Über Laura Chaplin

Foto: Chris Singer

Laura Chaplin wurde 1987 als Tochter von Eugene Chaplin, Charlie und Oona Chaplins fünftem Sohn, geboren. Sie wuchs im »Manoir de Ban« am Genfer See auf, in dem Haus, das Charlie Chaplin bis zu seinem Tod bewohnte. Laura Chaplin arbeitete als Model und TV-Moderatorin und studierte Mode und Design in Lausanne. Ihre große Leidenschaft gilt der Malerei, regelmäßig werden ihre Werke ausgestellt. Sie setzt sich nicht nur für das Vermächtnis ihres Großvaters Charlie Chaplin ein, sondern auch für Lachen und Humor als Menschenrecht.

 

 

Smile awhile and while you smile – another smiles.

And soon there are miles and miles of smiles

and life’s worthwhile because you smile.

 

Kathleen J. Edgar

Prolog

Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag.

 

Charlie Chaplin

 

 

 

Der kleine Mann im eleganten grauen Anzug stolpert über seinen Spazierstock und verliert beinahe die Balance. Hunderte Kinder schreien erschrocken auf. Er taumelt, fängt sich wieder, geschickt wie ein Zirkusartist – und geht vergnügt weiter. Dabei verlagert er sein Gewicht von einem Bein auf das andere, fast wie eine Ente. Sein Hinterteil wackelt hin und her.

Nun glättet er mit der linken Hand seinen Sakko, während die Rechte über die silbern glänzenden Haare streicht. Dann greift er mit einer eleganten Handbewegung nach der Rose, im Knopfloch seines Anzugs, streckt beide Arme vor sich aus und lächelt die Blume verliebt an. Sanft zieht er sie zu sich und hält sie vorsichtig unter seine Nase. Lange und tief atmet er ein, schließt die Augen und lächelt.

Jetzt spaziert er wie ein eleganter Herr auf der Uferpromenade der Themse auf und ab. Dabei blinzelt er die Kinder schelmisch an, die vor Freude strahlen, und – stolpert erneut! Auch diesmal fängt er sich wieder, und die Kinder lachen, jubeln und hüpfen vor Freude.

Dieser Mann ist Charlie Chaplin, mein Großvater.

Die Szene ereignete sich 1931 im Speisesaal des Hanwell-Kinderheims in London. Charlie Chaplin, der in seine Heimatstadt London zurückgekehrt war, um seinen Film Lichter der Großstadt vorzustellen, stahl sich allein aus dem Hotel Ritz, um ins Armenhaus zurückzukehren, wo er zeitweise seine Kindheit verbracht hatte. Hier spielte er für die Kinder den Clown. Sie wuchsen, wie er einst selbst, in schwierigsten Verhältnissen auf. An diesem Tag ließ er die Kleinen all ihre Ängste, Sorgen und die Armut vergessen.

Seine berühmteste Rolle, der »Tramp«, die Rolle des Wanderarbeiters und des Vagabunden, beruht auf den Erfahrungen in diesem Kinderheim. Sadistische Erzieher hatten den Siebenjährigen vor allen anderen Kindern im Turnsaal des Heims verprügelt. Während der Rohrstab immer wieder auf das nackte Hinterteil des Jungen krachte, zischte der kleine Charlie zwischen zusammengepressten Zähnen: »Eines Tages werde ich ein berühmter Schauspieler!«

Charlie Chaplin wurde nicht nur berühmt, sondern der berühmteste Schauspieler seiner Zeit überhaupt und gehört heute zu den weltweit berühmtesten Menschen des 20. Jahrhunderts. Menschen aller Nationen lieben ihn, leben, weinen und lachen bis heute mit seiner Figur des Tramps.

Als Chaplin 1931 in seine Heimatstadt London zurückkehrte, empfing man ihn, der hier als Kind um Brot betteln musste, wie einen König. Ohne Frage war er der König von Hollywood und gilt bis heute als König der Clowns.

»Lachen hilft gegen die Unbill des Lebens«, sagte mein Großvater. Und sein Leitspruch »Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag«, ist einer der meistzitierten Sätze unserer Zeit geworden. Chaplin lebte danach, er brachte die Menschen zum Lachen und machte die Welt damit zu einem besseren Ort.

Mein Großvater war für mich stets Vorbild, ob als Künstler, Humanist oder als Mensch. Vielleicht liegt es an meinen Genen, ganz sicher aber an meiner unbeschwerten Kindheit, dass auch ich eine fröhliche, lebensbejahende Einstellung zum Leben habe. Diese gebe ich gerne an meine Familie und meine Freunde weiter, aber auch an alle Menschen, denen ich begegne und die meine Hilfe brauchen.

Es ist mir ein wichtiges persönliches Anliegen, Lachen und Humor zu fördern und zu verbreiten. Vor allem bei Menschen, die in nachteiligen Verhältnissen leben oder in schwierige Situationen geraten sind. Aber ich denke dabei auch an alle, die in unserer hektischen Zeit unter Stress, Einsamkeit oder sogar Burnout leiden. Mit meinem Team möchte ich dazu beitragen, unsere Welt fröhlicher und heiterer und damit die Menschen gelassener zu machen. Der erste Schritt dahin ist dieses Buch, mit dem ich Sie auf eine Reise in die Welt des Lachens und Humors entführen möchte.

Lachen reinigt sowohl die Seele als auch den Körper. Es hilft, nicht nur schwierige Stunden zu bewältigen, sondern schützt auch vor Krankheiten. Lachen löst eine Kaskade von biochemischen Prozessen aus, die unsere Psyche und unseren Körper positiv beeinflussen.

Ich frage mich oft, warum Lachen nicht wesentlich häufiger zum Wohl der Menschen eingesetzt wird. Denn Lachen ist eine Art Wundermittel: Lachen löst Blockaden aller Art und stärkt das Immunsystem. Es vermehrt die T-Zellen in unserem Körper, weiße Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen und den Organismus somit vor schweren Krankheiten schützen. Lachen stärkt Herz und Lunge. Es hilft gegen hohen Blutdruck und baut Cholesterin ab. Lachen lindert Schmerzen und kann sie sogar vertreiben. Außerdem schützt es sogar vor Vergesslichkeit.

Lachen baut Stress ab und steigert die Lernfähigkeit, Kreativität und Motivation. Es unterstützt Heilungsprozesse und gibt kranken Menschen neue Kraft und Lebensmut. Es ist die stärkste und preiswerteste Medizin der Welt und die beste Gesundheitsvorsorge.

Warum gibt es so wenig Clowns in unseren Krankenhäusern? Warum werden nicht mehr verpflichtet? In vielen Kliniken gibt es überhaupt keine. Dort, wo sie sind, bewirken sie Wunder.

Ein Baby lacht bis zu 500 Mal am Tag, Erwachsene hingegen nur fünfzehn Mal. Ich stelle mir die Frage, ob und warum im Laufe des Lebens Fröhlichkeit, Heiterkeit und Gelassenheit verlorengehen. Was hindert uns – bei aller Unbill auf der Welt – daran, uns anzulächeln? Auf der Straße, im Bus, in der Bahn, im Büro und jeden Tag im Spiegel! Ein Lächeln macht uns attraktiver für das andere Geschlecht. Es wirkt nicht nur anziehend, sondern es verbessert auch Ihr Liebesleben. Doch nicht nur das. Wenn Sie lachen, werden Sie in allen Lebenslagen erfolgreicher sein.

Ganz nebenbei ist Lachen auch ein tolles Fitnesstraining. Wenn Sie lachen, trainieren Sie siebzehn Gesichtsmuskeln und achtzig weitere Muskeln in Ihrem Körper. Lachen ist einfach die beste Anti-Aging-Methode.

Warum steht Lachen noch nicht auf dem Lehrplan unserer Schulen und Universitäten? Lachen verbessert das Arbeitsklima und steigert die Konzentration und Motivation. Glückliche und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für jedes Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg. Warum beschäftigen nicht viel mehr Firmen Feel Good Manager?

Wenn wir die zahlreichen positiven Aspekte des Lachens betrachten, müssen wir uns fragen, warum nicht wesentlich häufiger gelacht wird. Man könnte auf die Idee kommen, dass Lachen mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden ist. Und vielleicht liegt darin ein Körnchen Wahrheit. Denn Lachen ist auch eine Form des Widerstands. Sowohl im Kleinen, wenn Sie übel gesinnte Menschen mit Lachen entwaffnen, als auch im Großen: auf gesellschaftlich-politischer Ebene. Lachen ist eine starke Waffe im Kampf gegen Diktatoren, politische und religiöse Fanatiker sowie Autoritäten aller Art. Diese Menschen können Humor nicht ausstehen, vor allem dann nicht, wenn er ihren Machtanspruch als unangemessen entlarvt und ihre vermeintliche Autorität der Lächerlichkeit preisgibt.

Mit seinem Film Der große Diktator hat Charlie Chaplin ein Mahnmal für die Ewigkeit geschaffen. Die Satire auf Adolf Hitler und den deutschen Nationalsozialismus war, so wie die anderen Filme meines Großvaters, während des Dritten Reichs natürlich verboten.

Dies ist nur ein Beispiel aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts, als die Menschen für einige Jahre nichts mehr zu lachen hatten und noch nicht einmal Galgenhumor zeigen durften.

Sie werden staunen und vielleicht schmunzeln, welche Lachverbote und Regulierungsversuche von Humor es auch heute noch in vielen Ländern gibt. Weniger lustig ist, dass Menschen, die Humor haben und gern lachen, deswegen auch heute noch bedroht werden. Lachen ist also mitunter eine ernste, ja sogar lebensgefährliche Angelegenheit. Lachen und der Versuch, andere Menschen zum Lachen zu bringen, ist ein Grundrecht, das längst in der Charta der Menschenrechte verankert sein sollte. Auch davon handelt dieses Buch.

Doch wenden wir unseren Blick von der globalen Lage der Welt zurück zu unserem Alltag.

Mit seinem Film Modern Times hat Charlie Chaplin in den dreißiger Jahren die irrwitzige, menschenverachtende Gier des Industriezeitalters angeprangert. Wie geht es uns heute, über achtzig Jahre danach in den »Postmodern Times«? Wir stehen eher unter einem noch größeren Perfektionierungs-, Optimierungs- und Leistungsdruck. Viele Menschen leiden unter Dauerstress und stehen kurz vor einem Burnout. Neurosen, zwanghaftes Verhalten, Existenz- und Zukunftsängste dominieren den Alltag vieler Menschen.

Die Verhältnisse in den »Postmodern Times« sind also noch schlimmer als die von Charlie Chaplin in Modern Times beschriebenen. Doch es gibt damals wie heute eine einfache Lösung, das Leben lebenswerter zu machen. Lächeln Sie Ihre Mitmenschen an, ob in der Familie, auf der Straße oder im Büro. Sie werden sich wundern, was Sie damit in Gang setzen.

Es ist Ihr Lächeln, das die Welt verändert und zu einem heiteren und besseren Ort für uns alle macht. Sie benötigen nur etwas Mut, um jemanden anzulächeln, und schon tragen Sie dazu bei, die Welt positiv zu verändern. Sie brauchen nur ein wenig Muße und einen kleinen Anlass, um in schallendes Gelächter auszubrechen, und Ihr Leben wird sofort und langfristig angenehmer und schöner.

»Dein Lachen verändert die Welt« ist meine Botschaft an alle Menschen, ihren persönlichen Beitrag zu einer heitereren Welt zu leisten.

 

Ihre Laura Chaplin

1 Vom Haus meines Großvaters in die weite Welt des Lachens

Ich erinnere mich an meine glückliche Kindheit im Haus meines Großvaters, dem Manoir de Ban, und besonders an meine Freundschaft mit Michael Jackson. Ich denke an meine Jugend in England und erzähle von meinen großen Leidenschaften, dem Reiten und dem Malen. Meine Kunst führt mich nach Kolumbien, wo meine Reise in die Welt des Lachens beginnt.

 

 

Smile, what’s the use of crying.

You’ll find that life is still worthwhile –

If you just smile.

 

Aus dem Lied »Smile« von Charlie Chaplin

»Ich heiße Laura, Laura Chaplin.«

Der rote Helikopter kündigte sich mit einem ohrenbetäubenden Knattern an, flog nur wenige Meter über dem Dach unseres Hauses Richtung Park, brauste über die Baumwipfel hinüber zum See, zog eine lange Rechtskurve und setzte direkt vor unserem Haus zum Landeanflug an. Die Nachmittagssonne stand hoch über den Alpen, und ich starrte, vom Gegenlicht geblendet, gebannt auf das Fluggerät, das mich an eine zu groß geratene Hummel erinnerte. Langsam und träge brummend ließ sie sich auf unserem frisch gemähten Rasen nieder.

Mein Vater, Eugene Chaplin, hatte uns am Vorabend erzählt, dass ein sehr bekannter Musiker zu Besuch kommen werde, aber den Namen nicht verraten. Wir waren an berühmte Musiker gewöhnt, denn mein Vater arbeitete als erfolgreicher Tontechniker in den »Mountain Studios« im benachbarten Montreux und nahm Platten mit Stars wie den Rolling Stones, David Bowie und Queen auf.

Montreux war zu der Zeit bei Popstars angesagt: David Bowie himmelte meine Großmutter Oona Chaplin an. Er kaufte schließlich unser Nachbarhaus. Keith Richards verbrachte nicht nur viel Zeit in der Klinik »La Prairie«, um seinen Körper einer Spezialbehandlung zu unterziehen, sondern nahm im Studio meines Vaters in Montreux auch mit den Rolling Stones das Album »Black & Blue« auf. Später übernahm Freddie Mercury das Studio für seine Band Queen.

Trotz der vielen berühmten Gäste war bis dato noch nie ein Helikopter in unserem Park gelandet. Unsere neun Hunde waren aufgeregt und sprangen wild bellend um das rote Fluggerät herum. Schließlich stellte der Pilot den Motor ab und die Rotorblätter kamen langsam zum Stillstand. Endlich durften wir zum Helikopter laufen, um unseren neuen Gast zu begrüßen.

Ich stand nur wenige Meter entfernt, als sich die Tür öffnete. Und für einen Augenblick vergaß ich zu atmen. Ich erblickte den Schwarm aller Mädchen und auch mein großes Idol, den einzigen und wahren König des Pop: Michael Jackson. Er warf uns ängstliche Blicke zu und rief mit zittriger Stimme: »Bitte bringt die Hunde weg! Ich kann sonst nicht aussteigen! Bitte bringt sie weg!« Mein Vater lief herbei, versuchte Michael zu beruhigen und davon zu überzeugen, dass unsere Hunde vollkommen ungefährlich und an zahlreiche Gäste gewöhnt sind. Doch Michael stieg erst aus, als alle Hunde in einen anderen Teil des Parks gebracht waren. Er war aber nicht der einzige, der nervös war. Nachdem er meinem Vater die Hand geschüttelt, uns Kindern zugewinkt und eine kurze Tanzeinlage wie in einem seiner Musikclips vorgeführt hatte, kam er direkt auf mich zu und sagte: »Hallo, ich bin Michael. Wie heißt du und wie alt bist du?« Ich versuchte meine Nervosität zu unterdrücken und flüsterte:

»Laura. Ich heiße Laura Chaplin. Ich bin neun Jahre alt.«

»Laura, das ist ein schöner Name«, antwortete er und stellte gleich die nächste Frage: »Hast du eine Playstation?«

Ich nickte wortlos und starrte mein Idol gebannt an.

»Wollen wir spielen?«, fragte er.

»Ja, komm!«, riefen meine Geschwister und ich durcheinander und hüpften um Michael herum wie zuvor die Hunde um den Helikopter. Die Playstation war brandneu auf dem Markt und bei uns zu Hause entsprechend heiß umkämpft. Mit Michael Jackson gemeinsam damit zu spielen, war so aufregend wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Wir schoben unseren Besucher also geradezu in unser Haus und zogen ihn die Treppe zum Kinderspielzimmer hinauf, wo unsere Playstation stand. Während wir Geschwister aushandelten, wer von uns zuerst mit Michael spielen durfte, blieb er plötzlich wie versteinert vor einem Bild unseres Großvaters Charlie Chaplin stehen. Wir hielten inne und blickten gespannt von Großvater Charlie, dessen Anblick wir gewohnt waren, zu Michael Jackson, den wir bisher nur aus dem Fernsehen kannten. Michael begann auf einmal, eine Melodie zu summen, und schließlich sang er:

Smile though your heart is aching

Smile even though it’s breaking.

When there are clouds in the sky

You’ll get by.

If you smile through your fear and sorrow

Smile and maybe tomorrow

You’ll see the sun come shining through

For you.

Light up your face with gladness,

Hide every trace of sadness.

Although a tear may be ever so near

That’s the time you must keep on trying

Smile, what’s the use of crying.

You’ll find that life is still worthwhile –

If you just smile.

That’s the time you must keep on trying

Smile, what’s the use of crying.

You’ll find that life is still worthwhile –

If you just smile.

Die Bedeutung dieses Liedes für Michael Jackson sollte mir erst später bewusst werden.

In diesem Moment stimmte ich nur in das Klatschen und Johlen meiner Geschwister und Eltern ein und freute mich darauf, mit Michael Playstation zu spielen. Wir verbrachten einige aufregende Stunden miteinander, dann ließ er uns allein, um sich noch ein wenig mit unseren Eltern zu unterhalten.

Wir bemerkten gar nicht, wie die Zeit verging. Als wir zum Abendessen gerufen wurden, rissen wir uns schließlich von der Playstation los und gingen ins Esszimmer. Die Erwachsenen hatten noch nicht Platz genommen. Neben Michael Jackson waren, wie so oft, einige andere Freunde meiner Eltern zu Gast. Viele Stimmen füllten den Raum, und alle Besucher drängten sich um Michael, der sich höflich mit ihnen und mit meinen Eltern unterhielt.

Unser Esstisch, ein Meisterwerk des französischen Kunsttischlers Georges Jacob im Louis-Seize-Stil aus dem 18. Jahrhundert, war festlich gedeckt. An diesem Tisch – der Stolz meines Großvaters – fanden dreißig Personen Platz. Heute Abend sollte natürlich Michael Jackson am Kopfende sitzen, doch der hatte anderes im Sinn. Ich beobachtete, wie er mit meiner Mutter und meinem Vater sprach, diese zu uns Kindern schauten und ihm erstaunt zunickten. Auch die anderen Gäste schienen aus irgendeinem Grund verwundert zu sein. Nur Michael wirkte gelassen und fröhlich, tänzelte um unseren riesigen Esstisch herum und moonwalkte direkt auf mich zu.

»Hey Laura. Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er charmant.

Ich nickte schüchtern und konnte mein Glück nicht fassen. Michael setzte sich tatsächlich lieber zu uns Kindern als zu den Erwachsenen. Während des Essens unterhielt er sich mit mir über meine Lieblingsthemen.

»Und, Laura, was machst du am liebsten außer Playstation spielen?«, fragte er mich.

»Reiten natürlich!«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.

»Seit wann kannst du schon reiten?«, fragte Michael.

Ich überlegte nur eine Sekunde und meinte: »Seit ich auf der Welt bin! Mein Vater hat mich schon als Baby auf den Rücken von Bichon gesetzt. Und mit drei Jahren bin ich schon alleine auf ihm geritten.«

Michael sah mich fragend an, also erklärte ich es ihm: »Bichon ist mein Lieblingspony. Das hat nämlich mein Großvater gekauft. Du kennst ja meinen Großvater, oder?«

»Leider nicht persönlich. Aber ich bin ein großer Fan von ihm!«, sagte Michael.

»Also genau wie ich!«, sagte ich und fuhr fort: »Also, mein Großvater hat damals sieben Ponys für seine Enkelkinder gekauft. Bichon ist das jüngste, mein Lieblingspony. Aber die anderen sind auch super. Das Problem ist nur, dass sie mich manchmal irgendwo abwerfen und weglaufen. Aber dafür habe ich mein Motorrad!«

Michael sah mich beeindruckt an und lauschte gespannt.

»Das Kindermotorrad habe ich mir schon zu meinem siebten Geburtstag gewünscht. Und letztes Jahr habe ich es endlich bekommen. Es ist eine Yamaha-PW-80-Geländemaschine. Barbiepuppen haben mich eigentlich nie so interessiert.«

Michael nickte und fragte mich, ob so ein Moped nicht ein wenig gefährlich sei.

»Ja, ich habe mir aber erst ein Mal was gebrochen!«, gab ich zu und berichtete.

»Also eigentlich war das Moped wegen der Ponys gedacht, aber als es neu war, bin ich ständig damit herumgefahren. Ich habe sogar meine Schulkameraden eingeladen und wir haben uns gemeinsam draufgesetzt. Wir sind nicht nur durch den Park gebraust, sondern auch über die Waldwege und durch die umliegenden Weingärten. Es war einfach großartig, aber nicht besonders schnell. Und so habe ich meinen Onkel Michael Chaplin, den älteren Bruder meines Vaters, gebeten, mein Motorrad etwas schneller zu machen. Er hat also ein wenig dran herumgeschraubt.«

Michael sah mich mit großen Augen an und ich erzählte weiter:

»Es war plötzlich eine richtige Rennmaschine. Natürlich habe ich das sofort meinen Klassenkameraden vorführen müssen und habe sie zu einer Probefahrt eingeladen. Wir haben uns im Wald getroffen, wo uns niemand beobachten konnte. Ich habe mich vorne auf das Motorrad gesetzt und zwei von ihnen haben hinter mir Platz genommen. Dann habe ich Vollgas gegeben. Das Motorrad hat sich wie ein scheuendes Pferd aufgebäumt und zuerst meine Freunde abgeschüttelt. Dann hat es einen Satz nach vorne gemacht und ist mit mir über eine Böschung gesprungen. Das Motorrad und ich haben uns mehrmals überschlagen und sind schließlich in einem ausgetrockneten Bachbett liegen geblieben. Mein Bein war seltsam verdreht und sah aus, als hätte der Tramp ein neues Kunststück versucht, das ihm misslungen ist. Ich habe es zu bewegen versucht, doch alles, was ich spürte, war ein stechender Schmerz. So habe ich die Zähne aufeinandergebissen und gewartet, bis meine Freunde kamen. Sie haben auch gleich meinen Vater geholt, der mich ins Haus getragen und dann ins Krankenhaus gefahren hat. Bis auf das Bein, das gebrochen war und höllisch wehtat, war zum Glück alles in Ordnung. Aber das Schlimme war, dass ich einen Gips bekam und wochenlang mit Puppen spielen musste!«

Ich verdrehte die Augen und Michael lachte. Dann beugte er sich zu mir und flüsterte: »Laura, ich muss mich auch noch mit deiner Schwester unterhalten, die ist schon ganz eifersüchtig. Du verstehst das, oder?«

Ich nickte und fühlte mich sehr erwachsen. Vor allem aber freute ich mich über meinen neuen Freund Michael.

Als er am nächsten Tag abreiste, versprach er, sich bald wieder bei mir zu melden. Er telefonierte seit seinem Besuch regelmäßig mit meinen Eltern, und wenn ich mich nicht gerade mit meinen Ponys weit entfernt vom Telefon befand, holten sie mich, damit ich ein paar Worte mit ihm wechseln konnte.

Ein Jahr später, als er sich wieder auf Konzerttour in Europa befand, sah ich ihn wieder.

Ein Mädchentraum wird wahr – Bühnenauftritt mit Michael Jackson

Eines Abends saßen wir an unserem Esstisch und hatten gerade mit der Suppe begonnen, als das Telefon läutete. Meine Mutter ging hinaus, um abzuheben, und rief dann über den Flur: »Laura, bitte komm zum Telefon. Dein neuer Freund will dich sprechen.«

Zum Glück hatten wir an dem Abend keine Gäste. Es war für mich schon schlimm genug, dass meine Geschwister lachten und mein Kopf rot anlief. Es gab einen Jungen aus meiner Klasse, der mir gut gefiel, aber er war nicht mein Freund und hatte noch nie angerufen. Schnell legte ich meinen Suppenlöffel zur Seite und huschte zum Telefon. Mein Herz schlug vor Aufregung bis zum Hals und meine Hände zitterten, als ich nach dem Hörer griff. Ich wartete, bis meine Mutter weg war und meldete mich dann mit leiser Stimme: »Laura.«

»Hi Laura«, meldete sich eine sanfte Stimme am anderen Ende der Leitung. »Erkennst du mich?«

»Michael?«, fragte ich vorsichtig und fügte hinzu: »Du bist Michael Jackson, oder?«

Er kicherte nur und sprach mit tiefer Stimme: »Ich bin Michael Jacksons Produzent. Wir suchen eine Sängerin für Michaels Show in Lausanne. Sie wurden uns empfohlen. Sind Sie interessiert?«

Ich war verunsichert und antwortete stotternd: »Ja, aber ich habe noch nie vor einem Publikum gesungen, nur am Heiligen Abend unterm Weihnachtsbaum.«

»Können Sie außer Weihnachtsliedern auch andere Lieder?«, brummte der Anrufer und fügte hinzu: »Zum Beispiel eines der Lieder von Herrn Jackson?«

»Naja, im Musikunterricht in unserer Schule singen wir ›Heal the world‹. Unsere Musiklehrerin liebt dieses Lied.«

»Hmmm, sie muss eine gute Lehrerin sein. Jedenfalls hat sie einen exzellenten Geschmack«, murmelte die Stimme am anderen Ende der Leitung und bat mich dann: »Singen Sie das doch bitte mal vor!«

»Jetzt am Telefon?«, fragte ich leicht verzweifelt.

»Wann denn sonst? Das Konzert ist schon nächste Woche. Wir können doch nicht hunderte Mädchen anrufen. Es eilt. Also bitte!«

Ich räusperte mich und begann zu singen:

There’s a place in your heart

And I know that it is love

And this place could be much brighter than tomorrow

And if you really try

You will find there is no need to cry

In this place you will feel

There is no hurt or sorrow

 

Heal the world

Make it a better place

For you and for me

And the entire human race

»Gut, gut, gut«, brummte die Stimme, »ich werde Sie Michael weiterempfehlen.«

»DDDDDDanke«, stotterte ich und fügte hinzu: »Schöne Grüße an Michael von Laura!«

Plötzlich brach mein Gesprächspartner in lautes Gelächter aus, und eine etwas höhere Stimme rief: »Laura, ich bin es, Michael! Du bist auf meinen Trick hereingefallen. I love you!«

»Michael, du bist jetzt tatsächlich Michael?«, fragte ich zögernd.

»Ja, ich bin Michael«, rief er fröhlich in den Hörer.

»Aber ich bin nicht Laura!«, antwortete ich mit fester Stimme und fuhr fort: »Ich bin ihre Schwester. Laura kommt gerade zur Tür herein. Sie war noch bei ihren Ponys.«

Dann rief ich mit lauter Stimme: »Laura, Telefon für dich!«

Nach einigen Augenblicken meldete ich mich wieder am Telefon.

»Laura?«, fragte Michael nun sichtlich verwirrt, »spreche ich mit Laura Chaplin?«

»Ja, das bin ich«, sagte ich mit fester Stimme.

»Hier ist Michael. Michael Jackson«, entgegnete er nun wieder leise.

»Ich wollte dich nur fragen, ob du nächste Woche in Lausanne zu mir auf die Bühne kommen und ein Lied singen magst?«

»Hat dir dein Manager nicht von mir erzählt? Ich habe doch schon vorgesungen«, sagte ich und versuchte mit aller Kraft ernst zu bleiben.

»Dann habe ich doch mit dir und nicht mit deiner Schwester gesprochen?«, fragte Michael und fuhr lachend fort: »Du hast mich reingelegt!«

»Ja, aber du hast mich zuerst reingelegt!«, sagte ich.

Wir prusteten beide los.

Schließlich wurde Michael wieder ernst und fuhr fort: »Also, Laura, ich trete nächste Woche in Lausanne auf, und ich möchte dich mit deiner Familie zu meinem Konzert einladen. Du sollst aber mit mir gemeinsam auf der Bühne ein Lied anstimmen, und zwar ›Heal the world‹. Das meine ich ernst. Bist du dabei?«

Ich musste nicht lange überlegen und sagte sofort zu. Wir verabschiedeten uns, und ich ging hoch erhobenen Hauptes ins Esszimmer zurück und setzte mich an meinen Platz.

Mein jüngerer Bruder Spencer rief neugierig: »Und, wie heißt dein neuer Freund? Wann trefft ihr euch?«

Ich drehte mich zu Spencer um: »Er heißt Michael Jackson, und wir treffen uns nächste Woche in Lausanne.«

Spencer sah mich mit großen Augen an, und ich fügte hinzu: »Auf der Bühne. Und du, kleiner Bruder, kommst mit mir dort hinauf!«

Dann wandte ich mich wieder meiner Suppe zu, als wäre nichts Besonderes passiert.

Eine Woche später, in der ich wenig geschlafen und viel Zeit vor dem Spiegel und mit Gesangsübungen verbracht hatte, war es dann soweit. Meine Eltern fuhren mit mir und meinem Bruder nach Lausanne. Meine Mutter hatte mir für den Auftritt einen Wunsch erfüllt und mir meine ersten hochhackigen Schuhe gekauft: Buffalo High Heels mit Plateausohlen. Ich hatte sie die ganze Woche ununterbrochen getragen und fühlte mich bereits wie ein Supermodel. Stolz folgte ich meinen Eltern, die Michael Jacksons Ehrengäste waren. Es war für alles gesorgt. Mein Bruder und ich erhielten Künstlerausweise und wurden zu Michael in die Garderobe gebracht.

Michael begrüßte uns freudig und meinte: »Bist du aber groß geworden!«

Dann fragte er ein wenig ernster: »Könnt ihr euren Text? Seid ihr aufgeregt?«

Spencer und ich nickten synchron und versuchten unsere Nervosität zu überspielen.

»Also, ich muss mich jetzt noch vorbereiten. Ihr könnt euch die Show von ganz vorne anschauen und am Ende hole ich euch gemeinsam mit den anderen Kindern auf die Bühne. Ich wünsche euch viel Spaß!«, sagte Michael und ließ uns zu einem Seitenaufgang bringen. Von unserem Platz aus konnten wir die Bühne und die tausende Fans sehen, die dicht gedrängt davor standen. Sie schrien nach Michael und konnten es kaum erwarten, ihn zu sehen. Doch zuerst gab es eine imposante Videoshow, an deren Ende eine Rakete auf die Bühne schwebte. Die Luke öffnete sich, und der Raumfahrer trat heraus. Als er langsam zu seinem Helm griff und ihn abnahm, konnten sich die Fans nicht mehr halten. Michael Jackson war endlich gelandet und startete seine einzigartige Show.

Spencer und ich waren fasziniert von Michael, der auf der Bühne alles gab. Wir waren so mitgerissen von der Stimmung im Publikum, von der Lichtshow, den Tänzern und der Musik, dass wir unsere Nervosität vergaßen. Schließlich stimmte Michael Jackson »Heal the world« an, und obwohl es nicht gerade leise im Saal war, konnte ich mein eigenes Herz klopfen hören. Eine Dame führte uns und die anderen Kinder hinunter zur Bühne und gab uns letzte Anweisungen.

Dann war es soweit: Mein Bruder und ich gingen mit den anderen Hand in Hand auf die Bühne und bildeten einen Kreis um Michael, der weiter sang. Als wir an ihm vorbeigingen, nahm Michael meine Hand und die meines Bruders und trat mit uns zum Bühnenrand. Ich blickte auf das unglaubliche Lichtermeer vor mir. Jeder einzelne Fan hielt ein Feuerzeug in die Höhe und jubelte Michael und seiner Botschaft zu. Die Energie, die für alle zu spüren war, überwältigte mich für einen Moment, sodass ich zu singen vergaß. Doch dann stimmte ich mit ein und sang mit Michael »Heal the world«.

Als das Lied zu Ende war, hob er meine Hand und rief laut: »Laura, I love you!«

Michael führte uns bis an den Bühnenrand, zwinkerte mir zu und sagte: »Mein Manager hatte recht, du hast Talent!«

Nach dem Konzert ging ich mit meinen Eltern und Spencer zu unserem Auto und sah die vielen Menschen genau an, die das Konzert verließen. Nie zuvor oder danach im Leben habe ich so viele glückliche, lachende Gesichter gesehen.

Was Charlie Chaplin und Michael Jackson verbindet

Der Bühnenauftritt mit Michael Jackson war eines der tollsten Erlebnisse meiner Kindheit. In diesem Alter war es für mich ungemein aufregend, so etwas erleben zu dürfen. Aber noch heute bin ich tief beeindruckt von Michael, der mit seiner Kunst so vielen Menschen Freude und Glück brachte. Er steht für mich als mein Idol in ein und derselben Reihe mit meinem Großvater. Und Michael war der tollste Freund, den ich als Kind hatte. Unser Kontakt riss jedoch nicht ab, als ich älter und schließlich erwachsen wurde.

Ich erinnere mich, dass er mich nach dem Konzert in Lausanne immer wieder anrief und ich ihm von weiteren Abenteuern mit meinen Ponys erzählte. Instinktiv spürte ich wohl auch, wenn es ihm nicht gut ging. Und ich bemerkte, dass ich ihn mit den Geschichten aus meiner bunten heilen Welt aufmuntern konnte. So erzählte ich, wie ich die Ponys zum Schwimmen in unseren Pool führte. Oder, dass ich auf einem der Ponys durchs Haus ritt, und dieses Pony dann zufällig auf einem der teuersten Teppiche meiner Eltern stehenblieb und dort seine Notdurft verrichtete. Ich erzählte ihm auch, wie meine Eltern sich darüber aufregten, und brachte Michael mit dieser und anderen Geschichten immer wieder zum Lachen.

Michael Jackson war ein großer Fan meines Großvaters und wusste alles über ihn. Er erzählte mir von seinem ersten Besuch im Manoir de Ban, als ich erst ein Jahr alt gewesen war und meine Großmutter noch gelebt hatte. Damals hatte Michael unbedingt unser Haus besuchen und einen Blick in unsere Archive werfen wollen. Sein Chauffeur hatte Probleme, den richtigen Weg zu finden, und so strandeten sie schließlich an einer Tankstelle, von der unser Butler sie abholen musste. Beim nächsten Mal war Michael zur Sicherheit gleich mit dem Helikopter gekommen.

Michael erzählte mir, wie sehr er meinen Großvater bewunderte und mich darum beneidete, im Manoir de Ban leben zu dürfen. Er hatte auch das Haus in London besucht, in dem mein Großvater aufgewachsen war. Michael hatte sich als Tramp verkleidet und sich genauso verlassen gefühlt wie mein Großvater als Kind. Auch Michael war als Kind oft einsam gewesen und ließ sich dann vom Song »Smile« meines Großvaters trösten.

 

Als ich später die Fotos von Michael Jackson sah und sie mit denen von Charlie Chaplin verglich, stellte ich eine außerordentlich große Ähnlichkeit fest. Michael Jackson war bei weitem nicht der einzige, der in das Outfit meines Großvaters schlüpfte und ihn verehrte. Aber er war vermutlich einer von denen, die sich besonders gut mit ihm identifizieren konnten. Genauso wie sein Idol musste Michael Jackson sehr schnell erwachsen werden und schon als Kind hart arbeiten. Und ebenso wie sein Vorbild wurde Michael Jackson weltberühmt, von Millionen Menschen geliebt und von einigen Neidern angefeindet. Es war kein Wunder, dass er sich mit Charlie Chaplin seelenverwandt fühlte.

Das Lied »Smile«, das mein Großvater ursprünglich für Modern Times komponiert und das Michael Jackson uns Kindern bei seinem Besuch vorgesungen hatte, blieb Michael Jacksons Lieblingssong. Der Text enthält eine zeitlose Wahrheit: Auch wenn es manchmal einen Grund gibt, traurig zu sein, hat es keinen Sinn, in Trauer zu verharren. Es muss der Zeitpunkt kommen, an dem man sich selbst und anderen ein Lächeln schenkt und wieder fröhlich ist. Das Leben ist wertvoller und lebenswerter, wenn wir lächeln.

Michael hatte diesen Song als Kind jeden Tag gehört und hörte ihn immer wieder, wenn es ihm schlecht ging. Das Lied spendete ihm Trost, wenn die Traurigkeit seiner Kindheit zurückkehrte.

Es war eine Traurigkeit, die für mich als Kind zwar spürbar, aber schwer nachvollziehbar war. Erst später verstand ich, in welch privilegierten Verhältnissen ich aufgewachsen und wie glücklich und fröhlich meine eigene Kindheit gewesen war. Vielleicht hatte mir Michael deshalb so gerne zugehört und ein Stück von meinem unbeschwerten Glück miterlebt.

Am Telefon verabschiedete er sich oft mit den Worten: »Schenke täglich den Menschen ein Lächeln, und die Welt wird für alle ein besserer Platz.«

So war es auch das letzte Mal, wenige Wochen vor seinem Tod. Als ich von seinem tragischen und viel zu frühen Ende hörte, ging es mir wie Millionen seiner Fans: Ich wollte es nicht glauben. Ich wünschte mir, dass er mich wie damals mit verstellter Stimme anrufen und sich über mich lustig machen würde. Doch als mein Telefon läutete, war es meine Mutter, die ebenfalls die traurige Nachricht bekommen hatte und sich erkundigte, wie es mir ging. Wir telefonierten lange und sprachen über die Umstände von Michaels Tod. Wir riefen uns aber auch Michaels Besuche im Manoir de Ban und das Konzert in Lausanne in Erinnerung. Es war, als wäre ein Familienmitglied gestorben.

Als ich Michaels Begräbnisfeierlichkeiten verfolgte und sein Bruder Jermaine zum Abschied Michaels Lieblingslied »Smile« sang, füllten sich meine Augen mit Tränen. Und während ich mir immer und immer wieder über die Wangen wischte, lächelte ich in Erinnerung an Michael, den Helden meiner Kindheit.

Magische Kindheit im Manoir de Ban

Ich hatte das Glück, in dem Haus aufzuwachsen, das Charlie Chaplin 1952 gekauft und in dem er bis zu seinem Tod gelebt hatte: »Manoir de Ban« in Corsier-sur-Vevey am Genfer See.

Meine Kindheit dort war nicht nur glücklich und fröhlich, sondern geradezu magisch. Ich war umgeben von wunderbarer Natur, einer liebevollen Familie, hochinteressanten Gästen und nicht zuletzt vom Geist meines Großvaters Charlie Chaplin, der auch nach seinem Tod omnipräsent war. Sein Humanismus, seine Kreativität, seine Liebe zu den Menschen, seine Verehrung für den Zirkus und vor allem für Clowns waren überall im Haus sichtbar und spürbar und wurden von meiner Großmutter Oona und meinen Eltern an uns Kinder weitergegeben.

Da mein Großvater alles Mögliche an Kunst, Büchern und Filmen gesammelt hatte, war das Manoir de Ban wie ein großes Museum. Wir wuchsen umgeben von Kunst auf, und so begann ich mich schon als Kind dafür zu interessieren.

Mein Kindermädchen, Emma Chambers aus Irland, bemerkte, dass Zeichnen und Malen mir besonders großen Spaß machte. Sie war selbst Künstlerin und förderte mich, so viel und wo sie nur konnte. Sie saß oft stundenlang neben mir und lobte mich für meine Zeichnungen. Sie gab mir Tipps und Ideen und sorgte dafür, dass immer genügend Stifte und Papier in meiner Nähe waren. Ich liebte es, mit Anna gemeinsam im Garten zu sitzen, meine Umgebung zu beobachten und sie zu zeichnen. Wenn ein Bild fertig war, ermutigte Anna mich, es meiner Großmutter zu zeigen.

Meine Großmutter Oona freute sich, wenn ich halb stolz und halb schüchtern zu ihr gelaufen kam und ihr mein neuestes Kunstwerk präsentierte. Sie war es auch, die meine Bilder unseren Gästen zeigte. Sie erzählte mir, dass Großvater befürchtet hatte, seine Filme und seine Arbeit könnten eines Tages in Vergessenheit geraten, und erklärte mir, dass wir als seine Familie alles tun müssten, um die Menschen an ihn zu erinnern. So begann ich meinen Großvater als Tramp zu zeichnen, was meiner Oma besonders gut gefiel.

Eines Tages wollte einer unserer Gäste, dem sie meine Bilder zeigte, eines davon erwerben und bot mir dafür fünf Schweizer Franken. Ich konnte es kaum glauben. Fünf Schweizer Franken erhielt ich einmal im Monat als Taschengeld. Mit dem Verkauf von nur einer Zeichnung hatte ich mein monatliches Einkommen verdoppelt.

Ich beschloss, von nun an all unseren Gästen, ganz gleich ob Filmstars, Popstars, Bestsellerautoren oder Zirkusleute, meine Bilder zum Kauf anzubieten. Dafür schrieb ich eine Preisliste:

Kleine Zeichnungen: 2 Schweizer Franken

Mittelgroße Zeichnungen: 3 Schweizer Franken

Große Zeichnungen: 4 Schweizer Franken

Sehr große Zeichnungen: 5 Schweizer Franken

Da wir immer sehr viele Gäste hatten und meine Zeichnungen offenbar nicht so schlecht waren, füllte sich meine Sparbüchse schnell.

Als die Dreharbeiten zur Filmbiografie meines Großvaters begannen, ging das gesamte Filmteam in unserem Haus ein und aus. Die Schauspieler und der Regisseur Sir Richard Attenborough kamen fast täglich und aßen an unserem Esstisch, der ja ausreichend Platz bot. Ich war damals noch sehr jung und interessierte mich mehr für meine Ponys und die anderen Haustiere, für das Versteckspielen im Park und meine Spielsachen. Aber zwei Schauspieler sind mir dennoch besonders deutlich in Erinnerung geblieben. Der eine kam jeden Tag zum Abendessen. Ich dachte immer, dass er ein entfernter Verwandter von mir sei, da er Großvater ähnlich sah und auch alles über unsere Familie wusste. Er war immer sehr höflich und freundlich zu allen. Eines Abends nach dem Essen fragte ich ihn nach seinem Namen und er antwortete lächelnd: »Robert. Ich heiße Robert und wie heißt du?«

»Laura. Ich heiße Laura. Und wie genau bist du mit mir verwandt?«, fragte ich.

Robert blickte mich verdutzt an und begann zu lachen.

»Laura, es ist schön, dass du denkst, ich sei jemand aus dem Charlie-Chaplin-Clan! Das heißt, ich spiele meine Rolle nicht so schlecht!«

Nun sah ich ihn fragend an, und er erklärte:

»Ich darf deinen Großvater Charlie Chaplin im Film spielen und fühle mich auch wirklich schon wie er. Aber mein richtiger Name ist Robert, Robert Downey junior.«

Ich unterhielt mich also mit dem Hauptdarsteller des Films, der seine Rolle so gut spielte, dass er für den Oscar und für den Golden Globe nominiert wurde. Heute ist er einer der höchstbezahlten Hollywoodstars und einer meiner Lieblingsschauspieler.

Der Zweite, an den ich mich erinnere, war mir nicht von Anfang an so sympathisch. Im Gegenteil machte es mir richtig Angst, wenn er sich in unserem Haus befand. Schuld daran war meine ältere Schwester Kiera, die mir gerne Gruselgeschichten erzählte. So hatte sie mir eingeredet, dass es in unserem Haus spukte. Eine der ehemaligen Bewohnerinnen des Manoir de Ban hatte sich nämlich über das Treppengeländer gestürzt und dabei das Genick gebrochen. Seither, so meine Schwester, trieb diese ehemalige Bewohnerin in unserem Haus des Nachts ihr Unwesen. Jedes Knistern, Knacken, Ächzen, Schnarren und Knurren, das die Balken und Dielen nachts von sich gaben, riefen mein Bewusstsein für das Gespenst wach, sodass ich mich in manchen Nächten ängstlich unter der Bettdecke versteckte.

Ein besonders gefährlicher Platz war die Bibliothek meines Großvaters. Dort stand ein riesiger Schreibtisch mit zwei aus Holz geschnitzten Köpfen an beiden Enden. Kiera hatte erzählt, die beiden Köpfe würden in der Nacht lebendig, sich zu drehen beginnen und durch die Bibliothek fliegen. Wer immer allein in der Nacht die Bibliothek betrat, sei verloren, denn die beiden bösen Geister würden ihn ins Reich der Toten mitnehmen. So gern ich tagsüber einen Blick in die Bibliothek und auch auf die beiden Holzköpfe warf, versuchte ich in der Nacht möglichst nicht in deren Nähe zu kommen.

Meine Schwester hatte also leichtes Spiel mit mir, als Anthony Hopkins zu den Dreharbeiten kam. Sie flüsterte mir ins Ohr, dieser Mann, der lachend mit meinem Vater am Tisch saß, sei in Wirklichkeit nicht Anthony, sondern Hannibal Lecter und tue schreckliche Dinge.

Am Tag darauf musste ich ihr zuerst schwören, dass ich unser Geheimnis niemandem weitererzählen würde, und dann zeigte sie mir Videoausschnitte aus dem Film Das Schweigen der Lämmer. Immer wenn Anthony Hopkins zum Essen kam, versuchte ich seinem Blick auszuweichen. Je heiterer und liebenswürdiger er sich mit jemandem unterhielt, desto größer wurde meine Angst.

In meiner Phantasie sah ich, wie er sich beim Dessert plötzlich in Hannibal Lecter, das gefährlichste aller menschlichen Monster, verwandelte und ein Gemetzel im Haus anrichtete. In der Nacht schob ich einen Schreibtisch vor meine Schlafzimmertür und versteckte ein Messer und eine Schere unter meinem Bett, um mich im Fall des Falles zur Wehr setzen zu können. Ich musste meine Familie warnen, bevor er Schlimmes anrichten konnte, auch wenn ich Kiera geschworen hatte, dieses Geheimnis für mich zu behalten.