Cover

Table of Contents

Titel

Impressum

Wie alles begann …

Ungewöhnliche Freundschaft

Teddy

Die Mondfee

Yoga und Klassenfahrt

Der Fuchs

 

 

 

 

 

 

Manuela Mertes

 

 

 

 

 

Die Reise des kleinen Löwi

zur Milchstrasse

 

 

 

 

 

und mehr Abenteuer des mutigen Plüschlöwen

 

 

 

 

mit Illustrationen von

Hanka Walter

 

 

 

Verlag DeBehr

 

Copyright by Manuela Mertes

Herausgeber Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2017

ISBN: 9783957533838

Grafiken Copyright by Hanka Walter

 

Wie alles begann …

 

Guten Tag, mein Name ist Löwi, und ich bin eigentlich ein ganz normales Plüschtier. Eigentlich. Gefertigt irgendwann und irgendwo in Fernost in einer großen Halle mit vielen Arbeitern, die uns Plüschtiere in vielen kleinen Arbeitsschritten herstellen und dann reisefertig nach Übersee machen.

Auch mein Leben hat einst so begonnen, auf einem Nähtisch bei einer jungen Asiatin, die meine Plüschhülle liebevoll unter einer ratternden Nähmaschine platzierte.

Die ersten Fäden wurden in rasanter Geschwindigkeit in mein Fell eingearbeitet, um mich dann, nach einer kurzen Unterbrechung, in der die junge Asiatin meine Fellhülle mit weichem Füllmaterial und meine Pfoten mit Reis ausstopfte, zu meinem stattlichen Aussehen fertigzustellen - ein sich täglich wiederholender Vorgang.

Nur heute lief das wohl irgendwie anders als geplant. Plötzlich gab es einen lauten Knall, kleine Blitze schlugen um mich herum, dann war alles dunkel und es herrschte absolute Stille.

Nachdem sich die Arbeiter vom ersten Schrecken erholt hatten, riefen sie nach ihrem Vorarbeiter, der nach dem Rechten sehen sollte. Anscheinend hatte es einen Kurzschluss gegeben, der alles stillgelegt hatte.

Während die Menschen sich darum kümmern, die Maschinen wieder in Gang zu bringen, spürte ich eine Veränderung in meinem weichen Plüschkörper. Er fühlt sich irgendwie so lebendig an. Aber das kann doch nicht sein. Ich bin und bleibe ein Plüschtier, komme in ein Spielzeuggeschäft, werde von Eltern für ihr Kind gekauft und lebe dann in einem Kinderzimmer.

Basta!

Und doch, in meinem Kopf schwirren zahllose Gedanken, meine Pfoten wollen vom Nähtisch hüpfen und mein Körper möchte sich recken und strecken. Der Knall und die Blitze müssen mich wohl getroffen haben. Anders kann ich mir dieses ungewohnte Gefühl nicht erklären. Das legt sich bestimmt wieder, denke ich mir, während das Licht wieder angeht und die Nähmaschinen wieder mit den gewohnten Geräuschen ihre Arbeit aufnehmen.

 

 

Meine junge Asiatin jagt mir die letzten Nadelstiche durch meinen Körper.

Aua, es pikst in der rechten Vorderpfote, dann links, ups das ist aber unangenehm. Und dann endlich die Erlösung. Ich bin fertig! Vorsichtig werde ich aus der Nähmaschine gelöst und auf dem Nachbartisch abgelegt.

Da liege ich nun. Die Zeit vergeht.

Langsam falle ich in einen Dämmerzustand und dann gleite ich in einen tiefen Schlaf und beginne zu träumen. Bunte Bilder tauchen in meinem Plüschkopf auf. Ich spüre warme Sonnenstrahlen auf meinem Fell, höre laute Kinderstimmen, fröhliches Lachen und spüre plötzlich, wie ich durch die Luft geschleudert werde. Dann lande ich in etwas Feuchtem, Sabberndem. Oh mein Gott, was ist das? Wo bin ich denn nun wieder gelandet? Nein, bitte nicht. Ich befinde mich in der Schnauze eines Hundes. Fest und unnachgiebig graben sich seine Zähne in mein Fell.

Mein Rücken schmerzt und ich sehe mich schon zerrupft und in Einzelteile zerlegt in der Ecke eines Hundekorbes liegen, bevor man mich dann endgültig in der Mülltonne oder auf dem Sperrmüll entsorgt. Ade, du schönes Leben. Es war kurz, aber danke, dass ich genäht worden bin. Und dabei hätte alles so schön werden können. Aber, ich will nicht jammern. Ich bin ein tapferer Löwe und füge mich meinem Schicksal!

Während ich in meinem Selbstmitleid zerfließe und meinem Ende entgegensehe, spüre ich eine ungewohnte Veränderung. Ich höre eine zarte, liebliche Kinderstimme. Ich fühle warme Kinderhände. Vorsichtig öffne ich die Augen. Das muss der Himmel sein! Gleich sehe ich viele andere Plüschtierkollegen wieder, die ein mal mehr mal weniger schönes Kuscheltierleben hinter sich bringen konnten.

Aber nein, das kann doch nicht sein. Träume ich immer noch? Oder bin ich jetzt vollkommen durchgedreht? Ich liege mitten in einem Spielzeugladen in einem Metallkorb. Eine wohlige Wärme durchströmt meinen Körper. Um mich herum befinden sich wunderschöne Puppen, flauschige Hunde und Katzen, Teddybären, eben alles, was Kinderherzen höher schlagen lässt. Vor mir steht ein kleines Mädchen mit braunen, langen Zöpfen, großen blauen Augen, die mich neugierig betrachten. Sie nimmt mich in ihre Arme und drückt mich fest an ihre Brust. „Du bist aber schön flauschig“, höre ich sie sagen. „Und einen lustigen Namen hast du auch“, lacht sie laut auf und dreht das Schildchen um meinen Hals vor und wieder zurück. „LÖWI!“

Was gibt es da zu lachen, denke ich und werde langsam etwas ärgerlich. Gleichzeitig merke ich, dass mir die Luft unter dem festen Klammergriff langsam ausgeht. Ich bin eben ein Löwe, und Löwi ist doch ein artgerechter und angemessener Name. Wie soll ich denn sonst heißen, etwa Hannibal, Hugo oder wie dieser Möchtegernfernsehlöwe Sumba oder so ähnlich. Der König der Tiere hat auch einen königlichen Namen!

Ein Mann und eine Frau kommen freundlich lächelnd auf uns zu. Anscheinend die Eltern des Mädchens, vermute ich. „Hast du was Schönes gefunden, Anna?“, fragt die Mutter. Der Vater guckt mich derweil skeptisch an. Ist mein Fell nicht schön genug?, denke ich, oder hast du noch nie einen Löwen gesehen. Typisch, diese Menschen.

 „Nicht schon wieder ein Stofftier, Anna“, höre ich den Vater sagen. „Dein ganzes Zimmer ist schon voll davon. Hier gibt es so viele schöne Spielsachen, bestimmt findest du was Besseres wie diesen Löwen da.“

 

 

Diese Arroganz in seinem Unterton! Was sollte es schon Besseres wie mich geben. Anna hat immer noch ihre großen blauen Augen fest auf mich gerichtet. Jetzt schaut sie erst zu ihrem Vater, dann zu ihrer Mutter, um mich schließlich wieder fest ins Visier zu nehmen. Ihr Griff lockert sich, dann geschieht das Unfassbare, sie legt mich zur Seite. Das darf doch nicht sein! Ich sehe ihr traurig nach, wie sie in einem der vielen Gänge im Spielzeugladen verschwindet.

„Es wäre auch zu schön gewesen. Ein schöner Traum“, denke ich. Gleich wache ich wieder auf und liege noch auf dem Tisch neben meiner fleißigen asiatischen Näherin. Ich spüre die mitleidigen Blicke meiner Plüschkollegen. Sie kennen alle das Wechselbad der Gefühle, wenn morgens das Spielzeuggeschäft geöffnet wird und zahlreiche Eltern mit ihren Kindern hineinströmen. Da ist sie dann wieder, die Hoffnung, mit einem dieser Kinder den Laden verlassen zu können, um in ein schönes, gemütliches Kinderzimmer einzuziehen. Und wie oft schließt das Geschäft, das Licht wird gelöscht und wieder die bittere Erkenntnis, dass andere Spielsachen den Weg nach draußen angetreten haben.

Ich schließe meine Augen, will nichts mehr sehen, nichts mehr hören von dem Lachen der Kinder, dem Weinen derer, die nicht das bekommen, was sie haben wollen.

All das geht mir auf die Nerven. Und dann kommt es wieder, mein geliebtes Selbstmitleid, mein treuer bester Freund!

„Löwi, ich will aber Löwi“, reißt mich lautes Geschrei aus meinen Gedanken. Das ist doch Anna, denke ich und öffne wieder die Augen. Sie steht vor meinem Metallkorb und zeigt mit wütendem Gesichtsausdruck auf mich.

„Ich will keine Puppe, ich will kein Lego, kein neues Spiel, ich will Löwi!“ Ihre ganze Wut richtet sich gegen ihre Eltern, die peinlich berührt hinter ihr her geeilt sind und mit Engelszungen auf sie einreden. Aber es nützt nichts. Die kleine Person hat ihre Entscheidung getroffen. Sie will tatsächlich mich! Kaum zu glauben, der Tag kann noch richtig gut werden. Ich blinzle in Richtung Eltern von Anna. Diese schauen sich mittlerweile ratlos und genervt an, dann kommt der erlösende Satz: „Du kannst ihn haben, Anna! Aber das ist das letzte Plüschtier, das wir dir kaufen, verstanden, das allerallerletzte!!“

Anna strahlt wie die aufgehende Sonne. Sie hat den Kampf gegen ihre Eltern gewonnen.

Wie ein Engel steht sie jetzt da, kein lautes Wort mehr, eine etwas unwirkliche Familienidylle. Anna schnappt mich aus dem Metallkorb heraus und rennt zur Kasse.

Ihre Eltern müssen schon einen Zahn zulegen, um zeitgleich bei ihr anzukommen. Wie einen gewonnen Hauptpreis werde ich vorsichtig auf die Kassentheke gelegt, wo mir eine freundliche Bedienung den Scanner an mein Schildchen am Hals hält und dann mit einem noch freundlicheren Lächeln an die Eltern von Anna gerichtet sagt: „Das macht 39,90 Euro. Sie haben eine gute Wahl getroffen. Handgenäht aus wunderbar weichem Plüsch, da wird ihre Tochter viel Freude mit haben.“ Annas Eltern sind tapfer. Der Vater legt mit einem gequälten Lächeln das Geld auf die Theke, während Anna mich wieder fest in ihre Arme genommen hat. Wir verlassen den Spielzeugladen. Ich habe es geschafft. Ich bin endlich draußen in der Freiheit. Das schöne Leben kann beginnen.

 

Ungewöhnliche Freundschaft

 

Es ist jetzt schon vier Wochen her, seit Anna an ihrem 10. Geburtstag im Juni mit ihren Eltern in dem Spielzeugladen auftauchte und unbedingt Löwi haben wollte. Seitdem wohnt der kleine Löwe in einem schönen, gemütlichen Kinderzimmer, besser gesagt, ein typisches Mädchenzimmer.

Neben der Zimmertür steht Annas Bett mit einem hellrosa Feen-Bettbezug und kleinen rosa Kissen darauf verteilt. Die Türen von ihrem Kleiderschrank sind mit verschiedenen Tierstickern beklebt. Anna liebt Tiere über alles, besonders Pferde und Hasen. Aber ihre Eltern können sich leider kein Pferd leisten. Zudem müssten sie eine große Weide pachten, und das ist leider nicht so einfach und kostet eine Menge Geld.

Und so kommt es, dass Anna viele Pferdebücher besitzt, die sie sich regelmäßig anschaut und darin liest. So kann sie dann für eine Weile ganz in ihrer Pferdewelt eintauchen.

An einem Dienstagnachmittag sitzt Anna nun an ihrem Schreibtisch vor dem Fenster und macht Hausaufgaben.

Anna besucht die 4. Klasse der Grundschule in ihrem Ort und gehört zu den sehr guten Schülern in ihrer Klasse. Deutsch gehört neben Sport zu ihren Lieblingsfächern.

Heute muss sie ihr Lesetagebuch zu Ende schreiben. Das muss sie morgen abgeben und möchte natürlich wieder eine gute Note dafür bekommen.

Während Anna fleißig Seite für Seite zu Papier bringt, liegt Löwi schläfrig auf Annas Kopfkissen. Natürlich wäre es ihm lieber, wenn Anna mit ihm spielen und kuscheln würde, aber die Schule hat Vorrang, das hat der kleine Löwe zwischenzeitlich gelernt. Ein leises Geräusch erweckt seine Aufmerksamkeit. Was war das?