Über Matthias Politycki

Foto: Alexander Tempel

Matthias Politycki, 1955 geboren, lebt in Hamburg und München. Er publiziert seit 1987 Romane, Erzählungen, Essays sowie Gedichte und zählt zu den renommier­testen Vertretern der deutschen Gegenwartsliteratur. Sein Werk erscheint seit 2001 bei Hoffmann und Campe.

Fußnoten

Menschliches, Allzumenschliches II, Zweite Abt., 66. Zit. nach: Ders.: Sämtliche Werke. Hg. von G. Colli u. M. Montinari. München-Berlin/ New York 1980, Bd. 2, S. 582.

Reise um die Welt in acht Nächten. Frankfurt 2009, S. 182.

Bruce Chatwin: Traumpfade. München 1990, S. 31. Dies entspricht natürlich nicht Chatwins grundsätzlicher Einstellung, er hält es eher mit Robert Burtons Überzeugung, »daß Reisen kein Fluch war, sondern ein Heilmittel gegen Melancholie, das heißt gegen die Depressionen, die Seßhaftigkeit mit sich bringt« (Ebd., S. 231).

Zit. nach: Xiao Hu: The Genetic Reason Why Some People Are Born To Travel All Over The World, 24.4.2015, http://news.bitofnews.com/the-wanderlust-gene-why-some-people-are-born-to-travel-all-over-the-world/, Übers. MP; vgl. David Dobbs: Gibt es ein Entdecker-Gen? In: National Geographic, Heft 1/2013. Dort ist, durchaus mit kritischen Einschränkungen, von der Gen-Variante DRD47R die Rede, sie komme als »Forscher-Gen oder Abenteurer-Gen« »bei schätzungsweise 20 Prozent aller Menschen vor« (http://www.nationalgeographic.de/reportagen/gibt-es-ein-entdecker-gen).

Die Reise mit der Snark. Zit. nach: Hamburg 2016, S. 15. – Jack London »schaffte« es übrigens nicht, die Reise mußte nach zwei Jahren in der Südsee wegen Krankheit abgebrochen werden.

Achill Moser: Zu Fuß hält die Seele Schritt. Hamburg 2016, S. 24.

Lebenslauf. Zit. nach: Ders.: Werke und Briefe. Hg. F. Beißner u. J. Schmidt. Frankfurt 1969, Bd. 1, S. 74.

Bloß wo? In seinen Büchern, soweit ich sie besitze, habe ich den Satz nirgendwo gefunden.

Das Passagen-Werk, Bd. 1, S. 136f. (C1a,4): http://monoskop.org/images/3/3e/Benjamin_Walter_Gesammelte_Schriften_Band_5_Das_Passagen-Werk.pdf

Er polemisiert ausführlich gegen sie; andrerseits verfährt er sich während seiner Fahrt durch die USA ständig, am Schluß sogar in New York: »Und jetzt komme ich in meine eigene Stadt zurück, wo ich zu Hause bin, und habe mich verirrt!« (Zit. nach: John Steinbeck: Meine Reise mit Charley. München 2007, S. 78)

Die »größten Abenteuer« bieten dann nach meiner Erfahrung Städte, die auf Hügeln liegen. Im indischen Shillong ging ich am Ende lieber nach dem Sonnenstand.

Wer selber Lust auf dieses Abenteuer hat: Rishot heißt mit vollem Namen Rishot Khong Thonh Rem, neben seinem Beruf als Lehrer führt er das Skyview Guest House in Mawlynnong.

Paul Theroux: Das Tao des Reisens. Hamburg 2015, S. 63.

Paul Theroux: Ebd., S. 103.

Achill Moser: A.a.O., S. 242 u. 239.

Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien. Zit. nach: Ders.: Sämtliche Werke. Hg. Rilke-Archiv. Frankfurt 1955, Bd. 2,S. 685.

A.a.O., S. 20.

Die einzigen, die immer schick aussähen, seien Spanier, vornehmlich ältere spanische Frauen. Auch unter den Teilnehmerinnen von Städtemarathons werden ältere Spanierinnen als »extrem gut aussehen(d)« genannt (M.P.: 42,195. Hamburg 2015, S. 96f.).

Die Bevölkerungsmehrheit von Westbengalen sind Hindus.

Keinesfalls nur im Gazastreifen oder in der Westbank. Konsul Walder: »Die Katholiken Südamerikas sind ziemlich fundamentalistisch.« Die im nordamerikanischen Bible Belt nicht minder.

Gunnar Garfors: 198. How I Ran Out of Countries. Oslo 2015 (http://news.bitofnews.com/every-country-in-the-world-before-age-40/).

Die UN zählt 193 Länder, dazu kommt Palästina als »non-member Observer State« (http://www.un.org/en/sections/member-states/growth-united-nations-membership-1945-present/index.html).

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Staaten_der_Erde; der Staatsbegriff ist nicht allgemeingültig definiert, daher werden in anderen Quellen auch leicht abweichende Zahlen genannt.

Genannt werden meist Rio, Hongkong, Kapstadt, San Francisco und Sydney.

Registan/Samarkand, Imam-Platz/Isfahan, Markusplatz/Venedig, Grand Place/Brüssel, Plaza Major/Salamanca usw. usf.

Hierbei zählten auch Reisen innerhalb Deutschlands.

Dr. Black ist Jahrgang 1963. Er hätte also von 2016 bis 2033 Zeit, 30 Länder zu bereisen – weniger als 2 Länder pro Jahr. Ist das für ihn nicht ein bißchen wenig? Nein, widerspricht er, die verbliebenen Länder lägen ja nicht nebeneinander, er müsse sie, im Gegensatz zu seiner bisherigen Reisepraxis, alle einzeln abhaken.

Steinbeck: A.a.O., S. 8.

Von Ozean zu Ozean. Hamburg 2015, S. 68.

Reinbek 1984, S. 49.

Vom Spazieren. Zürich 2001, S. 5f.,7.

Alle Zitate aus: Achill Moser: A.a.O., S. 61, 248, 67, 27.

Der Fernseh- und Aussichtsturm Tsutenkaku in Osakas Vergnügungsviertel ändert (nur) die Farbe seiner Spitze gemäß Wetterbericht: rot = bewölkt, blau = regnerisch, weiß = klarer Himmel, rot/blau = bewölkt bis regnerisch usw. (http://www.tsutenkaku.co.jp/Guide-pdf/mishiran-guide-english.pdf).

Dieses und das folgende Zitat aus: Reisen oder Gereist-Werden. In: Ders.: Auf Reisen. Feuilletons und Berichte. Frankfurt 1987, S. 261f.

Man unterscheidet heute zwar eher zwischen »Vierter Welt« und »Schwellenländern«, um der Unterschiedlichkeit der ursprünglich als »Dritte Welt« zusammengefaßten Länder besser gerecht zu werden. Für den Reisenden hat der alte Begriff hingegen nach wie vor Sinn; seine Erfahrungen mit Einheimischen in einem Schwellenland wie Indien werden ähnlich ausfallen wie die in einem schwarzafrikanischen Land der Vierten Welt.

Titelzeile eines Songs von Cat Stevens, der das Stück auch selber eingespielt hat.

Wanderungen durch die Mark Brandenburg. In: Ders.: Werke in zwei Bänden. Salzburg-Stuttgart o.J., Bd. 1, S. 417.

Georg Forster: Johann Reinhold Forster’s (…) Reise um die Welt während den Jahren 1772 bis 1775. Zit. nach: Ders.: Reise um die Welt. Frankfurt 2007, S. 209. In Forsters Formulierung klingt Winckelmanns »edle Einfalt und stille Größe« an, desgleichen Schillers Begriff von Anmut (Anmut und Würde), aber auch Kleists Vorstellung von der Reflexionslosigkeit der Grazie (Über das Marionettentheater).

Ebd., S. 181. Weitere Orgien S. 212, 240 u.a.

Ebd., S. 159. Mit »Neu-Seeländerinnen« sind die Maori gemeint.

Gustave Flaubert: Die Reise nach Ägypten. Zit. nach: Berlin 2011, S. 49, 101f., 105ff., 119.

Ebd., S. 111.

Zit. nach: Paul Theroux: A.a.O., S. 163.

A.a.O., S. 64, 53.

Vgl. M.P.: A.a.O., Km 31: Ab wann ist ein Jogger ein Läufer? (S. 225ff.)

München 1994, S. 12.

A.a.O., S. 34.

Die Stimmen von Marrakesch. Frankfurt 1980, S. 24.

David Roberts: Patey Agonistes. Zit. nach: Jon Krakauer: In eisige Höhen. München/Berlin 1998, S. 190.

J. Krakauer: A.a.O., S. 147, 304ff., 378; R. Messner: Überlebt. München 2013, S. 228ff.

A.a.O., S. 73, 75ff.

Doppelleben. In: Ders.: Gesammelte Werke in vier Bänden. Stuttgart o.J., Bd. 4, S. 162.

Handelsblatt Morning Briefing, 5.9.2016.

Patricia Schultz: 1000 Places to See Before You Die (dt. Ausg.). Potsdam 2012, S. 583.

Joseph Roth: Die Krüppel. Ein polnisches Invalidenbegräbnis. In: Ders.: Reisen in die Ukraine und nach Rußland. München 2015, S. 26.

A.a.O., S. 19, 120.

Achill Moser: A.a.O., S. 49, 159, 182.

Zit. nach: Theroux: A.a.O., S. 295.

Vgl.: In 180 Tagen um die Welt. A.a.O., S. 202f.

Titel eines Gedichts von Peter Rühmkorf. In: Ders.: Haltbar bis 1999. Reinbek 1987, S. 24.

1985; bei einem Besuch im Jahr 2014 war der Markt vollkommen entschärft, angeblich aus hygienischen Gründen.

S. »Kritik der Urteilskraft«; ähnlich Schiller in der »Ästhetischen Erziehung des Menschen«.

Auch Krakauer berichtet von seinem »beinahe roboterhaften Zustand der Teilnahmslosigkeit«, nachdem er die Tragödie am Everest (bei der acht Menschen den Tod fanden) knapp überlebt hatte: Es »fehlte mir ganz einfach die Kraft, überhaupt etwas zu empfinden« (A.a.O., S. 309, 29).

Doppelleben. A.a.O., Bd. 4, S. 160, 54.

The Mercy Seat. Auf der CD: American III: The Solitary Man.

A.a.O., S. 86.

Achill Moser: A.a.O., S. 216; Spiritualität erfährt er als »Demut vor der Natur« (S. 225). Vgl. Chatwin: »In der Wüste verloren zu sein bedeutete, den Weg zu Gott zu finden.« (Traumpfade. A.a.O., S. 93)

Eine islamische Reise. München 1993, S. 609f.

Das Wunder auf Ceylon. In: Ders.: Mein bayerisches Leben. München-Wien 1972, S. 219.

Von Pol zu Pol. Letzte Folge. Leipzig 1913, S. 810. Hedin war nicht nur ein großer Forschungsreisender, sondern auch Sympathisant der Nationalsozialisten. Er stützt sich bei seiner Darstellung auf Berichte der Afrikaforscher Henry Morton Stanley und Georg Schweinfurth aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.

A.a.O., S. 181, 185, 190, 209f. u.a. Georg Forster war 177275 auf Weltreise mit Kapitän Cook, vor allem im Südpazifik.

Wolfgang Büscher: Hartland. Berlin 2011, S. 54. Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied bereiste 1804 den nördlichen Missouri.

A.a.O., S. 280.

A.a.O., S. 225.

Traumpfade. A.a.O., S. 147f.

Eine Nacht in Kabul. Sankt Pölten – Salzburg 2010, S. 184.

Bereits Steinbeck merkt an, daß in den amerikanischen Rundfunkanstalten »die geistige Kost genauso standardisiert, abgepackt und immergleich wie die leibliche« ist, nämlich die Standardkost der Restaurants (A.a.O., S. 152).

Mittlerweile findet man dazu einen Eintrag bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Naxaliten) und fast täglich Meldungen von neuen Unruhen in der Times of India.

Also kurz nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach.

Pressekonferenz während des Rückflugs von seiner Südkoreareise, 19.8.2016.

Der Roman erschien 2013 unter dem Titel »Samarkand Samarkand«.

Islom Karimow, der ab 1991 Staatspräsident Usbekistans war, starb am 2.9.2016.

Am 23.6.2013 wurden zehn Bergsteiger und ihr Bergführer im Basislager des Nanga Parbat von Talibankämpfern aus Rache für einen US-Drohnenangriff ermordet.

Achill Moser: Das Glück der Weite. Hamburg 2009, S. 13.

In: Ders.: Sämtliche Schriften. Frankfurt-Berlin-Wien 1981, Bd. 3, S. 533.

Das Lied von Tocotronic heißt »Pure Vernunft darf niemals siegen«.

Der alte Patagonien-Express. Hamburg 2008, S. 10.

Huckleberry Finns Abenteuer. Zit. nach: Ders.: Tom Sawyer & Huckleberry Finn. München 2010, S. 435f. Noch drastischer Jack London, indem er aus einem Brief zitiert: »Ein Mann, dem das rote Blut des Abenteurers fehle, sei ein zum Leben erweckter Wischlappen.« (A.a.O., S. 47)

Krakauer: A.a.O., S. 14.

A.a.O., S. 158.

Reinhold Messner betont, daß seine eigentliche Leistung nicht darin bestand, sämtliche Achttausender bestiegen zu haben: »Die wahre Kunst des Bergsteigens ist das Überleben« (A.a.O., S. 24).

So die Formulierung von Stefan Zweig. In seinem Aufsatz »Reisen oder Gereist-Werden« (A.a.O., S. 259ff.) zielt er allerdings auf den organisierten Massentourismus, die Formulierung ist bei ihm entsprechend negativ konnotiert.

Der alte Patagonien-Express. A.a.O., S. 36.

A.a.O., S. 46f., 60.

A.a.O., S. 17.

Zit. nach: Paul Theroux: Das Tao des Reisens. Hamburg 2015, S. 320.

Die Grenze Niegoreloje. In: Ders.: A.a.O., S. 40.

Zit. nach: Thoreau: A.a.O., S. 50.

Zit. nach: Messner: A.a.O., S. 123.

Drehbuch, Regie, Kamera: Richard Westermaier (www.westermaier-medien.de).

Seit 2006 Certified mountain guide and mountain climber bei Himalayan Travels, Darjeeling (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Reisebüro in Siliguri).

Selbst auf den Achttausendern dominiert bereits der organisierte Massentourismus. Elitebergsteiger, die ein richtiges Abenteuer suchen, weichen auf Sechs- oder Siebentausender aus (Messner: A.a.O., S. 27).

Wobei ich die Szene in die Millionenstadt Pusan verlegte (Pusan liegt eine halbe Stunde mit dem Zug von Gyeongju entfernt).

Sprache im technischen Zeitalter, Nr. 161/2002.

Canetti: A.a.O., S. 23.

Beyond Culture. Zit. in: Ders. u. Mildred Reed Hall: Hidden Differences. New York 1987, S. 7ff.

Hall nennt auch zahlreiche andere Völker, z.B. Araber und »Mediterranean people«. Aufgrund der permanenten Pflege von persönlichen Informationsnetzen würden sie viele alltägliche Transaktionen ohne größere Hintergrundinformationen abwickeln, die generelle Kenntnis der betreffenden Personen schaffe genügend Vertrauen (Ebd., S. 8).

29.3.12, http://www.berliner-zeitung.de/kultur/volksbuehne-berlin-grandios--herbert-fritsch-inszeniert--murmel-murmel--3773702

M.P.: In 180 Tagen um die Welt. A.a.O., S. 315.

Bis dahin pilgerte man, wie er heute heißt, zum Dschebel Serbal, wenn man den Mosesberg besteigen wollte. Der Bischof des dortigen Klosters schlug sich auf die Seite des Nestorius, des Patriarchen von Konstantinopel, der 431 als Häretiker verurteilt wurde. Der Bischof wurde daraufhin abgesetzt, der Bischofssitz ins Katharinenkloster verlegt, dessen Mönche der orthodoxen Lehre treu geblieben waren (Alberto Siliotti: Führer zu der Erforschung der Sinai. Vercelli 1994, S. 39).

A.a.O., S. 144. Er erholt sich regelmäßig vom kulturellen Hauptprogramm seiner Reise, indem er Turteltauben, Adler, Geier, wilde Hunde und Krokodile abknallt: »Den ganzen Tag über richten wir eine gräßliche Metzelei unter den Vögeln an.« (A.a.O., S. 91, 98, 82, 149)

Der Skorpionsfisch. Zürich 1989, S. 64, 47, 124.

Ecuador. Reisetagebuch. In: Ders.: Ein Barbar auf Reisen. Frankfurt 1998, S. 137, 102f.

A.a.O., Bd. 3, S. 327.

A.a.O., S. 234.

Achill Moser: A.a.O., S. 53.

S. 105.

Alles gemäß der in Tokio wohnenden Bloggerin Misha Janette in: Welt am Sonntag, 28.8.2016.

How Not to Be Elizabeth Gilbert. In: Boston Review, 20.7.2015; https://bostonreview.net/books-ideas/jessa-crisipin-female-travel-writing

Vgl. S. 276.

Es liegt in der Familie. München 1994, S. 33, 75.

Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. In: Ders.: Gesamtausgabe. Frankfurt 1992, Bd. 11, S. 752.

Wir hatten ja keineswegs den direkten Weg genommen.

Distanzen. Stimulanzen. In: Ders.: Die Dunkelheit knistert wie Kandis. Bielefeld 2011, S. 100.

A.a.O., Bd. 1, S. 415.

www.pagong.jp/en; auf der News-Seite von Pagong erfährt man allerdings am 8.6.2016, daß ihre Produkte fortan auch über einen Laden in Singapur vertrieben werden. Und am 1.10.2016, daß man sie sogar weltweit über Ebay bestellen kann.

Die Träne im Zug. In: Lettre International, Sommer 2009.

Das betrifft bereits unsre Abflughäfen, wie der Anschlag in Brüssel am 22.3.2016 bewies.

A.a.O., S. 29.

A.a.O., S. 14.

Wind, Sand und Sterne. Düsseldorf 1939 u. 2010, S. 59.

Die Konferenz hatte den Titel »America: still a European Power?«, 7.–8.12.2012. Der Politikwissenschaftler Joseph Nye (der zeitweise auch auf zentralen Posten im US-Außen- bzw. Verteidigungsministerium arbeitete) hat mit seinen Büchern zur Soft Power ein ähnliches Konzept der Machtausübung aufgrund kultureller Attraktivität beschrieben.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-es-heisst-jetzt-refugee-kolumne-a-1049698.html; https://www.welt.de/kultur/article145550890/Warum-Fluechtlinge-jetzt-oft-Refugees-heissen.html

Also etwa »Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermode, die Art, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen« (Richard Dawkins: Das egoistische Gen. Berlin-Heidelberg-New York 1978, S. 227).

Ebd., S. 232.

John Steinbeck: A.a.O., S. 7.

In: Ders.: Gesammelte Novellen und Romane. München 1930, S. 261.

Seit über vierzig Jahren reise ich. Zunächst nur für ein paar Wochen nach Worthing an der englischen Südküste, wo ich mit meinem Schulfreund Robs Englisch lernen sollte, aber lieber nach Brighton oder London fuhr, um Plattenläden abzuklappern. Wenige Sommer später als Tramper kreuz und quer durch Europa oder, mit knappem Budget und umso größerer Naivität, als Rucksackfreak, der so ziemlich alles falsch machte, was man bei ersten Ausflügen auf die andre Seite des Mittelmeers falsch machen kann. Im Gegensatz zu den heutigen Backpackern, die im Grunde ein von der Globalisierung gezähmtes Völkchen sind, verstanden wir uns als Nonkonformisten, die sich auch in ihrer Form zu reisen von der Elterngeneration absetzen wollten. Ob wir wirklich »freier« als sie waren, wenn wir wild in griechischen Buchten campten oder neben dem jugoslawischen Autoput unsern Schlafsack ausrollten? Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre reise ich als einer, der sich die Hälfte seiner Zeit sonstwo herumtreibt oder eingemietet hat, ob als Pauschaltourist oder auf eigne Faust, ob für ein Buch, eine Reisereportage oder »einfach so«, ob für ein verlängertes Wochenende oder für Monate, ein halbes Jahr lang war ich sogar »Writer-in-non-residence« auf einem Kreuzfahrtschiff. Obwohl ich das

Seit über vierzig Jahren schreibe ich. Zunächst nur Gedichte auf herausgerissenen Seiten meiner Schulhefte. Wenige Sommer später … Und schließlich … Doch während ich noch in meiner Studentenzeit heimlich schrieb und meine Texte nur einem einzigen Freund anvertraute, befand ich mich beim Reisen in allerbester Dauergesellschaft: Nahezu jeder war bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf und davon, nicht zuletzt deshalb, um nach der Rückkehr jedem bei jeder sich bietenden Gelegenheit davon erzählen zu können. Vielleicht war Reisen so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner meiner Generation, mit Sicherheit galt es uns als Synonym für Freiheit schlechthin. Bei Billigbier und Erdnüssen aus der Dose diskutierten wir die aberwitzigsten Reiseziele; wer nur mal Badeurlaub an der Adria machte, mußte es heimlich tun, um nicht als Spießer abgestempelt zu werden. Niemals jedoch diskutierten wir die Sache selbst.

Im Rückblick mutet es seltsam an, daß wir als Vertreter einer notorisch kritischen Generation das Reisen nicht mal ansatzweise »hinterfragten«. Und erst recht keiner die Frage aufwarf, die das Zwanghafte eines permanenten Willens zum Aufbruch ins Visier hätte nehmen können – die Frage, warum wir überhaupt reisen. Wieso waren wir so anhaltend heiß darauf, Abenteuer in der Fremde zu bestehen, und was brachte derlei am Ende außer Erkenntnissen, die man besser gar nicht gewonnen hätte? War das Reisen – also alles, was mehr oder weniger prononciert über einen Urlaub hinausgeht – nicht eine furchtbar ambivalente Angelegenheit? Und, im Gegensatz zu den Reisen der Phantasie, nicht fast immer auch desillusionierend?

Reisen war schon seit dem Ende des Kalten Krieges und der damit verbundenen Freisetzung ethnischer Konfliktpotentiale zunehmend problematisch geworden. Anschläge auf Touristenhotels wurden ebenso zum festen Bestandteil terroristischer Strategien wie Zerstörung kultureller Sehenswürdigkeiten und Entführungen – nicht etwa von Pauschalurlaubern, sondern von Individualreisenden, die fernab massentouristischer Ziele unterwegs waren. Eine Zeitlang konnte man derlei als »Einzelfall« verdrängen und in vermeintlich sicheren Reiseregionen so weitermachen wie bisher. Seit 9/11 wurden die Möglichkeiten der Routenplanung gerade in abgelegeneren Regionen immer stärker eingegrenzt. Je interessanter die Destinationen waren, die man ins Auge gefaßt hatte, desto aufmerksamer mußte man die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes

Andrerseits: Was würde ich mir denn dort noch erhoffen? Das Fremde, das mich bislang gelockt hatte, mittlerweile begegnete ich ihm in meiner eigenen Stadt auf Schritt und Tritt, ich brauchte gar nicht mehr hinzureisen. Was als Multikulti verheißungsvolle Einsprengsel in den deutschen Nachkriegsalltag gesetzt hatte, mittlerweile hatte es als Globalisierung eine Stadt wie Hamburg durchgehend internationalisiert. Die altvertraute Weltordnung und damit verknüpfte Werte und Überzeugungen, wie sie sich trotz aller historischen Umbrüche mein Leben lang gehalten hatten, waren längst mächtig in Bewegung geraten – ich hatte es bislang bloß nicht in dieser Dimension wahrgenommen. Der Flüchtlingsstrom des Sommers 2015 war gewissermaßen nur eine sehr spezielle Ausprägung der Bewegung, bald würde »meine« Welt Geschichte sein. Oder war sie’s bereits?

Meine Welt als Reisender war weit und wild gewesen. Dem jugendlichen Grundgefühl, daß »da draußen« ein unerschöpfliches Reservoir an Rätseln und Abenteuern auf mich wartete, hatte ich über Gebühr lange gefrönt. Jetzt wurde mir klar, daß das Reservoir Jahr für Jahr überschaubarer und letztlich endlich geworden war. Daß es hinterm Horizont wahrscheinlich nichts mehr zu entdecken gab, was ich nicht schon aus den neuen Medien kannte, und falls doch: daß ich dort niemals mehr wirklich allein sein würde in einer tatsächlich fremden Fremde. Mit der großen Freiheit, wie ich sie ein paar Jahrzehnte ausgekostet und, vor allem, von der ich auch zu Hause geträumt hatte, war

Denn eine weitere Reisefibel wollte ich ja nicht vorlegen. Dazu hätte ich meine Fahrten systematischer oder bis ins Extrem betrieben haben müssen, und statt Rekorden und Legenden habe ich nur Mitbringsel und Anekdoten gesammelt. Ich bin auch kein Reiseschriftsteller, sondern Schriftsteller, und als solcher reise ich – sofern ich Anlaß dazu habe. In den meisten Fällen freilich um der Sache selbst willen. Also nicht etwa, weil ich von der Fremde Inspiration oder zumindest Notizen erhoffe, eine Heimkehr ohne jede Notiz ist mir eigentlich die liebste. Und doch wären meine Bücher ohne all die Reisen nicht diese meine Bücher geworden, das schon.

Immer gibt es jemanden, der einen größeren Tiger im Dschungel gesehen hat als man selbst, immer jemanden, der eine ekelhaftere Speise aufgetischt bekam, der höhere Berge erklimmen und größere Meere austrinken durfte. Doch Grenzerfahrungen lassen sich auch schon am Fuß des Kilimandscharo machen oder, ganz ohne Höllenritt und Hardcore-Trip, in einem Kloster des Zen-Buddhismus. Auch ich betreibe das Reisen mit zum Teil ehrgeizigen und manchmal sogar vermessenen Ambitionen, zumindest für meine Verhältnisse. In der Hauptsache jedoch ist Reisen für mich praktische Philosophie. Den Wert einer Reise bemesse ich nicht nach ihrem Schwierigkeitsgrad, ihrer Exotik oder sonstigen Rahmenbedingungen, sondern nach den Erkenntnissen, die auf den Wegen der Neugier als Stolpersteine lagen.

Wo auch immer ich gerade bin, sobald ich aus der Haustür trete, sehe ich Menschen, die zumindest einen Rollkoffer hinter sich herziehen. Wo auch immer ich Leute treffe, kommen sie trotz aller drängenden Gegenwartsfragen irgendwann auf ihre Reisen zu sprechen und auch gleich ins Schwärmen, als hätte das eine mit dem andern nichts zu tun. Ja was ist das denn, so frage ich mich rückblickend, was uns jahrzehntelang so beseelt und hinausgetrieben hat aus der Geborgenheit unsrer Behausungen? Was ging in uns vor, wenn wir in der Fremde versuchten, die selbstgesteckten Ziele halbwegs erfolgreich abzuarbeiten und en passant noch ein paar kleine Sensationen zu erhaschen, was dachten wir dabei und danach und darüber, wie gingen wir mit unsern Hoffnungen um, mit unsern Ernüchterungen? Was kam zur Sprache, wenn wir unter uns waren, was mußten wir verschweigen, wenn wir im öffentlichen Gespräch weiterhin als politisch korrekt gelten wollten? Was ließ uns beharrlich neue Reisen planen, auf daß jedes Lebensjahr Sinn und Form bekam, und ließ uns … vielleicht erst jetzt

Wir, das sind zunächst einmal all die, mit denen ich irgendwann gemeinsam verreist bin – Freunde, Freundinnen, ob zu zweit oder in der Clique, manchmal sogar im Rahmen einer Reisegruppe. Aber auch jene, mit denen ich nur in Gedanken aufbrach, im Gespräch. Es sind ihrer zu viele, um sie im Verlauf dieses Buches alle angemessen vorstellen zu können, namentlich gehen, wandern, reiten, fahren, fliegen darin nur einige meiner Reisegefährten mit: Wolle, mit dem ich das Kurvenanschneiden auf griechischen Bergstraßen übte und, Jahre später, in einer japanischen Kleinstadt so lange »Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser« als Karaoke-Beitrag lieferte, bis alle mitsangen und im Takt auf den Tisch trommelten. Mein belgischer Freund Eric, mit dem ich in Afrika und Zentralasien lange Wege ging, manchmal über unsre Grenzen hinaus. Oder Dschisaiki, mit dem ich auf Schrottplätzen der amerikanischen Südstaaten herumkletterte und im kubanischen Regenwald Geld bei illegalen Hahnenkämpfen verzockte. Konsul Walder, den ich als einen der Weltreisegäste bei meiner Fahrt mit der Europa kennenlernte. Achill und Susan, mit denen ich (bislang) eher zivile Reisen innerhalb Europas unternahm, obwohl auch sie in der ganzen Welt unterwegs waren und sind. Schließlich Indra, der K und Dr. Black, mit denen ich zwar noch kein einziges Mal gemeinsam unterwegs war, jedoch schon viel Zeit im Gespräch über unsre Reisen verbracht habe.

Wir, das sind in meinem konkreten Fall ein Literaturprofessor, eine Marketingexpertin, ein Bankkaufmann, ein … ach, das ist doch egal. Sobald wir am Heck eines indischen Überlandbusses hängen oder uns einer Affenhorde erwehren, die es im afrikanischen Busch auf unsre Essensvorräte abgesehen hat, zählen ganz andre Kriterien. Wir, das sind lauter Menschen, die immer wieder ihren Platz in der Fremde gesucht und notfalls auch verteidigt haben. Manche ihrer Meinungen sprechen mir aus dem Herzen. Manche regen mich auf. Weswegen sie unbedingt in dies Buch hineingehören.

Das große Versprechen, das die Welt einmal war, hat sich – nicht etwa in Luft aufgelöst, sondern in sein Gegenteil verkehrt. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, hoffnungsvoller Beginn einer friedlicheren Zeit, ist die Welt nicht nur kleiner geworden, sondern auch weniger freundlich, verheißungsvoll, beflügelnd. All das, was man für ein Abenteuer früher zähneknirschend auf sich genommen hat – Konfrontation mit dem Fremden in jeglicher Weise –, nun rückt es in einer Massivität näher, daß es für viele in

Aber genau das wäre die Kapitulation vor der Gegenaufklärung, wie sie sich in den verschiedensten Spielarten überall auf der Welt ausbreitet. Indem ich mich mit alldem beschäftige, was man früher eine Phänomenologie des Reisens genannt hätte, versuche ich wahrscheinlich, meinen Abschied vom Reisen noch eine Weile hinauszuschieben, meinen geistigen Abschied, wie gesagt. Oder befördere ich ihn dadurch erst recht? »Man predigt oft seinen Glauben, wenn man ihn gerade verloren hat«, schreibt Nietzsche, »und man predigt ihn dann nicht am schlechtesten.«1 Auch die mit dem Glauben verbundenen Werte verteidigt man hartnäckiger als zuvor, da sie – im Fall des Reisens als Ausdruck interkultureller Verständigungsbereitschaft – so selbstverständlich schienen, daß man wähnte, sie seien Allgemeingut einer modernen Weltgemeinschaft und nie mehr in Frage zu stellen.

Was nun gedruckt vorliegt, ist bestimmt kein Buch für den, der wissen will, wo sich vielleicht doch noch ein weißer Fleck auf der Landkarte entdecken läßt oder zumindest ein Weg, auf dem man ganz sicher zu sich selbst wandert. Derlei gibt es, und als Reisender wie als Leser habe ich stets einen weiten Bogen darum gemacht. Geschrieben habe ich für jene, die uns im Ohrensessel begleiten und am Ende froh sind, den Fährnissen der Fremde nur auf dem

 

MP, 31/12/16

Wer aufbricht, will nicht Zufriedenheit, sondern Glück. Oder wenigstens Unglück. Seine Sehnsucht ist ernst und will Ernst und macht Ernst. Überdies hat sie eine Kehrseite: Wohin wir auch reisen, in erster Linie reisen wir weg von uns selbst und unsresgleichen. Weil wir es wieder einmal satt haben, alle und alles satt haben, am allermeisten den, der wir selber sind, der uns bedrückt und beengt und ganz und gar nicht derjenige ist, der wir sein wollen.

»Jede Reise ist ein Fluchtversuch aus dem Gefängnis der Identität«, schreibt Hans Christoph Buch.2 Nicht nur Neugier, auch Unzufriedenheit treibt uns fort. Man mag so viel gereist sein, wie man will, irgendwann spürt man sie wieder, getarnt als unbestimmt nagende Rastlosigkeit, die nach Taten und Herausforderungen verlangt: eine stille Verzweiflung darüber, daß das Leben so ist, wie es ist, jedenfalls dort, wo man seinen Platz auf der Welt hat. Ob sich andernorts nicht ein anderes Leben finden läßt, es müßte nicht unbedingt besser sein, nur eben anders? Zumindest vorübergehend? Auch ich sehne mich dann nach dem nächsten Auf- und Ausbruch, weil ich die Gefühle wieder groß und die abwägenden Reflexionen klein haben möchte.

Aufzubrechen ins Fremde, das heißt für viele von uns: die Geborgenheit einer moderat erlebnisreichen Schreibtischexistenz einzutauschen gegen die rauhe Außenwelt, obendrein eine, deren Gesetze des Zusammenlebens man nicht kennt und mit der man also zwangsweise kollidieren wird. Daneben treten, je nach Reisegebiet, physische Gefährdungen, im Zweifelsfall wird man auf seine Muskelkraft vertrauen müssen. Als aufgeklärter, zivilisierter Mensch? Aber ja, weil man mit einer aufgebrachten Menge Hindus im Tempel ebensowenig diskutieren kann wie mit einem Rudel Wölfe im Gebirge.

Sofern wir von der Fremde träumen, träumen wir sie groß und gewaltig. Wir träumen sie als das schlechthin Andere, in dem wir auch das neu erlernen und erleben werden, was wir zu Hause bei wachem Verstand als vormodern, ja archaisch verachten. Wir werden es erlernen müssen. Werden wir es auch schaffen? Zur Antizipation der Beschwernisse gesellt sich die Angst vor dem Versagen. Eine Reise ist kein Urlaub, im Gegenteil: »Eine Reise ist ein Stück der Hölle«, zitiert Chatwin einen Nomaden, der ihn durch den Sudan begleitete.3

Zumindest ist sie immer wieder harte Arbeit. Sie besteht im sukzessiven Abarbeiten eines Aufgabenkatalogs,

Diese Frage enthält, wie die russischen Matrjoschka-Puppen, eine Reihe weiterer Fragen: Ist Zuhausebleiben eine Option? Und die Angst vor dem Aufbrechen, wie Wolle behauptet, nichts weiter als »Heimweh vorab«? Ist die vorübergehende Lust am Abenteuer, nüchtern betrachtet, vielleicht am Ende weniger wichtig für uns als der beständige Genuß all dessen, was wir als unser Zuhause im Lauf der Jahre aufgebaut haben: die Geborgenheit, die unser Alltag mit all seinen kleinen Dingen und Ritualen bietet, die Beziehung mit einem Partner, der den Alltag mit uns teilt und uns mit Liebe und Zuwendung von dessen Verletzungen heilt?

Hartmann von Aue hat auf diese Fragen vor über achthundert Jahren in zwei berühmt gewordenen Epen Antworten gesucht. Anhand der beiden Artusritter Erec und Iwein beschreibt er den Konflikt zwischen der Suche nach »aventiure«, wie sie der ritterliche Ehrenkodex gebietet, und dem »verligen« zu Haus mit einer geliebten Frau. Der eine von beiden (Erec) muß aufbrechen und sich erneut in der Fremde bewähren, weil er es sich auf dem Liebeslager daheim allzu dauerhaft eingerichtet hat. Der andre (Iwein) muß sich seine Liebe zurückerobern, weil er vor lauter Abenteuerdurst vergessen hat, zum versprochenen Zeitpunkt nach Hause zurückzukehren.

Die Mitte zwischen beiden Extremen zu finden ist für den hochmittelalterlichen Ritterstand, jedenfalls in seiner

Nun wissen wir also, daß wir gar nicht anders können. Wer auch nur irgendetwas von der Welt sehen will, der will möglichst viel davon sehen, im Grunde alles. Wird die Zeit vor der Abreise dadurch erträglicher? Nein. Denn aus der Neigung, die Welt sehen zu wollen, wird schon im Planungsstadium Pflicht. Die Agenda, die wir uns auferlegen, ist jedes Mal viel zu ehrgeizig – vom Größenwahn befeuert, man habe als Reisender im Lauf der Zeit die Fähigkeiten dazu erworben. Thailand ist ein ideales Einstiegsland für Asien, Namibia für Afrika, die Vereinigten Emirate sind es für die arabische Welt. Mit den Jahren steigen die Ansprüche an Länder, die wir bereisen wollen, und mit ihnen die Ziele, die wir uns setzen. Manchmal müssen wir dabei

Das Gefühl, etwas in der Fremde geschafft zu haben, das wir uns zu Hause nicht mal im Traum zugetraut hätten, kann ungemein beleben. Aber zunächst einmal müssen wir es auch schaffen. Und je mehr man im Leben geschafft hat, desto mehr hat man auch nicht geschafft, das ist ganz unvermeidlich und als verarbeitete Erinnerung nicht minder wertvoll als die Siege, die man errungen hat. Das Scheitern selbst freilich ist schmerzlich, in den schlimmsten Fällen mit Krankheit, Verletzung, Todesnähe verbunden. Dies zu wissen und trotzdem aufzubrechen wird schwerer, je älter man im Lauf seines Reiselebens geworden ist. Hat man nicht längst genug gesehen? Läßt sich überhaupt noch wirklich Neues entdecken, ist ein UNESCO-Welterbe nicht irgendwann wie das andere, eine Garküche am Straßenrand wie die nächste, ein Nationalpark, ein Felsenkloster, ein Dolmengrab … alles letztendlich eins und längst gesehen, ehe man hingereist ist? Dschisaiki: »Warum kann ich nicht wie andere auch einfach irgendwohin ins Warme fahren, und gut is’?«

Ist Urlaubmachen eine Option?

Ja, wenn man so einfach Urlaub machen könnte! Selbst wenn ich den festen Vorsatz hatte, »es mir diesmal wirklich nur ein paar Tage gutgehen zu lassen«, beispielsweise in

Nein, Zuhausebleiben ist keine Option, Urlaubmachen erst recht nicht. Konsul Walder: »Es reicht nicht, nach Sankt Peter-Ording zu fahren, um den Horizont neu zu sehen. Oder nach Garmisch, um ihn nicht zu sehen.« Achill: »Wir dürfen nicht aufhören, Suchende zu sein.«6

Der Reisende ist der Suchende per se, und was er auf seiner Suche auch findet, es spornt nur zu weiterer Suche an. Im Grunde sind wir auf immerwährender Reise, die Zeit zu Hause ist nichts als eine kurze Rast. Jeder Aufbruch ist eine Heimkehr in die Fremde. Ob wir wollen oder nicht, sobald die Zeit des Rastens abgelaufen ist, müssen wir wieder hinaus – das schiere Aufbrechen ist bereits die erste Mutprobe, die uns auferlegt wird.

»Alles prüfe der Mensch«, schreibt Hölderlin, »Daß er (…) verstehe die Freiheit, / Aufzubrechen, wohin er will.«7 Wir hadern und grübeln nur deshalb so lang, weil wir zu Hause, noch unterm Joch des Alltags stehend, den Gedanken der Freiheit erst wieder prüfen, in seiner erschreckenden Radikalität verstehen und ertragen lernen müssen. Eric behilft sich dabei mit einem simplen Trick: »Ich habe meine Packliste auf dem Computer, sobald sie ausgedruckt ist, habe ich zumindest schon mal den Geruch von Freiheit in der Nase.«

»Wer die erste Landkarte gezeichnet hat, hat den ersten Roman geschrieben.« Diesen Satz soll Italo Calvino gesagt haben,8 und ich unterschreibe ihn bedingungslos. Nicht jeder Roman läßt sich als Landkarte erzählen, doch jede Karte trägt mindestens eine Geschichte in sich. Schon das Studium eines Stadtplans ist eine Art Lektüre. Freilich ist das Erzähltempo von Plänen und Karten gleichmäßiger als das von Texten, der Leser ist gefeit gegen plötzlichen Spannungsabfall und Mangel an Ideen.

In meinem Exemplar der »Odyssee« war keine Karte abgedruckt. Als Schüler konnte ich den Plot nur verstehen, indem ich die Irrfahrt des Protagonisten Station für Station in meinen »Diercke Weltatlas« einzeichnete – verbotenerweise, der Atlas war Eigentum der Schule und durfte nicht »beschmiert« werden. Je mehr ich einzeichnete, desto begeisterter las ich weiter. Am Ende des Epos hatte ich eine interessantere Karte des Mittelmeerraums als jeder meiner Klassenkameraden, in ihr war die gesamte Route des Odysseus eingezeichnet samt antiker Ortsbezeichnungen und ergänzender Stichworte. Ein schwerer Tag, als der Atlas vor den Sommerferien abgegeben werden mußte.

Betrachtet man einen Stadtplan lang genug, sieht man durch ihn hindurch. Man sieht die Stadt. Natürlich nicht deren konkrete Erscheinung, sondern ihre Idee. Städte ähneln sich. Hat man sich nicht nur mit ihren Sehenswürdigkeiten auseinandergesetzt, sondern auch mit ihrer Struktur, wird man bald vergleichbare Strukturen in anderen Städten wahrnehmen. Fortan kann jede weitere Reise lang vor dem Tag der Abreise beginnen, man liest sie vorab. Dr. Black: »Unendlich lange kann ich Karten erforschen, als ob ich selbst in der Region unterwegs wäre. Schöngeistige Literatur schläfert mich ein, aber Landkarten machen mich richtig munter.«

Landschaften entziehen sich zwar manchmal der Kartographie, trotz Reliefschummerung und farbig abgestuften Höhenschichten; Städte hingegen sind Variationen des immergleichen Themas, man kann sie bereits per virtuellem Rundgang besichtigen. Dazu braucht es nur eine gewisse Reiseerfahrung, gepaart mit Vorstellungskraft. Und einen Plan, der über den Innenstadtbereich hinausgeht. »Leuten, denen die Phantasie bei der Versenkung in ihn nicht wach wird und die ihren (…) Erlebnissen nicht lieber über einem Stadtplan als über Fotos oder Reiseaufzeichnungen

Aber nicht jeder Reisende ist ein »Kartenfex«, wie Steinbeck sie nennt.10 Wolle: »Ich habe keinen Bock auf Landkarten. Und wähle stets den einfachsten Weg, also Google Maps auf dem Handy.«

»Google Maps schafft Klarheit«, konzediert Konsul Walder, »schlimm ist allerdings Street View, ich will den Ort doch nicht schon vorab besichtigen, sondern mit eignen Augen sehen. Google Street View ist was für Feiglinge.«

Dschisaiki: »Digitale Routenplaner beziehungsweise Navis dienen der schleichenden Verdummung der Menschheit beziehungsweise der Rückbildung des Hirns.«

Der K: »Es kommt ganz auf die Art des Reisens an. Zum Ankommen sind die neuen Tools wie Google Maps, Navi et cetera unverzichtbar und hochwillkommen, bei der Adreßsuche in einer Stadt wie San Francisco zum Beispiel. Ist man erst mal unterwegs, reicht jedoch eine Karte.«

Im realen Reisealltag findet Google Maps immer öfter für uns den Weg. Doch wir sind dem Programm auch ausgeliefert. Mit einer Karte in der Hand sind wir zwar Old School, haben aber auch ein kleines Erfolgserlebnis, wenn wir aufgrund unsrer Orientierungskraft das Ziel gefunden haben. Das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten auch in der Fremde ist für Eric so entscheidend, daß er selbst beim

Denn auch mit einer klassischen Karte aus Papier ist man keineswegs schon auf der sicheren Seite. Die Stadtpläne, die von Fremdenverkehrsämtern verteilt werden, reduzieren auf eine Weise, daß man mit ihnen kaum mehr als die Sehenswürdigkeiten findet. Vielleicht ist das ja Absicht, so wird der Touristenstrom kanalisiert und die restliche Stadt den Einheimischen vorbehalten. Für die entscheidenden Abstecher ins Fremde des Fremden sind sie nicht zu gebrauchen. »Die Karten, die ich in Thailand bekam, waren alle ziemlich verzerrt«, gewinnt ihnen Konsul Walder wenigstens noch etwas ab, »da wurde Orientierung wieder zum spannenden Abenteuer.«11

Besondere Verdienste im Anfertigen solch verzerrter und »aufs Wesentliche« konzentrierter Karten haben sich die Städte des früheren Ostblocks erworben. Angeblich damit potentielle Angreifer gezielt fehlinformiert würden. Es klingt naiv, doch auch heute noch gibt es Staaten, die darauf vertrauen: In Usbekistan gilt der Besitz von maßstabsgetreuen Karten sogar als strafbar. Als ich mir unter der Hand einen maßstabsgerechten Plan von Samarkand verschaffen konnte und damit endlich die verwinkelte Altstadt begriff, wurde mir sehr eindringlich eingeschärft, ihn nicht in der Öffentlichkeit zu benutzen. Ein Stadtplan, mit dem

Michelin(A–Z-)