon hineingesprungen! Holger war der Gegenentwurf zu ihrem Mann: ein welterfahrener Abenteurer, witzig und schlagfertig, von zärtlicher Leidenschaft. Bei ihm erlebte sie die Aufmerksamkeit, die sie bei ihrem Mann vermisste. Ihr Leben ging wieder bergauf. Und dann der Absturz, als er sie wegen einer anderen einfach fallen ließ. Hatten die Erinnerungen an Holger Langhans zuvor Tränen bei ihr ausgelöst, so führten sie seit einiger Zeit nur noch zu einer unerbittlichen Vereisung ihrer Gefühlswelt. 

Schließlich ging auch Edith Witthöft schlafen. Schon auf der Treppe hörte sie ihren Mann schnarchen. Sie musste sich bewusst zusammenreißen, um nicht umzukehren und auf der Couch im Wohnzimmer zu schlafen. Als sie dann im Bett lag, kam sie sich vor, in ihrem Leben wie in einem Tunnel ohne Ausgang eingesperrt zu sein.

*

25. September

Per-Oluf Ketels steckte verärgert sein Smartphone in die Tasche seiner Wetterjacke zurück. „Verdammt, warum geht die blöde Kuh nicht an ihr Handy? Seit gestern versuche ich, die zu erreichen. Ich glaub’, ich muss der direkt auf die Pelle rücken. Weißt du, wo die wohnt?“

Ketels stand auf dem Gerätehof seiner Tiefbaufirma und erzwang mit einem leichten Stoß in die Rippen die Aufmerksamkeit seines Angestellten Sven Witthöft, der als Disponent den Einsatz der Baumaschinen und Fahrzeuge plante und überwachte.

Witthöft erwachte aus seiner abwesenden Unaufmerksamkeit: „Wer soll wo wohnen?“

„Diese Laura Voss! Du weißt doch, ihrem Bruder – Holger Langhans – gehört in der Oevenumer Marsch eine große Fenne. Da liegt auch eine ganze Menge Klei. Wenn der Deal mit ‚Naturraum‘ nicht zustande kommt, ist das der Plan B. Holger Langhans ist seit Wochen wieder auf Törn in der Karibik. Der müsste schon längst zurück sein. Aber bisher konnte ich ihn nicht erreichen. Irgendwie muss ich mir die Rechte für den Kleiabbau sichern. Also will ich es über seine Schwester versuchen.“

„Macht die nicht die Kneipe, solange ihr Bruder unterwegs ist?“

„Nee, das macht jetzt dessen Freundin, die ist von so einer Insel da irgendwo.“

„Ist das nicht ’ne Holländerin?“

„Ja, die gibt es da auch.“  

Per-Oluf Ketels ging ins Büro. „Keike, such mir mal die Adresse von Laura Voss raus, die Schwester von Holger Langhans von der Kneipe am Hafen.“

Seine Sekretärin fragte zurück: „Reicht dir die Telefonnummer nicht?“

„Nein, ihre Anschrift, …  wo sie wohnt.“

Nach kurzer Recherche auf ihrem Laptop gab sie ihrem Chef die gewünschte Auskunft, eine Adresse in Süderende. Dieser stieg in seinen Wagen und machte sich auf den Weg. Vor einem alten Reetdachhaus hielt er an. Im Garten war ein Mann dabei, gemähten Rasen auf den Komposthaufen zu schichten. Als Ketels näher kam, unterbrach er seine Arbeit. Ketels sprach ihn an: „Hinrich, ist Laura Voss da? Ich habe schon mehrmals versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber sie geht nicht ran.“

„Nee, die ist zu einer Tante in Langenhorn. Die hatte einen Schlaganfall und muss in ein Pflegeheim. Jetzt räumen sie ihre Wohnung aus. Übermorgen will sie wieder kommen. Was ist denn?“

„Eigentlich will ich ihren Bruder sprechen, Holger. Aber den kann ich auch nicht erreichen.“

„Tja, der ist wieder in der Karibik. Hoffentlich bringt der nicht wieder eine Frau von dort mit. Eine davon hat er ja schon hier auf Lager. Wenn der mit dem Boot unterwegs ist, kannst du den nur über Funk erwischen. Ich weiß aber nicht, wie das geht.“

„Weiß Laura das denn?“

„Mag schon sein. Aber was willst Du denn von Holger?“

„Ein Geschäft vorschlagen. Aber das will ich erst einmal mit ihm selbst besprechen.“

*

Als Heinz Fliedner aus der Mittagspause zurückkam, blinkte an seinem Telefon der Anrufbeantworter. Er hörte die Nachricht ab. Henning Lürrsen, der Leiter der Wyker Polizeistation, teilte ihm mit, dass er die Vermisstenanzeige für Günter Dienskämper rausgeschickt habe. Ferner, dass er mit seinen Kollegen in Wesel, dem Heimatort des verschwundenen Patienten, Kontakt aufgenommen habe. Diese hätten zugesagt, vor Ort zu ermitteln und ihm ihre Ergebnisse umgehend zukommen zu lassen. Er schloss mit der Ankündigung, am Nachmittag in die Rehaklinik zu kommen, um weitere Informationen zu erhalten.

Kurz nach dem Ende der mittäglichen Ruhezeit traf Henning Lürrsen in der Rehaklinik ein. Er ließ sich von Fliedner mit den Tischgenossen des verschwundenen Günter Dienskämper bekanntmachen. Aber auch ein erneutes Gespräch mit ihnen brachte kaum neue Informationen. Einer der Tischgenossen allerdings erinnerte sich, dass Dienskämper mit einer anderen Person eine offensichtlich unfreundliche Diskussion geführt hatte.

„Wissen Sie, mit wem er sich gestritten hatte?“

„Nein, ich kannte den nicht. Ich glaube auch nicht, dass der ein Patient war.“

„Wie sah Dienskämpers Kontrahent denn aus?“

„Ein Mann, schon über 50, in Ferienkleidung.“

„Und worüber die beiden gestritten haben?“

„Nein, davon habe ich nichts mitbekommen, ich war zu weit weg.“

„Wo haben Sie die beiden gesehen?“

„Am Strand, kurz hinter Goting-Kliff.“

Lürrsen verabschiedete sich von der Tischrunde und verließ mit Fliedner den Speiseraum.

„Heinz, wer vom Personal hatte denn intensiveren Kontakt mit Dienskämper? Wer kommt mit den Patienten auch mal ins Gespräch?“ Lürrsen saß Fliedner in dessen Büro gegenüber und schaute ihn fragend an.

„Einmal die Stationsschwestern. Hm … Wer noch? Ich denke die Therapeuten im Inhalationsbereich. Mal schauen, wer denn alles für Dienskämper zuständig war.“ Fliedner wandte sich dem Bildschirm zu. „Seine Stationsschwester ist … oder war Schwester Elin. Augenblick, ja, die hat noch Schicht. Und bei den Inhalationen hat ihn Waltraud Johannsen betreut. Mit der könntest du gleich sprechen, die hat in einer halben Stunde Feierabend.“ 

Lürrsen ließ sich den Weg zur Inhalation beschreiben. Er traf Waltraud Johannsen gerade zwischen zwei Terminen an und bat sie, den nächsten Patienten für einige Minuten zu vertrösten.

„Frau Johannsen, es geht um Günter Dienskämper. Sie haben ja schon gehört, dass er verschwunden ist und wir ihn suchen. Haben Sie eine Vorstellung, wo er sein könnte?“

„Nein, er hat auch keine Andeutungen gemacht, dass er früher abreisen wollte. Mich hat sein Verschwinden genauso überrascht wie alle anderen.“

„Haben Sie denn während der Behandlungen mal mit ihm geredet, über Persönliches? Seinen Beruf? Seine Interessen? Sorgen?“

„Er war nicht sehr gesprächig. Aber er hat schon mal von sich erzählt. Dass er erst gezögert hatte, diese Kur hier anzutreten. Weil er beruflich unter Druck steht. Arbeitgeber mögen es ja nicht, wenn längere  Fehlzeiten auftreten. Ich hatte den Eindruck, dass er sich in seinem Job nicht sehr wohl gefühlt hat. Und dann hat er mal gemeint, dass ein paar Wochen weg von der Familie der Ehe vielleicht guttun könnten. Das war so halb im Scherz gesagt, aber auch ein bisschen im Ernst.“

„Haben Sie denn auch beobachten können, ob er zu anderen Patienten näheren Kontakt hatte?“

„Hier nicht. Aber ich habe ihn mal in einem Café in Nieblum gesehen, Sie wissen, das hinter dem Gemeindehaus. Da hat er mit einer anderen Patientin gesessen, so einer Blonden. Warten Sie mal, die war auch hier zum Inhalieren … Leister heißt die.“

„Meinen Sie, die beiden hatten so ein Kurschattenverhältnis?“

Waltraud Johannsen schaute ihn bei dem Begriff „Kurschattenverhältnis“ verdutzt an. Lürrsen wurde sich bewusst, dass seine Gesprächspartnerin gerade Anfang zwanzig war und dieser Ausdruck in ihrem Wortschatz normalerweise nicht vorkam. Verdammt, wie war denn in dieser Altersgruppe der Begriff für ein vorübergehendes sexuelle Techtelmechtel? ‚Henning‘, sagte er sich, ‚das ist ja ein noch schlimmerer Begriff als ‚Kurschattenverhältnis‘. Komm, gib es auf, dich in der Sprache der Twens zu bewegen. Irgendwie bist du bei solchen Themen verklemmt.‘

Waltraud Johannsen war aber gegenüber Lürrsens umschreibendem Altherrensprech nachsichtig. „Sie meinen, ob die was miteinander hatten?“ Sie kicherte kurz. „Nein, zumindest nicht dort im Café. Die haben nicht aneinander herumgetätschelt oder so.“ Sie passte sich der umschreibenden Redeweise ihres Gesprächspartners an.

„Haben Sie noch andere Beobachtungen gemacht?“

„Nein, das war das einzige Mal, dass ich Herrn Dienskämper außerhalb der Behandlungen hier gesehen habe.“

Lürrsen dankte ihr und ging zur Station hinüber, um mit Schwester Elin zu sprechen. Diese bereitete gerade die Medikamente für die Abendzuteilung vor und ließ sich nur ungern stören.

„Ob Herr Dienskämper mit anderen Patienten Kontakt hatte? Er hatte ja ein Einzelzimmer. Da ist er auch meistens geblieben. Und er ist viel am Strand spazieren gegangen. Das sollte er auch. Aber da konnte ich ihn natürlich nicht sehen.“

„Konnten Sie denn hin und wieder mit ihm reden?“

„Viel Zeit haben wir dafür nicht. Manchmal ein paar Worte.“

„Hat er sich geäußert, ob er Probleme hat? Oder wie er zu seiner Familie steht? Zu seinem Beruf?“

„Ich glaube, er hat nur eine Frau. Ich hatte ihn mal gefragt, ob seine Frau ihn hier auf der Insel besuchen kommt. Das machen ja viele. Nee, hat er gesagt, es ist auch gut, seine Ruhe zu haben. Er ist wohl eher so ein Ehemuffel.“

„Kennen Sie eine Patientin Leister? Hat die ihn hier besucht? Oder er sie?“

„Nee, der Name sagt mir nichts. Ist das auch eine Patientin? Und Besuch? Hier nicht. Wenn sich da was zwischen den Patienten abspielt, verabreden die sich ja nicht auf den Stationen, sondern wo anders. Meist soll das ja keiner wissen. Kurschatten wollen gerne im Schatten bleiben.“ Schwester Elin musste über ihr eigenes Wortspiel lächeln. Lürrsen stellte erfreut fest, dass ihr der Begriff „Kurschatten“ geläufig war. Aber Schwester Elin war ja auch deutlich älter als Waltraud Johannsen.

Lürrsen ging noch einmal zurück ins Büro von Heinz Fliedner. „Heinz, ich möchte noch mehr über die Stefanie Leister wissen. Kannst du nachschauen, welche Informationen ihr über sie habt?“

Nach kurzer Recherche berichtete Fliedner: „Also, Alter 36. Sie wohnt in Dinslaken und ist verheiratet mit Gerald Leister. Hier wurde sie aufgrund von Problemen mit den Atemwegen behandelt. Von Beruf ist sie Apothekerin.“

„Hm…, Dinslaken. Also eine Nachbarstadt von Wesel. Dann ist es möglich, dass sie Dienskämper schon vorher gekannt hatte. Das ist hier aber niemanden aufgefallen. Ich werde das nachher den Kollegen in Wesel mitteilen, damit sie das vor Ort in Erfahrung bringen können.“

„Ich hatte auch schon daran gedacht. Aber darüber weiß ich nichts. Sie ist ja schon entlassen worden und nach Hause gefahren. Ich habe deshalb gestern bei ihr in Dinslaken angerufen. Es hat sich aber keiner gemeldet. Auch kein Anrufbeantworter.“ Fliedner schwieg nachdenklich.

„O. k., dann werde ich es nachher auch noch einmal versuchen. Hoffentlich erwische ich nicht ihren Mann. Welchen Grund sollte ich dem nennen, warum ich sie sprechen will? Dass es mit dem Verschwinden eines anderen Patienten zusammenhängt? Ich will doch keine Ehekrise heraufbeschwören, erst recht nicht, wenn das alles nur eine unberechtigte Vermutung ist. Also, Heinz, ich halte dich auf dem Laufenden. Jetzt muss ich wieder los.“ Lürrsen kehrte zur Polizeistation zurück.

*

Jörn Diekmann war unruhig. Er schaute auf die Uhr. Gleich 16.30 Uhr. Lars Witthöft, der Kassenwart des „Naturraum e.V.“, hatte sich für 16.00 Uhr bei ihm angesagt. Sie wollten die Vorstandssitzung des Vereins vorbereiten, die für die kommende Woche einberufen war. Der Weigerung des Oevenumer Gemeinderates, den Wirtschaftsweg in der Oevenumer Marsch  an den „Naturraum e. V.“ zu verkaufen, hatte auch dem Projekt der Zusammenführung der dortigen Flächen zu einem zusammenhängenden Schutzraum für die Wasservögel den Boden entzogen. Als Vorsitzender des Vereins hatte Jörn Diekmann seit mehr als zwei Jahren sehr viel Energie in dieses Projekt gesteckt und inzwischen hinreichende Finanzierungsquellen aufgetan. Jetzt wollte er mit Lars Witthöft noch einmal die Kassenlage daraufhin überprüfen, ob sie das Angebot für den Wirtschaftsweg an die Gemeinde Oevenum noch aufstocken könnten.

Endlich hörte er ein Auto auf den Hof fahren. Mit einem lauten „Hallo“ kündigte sich Lars Witthöft an, ohne auf seine Verspätung einzugehen. Jörn Diekmann begrüßte ihn gleich mit der Frage: „Manhattan oder Kaffee?“ Sein Gast entschied sich für Kaffee.

Gemeinsam gingen sie dann die Kassenunterlagen durch. Lars Witthöft war es als Finanz- und Anlageberater gewohnt, auch komplexe Finanzübersichten verständlich darzustellen. Jörn Diekmann war der Meinung, dass der Verein der Gemeinde Oevenum ein erneutes, erhöhtes Angebot machen könnte. Lars Witthöft warnte dagegen, dass eine Erhöhung die Reserven des Vereins zu stark beschneiden würden. Außerdem glaube er nicht, dass der Gemeinderat von Oevenum sich umstimmen ließe. Als Diekmann die Zahlen noch einmal mit ihm durchging, musste er einräumen, dass die Kassenlage einem Zuschlag auf das Angebot für den Wirtschaftsweg nicht entgegenstand. Schließlich stimmte Lars Witthöft zögerlich zu.

„Lars, noch etwas anderes. Auf der Insel gehen Gerüchte um, dass dein Anlagegeschäft nicht mehr läuft und du finanzielle Schwierigkeiten hast? Was ist da dran?“

„Jörn, du weißt doch, wie das ist. Seitdem die Europäische Zentralbank die Finanzmärkte mit Geld regelrecht flutet, gehen die Renditen überall rapide zurück. Bei Spekulationspapieren gibt es dann auch Verluste. Aber mein Geschäft ist sauber. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe keine Veranlassung in die Vereinskasse zu greifen, wenn du so etwas meinst. Ihr könnt jederzeit eine Kassenprüfung machen. Wenn mir eine Insolvenz drohte, würde ich den Job als Kassenwart sofort aufgeben. Mein Wort darauf. Aber, woher hast du solche Gerüchte gehört?“

Jörn Diekmann wand sich und wiegte ablehnend seinen Kopf. „Ach, das waren nur so unbestimmte Bemerkungen. Das sagt doch keiner, dass er Geld verloren hat.“

„Trotzdem eine direkte Frage: Hast du das von Holger Langhans?“

„Wie kommst du denn auf den?“

„Das dürfte ich eigentlich nicht sagen. Also behalte das für dich. Der hatte einen größeren Betrag für mehrere Jahre mit einer anständigen Rendite festgelegt. Vor seinem letzten Törn in die Karibik brauchte er für ein Geschäft dort unten Geld und wollte an den festgelegten Betrag. Aber das ging nun nicht. Er war sauer und hat mir Vorwürfe gemacht. Obwohl, … ich hatte ihn genau informiert, dass er für fünf Jahre nicht über das Geld verfügen könnte. Die erhöhte Rendite hatte ihn aber so gereizt, dass er damit einverstanden war. Weißt du, ob der schon wieder zurück ist?“

“Nein, aber Per-Oluf Ketels hatte sich auch schon nach ihm erkundigt. Er wollte mir aber nicht sagen, warum. Kannst du dir denken, weshalb der so dringend Holger Langhans sprechen will?“

„Holger Langhans gehört doch eine größere Fenne in der Oevenumer Marsch. Dort gibt es auch reichlich Klei. Ich habe von meinem Bruder Sven gehört, dass Per-Oluf sich die Abbaurechte sichern will. Oder dürfte er doch auf den Flächen von ‚Naturraum‘ Klei abbauen, wenn sich Oevenum weiter weigert, den Wirtschaftsweg an ‚Naturraum‘ zu verkaufen?“

„Nee, sicher nicht. Ja, stimmt, ich habe gehört, dass Sven jetzt in der Firma von Per-Oluf arbeitet. Sag’ mal, wie geht es Sven denn? Ich habe ihn schon länger nicht gesehen.“

Lars Witthöft zögerte mit der Antwort. „Na ja, ihn hatte es schon sehr getroffen, dass er damals den Hof aufgeben musste. Er ist schwieriger geworden. Aber ich muss ihn ja nicht jeden Tag um mich haben. Für seine Frau ist es schlimmer. Edith hat ja jetzt den Job im Supermarkt. Als ich sie vor einigen Tagen getroffen habe, sagte sie mir, dass sie froh ist, ein paar Stunden am Tag was anderes im Kopf zu haben.“

Sie beredeten noch einige Zeit den Stand des Projektes des Deichaufbaus und der Kleibeschaffung. Dann verabschiedete sich Lars Witthöft.

Als er im Wagen saß, atmete er erst einmal durch. Also war es doch schon auf der Insel herum, dass er in finanziellen Schwierigkeiten saß. Solche Gerüchte könnten ihn geschäftlich ruinieren. Wer würde einem Anlageberater vertrauen, der selbst vor der Pleite stand. Als er aus vertraulicher Quelle über die Erwartungen immenser Kurssteigerungen des kanadischen Fracking-Unternehmens informiert war, hatte er nicht widerstehen können und erhebliche Anteile gekauft. Da er nicht über genügend eigene Mittel verfügte, hatte er sich an dem Geld seiner Klienten vergriffen und damit spekuliert. Durch den Preisverfall für Erdöl und die weltweite Einschränkung der Fördermengen waren die Anteile an dem Fracking-Unternehmen fast wertlos geworden. Leider hatte er auch Geld eingesetzt, das Holger Langhans bei ihm investiert hatte. Als dieser kurz vor seiner letzten Abreise Verdacht geschöpft hatte, war es zum Streit zwischen ihnen gekommen. Holger Langhans hatte gedroht, ihn nach seiner Rückkehr auffliegen zu lassen, wenn er bei seiner Rückkehr sein Geld nicht zurückbekäme.

Lars Witthöft wunderte sich, dass Jörn Diekmann den Gerüchten über seine finanziellen Schwierigkeiten nicht intensiver nachgegangen war. Gut, als Studienrat für Biologie war dieser im Anlagengeschäft nicht sehr bewandert, aber als Vorsitzender des „Naturraum e. V.“ hatte Jörn Diekmann schon einige Male recht pfiffige Aktionen zur Beschaffung finanzieller Mittel auf den Weg gebracht. Nur gut, dass diesem nicht klar war, wie wichtig es für sein Anlagengeschäft war, dass die Position als Kassenwart eines gemeinnützigen Vereins wie „Naturraum“ ihm einen seriösen Rahmen bot, der ihm Vertrauen der Anlieger sicherte. Ein erzwungener Rücktritt von dieser Funktion käme einer Katastrophe gleich. Deswegen hatte er auch immer der Versuchung widerstanden, die Finanzen des Vereins für seine eigenen Spekulationen heranzuziehen.

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