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Allgemeiner Hinweis:

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TIM JOST

Ballzauber in

TANSANIA

Mein Fußballabenteuer in der
Vodacom Premier League

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Ballzauber in Tansania

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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© 2019 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

image Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

ISBN 9783840313028

eISBN 9783840337000

E-Mail: verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

INHALT

Vorwort

Tansania im geografischen Überblick

Aufwärmprogramm

1Scherbenhaufen in Mwanza

2Fanta, Fisch und Feuerbohnen

3Doppelpass vor Krokodilen

4Ran an den Brei – Ugali für „umme“

5Wie bei Hempels unterm Sofa

6Konyagi für Miraculix

7Mund abwischen, weitermachen

8„Schmeiß den Trainer raus!“

9Fluggrätschen, Eisspray und latentes Motzen

10Marionetten in Daressalam

11Mein Herz spielt Sackhüpfen

12Die Schleichwege des Geldes

13Trump heißt der Köter

14Sprinten wie eine Hyäne

15Die Allüren des Magiers

16Wer Sex hat, muss rennen

17Zwischen Zuckerrohr und einem klapprigen Drahtesel

18Fiasko auf vier Rädern

19Ein schmieriges Manöver

20Auf Wiedersehen, Toto

Nach dem Abpfiff

Früher Toto, heute?

Ausblick

Der Autor

Danke!

Bildnachweis

VORWORT

Im Sommer 2016 habe ich das Abenteuer gewagt und bin nach Tansania ausgewandert. Fußballtrainer in einer fremden Welt! Nicht ein einziges Spiel habe ich vor der Abreise gesehen, keine Videos, keine Bilder, keine Eindrücke. Es ist ein Blind Date! Dabei spielt Toto African SC in der ersten Liga, der Vodacom Premier League, dem Aushängeschild des Tansanischen Fußballverbandes.

In der Saison 2016/2017 schickt kein Klub eine jüngere und unerfahrenere Truppe ins Rennen. Keinem Verein geht es finanziell schlechter. „Chaosklub“ raunt es durch die lebhaften Märkte in Mwanza, der bedeutenden Hafenstadt am Viktoriasee. Es ist eine Herkulesaufgabe. Wir wollen die Sensation schaffen und den Abstieg verhindern. Von all den Erfahrungen und den oft skurril anmutenden Erlebnissen will ich in diesem Buch erzählen.

TANSANIA IM GEOGRAFISCHEN ÜBERBLICK

Mwanza liegt im Norden Tansanias direkt am Viktoriasee. Im Osten erstreckt sich der weltberühmte Serengeti-Nationalpark. Die Entfernung zur Metropole Daressalam am Indischen Ozean beträgt 1.000 Kilometer Wegstrecke, was einer Fahrtdauer von zwanzig Stunden entspricht. Zum Auswärtsspiel gegen Ndanda F.C. muss Toto African sogar über 1.600 Kilometer mit dem Bus zurücklegen.

Vereine der Vodacom-Premier-League in der Übersicht:

Bukoba

Kagera Sugar

Mwanza

Toto African, Mbao F.C.

Shinyanga

Stand United, Mwadui F.C.

Turiani

Mtibwa Sugar

Daressalam

Young Africans (Yanga), Simba, Azam F.C., Ruvu Shooting, African Lyon, JKT Ruvu

Mbeya

Mbeya City, Tanzania Prisons

Songea

Maji Maji F.C.

Mtwara

Ndanda F.C.

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AUFWÄRMPROGRAMM

DIE KRAFT VON KNOBLAUCH

Die Straßen in Daressalam sind chronisch überlastet. Nur zentimeterweise kriechen die Lastwagen und Kleinbusse auf den verstopften Pisten der Wirtschaftsmetropole Tansanias. Ganz gleich, wie häufig die Fahrer hupen oder wie energisch sie die Faust aus dem Fenster strecken, an den Knotenpunkten gibt es für sie und die zahlreichen Taxen kein Durchkommen. Ständig schwirren Händler um die Autos und schwatzen dem wartenden Mann ihre Waren auf. Gewürze, Erdnüsse, Zeitungen und Zigaretten, die häufig einzeln angepriesen werden, sind laufend im Angebot. Einzig die Motorräder schlängeln sich zwischen den quengelnden Metallbüchsen hindurch. Auf Ampeln nehmen die meist jungen Fahrer so viel Rücksicht wie auf Fußgänger – nämlich gar keine. Verkehrsregeln taugen höchstens als Vorschlag. Es herrscht das Recht des Schnelleren.

Neben kleinen, unebenen Wegen aus Sand und Gestein verbinden Schweißer abgenutzte Fahrzeugteile miteinander. Geschäftsleute begutachten Gebrauchtwagen, die sie an Mittelsmänner verramschen können. Andere flicken Schuhwerk und die Nächsten kauern stundenlang vor ihren Nähmaschinen. Zwei Arbeiter, von denen der Schweiß in Bächen niederrinnt, lenken eine Handkarre voller Holzkohle über den von Schlaglöchern übersäten Asphalt. Körperliche Schwerstarbeit bei sengender Hitze! Das Atmen fällt schwer. Sportlich aktiv erwarte ich nur die Quecksilbersäule, die mit Leichtigkeit die 35°C-Markierung erklimmt.

An abgelegenen Stellen verbrennen Menschen Abfälle. Eine sanfte Brise trägt den Duftcocktail zu den maroden Brüstungen der Wohnhütten, die über quer verlaufende Stromkabel mit Elektrizität versorgt werden. Auf dem Bürgersteig lungert ein Mann in torfbraunem Pullunder und beobachtet das geschäftige Treiben. Er sieht, wie Mädchen in gepflegter Schuluniform sich die Haare flechten und Zehennägel lackieren, wie handgereinigte Wäsche auf gespannten Kunststoffleinen der Äquatorsonne trotzt und wie Verkäufer unter den Sonnenschirmen der führenden Mobilfunkanbieter verlotterte T-Shirts verhökern. Während der Mann den Blick hebt, durchsucht ein abgekauter Zahnstocher sein Mundwerk nach Essensresten. Die Schneidezähne fehlen, aber das hindert ihn nicht am Lachen. Und er lacht immer, wenn er mich sieht.

Massoud ist hierher gezogen. Der strukturschwachen Heimat entflohen, sucht er die Befreiung von Armut in der pulsierenden Großstadt. Damit ist er nicht alleine. Daressalam kratzt bereits jetzt an der Fünf-Millionen-Einwohner-Grenze und zählt zu den boomenden Städten auf dem Erdball. Viele Neuankömmlinge finden keine geregelte Arbeit oder eine anständige Bleibe und schlagen sich auf der Straße durch. Wie Massoud es macht, verheimlicht er. Rolle ich allerdings das Thema Fußball auf, droht seine Stimme vor Freude Purzelbäume zu schlagen. Marktwerte, Transfergerüchte und Abschlusstabellen – er hat alles in petto! Die Premier League läuft in Dauerschleife.

Wir verständigen uns über Gesten und Grimassen, da ich zu diesem Zeitpunkt noch Schwierigkeiten habe, die Landessprache Swahili von den Lauten eines Dieselmotors zu unterscheiden. Massoud schert sich keinen Deut darum. Er schäumt vor Lust, mit einem Mzungu, einem weißen Mann, über die schönste Nebensache der Welt zu fachsimpeln. Überschwänglich zeigt er mir die „Hacke, Spitze, eins, zwei, drei“-Philosophie. Seine langen Stelzen wirbeln über das staubige, öde Parkett, und ehe ich mich versehe, setzt er zu extravaganten Jubelposen an. Die Kinder am Obststand kichern. Ich lache aus vollem Halse über seinen filigranen Auftritt. Im Scherz biete ich ihm die Position des Stoßstürmers in unserem Team von Toto African an. Das Trikot mit der Nummer 9 ist frei und Schuhe lassen sich schnell auftreiben. Als Trainer des Erstligisten kann ich einen treffsicheren Schützen stets gebrauchen.

Akuter Nachholbedarf besteht nur konditionell, denn Massoud kopiert die Belastungsatmung eines Hundes. Bereits nach wenigen Aktionen reguliert er seine Körpertemperatur über die Zunge. „Ist das die Wiedergeburt von Cottbus-Legende Marko Topic?“, geistert es mir durch den Kopf. Vertrag oder Sauerstoffzelt? Der schnaubende Kicker wählt Antwort B und schiebt dem Gang auf die große Fußballbühne damit selbst einen Riegel vor. Unterstützen wird Massoud uns heute als Fan vor dem Fernseher. Im Saisonfinale der Hinrunde bittet der aktuelle Tabellenführer Simba zum heißen Tanz. Salsa gegen Foxtrott! Die Buchmacher in den Wettbüros beziffern unsere Siegchancen um den Gefrierpunkt herum, also knapp über null. Niemand setzt einen Schilling auf uns.

Der Vereinsbus steht abfahrbereit im Innenhof unseres Quartiers. Wir warten auf Abwehrchef Mlipili, der gemütlich in Flipflops über die Schotterpiste zum Kiosk bummelt. Die knallfarbenen Fußballtreter hat er über die Schnürsenkel miteinander verknotet und auf dem Nacken platziert. Sie baumeln zu beiden Seiten des gelb-grünen Vereinswappens am Aufwärmtrikot. Handtuch und Kernseife verwaisen derweil im Zimmer der Unterkunft. Im Stadion gibt es keine Duschen, wo die Spieler sich waschen könnten.

Ich bin nervös, meine Hände schwitzen. Haben wir eine Chance gegen den Ligaprimus? Wenige Minuten nach der vereinbarten Startzeitfahren wir los – pünktlich im tansanischen Sinne. Die Menschen bewegen sich aus dem kühlen Schatten, um uns von der Straße aus zuzuwinken. Wie aufputschend! Dabei halten sie uns für die Falschen. Totos Gefährt ist gemietet und mit dem unübersehbar großen Vereinsemblem eines Ligakonkurrenten verziert. Wir reisen unter falscher Flagge und bluffen den Gegner. Yanga statt Toto. Das ist so, als ob der SC Freiburg im schwarzgelben Bus der Dortmunder in die Münchner Allianz Arena einfährt. Ein Kuriosum par excellence. Aber wer knapp bei Kasse ist, wählt eben die billigste Variante.

Neben dem Busfahrer hockt ein rundlicher Mann, der in seinem bis zum Bauchnabel gespannten Trikot einen ulkigen Eindruck auf mich macht. Sein kahler Kopf sitzt auf einem fleischigen Hals. Seine Stimme röhrt wie die eines Hirsches. Mayilizu ist Vollblutfan und bei jeder Auswärtsfahrt mit an Bord. Toto regiert sein Leben, für den Verein opfert er alles. Leert sich das Konto, treibt er Geld auf. Gibt es Reibereien im Vorstand, besänftigt er die Gemüter. Stockt der Verkehr, schwingt er seine Gliedmaßen auf die Straße und schafft eine Gasse zur Durchfahrt. Polizeieskorte im Autodschungel? Mayilizu kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Ein blasierter Lebemann ist er, ständig hektisch, ständig am Schwafeln. Ein Mensch, der die Rubrik Hobby in seinem Facebook®-Profil mit Bier, Fleisch und Frauen ausschmückt.

Auf der ausgefransten Sitzschale neben mir schlummert Torwarttrainer Juma. Hat er ein Mentalitätsproblem? Der ehemalige Ballfänger der tansanischen Nationalmannschaft döst vor sich hin, während lauter Hip-Hop meinen Hirnschmalz betört. Die Vorfreude auf den Höhepunkt der Hinrunde elektrisiert mich wie ein Stromnetzwerk. Emotionswellen durchfluten mich beim Anblick der zahlreichen Fans. Wir müssen das Mirakel vollbringen. Wir müssen am Wunder kratzen und wenigstens einen Punkt gegen Simba ergattern. Mayilizu streckt die Faust in die Luft und schwenkt eine Fahne von Toto aus dem Fenster. Die gegnerische Anhängerschaft keift.

In einiger Ferne zeichnet sich die Silhouette des Benjamin-Mkapa-Nationalstadions ab. Die 2007 fertiggestellte Arena ist mit ihrer modernen Außenfassade ein echter Hingucker und gehört mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Zuschauern zu den größten Stadien Afrikas. Leider fehlt es Toto am nötigen Prestige, um das Prunkstück zu füllen. Der nationale Fußballverband TFF hat somit das direkt angrenzende Uhuru-Stadion als Spielstätte auserkoren: einen halbmondförmigen Tempel mit Kunstrasen und überdachter Haupttribüne. 25.000 Zuschauer finden Platz. „Ausgezeichnet“, scheint mir das über beide Ohren grinsende Gesicht unseres Kapitäns Omega sagen zu wollen. Endlich mal keine Buckelpiste, wo der Ball wie ein Flummi hin- und herspringt.

Immer wieder spiele ich das bevorstehende Aufeinandertreffen in meinen Gedanken durch. Ich sehe uns mit Mann und Maus am eigenen Strafraum verteidigen, blitzartig kontern, überfallartig schießen. Wir wollen Nadelstiche setzen, haben uns vollen Einsatz geschworen. Gegen Simba fliegen die Fetzen! Plötzlich werde ich herausgerissen aus meiner mentalen Vorbereitung, Sitznachbar Juma hämmert sich mit der nackten Faust an seine Stirn. Bestraft er sich für das kurze Nickerchen? Ich stelle mir ihn als die Vaterfigur von Dobby vor, Harry Potters dürrem Hauself. Das Verhalten ist deckungsgleich. Schön, dass Juma jetzt wach ist.

Als der Bus am Stadiontor eintrifft, werden wir von einer Menschentraube aus lautstarken Simba-Anhängern umrundet. Einige trommeln an die Busverkleidung, andere blasen enthusiastisch in ihre bunten Plastiktröten. Der private Sportsender AzamTV schwenkt die Kameras auf uns, als wir in einem Meer aus rot-weiß gestreiften Schals und Trikots parken. Absperrgitter oder kräftiges Begleitpersonal zu unserem Schutz werden nicht benötigt. Die Fans verhalten sich friedlich. Sie freuen sich einfach unermesslich auf ein Fußballspektakel ihrer Lieblingself. Von den Stadiontoren aus späht ein Dutzend Journalisten hinüber und kritzelt ihre Beobachtungen auf Notizblöcke. Zwei Reporter stürzen sich gar ins Getümmel und stellen damit ihre Simba-Zugehörigkeit öffentlich zur Schau.

Ich fiebere dem Anpfiff entgegen. Beim Blick auf die Armbanduhr schießt mein Puls jedoch in astronomische Gefilde. Wir haben uns massiv verspätet und der Zeiger dreht sich ohne Gnade. Wie konnte das passieren? Das Blut in meinen Adern gefriert. In der Kürze liegt die Würze, das wird der Leitspruch meiner Ansprache sein. Die Aussicht auf ein katastrophal kurzes Aufwärmen beunruhigt mich. Die drohende Geldstrafe beim Verband paralysiert meine Sinne. Wie soll unser krisengebeutelter Klub einen saftigen Batzen Scheine ranschaffen, wenn nicht einmal die eigenen Spieler bezahlt werden können? Die Ungewissheit treibt mir Schweißperlen auf die Stirn. Im Gegensatz zu meinen tansanischen Leidensgenossen krampfe ich. Ihnen merke ich keine Spur von Sorge an.

Der Busfahrer singt die letzte Strophe seines musikalischen Leckerbissens mit und regelt die Lautstärke erst nach mehrmaliger Aufforderung auf ein erträgliches Maß. Ersatztorhüter Kisu spielt mit einem dünnen Kamm, den er versucht, im Kinnbart zu verstecken, und Doktor durchsucht den eingedellten Medizinkoffer nach Massageöl, in der stillen Hoffnung, das Pflegeprodukt nicht in seinem Schlafgemach vergessen zu haben. Sogar der Kassenwart lässt den Stress an sich abperlen, als hätte ein buddhistischer Mönch ihn ausgebildet.

Ich atme auf, als Waziri die Stimme erhebt. Unser Sturmjuwel trägt ein Gebet auf arabisch vor. Er bedankt sich bei Allah für die sichere Fahrt und bittet ihn, unser Team von schwerwiegenden Verletzungen zu verschonen. Seine Augen sind geschlossen, seine Hände gefaltet. Während er spricht, murmeln die anderen. Ich senke indes den Blick zu Boden und schweige. Das Ritual schenkt Kraft, ganz gleichgültig, welcher Religion man angehört. Es verbindet, es hält uns zusammen.

Ich hüpfe zuerst auf den geteerten Abstellplatz und werde von einem Mann in zu großem Anzug in Empfang genommen. Ein fester Händedruck, eine kurze Nettigkeit, dann führt er unsere Mannschaft zum Nebeneingang des Stadions und über den Presseraum hin zu den Umkleidekabinen des Auswärtsteams. Und was dort auf uns wartet, legt für den Bruchteil einer Sekunde meine Zunge lahm. Pupillenstarre und ausgedörrte Nasenschleimhäute inklusive! Knoblauch und ein undefinierbares Pulver beschichten die Eckpunkte des gefliesten Bodens. Ein scheußlicher Duft von Verwesung durchzieht den Raum. Vor der Eingangstür ist eine Flüssigkeit ausgekippt. Niemand weiß, was es ist, aber es stinkt bestialisch.

Ich bin perplex. Was soll das sein? Will man uns vergiften? Morgens auf der Pre-Match-Konferenz haben die Verantwortlichen von Fairplay geredet und nun haben wir den Salat. Abgeschreckt vom Geruch, strömen unsere Spieler zurück in den Innenbereich des Stadions. Sie schimpfen, Juma flucht. Im wilden Durcheinander findet nur Medienguru Cuthbert die Ruhe, um mich in die Künste der schwarzen Magie einzuweihen: „Knoblauch ist ein vergleichsweise harmloser Ritus. Es macht die Beine schwach. Kombiniert man die Pflanze allerdings mit lokaler Medizin, raubt das den Spielern jegliche Energiereserven. Sie spielen wie Halbtote.“

Unsere Vereinsbosse lassen den Spielbeauftragten rufen und ihn die Kabine inspizieren. Der Mann schweigt, obwohl er auf den ersten Blick erahnt, dass Hexenmeister am Werk waren. Laut Regelwerk belegt der Verband die magischen Handlungen mit einer Geldstrafe – aus unerfindlichen Gründen heute nicht. Torwarttrainer Juma köchelt vor Wut und will den Offiziellen am liebsten an den Boden nageln. Der Glaube an die Wirkung magischer Mittel ist unumstößlich. Die Spieler fürchten sich vor dem lähmenden Parfüm.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als den schmalen Flur zum Umkleiden zu nutzen. Dort überprüft das Schiedsrichtergespann das Schuhwerk, die Trikotnummer und die Identität jedes Spielers über eine sogenannte Player Card. Alles verläuft reibungslos, nur Angreifer Kimanzi wird gebeten, seine überstehenden Fingernägel auf Minimallänge zu feilen. Die anschließende Teambesprechung ist aufgrund der räumlichen Gegebenheiten so publik, dass ich sie ebenso gut auf die Stadionleinwand übertragen könnte. Fast jeder kann meinen Worten lauschen. Vor dem Aufwärmen cremt Bea die Waden und Füße der Stammspieler noch mit einer pastellfarbenen Salbe ein. So versucht Totos Magier, den Simba-Kabinenzauber zu brechen.

„Das Mittel verleiht unseren Schützlingen einen Schuss wie aus der Pistole“, lässt Cuthbert mich hinter vorgehaltener Hand wissen. Seine Augen glänzen. „Du wirst es den Spielern gleich ansehen.“ Alles geschieht heimlich und mit größter Eile. Niemand kennt die Zutaten, aber fast jeder glaubt an ihre Effekte. Willkommen in Tansania, willkommen in einer anderen, faszinierenden Welt!

Kapitel 1

SCHERBENHAUFEN IN MWANZA

Es ist kalt in Köln, der Winter ist längst eingezogen. Vorbei ist es mit den traumhaften Sommerabenden am Rheinufer, am nördlichen Teilbecken des Fühlinger Sees oder in den Biergärten, die im Schatten des Doms zum Verweilen einladen. Nun hocke ich zu später Stunde in den eigenen vier Wänden und bügele Hemden vor der Flimmerkiste. Es ist ein Trauerspiel. Selbst der maßlose Verzehr von Tafelschokolade vermag die Trübseligkeit nicht zu vertreiben, und auch das ledrige Stück Steak aus der Mikrowelle fördert mehr Lethargie als Schöpferkraft.

Was mich auf Betriebstemperatur bringt, ist ein Joghurt-Maracuja, und zwar aus einem ganz bizarren Grund. Das Haltbarkeitsdatum überschreitet den Abgabetermin meiner Bachelorarbeit. Zeitdruck katapultiert sich in mein Bewusstsein. Um die Studie sauber über die Bühne zu bringen, muss ich störende Gewohnheiten endlich ad acta legen. So greife ich zur instrumentalisierten Feder, meiner externen Laptoptastatur, und spiele auf der Klaviatur des Grauens. Der Griff zum Kölsch hätte mir die Sorgen sicher erspart.

Die Literaturrecherche ist zerstreut genug, um eine spannende Annonce zur Fußballentwicklungshilfe auf dem Desktop meines Laptops aufpoppen zu lassen. Ein junges Team aus Trainern und Sozialarbeitern engagiert sich ehrenamtlich in Tansania und treibt Projekte mit Herzblut nach vorne. Vereinsstrukturen werden aufgepäppelt, Sportstätten aus dem Boden gestampft und die Trainer vor Ort nachhaltig ausgebildet. Wer sich für Sport begeistert und das Herz am rechten Fleck hat, ist willkommen. Jackpot! Die Pumpe ist intakt und die Bewerbung noch am selben Tag verschickt, zur Sports Charity in Mwanza. Tansania kann ich grob verorten, aber bei der Stadt Mwanza wird es holprig. Der Fußball lehrt Geografie und wer international Lehrgeld zahlt, blinkt auf meinem Radar nicht auf. Wie denn auch? Als Nummer 137 der FIFA-Weltrangliste befindet Tansania sich im Niemandsland. Umrahmt von Underdogs wie Turkmenistan, aktuell Nummer 136, und Ruanda und Myanmar.

Wenige Monate später scanne ich mein Flugticket am Düsseldorfer Flughafen ein und hebe in Richtung des Schwarzen Erdteils ab. Seriöse Reiseführer versprechen eines der aufregendsten und landschaftlich beeindruckendsten Länder Afrikas. Jährlich werden Scharen von Touristen durch den atemberaubenden Serengeti-Nationalpark, die weißen Traumstrände auf Sansibar oder den schneebedeckten Kilimandscharo angelockt.

Mich ködert König Fußball. Die Vodacom Premier League. Der Verein Toto African. Nun also Profigekicke statt Entwicklungshilfe? Die Herausforderung ist weit mehr als ein Abenteuer. Der Gründer der Sports Charity ist vor Ort bestens vernetzt und kooperiert in der kommenden Saison mit dem lokalen Erstligisten. Jürgen wird bei Toto African großen Einfluss auf Spielertransfers, die Buchhaltung und die allgemeine Ausrichtung des Vereins nehmen. Die Verantwortlichen im Klub schätzen seine Arbeit und erhoffen sich, durch ihn endlich Strukturen zu festigen, die organisatorische Amokläufe verhindern. Aktuell sucht Toto einen Co-Trainer.

Ich hebe die Hand und knüpfe Kontakt zu Jürgen. Wir verstehen uns prächtig. Einen Vertrag habe ich nie unterschrieben, die mündliche Zusage langt. Keine Bürokratie, ab jetzt arbeite ich bei einem Verein, den ich nicht kenne und in einer Welt, von der ich keinen blassen Schimmer habe.

Der Flughafen in Mwanza ist winzig. Es werden ausschließlich Inlandsflüge mit kleinen Maschinen gestartet, die selten ausgebucht sind. Für die Gepäckausgabe genügt ein einziges rotierendes Band. Kein Vergleich zu den schmucken Landeplätzen europäischer Großstädte! Ein Flughafenmitarbeiter in leuchtend gelber Warnweste nimmt mir den Koffer und die Reisetasche ab, packt das Equipment auf einen umfunktionierten Einkaufswagen und manövriert das Gefährt an den Wartenden vorbei in den offenen Außenbereich des Flughafens. Die Aufrufe zum Anhalten überhörend, fordert er nach nur wenigen Metern Fahrt eine monetäre Entlohnung. Dabei habe ich noch nicht einmal Gelegenheit gehabt, tansanische Schilling aufzutreiben.

Entspannter scheint der alte Taxifahrer zu sein, der seinen Mercedes an der Straßenkurve vor den Parkplätzen abstellt und ihn mit laufendem Motor für startbereit erklärt. Die gepolsterten Sitze lassen über den nur halb verschließbaren Kofferraum hinwegsehen. Ich nehme auf der Rückbank Platz. Ein angenehm lauer Windhauch streift fortan meinen Nacken und durch das offene Fenster dringt feiner Staub in den Innenraum. Wir fahren an einfachen Backsteinläden und Holzhütten vorbei.

Trotz Einbruchs der Dunkelheit kann ich riesige Felsen erkennen, die scharfkantig aus der Erde hervorragen. Sie verleihen der „Rock City“ ein einzigartiges Profil. Doch das Augenscheinlichste sind die Menschen, die auf beiden Seiten des Weges in die eine oder in die andere Richtung schlendern. Die Frauen balancieren Plastikkanister und tönerne Krüge auf dem Kopf. Dabei werden sie von Kindern umringt, die ungeduldig an ihren Kleiderzipfeln zurren. Die Männer, einige diskutierend, andere schweigend, gehen langsamen Schrittes nebeneinander her oder ruhen sich auf der Kaimauer der Abwasserkanäle aus. Friedlich ist es hier, im Stadtteil Ilogonzala. Schließlich halten wir vor einem unscheinbaren, aber umzäunten Gebäude mit Flachdach inmitten einer ärmlichen Wohngegend. Es ist das Haus der Charity und meine Bleibe für das nächste Jahr.

Zwei schüchterne Sicherheitsleute öffnen die Tore und gewähren Eintritt. „Protected by Gorilla Security“ prangt auf der Brusttasche ihrer blauen Arbeitskleidung. Das klingt mächtig. Ein appetitlicher Duft von Gegrilltem hängt schon in der Luft, bevor ich das Haus überhaupt betrete. Die derzeit fünf Freiwilligen der Charity schnippeln Gurken und Paprika in Scheiben, raspeln Käse zu dünnen Streifen und braten Zwiebeln in einem mattsilbernen Henkeltopf. Was für ein grandioser Empfang! Ich fühle mich wohl und auch die sechs weiteren Neuankömmlinge des heutigen Abends scheinen von den Eindrücken überwältigt zu sein.

Mit Jürgen teile ich mir ein Zimmer. An der Tür klebt ein Schild mit der Mission, die uns in den nächsten Monaten antreiben wird: Toto African. Zwei robuste Stockbetten aus dunklem Massivholz, ein wackliger Nachttisch und zwei Kleiderschränke bieten ausreichend Wohnkomfort. Der Raum hat sogar den Luxus eines integrierten Badezimmers. Ich strahle vor Freude. Nichts sehne ich nach den Reisestrapazen mehr herbei als eine erfrischende Dusche. Entgegen meiner Erwartung fließt warmes Wasser aus der Leitung. Ich drehe am Regler. Mein Gott, ist das heiß! Bei den hohen Temperaturen liebe ich die kalten Tropfen aus der Brause.

Da es im ganzen Haus noch glühend heiß ist und die Luft nur schwach zirkuliert, schlüpfe ich in kurze Shorts, streife mir ein T-Shirt über und tapse barfuß zur kleinen Gemeinschaftsküche, die mit einem Backofen und einem vierflammigen Gasherd eingerichtet ist. Während Dudley das Festmahl mit kräftigen Gewürzen ergänzt, muntert er mich auf, die frischen Pili-Pili-Schoten zu probieren. Sein Grinsen macht skeptisch, die knallrote Farbe des Chilis lässt Böses erahnen.

Nur wenige Augenblicke später sehe ich eine dieser Bomben in seinem Hals verschwinden und lasse mich nicht zweimal bitten, es ihm gleichzutun. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich meinen tiefroten Gesichtsanstrich wieder von dem Aufdruck eines Ferrari-Handtuchs unterscheiden kann. Die kalte Milch aus dem Kühlschrank ist als einziges Produkt in der Lage, die Wirkung des Gewürzes zu lindern. Mein Mund ist betäubt. Meine Zunge brutzelt. Noch nie habe ich so etwas Scharfes gegessen. Selbst das anschließende Chapati-Fladenbrot mit Mais, Fleisch und Bohnen hat einen brennenden Nachgeschmack. Es ist ein wackeliger Start in die Esskultur Tansanias.

Anschließend gehen wir in die Bar des benachbarten Pretoria Hotels und schauen auf einem Flachbildschirm ein Wiederholungsspiel der englischen Premier League. Der Wirt trägt ein gelbes Oberteil mit der Aufschrift: „Kilimanjaro – if you can’t climb it.. drink it!“ Kurze Zeit später steht das lauwarme Bier auf dem Tisch. Wenigstens ein gelungener Start in die Trinkkultur Tansanias. Ein fröhliches „Cheers“ ertönt und die Flaschen klirren. Von nun an wird auf Englisch zugeprostet.

Als ich nachts todmüde ins Bett falle, kreisen meine Gedanken um die Aufgaben der nächsten Tage. Wie wird mich der Verein Toto African aufnehmen? Wie passe ich mich der fremden Kultur an? Eine lange Eingewöhnung gibt es nicht, denn das erste Treffen mit dem Vereinsvorstand soll bereits am Nachmittag des kommenden Tages stattfinden. Kaderplanung und Saisongestaltung stehen auf der Agenda. Die Aufregung steigt.

Fast vergesse ich, das feinmaschige Moskitonetz über das Holzgestell zu spannen und unter die Matratzenenden zu stopfen. Das ist ein notwendiger Schutz in der Hafenstadt, die aufgrund des tropischen Klimas als Risikogebiet für Malariaerkrankungen gilt. Da sich die Insekten an stehenden Gewässern besonders wohlfühlen, wird auch das Einsprühen unbedeckter Körperstellen mit einem Moskitospray zu einem täglichen Ritual. Einige Freiwillige nehmen Malariatabletten ein. Auf diese prophylaktische Maßnahme verzichte ich.

Noch bevor der Hahn am Morgen kräht, dringen tiefe Stimmen ins Haus. Es sind Schlachtrufe, die mich aufwecken. Das Militär leitet seine stundenlangen Märsche an unseren Eingangstoren vorbei. Um vier Uhr in der Früh. Völlig gerädert, taumele ich aus dem Bett und lausche dem in der Ferne verebbenden Singsang der Soldaten. So lassen sich die Strapazen meiner Anreise nicht verdauen. Zum Frühstück kaufe ich knusprige Mandazi am Kiosk. Aufgepeppt mit Ingwertee und frischer Ananas, bildet das Süßgebäck eine reichhaltige Mahlzeit. Mir schmeckt das Essen.

Auf der Holzbank neben mir sitzt Kiba und knabbert an einem labbrigen Weizentoast, den er dick mit Erdnussbutter beschmiert hat. Unser tansanischer Mitbewohner und ich verstehen uns auf Anhieb blendend. Er ist eine ständig lachende Frohnatur, kümmert sich um den Garten und hält unser Haus in Schuss. Für den Vormittag hat er prompt ein Freundschaftsspiel im Kirumba-Stadion organisiert, dem Stadion, wo auch Toto African seine Ligaspiele bestreitet. Das Freiwilligenteam der Sports Charity soll sich gegen ein Team aus der Nachbarschaft beweisen. Kiba tauft seine Mannschaft mit dem Namen Nationalteam. Uns bezeichnet er als Wazungu-Team, die Mannschaft der weißen Männer.

An der Haltestelle Ilogonzala zwängen wir uns in mehrere der voll besetzten Daladala-Kleinbusse und fahren in Richtung Stadtzentrum. Die mit bunten Stickern aus der Fußball- und Musikbranche beklebten Fahrzeuge dienen als Hauptfortbewegungsmittel und sind zu Stoßzeiten zum Bersten gefüllt. Eine Tatsache, die den „Schaffner“ nicht daran hindert, weitere Passagiere herbeizurufen und in den Innenraum zu pressen. Wer sensibel auf Gerüche reagiert, ist fehl am Platz. Wer Enge fürchtet, ebenso. Berührungsängste gibt es nicht.

Das mehrmalige Klopfen mit einer Münze an die Außenfassade der Schiebetür signalisiert dem Fahrer zu halten oder anzufahren. Heute trägt der Chauffeur, aus welchen Gründen auch immer, ein pinkes Hasenkostüm. Die Farbe steht ihm. Galant bedient er das Steuer mit dem Zeigefinger, gewaltvoll prügelt er den Schaltknüppel in die folgenden Positionen. Wie eine Metallratsche hört es sich an, wenn er den Gang wechselt. Umso geschickter von ihm ist es, ein Lied anzustimmen, das die Frauen auf der letzten Sitzreihe im Takt der Musik wippen lässt. Die lärmenden Geräusche wetteifern um Aufmerksamkeit. Der Schaltknüppel gewinnt.

Ich stehe gebückt, um mich nicht an der tiefen Decke zu stoßen, und drehe meinen Körper zur Seite, um einer weiteren Gefahrenquelle zu entgehen. Der Mann hinter mir hat die Füße eines Huhns zusammengeknotet und das gackernde Prachtgeschöpf in eine Plastiktüte gesteckt. Einzig der Kopf lugt hervor. Die Augen sind so gezielt auf mich gerichtet, dass sie zu erstarren drohen. „Vermutlich haben sie noch nie einen weißen Mann gesehen“, rauscht es mir durch den Kopf. Die Mitfahrer grinsen und können meine Verwunderung über den Tiertransport kaum begreifen. Das Münzengerassel des Schaffners unmittelbar vor meinen Augen schreckt mich dann auf und erinnert an die noch ausstehende Zahlung für die Fahrt. Stets sind 400,–Schilling (14 Cent) zu begleichen, ganz gleich, wo ich in der Stadt aussteige. Es ist die mit Abstand kostengünstigste Art der Fortbewegung.

Das Stadion ist kaum als solches zu erkennen. Graue, verwahrloste Betonwände aus einer anderen Zeit beherbergen an der Außenseite kleine Geschäftsstellen des Automobilmetiers, eine Werkstatt und einen in die Jahre gekommenen Fitnesstempel. Über das leicht versteckte Eingangstor gelangen wir in den weitläufigen Innenbereich des Stadions und haben direkten Blick auf die Spielfläche, die von einer Laufbahn aus Schotter umgeben ist. Selbst Fahrzeuge werden hier abgestellt, da ein Außenparkplatz schlicht und einfach nicht existiert. Ich lasse mich vom Charme ergreifen, den das Stadion versprüht. 30.000 Zuschauer passen rein. Auf betonierten Stufen können die Fans ihr Team im Sitzen und im Stehen anfeuern. Plastikschalen suche ich vergebens und der Spielstand wird auf einer manuellen Anzeigetafel präsentiert. Ein Traum für jeden Fußballromantiker, der die Hochglanzpaläste moderner Plastikvereine satthat.

Hier wird kein „Soja-Latte-Macchiato“ mit Stevia serviert, hier kommen Fans statt Kunden. Die mit Wellblech überdachte Tribüne ist mit drei tansanischen Nationalflaggen und den Porträts von Julius Nyerere und John Magufuli dekoriert, dem ersten und dem aktuellen Präsidenten des Landes. Die Rasenfläche verläuft uneben und ist von verhältnismäßig hohem Gras bewuchert. Das Benzin für den Handrasenmäher ist zu teuer, um regelmäßig zu mähen. Trotzdem gehört der Acker zu den besten des Landes, erzählt Kiba mir. Ich scheitere derweil schon an simplen Querpässen.

Das Aufwärmen läuft gemeinsam ab. Haji, der Kapitän des Nationalteams, übernimmt die Initiative und macht Übungen vor, die mehr Tanz als Lauf entsprechen. Koordination ist gefragt. Die Einheimischen bewegen sich im Rhythmus und schwingen sauber die Hüften. Das Wazungu-Team müht sich im Nacheifern, muss aber mit Abzügen in der B-Note rechnen. Ich muss meine Knochen entknoten, um später wieder laufen zu können. Die Bewegungen sind anspruchsvoll, sie fordern meine volle Konzentration. Der Gegensatz zum starren Lauf-ABC der alten Trainerschule kann größer nicht sein, wo die Spieler sich am liebsten hinter der Sponsorenbande verstecken, um der Anstrengung ohne Ball zu entgehen.

Ganz verdutzt schaut der Gegner, als ein Großteil unserer Spieler sich vor dem Anpfiff mit Sonnenschutz eincremt. Ist das Doping aus Europa? Dem Ergebnis nach zu urteilen: ja. Wir gewinnen das Aufeinandertreffen trotz kurioser Umstände mit 3:1. Der noch junge Schiedsrichter ist vor Spielbeginn mit einer Banane und einem winzigen Geldbetrag bestochen worden. Daraufhin hat er zwei glasklare Tore unserer Mannschaft zurückgepfiffen. Auch sonst leistete der Referee sich haarsträubende Entscheidungen zugunsten des Nationalteams. Erst nach dem Schlusspfiff der schweißtreibenden Partie verrät Kiba mir das Geheimnis. Sie wollten die Neuen unbedingt bezwingen, gesteht er mit einem Lachen auf den Lippen.

Am Nachmittag beginnt für Jürgen und mich offiziell der Job bei Toto African. Wir treffen uns mit der Vereinsführung im zentrumsnahen Lake Hotel. So lautet jedenfalls der Plan. Nach zwei Cola-Kaltgetränken, die mindestens doppelt so süß schmecken wie in Deutschland, und geschlagenen 30 Minuten sehen wir ein, dass der Sekretär und der Bilanzbuchhalter heute unsere einzigen Gesprächspartner bleiben. Zwei sympathische Angestellte, die sich auf die kommende Spielzeit freuen, bisher aber keine gezielten Angaben zum Mannschaftskader machen können. Wie groß der Saisonetat ist, wissen sie nicht. Den finanziellen Status von Toto kennen sie nicht. Angeblich hat der tansanische Fußballverband den Spielplan auch noch gar nicht terminiert. Ungefähr in fünf Wochen beginne die Saison, nimmt der Sekretär an. Wie auch immer: Es ist eine verdammt kurze Zeit, um einem Chaosverein Leben einzuhauchen.

Ein wenig Licht ins Dunkel bringt Kenneth, der eine Stunde später zu unserer Gruppe stößt. Der pensionierte Doktor trägt eine übergroße Sonnenbrille, kaut unentwegt auf einem Kaugummi und weiht uns in einwandfreiem Englisch in die Tücken und Gefahren des ostafrikanischen Fußballs ein. Zum Beispiel, dass langfristige Verträge Seltenheitswert haben. Die Vereine schließen üblicherweise nur Ein-Jahres-Kontrakte ab, um bei schwankendem Erfolg keine langfristigen Bindungen eingegangen zu sein. Die Spieler stehen jedes Jahr vor derselben Herausforderung, einen zahlungskräftigen Arbeitgeber zu finden. Von Planungssicherheit kann ich mich verabschieden.

Toto stehe laut Kenneth ein Totalumbruch bevor. So ziemlich jeder Stammspieler des letzten Jahres sei bereits von anderen Vereinen abgeworben worden oder befasse sich ernsthaft mit einem Wechsel. Die Hauptschuld sieht er im Vereinsvorstand, der es Jahr für Jahr vermassele, die Politik aus dem Spiel zu halten und organisiert aufzutreten. „Einige Mitglieder haben sich wie im Supermarkt bedient“, scherzt er. Seine schneidigen Sprüche gefallen mir. Im Endeffekt verwundert es mich nicht, dass Toto noch etliche Monatsgehälter und Handgelder begleichen muss. Die Spieler und der Trainerstab fordern das Geld und suchen dann umgehend das Weite. Niemand will sich nach den unzähligen Vertrauensbrüchen mehr mit leeren Versprechen seitens des Vereins abspeisen lassen. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen.

Jürgen hat mich zuvor auf wirre Zustände eingestellt, aber das übertrifft natürlich meine Vorstellungskraft. Als Erstligist sollte Toto doch in der Lage sein, wenigstens eine Mannschaft präsentieren zu können, dachte ich. Nur ist genau das unser aktuelles Problem. Wir haben kein Gerüst, wir müssen das Team erst maßschneidern. „It‘s Tanzania“, erinnert Jürgen mich nicht nureinmal.

Ein Glück, dass das Transferfenster noch offen ist. Wie lange, kann niemand sagen. „Wir haben Zeit“, raunt der Sekretär. „Der Verband hat es nicht eilig. Letzte Saison gab es ohne Nennung von Gründen zwei Wochen obendrauf.“ Langfristiges Erfolgsdenken sieht anders aus. Häufig nimmt der endgültige Kader erst am letzten Tag konkrete Strukturen an oder der Verein kauft direkt zu Beginn blindwütig ein. Beide Szenarien wollen wir vermeiden. Gezielte, nachhaltige Transfers bleiben dennoch eine Wunschvorstellung.

Für die kommende Woche hat Toto ein Casting von Spielern organisiert. Über Lautsprechanlagen auf umherfahrenden Lastkraftwagen werden die Fußballer der Stadt Mwanza aufgerufen, am Selektionstraining teilzunehmen. Die Strategie ist simpel. Auch die zahlreichen Lokalblätter und Radiosender machen das Probetraining publik. Vorspielen zu dürfen bei einem Erstligisten. Wer würde die Gelegenheit nicht beim Schopfe packen? „Mit wie vielen Spielern können wir rechnen?“, frage ich Kenneth, der die Arme ausstreckt und prustet. „Mit vielen, Teacher, mit vielen. Aus dem ganzen Land werden Leute anreisen, um Proben ihres Könnens abzuliefern.“ Scouting auf Tansanisch!

Kapitel 2

FANTA, FISCH UND FEUERBOHNEN

„In der Vergangenheit wurde dreckig gespielt. Dass nicht zwangsläufig die Besten einen Vertrag vorgesetzt bekamen, sondern die, die eine Lobby im Verein hatten. Die, die über Bekannte den Sprung in die Mannschaft schafften oder diejenigen, die den Vereinsvorstand und den Trainer bestachen. Schmiergelder und Korruption wird es in dieser Spielzeit nicht mehr geben. Wir verpflichten gute Spieler für kleines Geld.“ Cheftrainer Rogasian Kaijage ist ein Mann der klaren Worte. Einer, der dazwischenhaut, wenn es sein muss.

„Beim Spielercasting müssen wir höllisch aufpassen, dass wir die Oberhand behalten. Der Vorstand wird hartnäckig sein und Fans werden versuchen, ihre Lieblinge im Kader zu platzieren. Jeder hat seine eigenen Favoriten. Keine Beeinflussung von außen“, warnt mich unser Coach und löffelt eine Fischsuppe aus. Es ist seine Leibspeise, die er trotz zahlreicher Gräten verschlingt. „Nimm unbedingt den vorderen Fischteil mit Kopf und verschwende dein Geld nicht für den hinteren Teil mit Flosse“, schärft er mir ein. „Ein Fisch ist ein cleveres Tier.“ Intelligenzübertragung durch Verzehr von Intelligenz – interessanter Gedanke. Von nun an vertraue ich dem Leitspruch von Charles Darwin, der ausrief: „Nur ein Narr macht keine Experimente.“ Der Kopf eines Tilapias ragt aus meiner heißen Gemüsebrühe heraus. Die Studie ist angelaufen.

Viele Funktionäre meinen, dass Erfahrung stets die Jugend schlage, Robustheit über Eleganz stehe und ein Kämpfer dem Techniker zu bevorzugen sei. Über Finanzen müsse Toto sich den Kopf nicht zerbrechen. Hauptsache, der Verein könne die Spieler halbwegs bezahlen. Jürgen, Kaijage und ich vertreten ein anderes Konzept. Wir wollen ein Team aus lernwilligen Spielern formen, die gemeinsam durch dick und dünn gehen und dennoch bezahlbar sind. Dementsprechend radikal richten wir unsere Selektion aus. Nur 30 Spieler sollen am nächsten Tag den Rasen betreten. „Es werden Leute kommen, die seit vielen Jahren nicht mehr gegen einen Ball getreten haben, sich aber dennoch für die Größten halten. Lasse sie nicht zu Ende trainieren. Schicke sie auf die Tribüne“, rät mir Kaijage und schnäuzt in ein wüstengelbes Taschentuch. „Die guten Spieler lassen wir mehrere Tage antanzen, um gezielter zu beobachten. Schlussendlich picken wir die talentiertesten Kicker heraus.“

Noch lange unterhalte ich mich mit dem Fußballlehrer über Tansania, Toto African und die Premier League. Die meiste Zeit spricht er und es ist erfrischend, ihm zuzuhören. Kaijage zeichnet das tansanische Schulsystem auf, kritisiert den formlosen Jugendfußball und schießt giftige Pfeilspitzen in Richtung des politischen Establishments. Sein Erfahrungsschatz ist international angehaucht. Er hat schon in Kanada und Osteuropa gelebt, die Übungseinheiten der tansanischen Frauen-Nationalmannschaft geleitet und ein Juniorenteam durch die Qualifikation der Afrikameisterschaft geführt. Ich bin mir sicher, dass er genügend Dampf unter dem Kessel hat, um Toto aus der Patsche zu helfen.

Am nächsten Morgen sehen einige Freiwillige und ich uns die Stadt Mwanza an. Mehrere Piki-Pikis bringen uns für 3.000,– Schilling (1,10 Euro) in das Stadtzentrum. Die Motorradtaxen warten an jeder Straßenecke auf zahlende Kundschaft. Stimmt der Preis, setzt sich der Zahlende auf den Rücksitz, klammert die Hände um die Hüften des Fahrers und düst los. Wer Glück hat, bekommt einen Helm aufgesetzt, wer Pech hat, nicht. In jedem Fall muss man auf die Fahrkünste des Benzinkutschers vertrauen, denn Straßenrennen sind an der Tagesordnung.

Bevor wir den zentralen Markt aufsuchen, will ich Geld abheben. Ein Fiasko. Der Bankautomat hat die Kreditkarte verschluckt und auf dem Display wird plötzlich die Windows-Startseite angezeigt. Die PIN lässt sich nicht eintippen. Drücke ich eine Ziffer auf der Tastatur, erscheint ein Cursor auf dem Bildschirm. „Ist dieser Automat ein getarntes Internetcafe?“, frage ich ziellos umher. Der Herr neben mir verneint. Ich glaube ihm und seiner halbautomatischen Kalaschnikow, die wie ein Spielzeug in seinen Händen rotiert.

Nichts Spektakuläres! An die Schusswaffen der Sicherheitsleute für öffentliche Gebäude habe ich mich rasch gewöhnt. Ob ich meine Karte zurückbekomme, weiß der Mann leider nicht. „Das Netzwerk hat Probleme. Das kommt häufiger vor“, versucht er, mich zu beruhigen, ohne damit Erfolg zu haben. Ich hämmere auf den roten Abbruchknopf. Nichts passiert. „Warte“, so die hilfreiche Empfehlung. Mir bleibt nichts anderes übrig, da die Bankfiliale geschlossen hat. Nach einer gefühlten Ewigkeit spuckt die Maschine die Karte wieder aus. Ich bin erleichtert, gebe der Bank aber keine zweite Chance. An einer der vielen Wechselstuben tausche ich Bargeld in die Landeswährung um. Ein Schein von 10.000,– Schilling ist die höchste Note und für 3,60 Euro zu haben.

Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinne sind rar. Der Reiz des großen Marktplatzes der Stadt liegt in einer Mischung aus Gewühl, Vielfalt und Exotik. Die Menschen strömen aus allen Richtungen herbei und tauchen unmittelbar in das geschäftige Treiben ein. Wer gerne stöbert und feilscht, ist hier an der richtigen Adresse. Die Preise sind verhandelbar. Verkaufsschlager sind Kleidung aus zweiter Hand und gebrauchtes Schuhwerk, das sich auf ausgelegten Planen, Grabbeltischen oder unter einfachen Verschlägen aus Holz türmt. Daneben stapeln sich Plastikeimer, Unterwäsche, Perücken und Unmengen an billigem Krimskrams. Mittendrin im Getümmel stampfen Frauen Maniok und bieten geröstete Wurzeln an. Auch frische Tomaten, Gurken, Ananas und aus dem Viktoriasee gefangener Fisch werden in Massen verscherbelt.

In einigen Gassen bildet sich auf dem Boden eine Lache aus Blut von abgetrennten Fischflossen. „Mzungu njoo“ (Komm her, weißer Mann), hallt es aus den versteckten Nischen des öffentlichen Basars. „Mister, give me money“, zischen bettelnde Kinder in zerfetzten Jeans. Zuwanderer aus Indien und arabischen Ländern beleben den Markt durch den Verkauf von landestypischen Artikeln und Gewürzen. Ein fernöstliches Aroma schwebt in der Luft, das sich mit dem Duft von vergorenen Lebensmitteln, ekelerregenden Abfällen und Fäkalien mischt. An diesen stinkenden Orten sichte ich Scharen von monströsen Vögeln, die zu den hässlichsten ihrer Art zählen: Marabus. Diese Müllhaldenfetischisten stecken ihre klobigen Schnäbel in Eingeweide, Aas und alles andere, was seinen Puls verloren hat. „Du bist, was du isst“, stand neulich in der Apothekenumschau. Logische Konsequenz: ein ausgefranstes, graues Gefieder und ein ausgeleierter Kehlsack. Bezeichnend.

Spektakulär sind die Gegenstände auf dem Massaimarkt. Medizin in bauchigen Flaschen, geschnitzte Werkzeuge, Speere, Schmuck aus Glasperlen, Lederarmbänder und knallrote Shukas. Die Volksgruppe aus dem Süden Kenias und dem Norden Tansanias ist bekannt für ihren schrägen Körperschmuck. Auch die früheren Zeremonien haben Kultstatus. Der Sprungtanz stellte die Potenz der Männer unter Beweis, das Töten eines Löwen erlaubte es ihnen, zu heiraten.

Ältere Semester halten Rinder für mystische Wesen, weshalb das Trinken von Rinderblut ein besonders edler Ritus ist. Sie glauben sogar, dass der Gott Enkai ihnen alle Rinder der Welt vermacht hat. Die logische Schlussfolgerung: Besitzt ein Nicht-Massai ein Rind, ist das Diebstahl. Nicht selten haben die Massai benachbarten Stämmen den Krieg erklärt und am Abend die Helden der Raubzüge gefeiert. Doch die Sitten und Bräuche sterben aus. Die Moderne geißelt die Tradition. Die Massai vollziehen allmählich den Umbruch vom Hirtenvolk zum sesshaften Leben. Sie arbeiten als Türsteher, Wachmänner oder Kasseneintreiber in den größeren Städten und vermarkten ihre Tradition geschickt. Touristen sind an den Geschichten brennend interessiert. Sie kaufen Dolche und fürchten sich im nächsten Moment vor der Gepäckkontrolle am Flughafen.

Nach dem Mittagessen in der Kuleana Pizzeria trennen Jürgen und ich uns von der Gruppe und werden von zwei Piki-Pikis in den Stadtteil Isamilo kutschiert. Hier entsteht das Toto-Camp, in dem die Spieler während der Saison beherbergt werden. Über eine großspurige Einfahrt, deren sandiger Zufahrtsweg aus Myriaden von Rillen, Schlamm und Steingeröll gezeichnet ist, gelangen wir in den Innenhof des Anwesens. „Mambo vipi?“ (Wie geht’s?), begrüßt mich ein kleiner Mann mit kurz geschorenen Haaren. Er macht sich mir als Izack bekannt. Sein weit aufgeknöpftes Hemd, die faltenfreie Hose und Lackschuhe in feinstem Cognacbraun lassen ihn an einen zweitklassigen Immobilienmakler erinnern. Dabei übernimmt er schlicht die Aufsicht über das Bauprojekt und leistet, laut Jürgen, hervorragende Arbeit. „Safi sana“ (Sehr gut), antworte ich ihm und erwidere seinen schlaffen Händedruck. Im Hintergrund doktert ein Bauarbeiter mit einem Akkubohrer an der Haustür herum, während sein Handlanger einen halb gefüllten Seifenspender als Wasserwaage nutzt, um die passende Höhe zum Anschrauben auszutarieren. Es ist nicht zu übersehen: Das Toto-Camp steckt noch in den Kinderschuhen.

Zwei karge Wohnhäuser stehen auf dem Grundstück. Damit ist im Prinzip schon alles gesagt. Der Zimmermann wird in den nächsten Tagen die Räume mit Stockbetten einrichten und die Wände mit Regalbrettern verkleiden. Die Maße hat er sich bei der Durchsicht allerdings nicht notiert. „Tansanisches Gehirnjogging“, schmunzelt Jürgen, als er die Ratlosigkeit auf meinen Gesichtszügen abliest. „Die Leute hier können das.“ Ein Großteil der Holzstreben, aus denen die zwei Meter langen Stockbetten bestehen, wird aktuell im Zimmereibetrieb gesägt und geschliffen. Moskitonetze, Matratzen und Kopfkissen wollen Jürgen und ich in den kommenden Tagen auf dem Marktplatz in einem indischen Shop kaufen, der über die Stadtgrenzen hinaus für seinen Service bekannt ist. Auch die Waschräume und Toiletten werden grundsaniert.

Neben den zwei Wohnhäusern wird an einem dritten Gebäude gewerkelt, der Vereinsküche. Ein wahrer Luxus, wenn ich bedenke, dass den Vereinsköchen in der letzten Saison einfach eine Suppenschüssel in die Hand gedrückt wurde und sie die Mahlzeiten im kühlen Schatten des großen Mangobaums zubereitet haben. Die Vorfreude auf eine abwechslungsreiche Kost ist bei allen Anwesenden spürbar groß. Wenn die Freifläche neben der Kochstelle auch noch geebnet, überdacht und betoniert wird, können wir dort bei jedem Wetter unsere Mahlzeiten einnehmen. Die Grundlage für ein lebendiges Zusammensein.

Toto hat Visionen. Ein Gärtner entfernt das wuchernde Unkraut und dorniges Gestrüpp auf der welligen Böschung, die zur Straßenseite hin leicht abfällt. Hier soll ein Rasenplatz entstehen, auf dem die Spieler ihre Ballkünste beim Fußballtennis verfeinern können. Unter dem verlängerten Abdach vom Sechserzimmer stellt Jürgen einen Billardtisch auf und erfüllt den tansanischen Kickern damit ihren sehnlichsten Wunsch. Sie spielen in jeder freien Minute.

Im Innenhof errichten wir einen Platz zur „Muskelfolter“, da regelmäßige Besuche im Fitnesstempel der Stadt zu kostspielig sind. Bei einem Bauunternehmen fordern wir die Konstruktion einer Flachbank und einer Turnstange sowie Gusshanteln unterschiedlicher Gewichtsklassen an. Widerstandstraining unter freiem Himmel – für den einen ein Genuss, für den anderen unbekanntes Terrain. Eines ist von Beginn an klar: Eine Privatsphäre im europäischen Sinne wird es im Camp nicht geben.