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Für unsere Kinder und Enkelkinder Tim, Will, Cameron, Bridget und Erin

Dank

Wie bei jedem Buch, an dem ich mitgearbeitet habe, spielte meine Frau Donna auch bei Die gelbe Gefahr eine wichtige Rolle. Donna leistete entscheidende Beiträge zur Ausrichtung des Buchs, zu Struktur und Inhalt der Einleitung und der ersten beiden Kapitel. Ein herzlicher Dank geht auch an Michael und Alexander Poukchanski. Michael ist seit mehr als zehn Jahren mein Schachlehrer und Freund. Sein enormes Wissen über Schach hat mein Verständnis der Begrenztheit der Computerintelligenz und der Grenzen der Technologie im Allgemeinen sehr gefördert. Michael und Alexander sind größtenteils für mein begrenztes, aber meiner Meinung nach wichtiges Verständnis Russlands verantwortlich. Besonderer Dank gilt Patrick DeSouza, dessen Ratschläge, als Kollege wie auch Freund, sehr wichtig für mich waren. Vielen Dank auch an Eveline Chao für ihre Informationen über das Alltagsleben in China.

Wir wollen auch unserem Agenten Al Zuckerman danken, der unser Projekt unermüdlich gefördert und Beiträge zu vielen Kapiteln geliefert hat. Zudem sind wir auch unserem Redakteur Rick Wolff sehr dankbar für seine Anleitung und seine durchdachten Kommentare, die dem Endprodukt ausgesprochen zugutekamen. Sehr zu schätzen wissen wir die Arbeit des gesamten Business Plus-Teams: Mari Okuda, Roland Ottewell, Meredith Haggerty und Jen Musico. Auch Genia Turanova, David Sandell, Scott Chan und andere Kollegen in der Leeb Group waren eine wichtige Quelle von Ermutigung und Ideen. Und wir danken Ray Holland, der ansonsten geheimnisvoll bleibende Charts leicht verständlich dargestellt hat.

Vorwort

Von dem preußischen Kanzler Otto von Bismarck ist der Satz überliefert, wonach ein Staatsmann ein Politiker sei, der an seine Enkel denkt. Dieser brillante Architekt der deutschen Einheit im 19. Jahrhundert besaß mit Sicherheit keinen tadellosen Charakter, aber er war ein außerordentlicher strategischer Denker – und in diesem Punkt lag er vollkommen richtig: Wahre Staatsführung ist mehr als eine taktische Übung; sie erfordert einen langfristigen Plan. Wir im Westen haben heute keinen Plan, wie wir die Ressourcen sichern oder entwickeln sollen, die das Lebensblut unseres Wohlstands sind, während man im Osten (und insbesondere in China) über einen solchen Plan verfügt. Diese Tatsache und ihre Folgen sind das wichtigste Thema von Die gelbe Gefahr.

Ich bin ein aufrichtiger Bewunderer von Stephen Leebs Arbeit und glaube, dass man die Thesen in Die gelbe Gefahr ernst nehmen muss. Und ich habe gute Gründe, die Leser dazu aufzufordern, dies ebenfalls zu tun. Aus meiner Sicht ist Stephen einer der besten Langfriststrategen seiner Generation. Und das ist keine bloße Schmeichelei. Einfach ausgedrückt, haben sowohl mein Verstand als auch meine Brieftasche von seinem Wissen profitiert. Seine Einsichten waren für mich ein wichtiger Bestandteil bei der Gründung nicht nur einer, sondern mehrerer erfolgreicher Firmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Seine Ratschläge zur Entwicklungskurve von Silber, den Metallen der Platingruppe, Öl, Gas, Kupfer und den anderen Rohstoffen, auf denen ich meine Karriere aufgebaut habe, halfen mir dabei, Geld zu verdienen. In einigen Fällen hat er meine eigenen Überzeugungen bestärkt, zum Beispiel bei fossilen Brennstoffen und bei Gold. In anderen Fällen hat er mein Denken um ganz neue Dimensionen ergänzt, zum Beispiel bei Kupfer und vor kurzer Zeit auch bei Silber. Stephens Sichtweisen und sein Wissen waren unglaublich wertvoll, und ich hatte das Privileg, Zugang zu ihnen zu haben.

Das Außergewöhnliche an Stephen: Sosehr ich ihn auch für eine meiner Geheimwaffen halte, ist er doch überhaupt kein Geheimniskrämer. Er veröffentlicht einen hervorragenden Börsenbrief. Er tritt regelmäßig im Fernsehen und bei Anlegerkonferenzen auf. Und in diesem Buch hat er der Öffentlichkeit nichts von dem verschwiegen, das er mir zuvor im privaten Rahmen gesagt hatte.

Stephen hat schon früh an die Wachstumsgeschichte in Asien geglaubt und die Bezeichnung »Chindia« geprägt, lange bevor viele seiner Berufskollegen den Einfluss Indiens und Chinas auf die Rohstoffmärkte verstanden. Die gelbe Gefahr stellt neue Fragen zu diesem Thema. Man muss nicht nach übersinnlichen Erscheinungen suchen, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass vor allem die Chinesen begriffen haben, in welche Richtung sich die Welt bewegt, und dass das Land trotz großer politischer Herausforderungen (darunter die Unterschiede zwischen Stadt und Land und der schwierige Weg zu einem dauerhafteren politischen Gleichgewicht) und physischer Einschränkungen, die ihre Ambitionen behindern könnten (darunter Wasserknappheit und ein Mangel an fruchtbarem Ackerland), dazu bereit sind, alles Nötige zu tun, um in einem Zeitalter zu überleben, das sich durch hohe Ressourcenknappheit auszeichnen wird.

Die Chinesen verstehen nur zu gut, was ihre Strategen als Korrelation der Kräfte bezeichnen (was wir »Gleichgewicht der Macht« nennen). Sie haben gründlichst darüber nachgedacht, was sie brauchen, um an die Spitze zu kommen – und dort zu bleiben. Wie Stephen unermüdlich und gnadenlos darlegt, kommt der intellektuellen und finanziellen Bereitschaft der chinesischen Führung, sich auf den Kampf um Rohstoffe zu konzentrieren, umgekehrt proportional nur die Unfähigkeit der westlichen politischen Führer gleich, dasselbe zu tun.

Dass wir wenige bis gar keine Staatsmänner vom Format Bismarcks haben, ist nicht nur Pech, sondern systembedingt. Denn wir sind heute schlecht auf den strategischen Wettbewerb vorbereitet, in den wir verwickelt sind – und wir haben das Problem noch nicht einmal wirklich erkannt. Ich glaube, unsere politische Führung hat nicht die geringste Ahnung von der Dringlichkeit der meisten Themen, die Stephen in diesem Text anspricht. Daher befürchte ich, der uns bevorstehende Schock könnte dem Titel eines früheren Buches von Stephen entsprechen: Game Over, was den klassischen, optimistischen auf Wachstum fokussierten Ausblick betrifft, der zu den Grundlagen des amerikanischen Traums gehört. Für einen Forscher auf dem Gebiet des Eingehens von Risiken auf der Suche nach raren Rohstoffen, der aus diesem Grund auch ein unverbesserlicher Optimist ist, sind solche Prognosen eine neuartige Erfahrung. Diese Befürchtung beweist die Bedeutung und die Rechtzeitigkeit von Die gelbe Gefahr.

Ebenso wie Stephen sehe ich keine offensichtliche Lösung unserer Probleme. Abgesehen von den letzten 40 Jahren, in denen es immer einmal wieder zu Ölschocks kam, hatten die Amerikaner allein in den letzten zehn Jahren Chancen, das Richtige zu tun und »an ihre Enkelkinder zu denken«. Und wir haben diese Chancen im Rahmen eines Zweiparteienkonflikts ungenutzt gelassen. Das Trauma vom 11. September, die Finanzkrise, die zum American Recovery and Reinvestment Act von 2009 führte und, wie ich hinzufügen könnte, das Deepwater Horizon-Desaster im Golf von Mexiko waren Wendepunkte, an denen ein wahrer politischer Anführer eingegriffen hätte. Er hätte die öffentliche Meinung von einem massiven Förderprogramm überzeugen können, um in alternative Energien zu investieren, die es unserer Zivilisation ermöglicht hätten, sich von ihrer Abhängigkeit von Ölimporten zu befreien, neue Industrien zu schaffen und den Umweltschutz voranzutreiben. Im Gegensatz zu einem Frosch, der ja angeblich weiß, wann er aus immer heißer werdendem Wasser herausspringen muss, konnten selbst ganz offensichtliche Erschütterungen unserer Wirtschaft, unserer Politik und unserer Körperschaften die zum Überleben notwendigen Reflexe nicht auslösen.

Gleich nachdem ich den letzten Entwurf von Die gelbe Gefahr gelesen hatte, las ich ein anderes Buch von meinem Freund Jonathan Powell mit dem Titel The New Machiavelli: How to Wield Power in the Modern World. Es erwies sich als wertvolle Ergänzung zu Stephens Arbeit. Es gibt ein brillantes Zitat Machiavellis, das unsere Probleme sehr gut beschreibt:

»Die Römer verhielten sich so, wie es alle weisen Herrscher tun sollten, die nicht nur ihre gegenwärtigen, sondern auch ihre zukünftigen Schwierigkeiten bedenken, vor denen sie sich mit aller Sorgfalt schützen mussten. Denn solche Probleme, wenn man sie sehr frühzeitig erkennt, sind leicht zu heilen. Doch wenn sie zum Ausbruch kommen, sind sie vielleicht schon unheilbar. Die Krankheit ist hoffnungslos geworden. Die Ärzte kennen das von der Schwindsucht. Anfangs ist sie leicht zu heilen, aber schwer zu diagnostizieren. Doch nach einer gewissen Zeit, wenn keine Behandlung erfolgt ist, kann man sie leicht erkennen, aber nicht mehr heilen.«

Nach den Maßstäben von Konfuzius (»Ein Mann, der einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, macht einen weiteren Fehler«) sind die westlichen Politiker eine beklagenswerte Gruppe. Man könnte ihnen höchstens zugestehen, dass ihre Unfähigkeit allgemein bekannt ist, die Menschen auf die Zukunft vorzubereiten.

Wie es für ein abgeschlossenes Regime typisch ist, sind stichfeste Hinweise auf Chinas wahre Absichten schwer zu identifizieren. Sogar einige von Stephens Referenzen sind nicht eindeutig zu belegen. Aber natürlich ist es in vielerlei Hinsicht die Zusammenfügung der einzelnen Punkte zu einem derart überzeugenden Bild, die den dramatischen Beitrag Stephens zu unserem Verständnis eines der wichtigsten Themen unserer Generation deutlich illustriert.

Man muss Chinas totalitäres politisches System oder seinen pragmatischen Opportunismus nicht stillschweigend hinnehmen, um zu sehen, dass China die weltweite Rohstoffknappheit nicht verursacht hat. Zu ihren wichtigsten Ursachen gehört die mangelnde Exploration durch westliche Unternehmen. Hinzu kamen eine jahrzehntelange Baisse an den Rohstoffmärkten und die Nachlässigkeit einer politischen Klasse, die sorglos wurde, als sich die Ölschocks weniger stark bemerkbar machten. China zu beschuldigen ist also ungefähr so, als würde man demjenigen die Schuld geben, der als Letzter zu einer Party kommt und dann feststellt, dass die besten Häppchen schon vom Buffet verschwunden sind. Nachdem China dazu eingeladen wurde, an der Weltwirtschaft teilzunehmen und Wohlstand zu genießen, fühlte sich China ebenso berechtigt wie jedes andere Land, sich die nötigen Voraussetzungen für sein Wachstum zu sichern. Man kann nur anerkennen, dass China dies durch merkantilistische Praktiken tut statt durch reinen Kolonialismus, der den früheren Ressourcen-Imperialismus der westlichen Länder und Japans auszeichnete.

Natürlich werden sich Amerika und China einigen müssen. Albtraumhafte Bilder, in denen unsere Handelsflotten von chinesischen Geschossen versenkt werden, sollten wir besser durch Bilder gemeinsamer Patrouillen unserer Seestreitkräfte ersetzen, die Handelsrouten und die Freiheit der Seefahrt sichern. Tatsächlich ist es so: Je früher wir das Bild von China als »Feind« begraben, desto besser. Man muss weder ein Schwarzseher noch ein Utopist sein, um die Wirklichkeit zu verstehen. Wenn es nicht zu einer weltweiten Wirtschaftskrise kommt, die den globalen wirtschaftlichen Wettbewerb für die absehbare Zukunft völlig verändert und einen Rückschlag für die Weltwirtschaft bedeutet (besonders für China und Indien), muss gegenseitige Abhängigkeit notwendigerweise Zusammenarbeit bedeuten. Nicht zwangsläufig muss es zu Feindschaft kommen. Viscount Palmerston hat das im britischen Unterhaus am 1. März 1848 in Bezug auf seine eigene Regierung sehr treffend formuliert:

»Es ist eine engstirnige Politik anzunehmen, dass dies oder jenes Land der dauerhafte Verbündete oder der ewige Feind Englands sei. Wir haben keine dauerhaften Verbündeten und keine ewigen Feinde – unsere Interessen sind ewig, und es ist unsere Pflicht, diesen Interessen zu folgen.«

China könnte unser Feind werden, wenn beide Länder einander keine anderen Wahlmöglichkeiten lassen. Aber eigentlich sollte das Wort »Wettbewerb« schon ausreichen, und das Wort »Zusammenarbeit« wäre optimal. Eines ist klar: Wenn wir aus unserem Tiefschlaf erwachen, könnte die Möglichkeit zur Zusammenarbeit schon vorbei sein, und unsere nationalen Interessen könnten China zu einem furchtbaren Gegner machen.

Wenn Historiker einmal die Ereignisse unserer Zeit schildern, ist es gut möglich, dass Die gelbe Gefahr eher als Prophezeiung denn als Finanzberatung gesehen wird. Meine Erfahrungen mit Stephens Prognosen sprechen jedenfalls dafür. Man wird abwarten müssen, ob die Menschen Stephen diesmal mehr Glauben schenken werden als bei früheren Gelegenheiten. Wenn wir uns ansehen, wie wenige von uns seine Prognosen unterschreiben würden, frage ich mich, ob es wirklich Ressourcenknappheit und soziale Unruhen erfordern wird, um uns zu »bekehren«. Anders ausgedrückt: Vielleicht brauchen wir ein paar Stromausfälle, um das Licht zu sehen. Daher sage ich den Lesern: Wenn Sie Stephens Warnungen in den Wind schlagen, tun Sie das auf eigene Gefahr.

Thomas Kaplan
Chairman, Tigris Financial Group

Einleitung

Wenn in einigen Jahren Bücher geschrieben werden, die sich mit der historischen und wirtschaftlichen Entwicklung befassen, wird man als Gründe der zerstörerischen Wirtschaftskrise 2008/2009 solche Faktoren nennen, die bis heute kaum jemand erkannt hat. Man wird außerdem bemerken, dass diese Faktoren der amerikanischen Wirtschaft in den zehn Jahren vor der Rezession großen Schaden zugefügt haben. Und heute sind sie dabei, innerhalb weniger Jahre den Zustand unserer Welt radikal zu verändern.

Es ist allgemeine Ansicht, dass die Rezession von 2008 die schlimmste Finanzkatastrophe seit der Großen Depression war. In der Neuzeit ist die amerikanische Wirtschaft ihrer Auflösung niemals näher gekommen. Wir stimmen dieser Einschätzung zu. Schließlich fiel der S&P 500 von seinem Hoch Ende 2007 bis zu seinem Tief Anfang 2009 um mehr als 55 Prozent – der stärkste Rückgang seit den 1930er-Jahren.

Alle großen Banken waren auf staatliche Unterstützung angewiesen, und die Regierung wendete fast eine Billion Dollar auf, um die Implosion des Finanzsystems zu verhindern. Zwei von drei Autoherstellern – Ikonen der amerikanischen Wirtschaft – wurden insolvent und überlebten nur durch von den Steuerzahlern finanzierte Rettungsprogramme. Zwangsversteigerungen von Wohnhäusern erreichten ein Rekordniveau, während die Einkommen im Schnitt um 4 Prozent sanken. Das war der größte jährliche Rückgang seit der Großen Depression. Die Arbeitslosenzahl stieg.

Im Rahmen einer verzweifelten, wenn auch verspäteten Reaktion senkte die Federal Reserve für einen längeren Zeitraum die kurzfristigen Zinsen auf null. Und sie stützte das Bankensystem mit einer weiteren Billion Dollar, was sogar noch schockierender war.

Die monetäre Basis, der wichtigste Maßstab des umlaufenden Geldvermögens, verdoppelte sich innerhalb weniger als eines Jahres. Vor der Krise 2008 und 2009 lag der höchste Anstieg der monetären Basis bei etwa 35 Prozent.

Der Umfang dieses Absturzes ist allgemein bekannt, aber hinsichtlich seiner Ursachen bestehen massive Missverständnisse. Und daher herrscht größte Kurzsichtigkeit unter Ökonomen, Analysten, Regierungsbeamten und der Öffentlichkeit, was die nächste Zukunft betrifft. Es wird keine »Rückkehr zum üblichen Geschäft« geben, denn alles, was wir bislang erfahren haben, ist nur der Anfang dessen, was noch vor uns liegt – wenn wir nicht schnell, mutig und intelligent handeln, die Nebensächlichkeiten ignorieren und uns auf die wirklichen Bedrohungen konzentrieren. Dieses Buch will erklären, was das für Sie bedeutet. Man kann die Crux unseres Denkens in zwei Wörtern zusammenfassen:

Rohstoffe und China.

»Moment!«, hören wir Sie nun einwenden. »Warum ziehen Sie zur Erklärung der aktuellen Krise ausgerechnet Rohstoffe und China heran? Ist es etwa nicht bekannt, dass die Finanzkatastrophe das Ergebnis einer tödlichen Kombination hoher Verschuldungsniveaus war, an dem alle beteiligt waren – Konsumenten, Banken, Regierungen und laxe Gesetzgebung? Und bedeutet das nicht, dass die Zurückführung der Schulden und eine Gesetzgebung zur besseren Überwachung der Banken und anderer Finanzinstitutionen sowie der Schutz der Verbraucher uns vor einer Wiederholung einer solchen Katastrophe schützen können?«

Ja und nein. Hohe Verschuldung und mangelnde Aufsicht waren die unmittelbaren Auslöser des Debakels. Die Banken waren zu stark verschuldet, und auch die Verbraucher hatten im historischen Vergleich zu hohe Schulden. Und dann gab es natürlich noch die Wall Street, wo mit extremem Fremdkapitaleinsatz spekuliert wurde.

Was die Regulierung betrifft, hatte man der Wall Street einen Amoklauf gestattet. Sogar der frühere Fed-Chef Alan Greenspan, ein Zögling von Ayn Rand, gestand ein, dass die Finanzkrise ihn dazu gezwungen hatte, seine seit mehr als 60 Jahren bestehende Überzeugung abzulegen, am besten sei eine möglichst geringe Regulierung.

Daher erhalten wir jetzt nach der Krise eine Gesetzgebung, die darauf abzielt, die Verbraucher besser vor skrupellosen Kreditvergebern zu schützen und die Wall Street strenger zu regulieren. Zudem haben wir, zumindest zeitweise, eine kritischere Einstellung zu Krediten entwickelt.

Das sind auf ihrem jeweiligen Gebiet absolut gute Entwicklungen. Aber sie werden eine Wiederholung der Ereignisse von 2008 nicht verhindern. Die Wahrheit ist, dass wir uns immer noch auf einem Weg befinden, der, wenn schon nicht zu einem weiteren Finanzdebakel, so doch zumindest zu einem langen Rückgang des wirtschaftlichen Wohlstands und des Lebensstils in den USA führen wird. Wir werden ein klares Verständnis und eine Art kriegerische Einstellung benötigen, um uns von diesem Weg abzubringen und uns auf einen anderen Weg zu führen, der Hoffnung auf eine dynamischere wirtschaftliche Zukunft bietet.

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Kehren wir also zurück zu den beiden Wörtern: China und Rohstoffe.

Wir müssen einen Blick zurück in die Vergangenheit werfen, wenn wir verstehen wollen, warum diese beiden Wörter so entscheidend sind, welche Rolle ihnen in der Rezession 2008 und 2009 zukam und was sie für die Hoffnung auf eine angemessene wirtschaftliche Zukunft bedeuten. Ein wichtiger Punkt ist die Feststellung, dass die Krise von 2008 und 2009 trotz ihrer Wucht keinen scharfen, unnormalen Abschwung der Wirtschaft bedeutete. Die damaligen Ereignisse waren nicht der erste Schlag, den die Amerikaner erlitten. Den Amerikanern ging es schon in den zehn Jahren vor der Katastrophe schlecht. Die Lage hatte sich bereits verschlechtert, und dabei waren Kräfte im Spiel, die der Wirtschaft schadeten und der amerikanischen Wirtschaft schwere Verwüstungen zufügten.

Erinnern Sie sich einmal an den Beginn des Jahrzehnts: Die Tech-Blase war geplatzt, Tech-Aktien befanden sich im freien Fall, und die Wirtschaft stand drei Monate vor der ersten Rezession seit Mitte der 1990er-Jahre. Als diese Rezession im März 2001 offiziell begann, verloren die Aktien, gemessen am Kurshoch, mehr als 20 Prozent an Wert. Zwischen März 2001 und den Terrorattacken vom 11. September fielen die Kurse um weitere 20 Prozent. Nach dem 11. September zogen die Politiker alle Bremsen an und die wirtschaftlichen Aktivitäten erreichten ihren Tiefpunkt. Das National Bureau of Economic Research erklärte später, dass die Rezession im November 2001 endete. Aber die Aktienkurse sanken weiter, wie man es noch nie gesehen hatte, und die Erholung begann erst im März 2003, mehr als 15 Monate nach dem Ende der Rezession.

Im historischen Vergleich begannen die Aktienkurse in der Regel vier bis sechs Monate vor dem Ende einer Rezession deutlich zu steigen. Es ist schon vorgekommen, dass Aktien und die Wirtschaft sich gleichzeitig erholten, aber eine Zeitverzögerung von 15 Monaten zwischen einem Aufschwung der Wirtschaft und einer neuen Aktienhausse hatte es noch nie gegeben. Nicht während der Großen Depression und nicht einmal nach dem Bürgerkrieg. Diese extreme Anomalie erfordert eine Erklärung.

Ein wichtiger Teil der Antwort hängt mit folgender Tatsache zusammen: Obwohl die Aktienkurse weiterhin sanken, entwickelte sich auf einem anderen Gebiet eine mächtige Hausse, nämlich bei den Rohstoffen. In den etwa 15 Monaten nach dem Ende der Rezession stieg zum Beispiel der Kupferpreis um 15 Prozent. Aber das waren noch Peanuts im Vergleich zu Öl. Dessen Preis ging um fast 100 Prozent auf fast 30 Dollar je Barrel hinauf. Breit gefasste Indizes industrieller Rohstoffe legten um fast 20 Prozent zu – eine Hausse nach jeder erdenklichen Definition. Daher lagen diejenigen falsch, die auf eine Hausse am Aktienmarkt spekulierten.

Während des gesamten Jahrzehnts, selbst nach der schließlichen Erholung der Aktienkurse, waren Rohstoffe die besten Investments. Von seinem Tief 2003 bis zu seinem Hoch 2007 stieg der S&P 500 um mehr als 85 Prozent. Unter Einberechnung der Dividenden waren es sogar mehr als 100 Prozent. Allerdings stieg der Kupferpreis im selben Zeitraum von etwa 70 Cent auf 4 Dollar. Der Ölpreis versechsfachte sich zwischen 2003 und 2008, und viele andere Industrierohstoffe erreichten vergleichbare Gewinne.

Sie sollten verstehen, dass der entscheidende Faktor für den Anstieg der Rohstoffpreise der scharfe Anstieg der Nachfrage aus den Entwicklungsländern war. Vor allem aus China, dessen Volkswirtschaft um etwa 10 Prozent pro Jahr gewachsen war. China und andere Entwicklungsländer hatten einen enormen Hunger auf Rohstoffe, und deshalb stiegen die Preise. Weil diese Länder so schnell wuchsen, konnten sie die steigenden Rohstoffpreise schultern, da diese Materialien zu weiterem Wachstum und zu Gewinnen führen würden. Für hoch entwickelte Länder wie die USA stellte sich die Situation hingegen völlig anders dar: Steigende Rohstoffpreise, verursacht nicht durch die eigene Nachfrage, sondern durch die Nachfrage aus anderen Ländern, führten zu wirtschaftlichen Problemen.

Für die entwickelte Welt waren steigende Rohstoffpreise die denkbar schlechtesten Nachrichten, weil sie einen Trend repräsentierten, der gleichzeitig deflationär und inflationär war. 2008 wirkten sich die höheren Rohstoffpreise auf die Inflationsraten aus. Weil die Inflation sowohl in den USA als auch in Europa anzog, dachten die Chefs der Zentralbanken darüber nach, die Kreditzügel anzuziehen. Tatsächlich erhöhte die Europäische Zentralbank die Zinsen knapp einen Monat nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers – was sich als erster Dominostein in einer katastrophalen Kettenreaktion erweisen sollte. Die Fed dachte fieberhaft darüber nach, denselben Fehler zu machen.

Man übersah damals, dass eine steigende Inflationsrate auch ein Zeichen dafür war, dass deflationäre Kräfte am Werk waren. Ja, höhere Benzinpreise waren inflationär, aber sie bedeuteten auch einen direkten Schlag auf die Brieftaschen der Verbraucher. Das Wirtschaftswachstum in den 2000er-Jahren, im Schnitt 1,8 Prozent, war das niedrigste seit den 1930er-Jahren – eine direkte Konsequenz der steigenden Rohstoffpreise.

Diese BIP-Daten sagen zwar einiges aus, stellen aber eine Abstraktion dar. Die statistische Kennzahl, die wirklich zeigt, wie schlecht dieses Jahrzehnt verlief, war der Rückgang des durchschnittlichen Familieneinkommens. Inflationsbereinigt lag es 1999/2000 bei 52.000 Dollar – der höchste Wert aller Zeiten. Bis 2005 sank es auf knapp über 50.000 Dollar, und das war der erste Rückgang über mehrere Jahre, seit diese Daten in den 1940er-Jahren erstmals erfasst wurden. Bis 2009 verblieb es auf diesem Niveau, ehe es auf etwa 48.000 Dollar fiel.

Dieser Rückgang aufgrund einer Wirtschaft, die wegen steigender Rohstoffpreise kaum noch wuchs, wäre für die Verbraucher schon schlimm genug gewesen. Aber steigende Rohstoffpreise führen auch noch zu einigen anderen Problemen, die den Verbrauchern in mancherlei Hinsicht Schaden zufügten. Von der Mitte bis zum Ende des Jahrzehnts stiegen die Energieausgaben der Haushalte von 4 Prozent des typischen Einkommens auf fast 10 Prozent. Und das waren nur die Energiekosten – die Preise anderer Rohstoffe erhöhten außerdem die Ausgaben für Haushaltsführung und Essen. Die steigenden Rohstoffpreise waren wie eine noch nie gesehene und vielfältige Steuer zu einer Zeit, als eben diese Rohstoffe das Wirtschaftswachstum einschränkten, was zu einem Rekordverlust an Einkommen führte!

Sie erklären ebenfalls die rekordhohen Schulden der Verbraucher, die beim Zusammenbruch 2008 und 2009 eine so große Rolle spielten: Die Verbraucher mussten sich verschulden, um wirtschaftlich zu überleben.

2008 konzentrierte sich die Fed allerdings auf die inflationären Auswirkungen steigender Rohstoffpreise – im Rückblick mit Sicherheit das geringere von zwei wirtschaftlichen Übeln. Sechs bis sieben Monate nach dem Beginn einer Rezession sollten die Zentralbanker die Leitzinsen bereits gesenkt haben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Verschuldungsniveau war hoch, die Häuserpreise waren niedrig und mächtige deflationäre Kräfte waren am Werk – scharf ansteigende Rohstoffpreise. Daher lag es natürlich nahe, die Kreditzügel zu lockern. Allerdings blickte die Fed wie hypnotisiert auf die inflationäre Bedrohung, die sie in den steigenden Rohstoffpreisen zu erkennen glaubte, entschloss sich dazu, die Leitzinsen nicht zu senken, und verpasste so die Chance, einer erstickenden Volkswirtschaft Sauerstoff zuzuführen.

Wie man es auch betrachtet – steigende Rohstoffpreise waren der Auslöser der großen Rezession. Sie waren der Grund für das extrem niedrige Wachstum in diesem Jahrzehnt, für die sinkenden Einkommen und die hohe Verschuldung. Und sie waren verantwortlich für die Entscheidung der Fed, die Kreditzinsen mitten in einer Rezession nicht zu senken, was die Lage noch verschlimmerte. Und der Grund für die steigenden Rohstoffpreise war dieses gigantische, globale Wirtschaftsphänomen: China.

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Verstehen Sie uns nicht falsch. Es liegt nicht in unserem Interesse, China als böse oder als unseren Todfeind zu beschreiben. China hat nicht den Wunsch, uns zu zerstören, sondern es will seinen eigenen Lebensstandard erhöhen, was für jede Regierung ein lobenswertes Ziel ist. Es hat keinen Sinn, China dafür zu dämonisieren, dass das Land seine eigenen ökonomischen Ziele verfolgt. Aber als disziplinierte und schnell wachsende wirtschaftliche Großmacht ist China eine massive Herausforderung für die USA und stellt eine bedeutende Bedrohung unseres wirtschaftlichen Wohlergehens dar. Und wir verfügen auch nur über ein begrenztes Zeitfenster, innerhalb dessen wir vernünftig auf diese Herausforderung reagieren können.

Es geht immer noch nur um Rohstoffe, aber die Hindernisse werden immer größer, weil Rohstoffe rar werden. Und wie wir in diesem Buch darlegen werden, hat unsere Zivilisation kaum Überlebenschancen, wenn sie sich nicht massive Vorräte an Rohstoffen sichert. Uns wird einfach die Energie ausgehen, die vom Zugang zu einer Vielzahl anderer Rohstoffe abhängt. China versteht das und geht entsprechend vor, indem es damit beginnt, alle Arten von Rohstoffen zu akkumulieren. Derzeit scheinen die USA keine Lösung für dieses Problem zu haben – trotz aller Schmerzen in den 2000er-Jahren.

Wenn man den Beginn von Chinas riesigem Einfluss auf die Rohstoffmärkte datieren müsste, dann würde dieser Zeitpunkt ironischerweise recht nahe am 11. September 2001 liegen. Seither haben wir die falschen Kämpfe auf den falschen Kriegsschauplätzen geführt.

Und obwohl wir China nicht dämonisieren, halten wir es für angemessen, die Herausforderung zu beschreiben, die es hinsichtlich eines Wirtschaftskriegs darstellt, denn um unseren Lebensstil und alles, was dazugehört, aufrechtzuerhalten, müssen wir uns – was Geld und Konzentration betrifft – zu einer Art »Krieg« verpflichten. Wir müssen das als Kampf um Leben und Tod betrachten – als Kampf, um uns die Ressourcen zu sichern, die uns in die Lage versetzen, die Umstellung unserer Wirtschaft auf erneuerbare Energien vorzunehmen. Nur das wird uns in den nächsten Jahrzehnten und darüber hinaus am Leben erhalten.

Derzeit sieht es nicht so aus, als könnten wir diesen Krieg gewinnen – weil die Amerikaner nicht einmal wissen, dass wir ihn führen sollten. Aber wir hoffen, dass dieses Buch dazu beitragen wird, das zu ändern. Das vergangene Jahrzehnt hat gezeigt, welche Folgen es hat, wenn man diesen Krieg verliert. Aber wenn sich die Amerikaner in die richtige Richtung bewegen, gibt es unserer Meinung nach immer noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

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Wir zögern, Prognosen abzugeben oder zeitliche Vorgaben zu entwerfen, wie und wie schnell sich die Ereignisse entwickeln werden. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die beeinflussen könnten, wie unsere Welt in zehn oder 20 Jahren aussehen wird. Dennoch sind wir überzeugt davon, dass Amerika ohne einen unvorhersehbaren technologischen Durchbruch mit Problemen konfrontiert sein wird, gegen die alle schwierigen Zeiten, die wir je erlebt haben, wie ein Spaziergang im Park aussehen werden. Leider kennen wir keine realisierbaren Patentlösungen für dieses Problem.

Sollte sich in der Zwischenzeit Chinas Wachstum ungebremst fortsetzen, wird sein exponentiell wachsender Verbrauch begrenzter natürlicher Ressourcen zu einer dramatischen Verschlechterung des materiellen Wohlergehens der USA führen, weil alle unsere Konsumgüter teurer werden. Das würde wahrscheinlich sogar dann passieren, wenn Amerika seine Produktion alternativer Energien ernsthaft ausbaut und Billionen von Dollar mit derselben Dringlichkeit in diese Aufgabe investiert, als würde es einen Weltkrieg führen.

Wenn wir auf unserem aktuellen Kurs bleiben und wenig unternehmen, um die aktuellen Probleme zu bekämpfen, müssen wir mit schwerwiegenden Veränderungen und einem irreparablen Absinken unseres Nationaleinkommens rechnen – der Lebensstandard unserer Kinder wird erheblich niedriger sein als unserer.

Wir werden in eine lange Phase des wirtschaftlichen Niedergangs eintreten. Die erzwungene Ära ungewöhnlich ausgeprägter Genügsamkeit aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten wird zu einem dramatischen Rückgang des Dienstleistungssektors führen (der aktuell 70 Prozent der Volkswirtschaft ausmacht), zu chronisch hoher struktureller Arbeitslosigkeit und möglicherweise zu weitaus mehr Kriminalität, weil verzweifelte Menschen verzweifelte Maßnahmen ergreifen müssen, um zu überleben. Weniger Leute werden sich die Kosten einer College-Ausbildung leisten können.

Die Ressourcenknappheit wird auch physisch unser Leben verändern. Wir werden wegen steigender Treibstoffkosten kleinere Autos fahren und weniger reisen. Wir werden in kleineren Häusern wohnen, und es wird einen massenhaften Exodus aus dem Umland und den Vorstädten in die Städte geben, weil es dort bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr gibt.

Im schlimmsten denkbaren Szenario könnte die Rohstoffknappheit zu globalen Kriegen um Ressourcen führen, weil sich der Kampf um wichtige Materialien, von denen wir heute noch glauben, dass sie im Überfluss existieren (Kupfer, Silber und Zink zum Beispiel), von den Vorstandsetagen, wo heute Unternehmensübernahmen durchgeführt werden, auf das Feld verlagert, wo Armee, Marine und Luftwaffe unentbehrliche Ressourcen mit anderen Mitteln zu sichern versuchen.

Die Härten, die sich als Folge der Rohstoffknappheit entwickeln, könnten möglicherweise massive Veränderungen in der Art bewirken, wie die USA regiert werden. So wie während der Großen Depression sozialistische und faschistische Regimes an Stoßkraft gewonnen haben, wird die schwierige Zeit, die uns bevorsteht, extremere politische Ansichten hervorbringen, die letztlich zu einer autokratischeren Regierungsform führen könnten.

Kurz gesagt: Alles steht auf dem Spiel, was wir am American Way of Life schätzen.

Denken Sie daran, dass stark steigende Rohstoffpreise drohen, eine Reihe von schweren Rezessionen auszulösen, gefolgt von Phasen vielleicht moderaten Wachstums, das die Preise rasch noch viel weiter nach oben treibt, wodurch sich der Zyklus wiederholt. Die Rezessionen werden die Nachfrage nach Rohstoffen vorübergehend abschwächen, was den Prozess der Ressourcenerschöpfung in die Länge ziehen wird. Aber am Endergebnis wird das nichts ändern. Amerikas Stellung in der Welt wird massiv geschwächt. Unser Lebensstandard wird deutlich unter das Niveau sinken, an das wir uns gewöhnt haben, unsere verfügbaren Einkommen werden markant fallen. Das ist die Folge des massiven Anstiegs der Kosten für die Lebenshaltung und alles andere.

Kapitel 1
Der erleuchtete Herrscher plant weit voraus

Vor Kurzem feuerte China die erste Salve in einem Krieg zwischen China und den USA ab, der unsere Zivilisation verändern könnte – und das blieb weitgehend unbeachtet. Der Vorgang führte nicht zu einem elektrisierenden Ruf zu den Waffen, der nötig wäre, die Politiker und das amerikanische Volk zu vereinen und uns aktiv werden zu lassen. Es handelte sich nicht um einen Überfall auf Pearl Harbor in den frühen Morgenstunden, um keine Attacke wie am 11. September 2001, auch nicht um das Versenken der Lusitania, also machen wir einfach weiter, als wäre nichts geschehen.

Diesmal erfolgte der Schuss still, ohne Drama, in der Form einer entschlossenen Äußerung des Wortes »Nein« an einem Konferenztisch. Das war im Dezember 2009 in Kopenhagen bei einer mit Spannung erwarteten Konferenz mit Delegierten aus 193 Nationen, die sich versammelt hatten, um eine koordinierte Strategie gegen die Erderwärmung zu erarbeiten.

Man hatte inständig darauf gehofft, dass eine international verbindliche Vereinbarung erreicht werden könnte, mit der sowohl die USA als auch China leben konnten – die beiden Nationen, deren Einverständnis für eine vernünftige Einigung entscheidend war. Und zunächst schien China auch verhandlungsbereit zu sein. Allgemein herrschte die Auffassung, dass die Chinesen endlich den Druck aus dem Westen verspürten.

Dieser Optimismus wurde zusätzlich dadurch gefördert, dass China – das allgemein als der größte Beiträger zur globalen Erwärmung gilt – einige extrem ehrgeizige Pläne angekündigt hatte, seine Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Am erstaunlichsten war der Plan, bis 2020 15 bis 20 Prozent seines Konsums von Primärenergie aus alternativen Energiequellen zu decken: Windenergie, Solarenergie, Wasserkraft und Kernenergie.

Aber obwohl China für diese Ankündigungen von Umweltschützern allgemein gelobt wurde, waren seine Aktionen in Kopenhagen einer neuen Vereinbarung alles andere als zuträglich, die einen Klimawandel tatsächlich bekämpfen konnte. Die Konferenz endete mit einer Enttäuschung, einer verwässerten Vereinbarung und ohne feste, schnell umsetzbare Ziele zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen. Auf Chinas Drängen wurde sogar eine Sprachregelung, die die reichen Länder dazu verpflichtet hätte, sich ein Ziel für die Emissionsreduzierung bis 2050 zu setzen (ohne eine Gegenleistung der Entwicklungsländer), aus dem Abschlussdokument eliminiert. Präsident Obama kehrte letztlich mit leeren Händen nach Washington zurück. Weil es keinen konkreten Vertrag gab, auf den man verweisen konnte, sahen die USA und andere entwickelte Nationen keinen Anreiz, einseitig zu handeln. Stattdessen überließen sie die Kohlendioxidreduktion größtenteils dem freien Markt. Fast jeder war der Meinung, die Konferenz sei ein blamabler Flop gewesen.

Allerdings zeigte sich, dass es einen Gewinner der Kopenhagener Verhandlungen gab: China. Eines Tages wird man das als brillanten Trick anerkennen: Das Land schaffte es, gleichzeitig jede weltweite Initiative der Bekämpfung der Klimaveränderung zunichtezumachen, sich selbst die Freiheit zu sichern, weiterhin so viel Kohlendioxid zu emittieren, wie es zur Förderung des eigenen Wachstums brauchte, und dennoch für seine scheinbare neue Verpflichtung Lob einzuheimsen, innerhalb seiner eigenen Grenzen die Nutzung erneuerbarer Energien voranzutreiben.

Auch wenn das alles unlogisch zu sein scheint, ergibt es aus Chinas Perspektive perfekten Sinn. Denn indem es jede bedeutende Aktion anderer Länder verhinderte, konnte China seine eigene Energieversorgung sichern. Die Chinesen haben das geschafft, indem sie das Angebot an zahlreichen, immer seltener werdenden Bodenschätzen verknappten, die für den Aufbau seiner alternativen Energie-Infrastruktur entscheidend waren (und in der Tat auch notwendig für andere Infrastrukturprojekte, die für Chinas anderes großes Ziel extrem wichtig sind, nämlich die Massen der Landbevölkerung in die moderne Welt zu führen). Die Vorkommen dieser Bodenschätze sind begrenzt und werden immer rarer. Es gibt nicht genug davon, und je stärker die Welt sich alternativen Energien zuwendet, desto schneller werden sie erschöpft sein. Wenn China diese schwindenden Ressourcen an sich zieht, stehen andere Staaten – einschließlich der USA – buchstäblich in der Kälte.

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Die IEA-Prognose der weltweiten Ölproduktion nach Sorten
Quelle: International Energy Agency

Der aktuelle Krieg mit China, der bereits begonnen hat, dreht sich ausschließlich um die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen. Dieses Phänomen begann schon vor einiger Zeit mit dem Höhepunkt der Ölproduktion (Peak Oil): der Vorstellung, dass Steigerungen der Ölproduktion nicht mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten können – oder, genauer, dass die Ölproduktion ihr Top erreichen wird. Peak Oil, lange Zeit eine Außenseitermeinung, hat inzwischen eine stärkere Zustimmung gefunden. Die Internationale Energieagentur (IEA), die 28 Länder repräsentiert, darunter die größten entwickelten Volkswirtschaften der Welt, hatte bis vor Kurzem die Meinung verbreitet, Öl sei im Überfluss vorhanden. Mitte des letzten Jahrzehnts prognostizierte die Agentur, die konventionelle Ölproduktion werde im Jahr 2030 mit Leichtigkeit die Menge von 120 Millionen Barrel pro Tag übertreffen. Ein Jahr später erkannte sie an, dass die Welt schon 2006 den Höhepunkt der konventionellen Ölproduktion erreicht hatte.

Heute geht die Organisation davon aus, dass Steigerungen der Ölproduktion nach 2020 nur durch den Rückgriff auf unkonventionelle Quellen wie Teersände möglich sein werden. Es ist kein Widerspruch zur IEA-Prognose, wenn man annimmt, dass Steigerungen der Ölproduktion bereits den Punkt erreicht haben, an dem sie mit einer wachsenden Nachfrage nicht mehr Schritt halten können.

Verborgene chinesische Ambitionen

Chinas Aktionen in Kopenhagen und tatsächlich auch seine Entwicklung alternativer Energien in den letzten Jahren legen nahe, dass die Chinesen schon gemerkt haben, dass der Höhepunkt der weltweiten Ölproduktion kurz bevorsteht – wahrscheinlich innerhalb des nächsten Jahrzehnts. Und Öl ist nur einer der unentbehrlichen Rohstoffe, von denen China weiß, dass der Produktionshöhepunkt in naher Zukunft liegen wird. Ein weiterer fossiler Brennstoff, der im Gegensatz zur weitverbreiteten Mehrheitsmeinung in den nächsten Jahren knapper werden wird, ist Kohle. Chinas Energieverbrauch hängt zu 70 Prozent von Kohle ab. Kein Wunder, dass das Land nun eifrig alternative Energien entwickelt: hat es doch erkannt, dass es rasch ein nicht auf fossilen Brennstoffen basierendes Energiesystem aufbauen muss, um Steigerungen des Lebensstandards seiner Bevölkerung gewährleisten zu können.

Ebenso klar ist: China erkennt, dass das Problem der Rohstoffknappheit kaum mit den Brennstoffen enden wird. Drei Metalle, die für den Wechsel zu erneuerbaren Energien dringend erforderlich sind – Silber, Kupfer und Zink – erreichen ihre Angebotsgrenzen, worin Wissenschaftler, führende Bergbauunternehmen und der U.S. Geological Survey übereinstimmen. Die Implikationen einer Knappheit dieser Metalle sind erschütternd.

Wenn China ein Drittel seiner Elektrizität mit Solarenergie produzieren will, braucht es dafür dreimal so viel Silber wie derzeit jährlich weltweit gefördert wird. Das macht es nicht nur unwahrscheinlich, dass sich China allein auf die Solarenergie stützen kann, sondern es schließt andere Staaten einschließlich der USA praktisch davon aus, Solarenergie im großen Maßstab zu nutzen. Was Kupfer betrifft: Bei der derzeitigen Förderung dürften die wirtschaftlich ausbeutbaren Kupfervorkommen der Welt in nur 30 Jahren erschöpft sein. Kalkuliert man die steigende Nachfrage zum Aufbau eines Versorgungsnetzes mit ein, wenn immer mehr erneuerbare Energie eingespeist wird, weiterhin den Bedarf für Hybridfahrzeuge und für bessere Wohnbedingungen in den Entwicklungsländern, für Haushaltsgeräte und andere Güter, dann könnten diese Vorkommen sogar noch schneller erschöpft sein.

Die Logik hinter dem scheinbaren Widerspruch zwischen Chinas Handlungen in Kopenhagen und seinen großen Plänen zum Aufbau einer alternativen Energietechnologie sollte nun viel klarer sein. Die Volksrepublik baut nicht auf alternative Energie, weil sie plötzlich an die Klimaveränderung glaubt. Wäre das der Fall, dann hätte sie in Kopenhagen einen Vertrag angestrebt, der für alle Teilnehmer bindend gewesen wäre. Nein, sie hat nichts Eiligeres zu tun, als sich die wichtigen Rohstoffe zu sichern, bevor sich die entwickelte Welt mobilisiert, um das Gleiche zu tun. Sie eilt nach vorn, bevor große Mengen dieser unersetzlichen Materialien zur Neige gehen. Im Gegensatz dazu tun die USA gar nichts, um sich auf die bevorstehenden Probleme vorzubereiten.

Ein erfolgreiches Ergebnis der Kopenhagener Verhandlungen hätte den weltweiten Übergang zu alternativen Energien beschleunigt. Würden die USA und andere hoch entwickelte Nationen ihre Infrastruktur bezüglich alternativer Energie weiterhin rasch ausbauen, dann würde die Nachfrage nach Rohstoffen durch die Decke schießen, die Preise würden massiv steigen und es käme schneller zu Versorgungsengpässen. Indem sie diese Bemühungen abgekürzt haben, konnten sich die Chinesen einen Spielraum sichern, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen.

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Lebensdauer der Minenreserven ausgesuchter Rohstoffe zu den Produktionsniveaus 2009 in China
Quelle: World Gold Council, U.S. Geological Survey

Um Ihnen eine Vorstellung vom Ausmaß dieses Problems zu vermitteln: Zu den heutigen Preisen bedeutet Chinas angestrebtes Ziel, 15 bis 20 Prozent seiner Energie aus alternativen Quellen zu beziehen, dass das Land in den nächsten zehn Jahren im Durchschnitt mehr als 350 Milliarden Dollar jährlich für erneuerbare Energien ausgeben wird. Das entspricht etwa dem Dreifachen der diesbezüglichen weltweiten Ausgaben im Jahr 2008. Wenn die Chinesen ihr Ziel erreichen wollen, werden die wichtigsten Rohstoffe – einschließlich derer, die durch Recycling gewonnen werden können – derart rar, dass der Rest der Welt fast keine Chance haben wird, in nennenswertem Ausmaß alternative Energien aufzubauen, um diesbezüglich aufzuholen. Somit wird allein China eine effektive Infrastruktur für alternative Energien besitzen.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Chinesen ausdauernde langfristige Denker sind. Die politischen Führer müssen sich nicht alle zwei Jahre mit ihren Wählern auseinandersetzen. Sie sind bereit, in Zeiträumen von fünf, zehn oder 20 Jahren zu denken, und haben bewiesen, dass sie bemerkenswert gut darin sind, die Ziele zu erreichen, die sie sich in den letzten Fünf- oder Zehn-Jahres-Plänen gesetzt haben. Im Bereich der alternativen Energien, wo das Land bereits der größte Erzeuger von Solar- und Windenergie ist, haben sie die Ziele der Vergangenheit sogar deutlich übertroffen. Sie arbeiten nicht nur an langfristigen Zielen, sondern sie nutzen auch rasch die Schwächen anderer. Vor allem sind sie durch den Wunsch motiviert, Chinas Unabhängigkeit zu bewahren und die Kontrolle über seine große Berufung nicht zu verlieren.

Bei der Diskussion seiner Pläne bezüglich erneuerbarer Energien hat es China vermieden, den Produktionshöhepunkt von Rohöl oder anderer Rohstoffe zu erwähnen, außer gelegentlich in akademischen Publikationen. Stattdessen verbirgt China seine Pläne unter dem Deckmantel sauberer Energie. So präsentiert das Land seine Planungen unter dem Vorwand einer Kontrolle der Treibhausemissionen und der Umweltverschmutzung, damit seine Akkumulation von Rohstoffen von der Weltgemeinschaft bereitwillig akzeptiert wird, wo Sorgen um die Umwelt auf breites Verständnis stoßen und die Notwendigkeit sauberer, erneuerbarer Energie fast zur Religion wird. Gleichzeitig gilt: Wenn sich die Erde tatsächlich erwärmt, gewinnen die Chinesen mehr als andere Länder, die ihren Lebensstandard dann wesentlich stärker zurückfahren müssen, weil sie einen weit geringeren Teil ihres Energiebedarfs aus sauberen Quellen beziehen.

Chinas Verfolgung dieser Ziele wird massive wirtschaftliche Folgen für den Rest der Welt haben. Die Preise der Rohstoffe, die in den letzten zehn Jahren als Gruppe um 80 Prozent gestiegen sind, je nachdem, welchen Index man heranzieht – größtenteils als Folge der Nachfrage aus China –, werden weiter nach oben gehen, vielleicht sogar auf ein unerschwingliches Niveau. Die Amerikaner werden nicht nur 10 Dollar für eine Gallone Benzin bezahlen, sondern alles, was wir kaufen – Essen, Kleidung, Elektroartikel und alle erdenklichen anderen Güter –, wird viel, viel mehr kosten. Wir könnten auch mit einer ausgedehnten wirtschaftlichen Rezession konfrontiert werden, mit sinkenden realen (inflationsbereinigten) Einkommen und zweistelligen Arbeitslosenquoten als Norm.

Als dieses Buch gedruckt wurde, argumentierten einige Analysten, dass Chinas Infrastrukturausgaben zu hoch seien, dass das Land industrielle Überkapazitäten ausweise und zu viele Eisenbahnen, Straßen, Bürogebäude und Wohnhäuser gebaut habe. Unser Kommentar dazu in sinngemäßer Übersetzung eines alten chinesischen Sprichworts: »Warten wir mal ab, dann sind wir klüger.«