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Table of Contents

Titel

Impressum

Widmung

Jedes Leben

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Siebenundzwanzig

Achtundzwanzig

Neunundzwanzig

Dreißig

Danksagung

Mehr Bücher von Dorothe Reichling bei DeBehr

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Über die Autorin

 

 

Dorothe Reichling

 

 

 

 

Es fällt kein Schnee im Sommer

 

 

 

ROMAN

 

 

 

 

©Verlag DeBehr

 

©2017 Dorothé Reichling, Autorin

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

ISBN: 9783957534675

Erstauflage: 2017

Umschlaggrafik Copyright by Fotolia by Elena Schweitzer

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 


Für Peter

Du bist mein Schnee im Sommer

 

Jedes Leben hat einen Sinn,

auch wenn man glaubt, es verschwendet zu haben.

 

Die Begegnung mit dem Tod hatte sich Henry anders vorgestellt. Offene Fragen waren es, die ihn mehr quälten als der Tod selbst. Hatte er sein Leben genutzt, gelebt? Würde er in Frieden sterben können? Eine Frage, die er sich seit seiner Diagnose „Krebs“ täglich stellte. War sein Leben befriedigt, von der Neugier der unendlichen Möglichkeiten gesättigt? Oder waren seine Jahre sinnlos verstrichen? So gleichgültig, dass ihm die Zeit, mit der er so großzügig war, nun zu Ende ging? Jetzt lag es an ihm, seinem Schicksal zu entfliehen, zu kämpfen für ein kleines Stück verlorenes Glück, das er nie wagte einzufordern. Er weiß, was er will! Nicht länger alleine sein. Nicht alleine sterben. Seinem Sohn die Schuld nehmen, an dem viel zu frühen Tod seiner geliebten Frau. Seinem Freund und Rivalen die Frage stellen, die ihn seit Jahren quält.

Er will noch einmal das Leben spüren, vielleicht sogar noch einmal lieben, bevor er stirbt. Eine allerletzte Chance, sein Schicksal hinauszuzögern. Bis alle Fragen beantwortet sind, wird er kämpfen.

Zeit ist sein schlimmster Feind. Er muss das Unmögliche schaffen und immer einen Schritt schneller sein als der lauernde Tod. Seine Lebenszeit ist begrenzt, sein Wille nicht. Kann er das Unmögliche schaffen? Ein Leben zu leben … Am Ende seines Weges will er nur noch eines: Schnee, der im Sommer fällt.

 


Eins

Würde dies seine letzte Reise sein, die er antrat? Henry befand sich an einem Punkt in seinem Leben, einem Punkt, an dem er am weitesten davon entfernt war, von dem, was er eigentlich wollte. Er schaute aus dem Fenster, sah das bisschen Leben, das ihm noch bleiben würde, an sich vorbeirasen. Ein letztes Mal sollte sein Weg zu den Menschen führen, die er so schändlich verlassen und enttäuscht hatte. Das Surren der Gleise tönte in seinem Kopf. Rasende Kopfschmerzen machten ihm das Denken schwer. Nur noch wenige Minuten, dann würde der Zug in Düsseldorf einfahren. Sein Weg sollte dann gleich in die Düsseldorfer Klinik führen. Noch einmal zurück auf Anfang! Wäre das möglich, würde er dann sein Leben anders leben, als er es bisher getan hatte? Das Atmen fiel ihm schwer und er spürte, wie er seine Zähne aufeinander schlug, um den aufsteigenden Hass in ihm zu unterdrücken. Hey, was macht es schon, wenn ich mich unsterblich blamiere. In ein paar Monaten interessiert es keinen mehr, wer ich war und was ich mein Leben nannte, dachte er.

Über den Lautsprecher ertönte die Ansage, dass der Zug nun den Düsseldorfer Bahnhof erreicht hatte. Schnell packte Henry seinen Koffer und seinen Mantel und ging Richtung Ausgang. Noch immer lief die Ansage und verkündete die weiteren Anschlusszeiten nach Hamburg, Stuttgart und Berlin. Für ihn jedoch war hier Endstation. Henry schob sich durch die Menge und steuerte sicher das nächste freie Taxi an. „Zum Klinikum“, befahl er und war selbst erschrocken, wie barsch seine Stimme rüberkam. Er wollte sich schon entschuldigen, aber der Fahrer schien einiges gewöhnt zu sein und setzte den Wagen sofort in Gang, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Henry entschloss sich, ihm am Ende der Fahrt ein großzügiges Trinkgeld zu geben. Trotz aufkommenden Verkehrs steuerte der Taxifahrer den Wagen sicher und zügig durch die Düsseldorfer Innenstadt. Schneller, als ihm lieb war, erreichte Henry die Klinik. Hier hatte alles seinen Anfang genommen. Vor etwa einem Jahr fand sein Leben hier ein Ende und stellte alles Bisherige infrage. Es sollte eine einfache Routineuntersuchung werden bei seinem guten Freund und Arzt Ben. Aber als er ihn dann eine Woche später zu sich bat, war die Diagnose kurz, aber schmerzvoll: Krebs! Chronische Leukämie im fortgeschrittenen Stadium. Es folgte die Chemotherapie. Die erste und auch eine zweite, danach war Henry stabil, aber ein Todeskandidat mit Verfallsdatum. Er würde sterben, hieß es …

„Danke“, sagte er zu dem Fahrer. Der reichte ihm sein Gepäck und lächelte freundlich. Henry gab ihm die Hand, darin hatte er einen Zwanzigeuroschein versteckt, die mit einem kräftigen Händedruck seinen Besitzer wechselten. Ohne hinzuschauen, was er bekommen hatte, verneigte er sich tief vor Henry. Eine Geste, die er zuvor bei keinem anderen Fahrer erlebt hatte. Er blieb noch eine ganze Weile stehen und sah dem Taxi hinterher, bis es am Horizont verschwand. Nun war Henry wieder hier und er war am Leben.

 „Henry! Wie schön, dich zu sehen. Wie geht es dir? Lass dich anschauen. Wir haben uns so lange nicht gesehen, ich freue mich wirklich.“

„Hallo Ella.“ Zu mehr war er nicht fähig, es verschlug ihm die Sprache. Alle Erinnerungen kamen zurück, überrollten ihn wie ein Zug und begruben ihn mit Schmerz und Trauer wie eine Lawine, der er nicht entkommen konnte. „Du kennst ja den Weg“, sagte Ella freudig erregt. „Ich bringe dir auch gerne einen Tee. Schwarz mit drei Stück Zucker und Sahne extra, so wie du ihn am liebsten magst.“ Henry sah in Schwester Ellas schönes, junges Gesicht. Ein Gesicht, das nicht verbergen konnte, dass es mitfühlte. Nicht nur bei ihm, dem Todeskandidaten. Ellas Augen hatten immer diesen leichten feuchten Glanz. Sie liebte ihren Beruf und trug ihr Herz am rechten Fleck, aber sie litt mit jedem einzelnen ihrer Patienten. „Oder möchtest du doch lieber etwas anderes?“, unterbrach sie seinen Gedankengang euphorisch. „Ich habe Dr. Römer bereits informiert, er bittet dich um ein wenig Geduld. Visite, du weißt ja, wie das hier abläuft.“

„Natürlich, er soll sich Zeit lassen, und ja, ich nehme gerne einen Tee. Könnte ich auch etwas Gebäck dazu bekommen, ich hatte noch nichts Richtiges zum Frühstück. Mal wieder Blutabnahme, du verstehst?“ Henry schwenkte seinen Arm demonstrativ in ihre Richtung. Deutlich sah man das Pflaster in seiner Armbeuge und die vielen blauen Flecken, die aussahen, als würde er täglich verprügelt werden. Leider war es immer schwieriger, gut funktionierende Venen zu finden. Es war so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Henry hatte seinen alten Hausarzt um ein erneutes Blutbild gebeten. Wenn die Ergebnisse vorlagen, sollte er sie an Dr. Römer faxen. Nur für den Fall der Fälle. „Dr. Römer bat mich, für ihn ein Frühstück zu bestellen, gerne bestelle ich dir eins …“

„Nein danke! Tee und Gebäck sind völlig ausreichend. Henry hatte den Türgriff zu Bens Büro bereits in der Hand, als Ella verlegen den Kopf zum Boden senkte. „Kopf hoch, Ella, noch lebe ich ja, und außerdem gehen Dr. Römer und ich heute Mittag noch essen. Kein Grund also traurig zu sein, ich bin es doch auch nicht.“ Schon zeichnete sich wieder ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht ab. „Wie geht es Ruben?“, fragte Henry neugierig – ob die beiden noch ein Paar waren? „Seid ihr zwei immer noch so verliebt?“ Jetzt hatte er Ella endgültig in Verlegenheit gebracht. Er wollte sich schon entschuldigen, dann strahlte sie ihn mit großen Augen an. „Ruben ist auch hier auf der Station von Dr. Römer. Ich soll dir Grüße ausrichten und er sagte etwas von …“ Wieder stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht. Langsam bekam Henry Mitleid mit dem armen Ding und erlöste sie. „Ich soll an die Karten denken, denn er hat die Wette gewonnen, richtig oder richtig?“, neckte er sie. Ella staunte nicht schlecht und auf ihrem Gesicht war erneut ein Lächeln zu sehen. Es war immer eine Freude für alte und müde Augen, Ella zu betrachten. Sie war von schlanker Natur, hatte ihre Rundungen dort, wo sie hingehörten, und wunderschönes rotes Haar. Ihr schönes Gesicht, das von ihren noch schöneren tiefgrünen Augen umrahmt war, strahlte. Ihre Lippen, die etwas zu schmal geraten waren, schimmerten in leichtem Rosé und ihre Wangen waren die eines kleinen, schüchternen Mädchens, puderig rot und leicht fleckig. Ella könnte meine Tochter sein, dachte er. Und genau mit diesen Augen sah er sie. „Ruben sagte bei meiner letzten Chemotherapie, dass wir uns wiedersehen  und …“, Henry musste erst einmal tief Luft holen, dann fuhr er fort, „… dass ich halt nicht so schnell den Löffel abgeben würde, meinte er.“ Ellas Gesicht wurde starr vor Entsetzen. „Das hat er nicht wirklich gesagt“, echauffierte sie sich. „Doch, das hat er gesagt und er hat die Wette gewonnen. Sag ihm einen lieben Gruß von mir, ich würde mich freuen ihn zu sehen.“

„Mache ich. Aber Ruben wird was zu hören bekommen.“ „Lass ihn, es ist schon in Ordnung und ich weiß ja, wie er es gemeint hat.“

„Schwester Ella, bitte zum Labor, Schwester Ella, bitte …“ „Ich muss gehen, Henry. Schön, dass du da bist.“ Er sah ihr nach, wie sie schnell den Flur entlanghuschte, dann verschwand sie hinter der Türe, auf der mit großen schwarzen Buchstaben ‚Labor‘ stand.

Ohne das kleinste Geräusch ließ sich die Türe zu Bens Büro öffnen. Sie kannten sich bereits mehr als dreißig Jahre. Als Vertreter kam Henry damals zu ihm, um seine Wellnessprodukte an den Mann zu bringen. Er erinnerte sich, als sei es erst gestern gewesen. Ben war angehender Oberarzt für Onkologie. Schon damals wusste er genau, was er wollte und was nicht. Er machte nie einen Hehl daraus, was er dachte, und kam immer sehr schnell auf den Punkt. Henry war noch sehr unerfahren und fühlte sich leicht überrannt von seiner sehr dominierenden Art, die auf Henry leicht arrogant wirkte. „Ich habe keine Zeit“, begrüßte Ben ihn damals fast schon herablassend und gab ihm nur sehr flüchtig die Hand. „Dr. Römer, Oberarzt für Onkologie“, betonte er. Später jedoch erfuhr Henry, dass er zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Oberarzt für Onkologie war. Ben aber war ein Blender, ein Macher, ein Showman, ein Überflieger und allen und jedem immer zwei Schritte voraus. Ein großer, stattlicher und muskulöser Typ, mindestens 1,80 groß mit rabenschwarzem, kurz gelocktem Haar. Er trug seinen Kittel offen und das hellblaue Hemd, das er daruntertrug, war so weit geöffnet, dass seine Brusthaare deutlich zu sehen waren. Das war Ben.

 Henry sah sich kurz um. Sein Büro hatte sich kaum verändert. Auch jetzt überkam ihn wieder dieses ungute Gefühl, wie damals, als er zum ersten Mal Bens Büro betrat. Klare, für ihn jedoch kalte Linien prägten den Raum und gaben ihm eine frostige Atmosphäre. Die Einrichtung war schlicht, aber elegant und teuer, sehr teuer. Chrom und Glas dominierten, spiegelten seinen Status. Mitten im Raum stand dieser demonstrative Tisch mit einer Glaspatte aus hellen und schwarzen Steinelementen, auf dem das Nötigste wie Computer, Telefon, Schreibutensilien und ein persönliches Bild von ihm stand. Der einzige Gegenstand, der sich mit Sicherheit von Jahr zu Jahr veränderte. Henry vermutete, dass es sich jeweils um die Abbildung seiner aktuellen Freundinnen handelte. Eine junge Dame, nicht älter als dreißig und immer wunderschön anzuschauen. Auffällig, aber in einer ganz anderen Art als der Tisch war das einzige Bild, das Henry immer wieder aufs Neue in seinen Bann zog. Es zeigte eine Schwarzweiß-Karikatur verschiedener Menschen von Nationalität und Alter, die gemeinsam auf einem Hochseil balancierten. Unter ihnen befand sich ein trichterförmiger Abgrund und man sah eine Menschenkette über dem Abgrund schweben. Der Letzte in dieser Kette war ein Kind, das die Erdkugel in den Händen hielt. Immer weiter trat Henry in das Büro und sein Blick streifte den großen Ledersessel, der sehr im Kontrast zu der restlichen Einrichtung stand. In diesem Sessel nahm Ben damals Platz. Er spielte von Anfang an mit Henrys Unsicherheit. Er ließ ihn sogar einige Zeit stehen, bis er sich dazu herabließ, ihm doch noch einen Platz anzubieten. „Wie unhöflich von mir, Herr…?“, flötete er. „Muhr, Henry Muhr, von der Firma ‚Wellness Enterprice‘“, wiederholte Henry sich bereits zum dritten Mal. Ben rekelte sich mehrfach in seinem Sessel, bevor er ihm dann seine Aufmerksamkeit schenkte. Henry sah ihn an und vermutete, dass sie etwa dem gleichen Jahrgang entsprachen. Wo nahm er nur diese Selbstsicherheit her, fragte er sich unentwegt. „Am Empfang sagte man mir, dass ich mich an Sie wenden sollte, um meine Produkte vorzustellen.“ Henry kramte sehr ungeschickt mit leicht zittrigen Händen in der Mustertasche herum. Dann legte er verschiedene Packungen und Prospekte zur Ansicht auf den Tisch und wartete eigentlich nur darauf, dass Dr. Römer etwas mehr Interesse zeigen würde. Er spürte deutlich, dass er unter seiner Beobachtung stand. Schließlich machte Henry diesen Job nicht erst seit gestern, aber dieser Dr. Römer brachte ihn völlig aus dem Konzept. „Ich möchte Ihre Zeit auch gar nicht länger als nötig in Anspruch nehmen“, sagte er einlenkend. „Ich lasse Ihnen einfach einige Proben und Muster hier und würde mich dann in circa zwei Wochen noch mal bei Ihnen melden.“ Ben verzog keine Miene. Henry kam es vor, als würde er durch ihn hindurchschauen und sich innerlich köstlich über ihn amüsieren. Eine Erkenntnis, die schmerzte. Mit jeder weiteren Minute, die verging, verabschiedete sich Henrys Selbstbewusstsein zusehends. „Vielleicht möchten Sie doch lieber nächsten Monat unseren Messestand besuchen“, hoffte er Bens Interesse endlich zu wecken. Er schob ihm einen Prospekt zu, aber Ben machte nicht einmal den Versuch, ihm Interesse vorzutäuschen. Beider Blicke trafen sich für einen flüchtigen Moment. Trotz neu aufsteigender Nervosität war Henry nicht bereit aufzugeben. Sonst war er doch auch nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Dieser Dr. Römer war nicht sein erster Kunde und würde auch mit Sicherheit nicht sein letzter Kunde sein. Er vermutete, dass Menschen wie er, die sich mit Klinkenputzen ihr Geld verdienten, seine ganze Verachtung hatten. In seiner Gegenwart fühlte Henry sich plötzlich klein und schäbig, fühlte sich als Versager. Während Ben so da saß und Henry beobachte, wie der bereits wieder seine Sachen einpackte, schweiften auch Henrys Gedanken in eine ganz andere Richtung. Er dachte an seine Frau! An Hellen und an ihren Kinderwunsch. Vater zu werden bedeutete nicht nur eine weitere Verantwortung zu übernehmen, sondern setzte auch ein gutes und sicheres Einkommen voraus. Henry hatte Ziele für seine Familie und sich. Ihr sollte es an nichts fehlen. Hellen gehörte einfach zu den Frauen, die mit einem sicheren, wenn auch leicht außergewöhnlichen Geschmack hervorstachen. Sie liebte die Kunst und den großen Schein des Seins. Sie gönnte sich, wenn es der Geldbeutel zuließ, Beauty- und Wellnessbehandlungen vom Feinsten. Auch ihre Garderobe war edel und nicht in irgendeinem Kaufhaus zu bekommen. Sie kaufte nichts von der Stange, sondern nur die teuersten Designerstücke. Sie liebte es, wenn sie diese Läden betrat, umhüllt von einem Hauch von Luxus. Sie sagte immer, dass sie dort etwas Besonderes sei und die Leute sie mit Aufmerksamkeit überschütteten. Selbst, wenn sie sich die Sachen nur anschauen wollte, konnte sie dem Flair einfach nicht widerstehen. Sie bekam Champagner gereicht und verführerische Schokoladentäfelchen dazu. Mit dieser Marketingstrategie blieb es dann meistens auch nicht nur beim Schauen. Sie musste mindestens ein kleines Teil aus der neuen Kollektion kaufen, um den Tag würdig abschließen zu können. Hellen war nicht verschwenderisch, aber sie liebte schöne Dinge. Henrys Aufgabe war es, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Sie war in diesen Momenten wie ein kleines Kind, das einen Süßwarenladen betritt und nicht anders kann, als nach Herzenslust zuzugreifen. Als er sie kennerlernte, konnte er sein Glück kaum fassen, dass sie ihn erwählte. Sie lief ihm geradezu in die Arme, damals, als er als Anfänger unterwegs war, um seine Produkte noch von Tür zu Tür zu verkaufen. Er war auf dem Weg nach Hause. Der Tag war lang und das Wetter mehr als schlecht und sein Verkauf ließ sehr zu wünschen übrig. Bepackt mit zwei schweren Musterkoffern versuchte er den nächsten Taxistand zu finden. Ganz in Gedanken, so schien es auf den ersten Blick, kam ihm Hellen entgegen. Schon damals umgab sie eine Aura von Eleganz und zerbrechlicher Anmut. Ihr rabenschwarzes Haar fiel ihr in wallenden Locken leicht über die Schulter. Ihr Gesicht war aus der Ferne schon ein Kunstwerk. Ein Bildhauer hätte es gefertigt haben können. Sie trug einen dunklen Anzug und dazu legte sich ein purpurfarbener Schal um ihren schlanken Hals. Es fing leicht an zu regnen, aber ihre Schritte blieben leicht und beschwingt. Statt eines Regenschirms zog sie sich einfach den Schal über den Kopf. Ganz in Gedanken versunken kam sie ihm immer näher. Ihre Schritte wurden jetzt schneller, kaum vorstellbar, dass dies möglich war mit diesen Absätzen. Mindestens acht bis zehn Zentimeter zierten ihre schmalen Fesseln. Sie wurde immer schneller. Wahrscheinlich suchte sie nach einem Unterschlupf gegen den Regen. Wie zwei entgegenkommende Züge, die nicht mehr zu bremsen waren, stießen sie ineinander. Hätte er ihr ausweichen können? Nein, er war wie hypnotisiert von ihr und sie war für einen Augenblick abgelenkt. Etwas in ihrer Tasche forderte ihre ganze Aufmerksamkeit. Kaum dass sie sich von dem Schrecken erholt hatten, kam ihm dieser Duft entgegen. Ihr Parfüm, eine Mischung aus schwerer Süße und sinnlicher Verführung. Henry war wie benommen und schloss sogar für einen Moment die Augen, um ihn in sich aufzunehmen. „Entschuldigen Sie“, sagten sie fast gleichzeitig und lachten miteinander. Sie war ihm so nah wie niemals mehr.

Mein Gott, wo war er nur mit seinen Gedanken? Henry sah zu Dr. Römer hinüber. Seinen Gedankenausflug schien er nicht bemerkt zu haben. Er rührte sich keinen Zentimeter und machte auch nicht den Eindruck, etwas sagen zu wollen. „Hier ist meine Karte, und wenn Sie Fragen haben, oder …“

„Herr Muhr, es tut mir leid, lassen Sie uns neu beginnen“, sagte Ben völlig unerwartet und mehr als freundlich. „Ich habe eine  24-Stunden-Schicht hinter mir und bin einfach nicht mehr zu gebrauchen. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich brauche nur noch mein Bett, wenn Sie verstehen?“

„Ja, natürlich, Dr. Römer.“ Henry hoffte auf eine zweite Chance, sein Verkaufsgespräch neu beginnen zu können. Während Ben sprach, packte Henry alles erneut aus, bekam seine Chance und nutzte sie. Er konnte sogar einige Produkte direkt vor Ort lassen und Ben versprach ihm zur Messe zu kommen. Am Ende des Gespräches waren beide zufrieden.

Ben war halt ein knurrender Hund, doch er hatte auch andere Seiten, aber die kannten nur wenige. Henry war einer dieser Auserwählten.

Es klopfte, das helle Poltern führte Henry in die Realität zurück. „Henry, mein alter Kumpel, schön dich zu sehen.“ Henry drehte sich um, noch ganz in Gedanken versunken, und schaute in Rubens strahlendes Gesicht. „Ich bringe dir deinen Tee und Dr. Römers Frühstück.“ Er stellte das Tablett ab und kam mit offenen Armen auf ihn zu. „Lass dich umarmen.“ Bevor er reagieren konnte, hatte Ruben Henry schon im Schwitzkasten. „Ella sagte mir, dass du da bist. Ich freue mich ja so. Dr. Römer hat gleich das ganze Team informiert, dass du kommst. Es geht dir doch gut?“ Ruben schaute Henry prüfend an und nickte dann zustimmend. „Besser als erwartet“, scherzte er. „Ruben, mein Junge“, begrüßte er ihn ebenso überschwänglich. Henry hatte den Überraschungsmoment überwunden und freute sich ehrlich ihn zu sehen. Ruben hatte ihn durch die Hölle der Chemotherapie gebracht und auch in der zweiten war er stets an seiner Seite. Das war bereits eine gefühlte Ewigkeit her, aber die Bilder waren immer noch allgegenwärtig. Damals wich er nicht einen Moment von seiner Seite, so wie auch Ella. Die beiden waren mehr als Pfleger und Krankenschwester. Sie waren ein Paar, liebten beide ihren Beruf, und was noch wichtiger war, sie liebten die Menschen. Ohne die beiden hätte Henry vermutlich aufgegeben, aber das kam für sie nicht infrage. „Lass dich anschauen.“ Henry betrachtete sein Gegenüber genau. Ruben war ein sehr gut aussehender junger Mann mit blauen Augen und einem blonden Schopf. Er war von schlanker, athletischer Statur. Sein Lächeln war immer echt und er hatte immer gute Laune. „Dr. Römer ist auf dem Weg zu dir. Es freut mich sehr, dich zu sehen. Geht es dir auch wirklich gut?“ Für einen Moment verschwand sein Lächeln, aber Henry beruhigte ihn schnell. „Keine Panik, ich löse meine Wette schon noch ein.“ Er sah Erleichterung in Rubens Augen und musste für einen kurzen Moment an Gerry denken. Gerry, sein Sohn, sein einziges Kind. Nichts lief jemals nur annähernd so gut zwischen ihnen wie zwischen Ruben und ihm. Dieser Gedanke versetzte ihm einen tiefen Stich im Herzen und so ließ er auch schnell wieder von diesem Gedanken ab. Vorläufig jedenfalls. „Hier, mein Junge, mein Einsatz.“ In seiner Hand hielt er zwei Karten für die Düsseldorfer Messe. Obwohl Henry längst nicht mehr arbeitete, hatte er immer noch gute Kontakte, um seine Wettschulden einzulösen. „Freier Eintritt und VIP-Pass für zwei Personen. Essen und Trinken inklusive.“ Ruben steckte die Karten gleich in seine Tasche. Henry spürte dessen Verlegenheit, als er sich mit gequälter Stimme bedankte. „Hat Ella dir den Kopf gewaschen?“, versuchte Henry ihn aus seiner Verlegenheit herauszuhelfen. „Nicht nur das“, sagte er kleinlaut. „Sie drohte mir damit, mich zu verlassen, wenn ich noch einmal so etwas machen sollte.“ Henry musste lachen, das war Ella, wie sie leibt und lebt, so kannte er sie. Immer gleich gerade heraus. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es um einen Menschen ging, der ihr am Herzen lag. „Lass uns eine neue Wette abschließen, mein Junge.“

„Nur das nicht, dann bin ich Ella endgültig los und ich liebe sie doch.“

„Ella liebt dich auch so und sie wird dich nie verlassen, Wette hin oder her“, tröstete Henry ihn.

Die Tür öffnete sich, Ben kam herein. Ruben ging ohne ein weiteres Wort zu verlieren hinaus. „Wir sprechen uns noch“, rief Henry ihm nach. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Ben kam ihm auf dem halben Weg entgegen. Er begrüßte Henry herzlich und drückte ihm einen leichten Begrüßungskuss auf die Wange. „Du siehst besser aus als erwartet“, sagte er trocken. „Das hat Ruben auch gerade gesagt“, konterte Henry. „Man könnte fast annehmen, dass ihr darüber enttäuscht seid“, versuchte er zu scherzen. „Wenn ich nicht schon Glatzenträger wäre – ich würde mir bekennend mein kahles Haupt reiben –, hätte ich jetzt wohl ein Problem.“ Sie umarmten sich noch ein Mal und setzten sich dann gemeinsam an den Tisch und widmeten sich ausgiebig ihrem Frühstück. „Du bist grau geworden, mein Freund“, zog er Ben auf. Mit einer Hand fuhr der sich durchs Haar und sagte nur: „Die Frauen stehen darauf. Aber ansonsten haben wir uns doch kaum verändert. Oder?“ Ben sah Henry an, als suchte er nach einer Antwort in seinem Gesicht. „Du hast dich kein bisschen verändert. Lass uns essen“, meinte er und begann sein Brötchen aufzuschneiden. Sie kannten sich schon so lange, dass sie es durchaus aushalten konnten, schweigend zusammenzusitzen. Henry nahm seinen letzten Schluck Tee, während Ben bereits sein zweites Brötchen zu sich nahm. Er trank einen doppelten Espresso, überhaupt lebte er sein Leben immer ein wenig auf der Überholspur. Sein Lebensmotto war: Das Leben ist schnell, aber ich bin schneller. Er wollte immer alles und meistens bekam er es auch. Das Einzige, das er wirklich hasste, waren Bindungen und Verpflichtungen. Ben war der geborene Junggeselle, er liebte die Frauen und die Frauen liebten ihn. Er hatte kein festes Beuteschema, er beglückte alle Frauen und war es auch nur für eine Nacht. Er arbeitete wie ein Tier und liebte den Luxus, den er sich dadurch erlauben konnte. Mit einer Selbstverständlichkeit fuhr er einen aufgemotzten Porsche und trug eine sehr auffällige Armani-Uhr. Ben war ein Macho durch und durch, aber die Frauen gaben ihm recht. Er konnte sie alle haben. Wirklich alle.

Für einen Moment wanderten Henrys Gedanken wieder einmal zurück zu Hellen. Sie kam nicht nur gut mit jedem aus und hatte mehr Freunde als Zeit. Hellen war der weibliche Zwilling von Ben. Als sie sich kennerlernten, war es Liebe auf den ersten Blick. Platonisch versteht sich … Mit ihrem Charme konnte sie jeden um ihren Finger wickeln. Auch der sonst so selbstsichere Ben verfiel ihr auf Anhieb. Aber Hellen war Henrys Frau und keiner hätte sie ihm nehmen können. Als Hellen starb, schenkte sie im gleichen Augenblick Gerry das Leben. Ihre Schwangerschaft stand von Anfang unter keinem sehr guten Stern. Ständig hatte sie Probleme, sollte und musste viel liegen. Für sie, einen so quirligen Menschen, fast unmöglich. Wenn Henry auf seinen Auswärtsterminen war, und das war er nicht nur in Düsseldorf, sondern in ganz Europa, war es Ben, der sich rührend um sie bemühte. Es lag immer ein Knistern in der Luft, wenn die beiden zusammentrafen – das spürte auch ein Fremder, der in ihrer Nähe war, aber Henry dachte sich nichts dabei. Hellen war eine treue Seele und Ben inzwischen sein bester Freund. Beide würden ihn nie hintergehen … Er erinnerte sich an eine Situation, die ihn das erste Mal stutzig machte, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Hellen war bereits in der sechsten oder achten Woche. Es war einer seiner wenigen freien Tage seit ihrer Schwangerschaft. Er hatte sich etwas ganz Besonderes für sie einfallen lassen. Hellen liebte es, sich unters Volk zu mischen, sich gut zu kleiden und noch besser zu essen. Also organisierte Henry einen perfekten Tag für sie und sich. Natürlich hatte er sich damals mit ihrem Frauenarzt besprochen. Nichts stand seiner Meinung nach Henrys Überraschung im Wege, bis auf … Er wollte mit ihr ins Theater gehen, aber zuvor schenkte er ihr noch einen Gutschein aus ihrer Lieblingsboutique. Sie sollte sich für diesen Abend etwas Nettes aussuchen. Danach wollte er sie groß zum Essen ausführen, aber alles kam ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Hellen hatte bereits andere Pläne und zwar mit Ben. Sie hatte es satt, nur im Bett zu liegen, und wollte nur noch raus. Sie bedauerte es sehr, dass sie von Henrys überraschendem freien Tag nichts wusste, und bat ihn, das Ganze doch zu verschieben. Es sei ihr unangenehm, Ben so kurzfristig abzusagen, sagte sie ihm mit einem zuckersüßen Lächeln auf ihren Lippen. Noch deutlich trug er ihr Bild vor Augen – damals wie heute war sie ein Teil von ihm. Sie kam aus ihrem Zimmer in einem Traum aus roter Seide. Sie trug einen Damensmoking und dazu eine Stola aus schwarzer Kreppseide. Ihr Parfüm schwebte durch den Raum wie sie selbst. Sie wusste, wie umwerfend sie aussah. Henry versuchte seine Enttäuschung über den geplatzten Abend nicht zu zeigen. Stattdessen wünschte er ihr einen guten Abend und ließ sie schweren Herzens gehen. Alle zogen die Gesellschaft von Ben seiner vor, dachte er wehmütig, warum sollte ausgerechnet Hellen da eine Ausnahme sein. Vielleicht hatte er damals schon seine Augen vor der Wahrheit verschlossen, die sich in Kleinigkeiten abzuzeichnen begann. Tatsache war, dass Ben doch nicht so abgeneigt und Hellen nicht so treu war, wie Henry es gehofft hatte.

„Erzähl, was führt dich zu mir.“ Ben köpfte sein Ei und Henry wurde sich seiner jetzigen Situation wieder bewusst. „Mein ärztlicher Rat kann es ja nicht sein, schließlich hast du die Klinik auf eigenen Wunsch verlassen“, fuhr Ben fort, ohne ihn dabei wirklich anzuschauen. Seine ganze Aufmerksamkeit widmete er seinem Frühstücksei. Henry überlegte einen Augenblick. Was hatte ihn zu Ben geführt? Seine Gesundheit, seine Freundschaft, Gerry … Hellen! „Ich musste gerade an Hellen denken und daran, ob du sie geliebt hast“, hörte er sich selbst sagen. Ben blieb unberührt und nahm einen weiteren Schluck Espresso. „Als sie mich damals versetzte, um mit dir loszuziehen, erinnerst du dich?“ Henry suchte den Augenkontakt mit ihm, aber er ließ seinen Wunsch ins Leere laufen. „Das ist doch schon hundert Jahre her, Henry, was kramst du in der Vergangenheit. Wir haben alle Hellen geliebt, aber du warst der Glückspilz, den sie geheiratet hat. Du solltest die Vergangenheit ruhen lassen und die Zeit, die dir noch bleibt, genießen. Denk an die Lebenden. Was sind deine Pläne, was sagt dein Arzt, ist er zufrieden mit dir?“, versuchte er das Thema geschickt zu wechseln. Henry hatte zwar einen anderen Arzt hinzugezogen, als er damals die Klinik verließ, und Ben somit bewusst ausgeschlossen. Seine Gründe waren aber offensichtlich und leicht zu durchschauen. Ben war ein hervorragender Arzt. Einer der besten, denen Henry je begegnet war, aber er wollte sich, wenn es so weit war, als Freund von ihm verabschieden können – und nicht als Patient. Wenn der Tag X erst einmal unwiderruflich auf ihn zukommen würde, wollte er sich so verabschieden, wie man ihn kannte, und nicht als ein menschliches Überbleibsel, welcher der Krebs von ihm zurücklassen würde. Henry versuchte nicht allzu viel Spott in seine Stimme hineinzulegen, als er sagte: „Der Krebs nagt, aber noch habe ich Oberwasser. Mein Arzt ist so weit zufrieden. Er kann auch nicht mehr tun, als du bereits getan hast.“ Ben konnte mit Schwäche nicht umgehen. Er war einfach nicht der Typ, der einen in den Arm nahm und tröstete. Hellen dagegen war immer so lebendig und auch mitfühlend. Ob sie noch an seiner Seite wäre, wenn sie nicht …? „Es gibt keinen anderen Arzt, zumindest keinen Facharzt“, gestand Henry. „Nur mein alter Hausarzt, der mir ab und an ein Rezept ausstellt und mein Blutbild kontrolliert.“

„Was denkst du dir nur dabei? Du verlässt einfach mal so die Klinik und suchst nicht mal einen kompetenten Kollegen auf. Glaubst du, dass der Krebs dadurch verschwindet, weil du die Tatsachen einfach ignorierst?“ Ben schob wütend seinen Teller beiseite. „Ich wollte nur eine Zeit lang so tun, als sei alles in Ordnung.“

„In Ordnung“, sagte Ben fassungslos. „Du hast eine tödliche Krankheit und tust so, als hättest du nur einen Schnupfen. Ich bin fassungslos.“ Ben fehlten die Worte für so viel Unvernunft. „Es geht mir gut. Du hast mich mit so vielen Medikamenten eingedeckt, dass der Vorrat mich locker überleben wird. Versteh mich doch, ich brauchte einfach mal eine Auszeit. Ein Stück Normalität, bevor es ganz aus ist.“ Er sah in Bens Augen Unverständnis, aber auch den Freund, der ihn verstand. War er wirklich so naiv gewesen, zu glauben und zu hoffen, dass es für ihn ein Wunder geben könnte? Ein Wunder, das ihn am Leben ließ? Ein Wunder, das ihm Hellen zurückbrachte, ein Wunder, das ihn Gerry noch einmal in seine Arme schließen lassen würde? Henry hatte längst aufgehört, an Wunder zu glauben. Seine Hoffnung, Antworten zu finden, war größer als die Angst, mit Ungewissheit sterben zu müssen. Danach konnte geschehen, was auch immer geschehen musste. Frieden schließen zu können, war eine Hoffnung, die er in sich trug, was auch immer das bedeutete. Wollte er am Ende nur sein schlechtes Gewissen beruhigen? Hoffte er auf Absolution? Niemals würde Gerry ihm verzeihen, schoss ihm der Gedanke wie ein Pfeil durch den Kopf. Was er wirklich brauchte, waren mehr als ein paar Antworten. Er brauchte Zugeständnisse, Vergebung, brauchte wahre Freunde und das sprichwörtliche Wunder, so lange zu leben, um in Frieden gehen zu können. Er brauchte eine Familie und ein Zuhause, das er in einem anderen Leben einmal hatte. Wenn es auch nur für kurze Zeit war. Noch konnte er es spüren, wie es sich anfühlte. Geborgenheit …

Ben war ein großer Arzt, ein unverbesserlicher Realist und vielleicht auch ein wenig zynisch. Aber Henry wusste, wie er es meinte, wenn er so gerade heraus war, fast schon unverschämt, sarkastisch anderen seine Meinung versuchte aufzudrücken. Doch er hatte etwas an sich, das beide bis heute zu Freunden gemacht hatte. Ben war sein Trauzeuge gewesen. Nicht einmal ein Jahr später stand fest, dass er Gerrys Pate sein würde. Zu diesem Zeitpunkt waren sie ein eingeschworenes Team. Und Henry als angehender junger Familienvater hatte nur ein Ziel vor Augen: Geld zu verdienen. Das Geld kam mit der Zeit und es war nicht wenig, aber Hellen und er entfernten sich immer mehr voneinander. Sie waren nicht mehr länger das Paar, sondern wurden irgendwann beste Freunde, die ab und an miteinander schliefen und zufällig ein Kind miteinander erwarteten. Immer öfter hieß es, Ben hier, Ben da. Er war immer da, auch wenn er nicht da war. Hellen hatte sogar ein Gästezimmer für ihn eingerichtet. Er war ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Unternehmungen fanden nur noch zu dritt statt. Mit der Zeit sah Henry in Hellens Augen immer öfter dieses Funkeln, wenn sie Ben sah – das sie für ihn längst nicht mehr hatten. Ben und sie gingen immer alleine aus. Er verwöhnte sie mit teuren Restaurantbesuchen und kleinen Aufmerksamkeiten wie Blumen und Pralinen. Henrys Arbeitseifer zahlte sich schneller aus als erwartet. Inzwischen verdiente er so gut, dass er sich eine eigene Filiale aufbauen konnte und sogar ein paar Mitarbeiter einstellte. Er war ein gemachter Mann. Es sollte Hellens und seine Chance werden, wieder als Paar zueinanderzufinden. Ihr Leben lag ja schließlich noch vor ihnen und ein Kind …, dachte er.

Das Klappern von Geschirr holte ihn von seiner Reise in die Vergangenheit zurück. Ben war aufgestanden und hatte das Frühstücksgeschirr zusammengestellt. Henry sah, wie er sich noch mal einen Espresso einschenkte und sich damit an seinen Schreibtisch setzte. Er schaute auf die Uhr und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, sein wahres Anliegen endlich auf den Tisch zu legen. Henry stand auf und ging ein paar Schritte durch das Büro. Es war schwieriger, als er gedacht hatte. Aber sein Entschluss stand fest. „Ich muss, bevor ich …“

„… du stirbst“, beendete Ben seinen Satz ironisch. „Ja, genau, einige Dinge regeln. Es gibt da etwas, das ich in Ordnung bringen muss und auch richtigstellen sollte. Dinge, die mir am Herzen liegen“, versuchte Henry sich zu erklären. „Ich bin gekommen …“

„Entschuldige“, unterbrach ihn Ben. „Ich war dein Arzt! Möchtest du, dass ich die Behandlung fortsetze oder warum stotterst du hier so herum?“

„Nein, darum geht es mir nicht. Es ist privater Natur“, eierte er immer noch um das wahre Thema herum. „Was kann es Privates geben, wobei ich dir helfen könnte?“

 „Hast du Gerry in letzter Zeit gesehen?“, fragte Henry, ohne auf Bens Frage zu antworten.  Noch immer lief er auf und ab. Bewusst vermied er es, in Bens Richtung zu schauen. Ben schien sich verschluckt zu haben, er hustete hörbar. Henry sah zu ihm hinüber. Erneut griff er zu seinem Espresso, nahm die Serviette und führte sie leicht über den Mund. In seinen Augen konnte Henry sehen, dass er fieberhaft nach Worten suchte. Er ließ ihm die Zeit, aber dann wollte er endlich eine Antwort. „Was ist nun, hast du ihn gesehen oder nicht?“ Ben stand auf und begann genauso herumzulaufen wie Henry. Dann aber ging er wieder an seinen Schreibtisch zurück. Mit finsterer Miene setzte er sich und öffnete eine seiner Schubladen. Eine blaue Mappe kam zum Vorschein, die Ben ihm wortlos reichte. „Was ist das?“

„Schau selbst.“ Henry nahm die Mappe an sich und setzte sich Ben gegenüber. Es herrschte plötzlich die gleiche Atmosphäre wie damals, als er ihm sagte, dass er Krebs habe und die Chancen auf Heilung sehr gering seien. Er fühlte sich auch genauso elend. Ein Gefühl des Unwohlseins überkam ihn heute wie damals. Damals ahnte er bereits, dass er nichts Gutes zu erwarten hatte, als Ben ihn bat, sich zu setzen, da er ihm etwas Wichtiges mitzuteilen hätte. Schweigen erfüllte den Raum wie ein schlechter Geruch, den man versuchte loszuwerden. Was verbarg sich hinter dieser Mappe? Henry öffnete sie und stellte fest, dass es sich um eine Personalakte handelte, war aber immer noch nicht schlauer als vorher. Bis er erkannte, um wessen Personalakte es sich handelte. Es war Gerrys Akte. So weit Henry es überschauen konnte, arbeitete er bereits seit mehr als fünf Jahren für die Klinik. Gerry war als Geschäftsführer der Klinikverwaltung tätig und ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er nichts mehr als nichts von seinem eigenen Sohn wusste. „Warum weiß ich davon nichts? Du hättest mich anrufen können. Gerry war immer hier in meiner Nähe und du hast es die ganzen Jahre über gewusst? Er ist mein Sohn, er war hier, die ganze Zeit, auch als ich die Chemotherapien hatte. Er hat mich nie besucht, nicht ein einziges Mal. Wusste er nicht, dass …“ Der schlechte Geruch verwandelte sich zunehmend in eine ausgewachsene Kloake. Was hatte Henry erwartet? Er hatte kein Recht, etwas zu fordern. Er wollte mich nicht sehen, schoss es ihm durch den Kopf. Wie groß musste sein Hass sein? Henry konnte diesen Gedanken nicht länger ertragen. Alles in seinem Körper schmerzte und diesmal war es nicht der Krebs. „Das war Gerrys einzige Bedingung, als er damals hier anfing“, sagte Ben ruhig. „Er wollte nicht, dass du es erfährst.“

„Du bist mein Freund, Ben.“

„Gerry ist erwachsen, verheiratet und hat selbst ein Kind. Er lässt sich schon lange nichts mehr sagen. Weißt du denn gar nichts von deinem Sohn?“

„Ich habe Gerry fast zehn Jahre nicht gesehen.“ Mein Gott, wie erbärmlich das klang, durchfuhr es Henry. „Du weißt, dass wir nie ein gutes, geschweige denn ein enges Verhältnis zueinander hatten“, versuchte er sich zu erklären. „Nach Hellens Tod bin auch ich gestorben.“

„Hör auf damit, Hellen ist tot, aber Gerry lebt. Du hast dem Jungen immer das Gefühl gegeben, an ihrem Tod schuld zu sein.“

„Das stimmt nicht. Ich habe Gerry immer geliebt, niemals hätte ich ihm die Schuld gegeben.“

„Aber er hat es gespürt, dass du ihn dafür verantwortlich gemacht hast. Ob du es nun wolltest oder nicht. Ihr Tod stand immer zwischen euch. Du hast nichts getan, um ihn aus dieser Schuld zu entlassen. Ganz im Gegenteil, du hast ihn verlassen. Hast ihn von Babysittern und Tagesmüttern aufziehen lassen und mit neun ins Internat geschickt, weil dir dein Job immer wichtiger war. Das war schon so, als Hellen noch lebte. Warum glaubst du, dass sie und ich …“ Ben hatte sich so in Rage geredet, dass ihm fast ein schwerwiegender Fehler unterlaufen wäre. Henry aber schien von alledem nichts mitbekommen zu haben, er war so sehr mit seiner eigenen Verletzlichkeit beschäftigt, dass er Bens Fast-Geständnis vollkommen überhört hatte. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden? Gerry brauchte mich nicht, du warst es doch, der immer für ihn da war. Er wollte mich nicht, nicht als Vater. Selbst Hellen hat mich aufs Abstellgleis gestellt, als du in unser Leben getreten bist. Du hast mir meine Familie genommen“, log Henry – denn er wusste es besser. „Er hätte seine Mutter gebraucht“, stammelte Henry unter Tränen. „Später als ich sie beerdigt habe, hat Gerry immer nur noch von dir gesprochen als seinem Wunschvater, seinem Freund, seinem wahren Vater – das sah er in dir und nicht in mir.“ Ben wurde still und sein Freund war der Wahrheit, der Vergangenheit ein Stückchen näher gekommen, als ihm lieb war. „Ist Gerry dein Sohn?“ Das Telefon klingelte und Ben stöhnte erleichtert auf. „Dr. Römer“, meldete er sich hörbar nervös. „Ja, ich komme, bereiten Sie alles vor und sagen Sie Schwester Ella Bescheid, dass sie im Labor die Werte noch abfragen soll. Ich bin in fünf Minuten unten.“ Ben legte den Hörer zurück auf, aber er drehte sich nicht sofort wieder um. Diesmal wurden sie beide von der Vergangenheit eingeholt. Jeder für sich hatte seinen Anteil an Schuld zu tragen und zu ertragen. Nun war es an der Zeit, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Nur ob dieser Zeitpunkt jetzt der richtige war, bezweifelte Ben. „Es tut mir leid, Henry, aber du hörst es ja, ich werde gebraucht.“ Ben drehte sich um und sah Henry direkt in die Augen. „Ich erwarte eine Antwort von dir“, forderte Henry. „Nicht hier und nicht jetzt“, bestimmte Ben. „Du hast recht, Gerry war immer irgendwie auch mein Sohn“, fügte Ben hinzu und in seiner Stimme lag die Gewissheit, dass auch er sich als Vater von Gerry sah. „Du warst viel unterwegs, einer musste sich schließlich um ihn kümmern.“

„Kann ich Gerry sehen, ist er da?“ Für einen Moment keimte so etwas wie Hoffnung in Henry auf. Würde er seinem Sohn endlich gegenüberstehen können? „Nein! Er ist nicht da. Er hat sich diese Woche freigenommenn. Er arbeitet genauso viel wie du“, sagte Ben versöhnlich. „Ich bekomme mächtig Ärger mit seiner Frau, wenn sie ihn so selten zu Gesicht bekommt, deshalb habe ich seiner kleinen Auszeit auch zugestimmt.“

„Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt, eine Schwiegertochter zu haben und nichts über sie zu wissen?“, fragte Henry mit bebender Stimme. „Er hätte es mir doch sagen müssen. Ich bin sein Vater, ich bin Großvater und Schwiegervater und keiner sagt mir etwas. Warum Ben, warum auch du?“

„Ich habe es dir bereits gesagt, Gerry hat mit der Vergangenheit abgeschlossen. Für ihn bin ich …“

„Du, sein Vater, der Schwiegervater meiner Schwiegertochter und der Großvater meines Enkels.“

„Nein! Es ist kein Junge, sondern ein Mädchen, sie heißt Polly. Sie ist neun und seine Frau heißt Debbie. Du würdest sie mögen. Sie sind fast zehn Jahre verheiratet und sehr glücklich miteinander. Debbie war bereits schwanger, als sie dennoch in Weiß zum Altar schritt. Aber das war nicht der Grund für ihre Heirat. Sie lieben sich aufrichtig.“ Bens Augen strahlten, warum auch nicht, er hatte eine Familie. Er hatte Henrys Familie. Ben war schon auf dem Weg zur Tür, als sein Freund ihn zurückhielt. „Du schuldest mir sehr viel mehr als nur ein paar Antworten, mein Lieber. Wenn Gerry wieder hier ist, will ich ihn sehen.“

„Das muss Gerry selbst entscheiden, aber ich sage ihm, dass du hier warst.“

„Bleibt es bei unserem Essen heute Mittag?“, wollte Henry wissen. „Um eins im Rosengarten“, bestätigte Ben. „Jetzt muss ich aber los, du hast ja gehört, dass ich gebraucht werde.“ Henry ließ ihn gehen und blieb noch einen Augenblick alleine zurück, bis auch er das Büro verließ. Für einen Moment war Henry nicht mehr sicher, ob sein Vorhaben wirklich das war, was er wollte. Es war gefährlich, alte Wunden aufzureißen. Die Vergangenheit sollte man bekanntlich lieber ruhen lassen, aber für Henry war die Vergangenheit alles, was ihm noch geblieben war. Eine Zukunft würde es für ihn nicht mehr geben.

So bleibt die Zeit des Lebens urplötzlich für ihn stehen.

An dem Tag, da ich das erste Mal spürte,

dass der Tod an meine Tür klopfte ...

Was sollte ich tun, was konnte ich tun,

als ihm Einlass zu gewähren.

Was immer auch kommt,

ich habe Engel weinen gehört

und Wolken am Himmel tanzen sehen  ...

Ich werde also nicht mit leeren Händen

von dieser Erde gehen.

 

Zwei

„Gerry, mein Junge. Du wirst es nicht glauben, aber dein Vater war da, du hast ihn nur um Haaresbreite verpasst“, sprudelte es aus Ben heraus, als er das Büro von Gerry betrat. Gerry schaute kurz von seinen Unterlagen auf und blickte in das erhitzte Gesicht seines Ziehvaters. „Ich bin eigentlich gar nicht mehr da“, fuhr Ben fort und war schon fast wieder aus der Tür verschwunden. „Ich muss nur noch mal schnell auf Station, aber eigentlich habe ich schon seit gut …“, er schaute flüchtig auf seine Designer-Uhr, „... seit einer halben Stunde Feierabend“, vollendete er seinen Satz. „Außerdem muss ich mindestens zwei, drei Stunden schlafen, bevor ich mich mit deinem Vater im Golfclub zum Mittagessen treffe. Komm doch einfach mit, er will dich unbedingt sehen.“ Gerry stand auf und Ben schloss die Tür unfreiwillig, als er bemerkte, dass Gerry ihn nicht so einfach davonkommen lassen würde. „Mach dir keine Gedanken, er ist schon wieder gegangen, ich habe ein wenig geschwindelt und ihm gesagt, dass du dir für ein paar Tage freigenommen hast. Ich wusste nicht, was ich ihm hätte sonst sagen sollen. Es war doch in deinem Sinne, oder?“ Ben stand die nackte Angst ins Gesicht geschrieben. Er ahnte nicht, wie Gerry mit diesen Neuigkeiten umgehen würde. Die Wahrheit war nicht mehr aufzuhalten. Mit Henrys Erscheinen hatte er irgendwann gerechnet. Oder hoffte er wirklich, dass er vorher sterben würde, bevor er hinter sein Geheimnis kam? Er steckte mit dem Kopf in der Schlinge, die er sich selbst umgelegt hatte, und das schon vor Jahren. Ihm war es gleich, was Henry von ihm halten würde, aber was würde Gerry tun, wenn er von seinem Geheimnis erfuhr? Er würde auf alles verzichten können, aber niemals auf Gerry. Niemals auf Debbie und seine Enkelin Polly. Er gestand sich ein, Fehler, große und gravierende Fehler begangen zu haben, aber immer nur mit dem einen Ziel, Gerry glücklich zu sehen. „Ist Henry denn mein Vater oder bist du es vielleicht doch?“, forderte Gerry sein Gegenüber heraus und sah, dass Ben mit dieser Frage nicht gerechnet hatte. „Wenn ja“, fügte er eine weitere Frage hinzu, „weiß er von dir und Mutter, eure heimliche heiße Nacht? Weiß er, dass du mich damals aus dem Internat geholt hast und ich bei dir aufgewachsen bin? Weiß er, dass ich hier arbeite, weiß er, dass ich weiß …, dass er stirbt?“ Während Gerry gar nicht aufhören konnte, seine Fragen aufzuführen, begann für Ben, das Chaos seinen unaufhaltsamen Lauf zu nehmen. „Ich habe ihm deine Personalakte gezeigt, als er nach dir fragte. Er weiß also, dass du bereits hier gearbeitet hast, als er mit seiner ersten Chemotherapie anfing. Er weiß auch von Debbie und Polly.“

„Aber nichts von Mutter und dir, habe ich recht? Dazu warst du einfach zu feige“, lachte Gerry höhnisch. „Lass Hellen aus dem Spiel. Sie ist seit Ewigkeiten tot und Henry wird ihr bald folgen, was soll da noch geklärt werden? Ich war mit Hellen nur eine einzige Nacht zusammen und wir haben es beide bereut. Es war ihr Wunsch, die Nacht zu vergessen, und beschlossene Sache, es für uns zu behalten. Sie wusste, dass ich der Rolle des liebenden Vaters nicht gewachsen wäre. Außerdem stand es immer fünfzig, fünfzig, ob er oder ich, du weißt schon, was ich meine. Hellen hatte mich schneller durchschaut als jeder andere Mensch, dem ich je begegnet bin. Deine Mutter war eine besondere Frau, und falls es dich interessiert, sie hat deinen Vater wirklich geliebt. Aber Henry war zu sehr damit beschäftigt, ihr ein Leben zu bieten, das sie zwar schätzte, aber nicht wirklich brauchte. Ich war nicht mehr für sie als eine kurze Episode. Dass ich mich in dieser Nacht, als wir miteinander schliefen, in sie verliebt habe, geht keinen außer mir etwas an. Das erste und einziges Mal in meinem Leben, und dann war es ausgerechnet auch noch die Frau eines besten Freundes. Ich erinnere mich sehr genau an ihre Worte in dieser Nacht. Sie sagte, wenn Henry da gewesen wäre, hätte ich keine Chance gehabt, sie ins Bett zu bekommen, aber heute wäre ihr danach. Sie lag noch in meinen Armen, als sie das sagte. Du kannst mir glauben, dass kein Mann so etwas gerne hört und ich schon gar nicht. Ich wusste in diesem Augenblick, dass es bei dieser einen Nacht bleiben würde, und so war es dann auch. Sie wusste genau, was sie wollte. Ich versprach ihr zu schweigen über diese Nacht und die eventuellen Folgen. Als sie mit dir schwanger war, hatte ich gleich den Gedanken, du könnest auch mein Kind sein. Aber Hellen bestand darauf, dass es Henrys Kind sei und auch so aufwachsen sollte. Meinen Wunsch, einen Vaterschaftstest machen zu lassen, lehnte sie sehr energisch ab. Sie nagelte mich auf mein Ehrenwort fest. Ich musste ihr versprechen, immer ein Auge auf dich zu haben. Was ich auch tat, bis heute.“