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Calisthenics X Mobility

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© 2019 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

image Member of the World Sports Publishers’ Association (WSPA)

9783840312960

eISBN: 9783840336997

E-Mail: verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

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Vorwort

Einleitung – der Aufbau dieses Buches

MOBILITY

Intro: Was mich bewegt, dich zu bewegen

1 Mobility – das moderne Beweglichkeitstraining

2 Den Mobilitymythos verstehen

2.1 So wirst du beweglicher

2.2 Warum wir alle so steif sind

2.3 Nicht jedes Gelenk darf mobilisiert werden!

2.4 Warum Dehnen und Yoga dich nicht beweglicher machen!

2.5 Warum Faszienrollen dich nicht beweglicher machen!

2.5.1 Phänomen Faszienrolle

2.5.2 Rollen, rollen, rollen

2.5.3 Oberflächensensibilität vs. Tiefensensibilität

2.5.4 Schmerzen beim Rollen

2.5.5 Fazit: Faszienrollen – Sinn oder Unsinn?!

2.6 Weiteres Sportequipment, das du nicht brauchst

2.7 Wie dich Mobility stärker macht

2.8 Warum Stress dich unbeweglich macht

3 Grundlagen: Das musst du wissen!

3.1 In vier einfachen Schritten beweglicher werden

3.1.1 Evaluation

3.1.2 Isolation

3.1.3 Integration

3.1.4 Improvisation

3.2 Schmerzen und Verletzungen

3.2.1 Schmerzen

3.2.2 Verletzungen

3.3 Leitfaden für schmerzfreies Training

4 Die häufigsten Fragen zu Mobility

4.1 Wie lange dauert es, bis ich beweglich bin?

4.2 Wie werde ich schneller beweglicher?

4.3 Wie baue ich Mobility neben meinem Krafttraining ein?

4.4 Wie integriere ich Mobility in meinen Alltag?

5 Mobility Lifestyle Hacks

6 Bewegung ist Leben, Leben ist Bewegung – wie du den „Spagat“ schaffst!

7 Mobilityübungen

7.1 Handgelenke

7.1.1 Handgelenkachterkreise

7.1.2 Handgelenkmobilisation am Boden

7.1.3 Handrückenliegestütz

7.1.4 Shaolin-Liegestütz

7.1.5 Handgelenkliegestütz

7.2 Wirbelsäule

7.2.1 Wirbelsäulen-CARs

7.2.2 Wirbelwelle 1

7.2.3 Wirbelwelle 2

7.2.4 Nackenmobilisation

7.2.5 Drei-Punkt-BWS-Rotation

7.2.6 Vier-Fuß-Rotation

7.2.7 Kugel

7.2.8 Liegende BWS-Rotation

7.2.9 Ringer-Rotation

7.2.10 Tischrotation

7.2.11 Wadensitzrotation

7.2.12 Schneidersitzrotation

7.2.13 Kobra

7.3 Schulter

7.3.1 Schulter-CARs

7.3.2 Schulter-CARs (an der Wand)

7.3.3 Hängen

7.3.4 One Arm Hang

7.3.5 Wall Slides

7.3.6 Schulterkrabbler

7.3.7 Schwimmer

7.3.8 Pro- und Retraktionsdrill

7.3.9 Shoulder Dislocates (mit Band)

7.3.10 Schulter-Band-Rotation

7.3.11 Side Bend

7.3.12 Skin the Cat (Regression)

7.3.13 Skin the Cat

7.3.14 Scapula-Stütz-Rotation

7.3.15 Arched Back Pulls

CALISTHENICS

8 Intro: Mein Weg an die Klimmzugstange

9 Calisthenics – Turnen auf der Straße

9.1 Die Wurzeln des Calisthenics

9.2 Die Wind-und-Wetter-Trainingsmentalität

9.3 Die vier Arten des Calisthenics

9.4 Vom Szenesport zum Kommerz? – Calisthenics in Deutschland

9.5 Calisthenics vs. CrossFit® vs. Freeletics

9.6 Warum jeder von Bodyweight-Training profitiert

9.7 Welche Voraussetzungen du brauchst

9.8 Sinnvolles Equipment

9.9 Calisthenics Parks – die besten Spots für dein Training

9.10 Leitfaden für ambitionerte Cali-Sportler

9.11 Weg von gewohnten Bewegungsmustern – rein ins Ungewöhnliche!

9.12 Auspowern bis zum Umfallen – die 80-%-Regel

9.13 Wie du deine Ziele richtig setzt

10 Grundlagen: Das musst du wissen!

10.1 Die Grundübungen im Überblick

10.2 Gleichgewicht zwischen Stabilität und Beweglichkeit

10.3 Bewegungsvariation

10.4 Bewegungsspezifik

10.5 Assistenzübungen

10.6 Schwierige Übungen leicht gemacht

10.7 Sticking Points/Weak Links

10.8 Full Range of Motion

10.9 Schulterblattpositionen

10.10 Packe fest zu

10.11 Hollow-Body-Position

10.12 Was es mit Hebeln auf sich hat

10.13 Repetition is the Mother of Skill

10.14 Straight Arm Strength

10.15 Ringtraining

10.16 Calisthenics und Beintraining

10.17 Das Schultergelenk

11 Basics für Anfänger und deren Progressionsmöglichkeiten

11.1 Ein gesundes Gleichgewicht der Schultern durch die Kombination von Zug- und Druckbelastungen

11.2 Ansteuerungsübungen

11.3 Klimmzüge (Pull-ups) und Progressionsmöglichkeiten

11.3.1 So sollte dein Klimmzug aussehen!

11.3.2 Typische Fehlerbilder

11.3.3 Häufige Sticking Points

11.3.4 Griffvarianten

11.3.5 Pull-up im Obergriff versus Pull-up im Untergriff (Chin-ups)

11.3.6 Arched Back Pull-ups/Gironda Sternum Pull-ups

11.3.7 Regressionsübungen des Pulls

11.4 Liegestütze (Push-ups) und Progressionsmöglichkeiten

11.4.1 So sollte dein Liegestütz aussehen!

11.4.2 Typische Fehlerbilder

11.4.3 Häufige Sticking Points

11.4.4 Griffvarianten

11.4.5 Regressionsübungen des Push-ups

11.5 Beugestütz (Dips) und Progressionsmöglichkeiten

11.5.1 So sollte dein Dip aussehen!

11.5.2 Typische Fehlerbilder

11.5.3 Häufige Sticking Points

11.5.4 Regressionsübungen des Dips

11.6 Kniebeugen (Squats) und Progressionsmöglichkeiten

11.6.1 So sollte dein Squat aussehen!

11.7 Exkurs – Der L-SIT

11.7.1 L-Sit im Hang

11.7.2 L-Sit im Stütz

11.7.3 Assistierende Übungen

11.8 Rehabilitations- und Prehabilitationsübungen

12 Allgemeiner Trainingsaufbau

12.1 Trainingsmethodische Ansätze

12.1.1 Trainingshäufigkeit, Satzanzahl, Wiederholungszahlen und Pausenzeiten

12.1.2 Arten der Trainingsgestaltung

13 Ziele, Zeitaufwand und Motivation

14 Unsere App und ein Trainingsplan für Anfänger

15 Nachwort

16 Die Autoren

17 Anhang

1 Glossar

2 Weiterführende Literatur

3 Bildnachweis

Vorwort

Ola Stangenfreunde & Moin Moin liebe Monkeys!

Calisthenics X Mobility ist unser Herzensprojekt. Über die letzten zwei Jahre haben wir vielen Menschen mit unserer Workshop Reihe zu einem gesünderen, stärkeren und selbstbewussteren Lebensstil verholfen.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir eifrig Trainierende „beweglich wie ein Äffchen und stark wie einen Gorilla gemacht“. Aufgrund der übermäßig positiven Resonanz unserer Teilnehmer haben wir uns überlegt, wie wir noch mehr Menschen dazu inspirieren können.

Das Buch ermöglicht es uns, unsere konzeptionell gestaltete Idee von gesunder Bewegung nach außen in die Welt zu tragen und dich auf deiner ganz eigenen Calisthenics X Mobility-Reise zu begleiten.

Unsere Reise begann schon in früher Kindheit. Mit Leistungssport aufzuwachsen bedeutete für uns, bereits früh zu lernen, für ein körperliches Ziel zu arbeiten. Disziplin, Willensstärke und jederzeit abrufbare Performance prägten unseren Charakter. Es formte eine positive Einstellung zu unserem Körper in Bewegung. 4-5 Einheiten pro Woche und Wettkämpfe an den Wochenenden lehrten uns, dass harte physische Arbeit sehr lohnenswert sein kann. Wir sind körperlich, mental und emotional an unseren Trainingseinheiten gewachsen.

Uns steckte die Bewegungsfreude so sehr an, dass wir unsere beruflichen Wege darauf ausrichteten, um das Gelernte und Selbsterfahrene an dich weiterzugeben. Die Essenz unseres Konzepts – gesund und schmerzfrei ans Ziel!

Calisthenics X Mobility – stark, beweglich, schmerzfrei – steht für die Symbiose von Kraft und Beweglichkeit. Wir zeigen dir die wichtigsten Grundlagen dieser beiden nicht voneinander zu trennenden Bereiche. Beide können als eigenständige Elemente betrachtet werden, sind in diesem Buch allerdings als zusammenhängendes Konstrukt zu verstehen, das sich gegenseitig bedingt und positiv beeinflusst.

Inhaltlich befasst sich dieses Buch mit körpereigenem Widerstandstraining. Im Speziellen mit Calisthenics. Hierbei handelt es sich nicht um eine neue Sportart, sondern vielmehr um eine Wortneuschöpfung. Calisthenics könnte man als das moderne Turnen bezeichnen. Im Vordergrund steht die progressive Kraftsteigerung der Basics (Klimmzug, Liegestütz, Beugestütz und Kniebeuge).

Neben der konditionellen Fähigkeit der Kraft wird Beweglichkeitstraining sehr häufig vernachlässigt.

Die meisten unterschätzen die Tatsache, dass ein höheres Bewegungsausmaß mehr Kraft zur Folge hat.

Mobilitytraining schafft den Spagat zwischen kraftloser Beweglichkeit und rigider Stärke.

Gleichzeitig wirst du langfristig mehr Freude an deinem Training haben, weil du dich weniger verletzt und bei Schmerzen die richtigen Übungen zur Hand hast.

Dieses Buch soll dazu bewegen, DICH zu bewegen. Uns geht es nicht um dicke Muskelberge. Vielmehr lernst du, ein Verständnis für deinen Körper zu erlangen.

Wir vermitteln dir, welche technischen Details der Übungen wichtig sind, damit sich dein Bewegungsapparat langfristiger Gesundheit erfreut. Du bekommst das wichtigste Know-how mit an die Hand, um aus deinem Werkzeugkoffer verschiedene hilfreiche Tools nutzen zu können.

Bei all dem Input, den du hier erhältst, beachte auf deiner Reise Folgendes:

1.JEDER kann mit Mobility und Calisthenics arbeiten, unabhängig von Alter und Geschlecht!

2.Jeder Mensch ist INDIVIDUELL und bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit!

3.Es gibt NICHT die eine beste Methode!

4.Grübele nicht über die Herangehensweise, sondern fange an!

5.Vergleiche dich NICHT mit anderen!

Dieses Buch räumt mit vielen Vorurteilen auf, um dir einen klaren Leitfaden für dein Training zu geben. Calisthenics nur etwas für ganz harte Kerle? Beweglichkeit ist genetisch festgelegt? Weit gefehlt! Wir zeigen dir, wie du langfristig Freude am Training hast, stärker und beweglicher wirst und dabei schmerzfrei bleibst.

In diesem Sinne

Locker bleiben, Bizeps zeigen

Keep moving, stay sexy

Monique & Leon

Einleitung – der Aufbau dieses Buchs

Bevor du dich auf die Calisthenics X Mobility-Reise begibst, wollen wir dir ein paar Hinweise zur Benutzung dieses Buchs mitgeben.

Du kannst frei entscheiden, ob du alles in vorgegebener Reihenfolge liest oder zwischen den Kapiteln springst. Die zahlreichen Kapitelverweise sorgen dafür, dass du den Faden nicht verlierst und am Ende den Zusammenhang zwischen Mobility und Calisthenics verstehst.

Um dein Lesevergnügen zu gewährleisten, haben wir darüber hinaus auf Genderdifferenzierungen verzichtet. Also, Ladys, fühlt euch herzlich angesprochen, wenn wir von Sportlern, Trainern, Klienten oder Monkeys sprechen.

Wir haben die authentische Vortragsweise unserer Workshops in dieses Buch transportiert. Somit haben wir unsere denglische Ausdrucksweise beibehalten, um dir die Atmosphäre eines Liveworkshops nach Hause zu bringen. Und um ganz ehrlich zu sein, manche Redewendungen und sportpezifische Begrifflichkeiten klingen im Englischen einfach schöner. Außerdem ist dies ein Buch über Calisthenics und nicht über „traditionelles deutsches Turnen aus Sachsen-Anhalt“. Deshalb sprechen wir nicht von „Hangwaagen vorlings“ und „Zugstemmen“, sondern von Front Levern und Muscle-ups.

Das Buch ist unterteilt in einen Mobility- und einen Calisthenics-Part, die sich wiederum in einen Theorie- und einen Praxisabschnitt aufgliedern. Zum praktischen Teil gibt es nicht nur die bildgestützten Erklärungen der Übungen, sondern auch mehrere Videos, die du in der App zum Buch findest.

In der App wirst du noch viele weitere monkeymäßige Angebote rund um dein „Cali X Mobi“-Training finden, wie z. B. vorgefertigte Trainingspläne, mit denen du direkt starten kannst.

Im Praxisteil wirst du immer wieder verschiedene Symbole finden, die die wichtigsten technischen Details zur Ausführung der Übung kurz und knapp veranschaulichen:

image Außenrotation
image Schulter „weg von den Ohren“ (Depression)
image Atmung beachten
image Körperspannung halten (Hollow-Body-Position)
image Wirbelsäule lang machen

Wenn du noch nicht alle zuvor genannten Begrifflichkeiten verstehst, keine Panik auf der Titanic, wir erklären dir alles ausführlichst in den folgenden Kapiteln und im Glossar am Ende des Buches ab S. 264.

Weiterhin findest du zu jeder Übung eine Schwierigkeitsskala. Um genau zu sein, eine Bananenskala (für Leons Mobilityübungen) und eine Bizepsskala (für Moniques Calisthenicsübungen).

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image = sehr leicht

image = leicht

image = mittelschwer

image = schwer

image = gorillamäßig schwer

Nun aber genug der Legenden und Arbeitsanweisungen. Du zappelst bestimmt schon ganz ungeduldig mit den Füßen und willst dich in dein Abenteuer der Bewegung stürzen.

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Intro: Was mich bewegt, dich zu bewegen

Mein Weg der Bewegung begann schon recht früh. Mit zweieinhalb Jahren stand ich auf dem Golfplatz in Wildenrath, den mein Vater größtenteils erbaut und lange Jahre gemanaged hat. Mein Vater erzählt mir immer wieder davon, dass ich Talent gehabt hätte und die anderen Gäste auf der Driving Range (das Grün, auf dem man das weite Schlagen übt) in meiner Gegenwart vom „neuen Tiger Woods“ sprachen. Sicherlich war dies als Scherz gemeint.

Dennoch muss ich meinen Eltern danken, die mich, anstelle von Polohemden und Karohosen, in ein Paar Fußballschuhe gesteckt haben. „Der Junge soll eine Teamsportart lernen! Das bildet den Charakter“, so höre ich noch heute meinen Vater erzählen.

Also stand ich mit drei Jahren auf dem Fußballplatz. Wenngleich ich wohl die ersten Jahre mehr damit beschäftigt war, auf dem Feld Gänseblümchen für meine Mutter zu pflücken, hat mich der Fußball doch nachhaltig geprägt. Nach 15 Jahren hing ich meine Fußballschuhe dann an den Nagel. Zur Zeit des Abis, einem Umzug und mehreren persönlichen Umstellungen fand ich mich in einem tiefen Leistungsloch wieder, weswegen ich keinen Anschluss in der neuen Mannschaft bei Fortuna Köln fand.

In meinem ersten Buch Pragmatisch gesund habe ich bereits ein wenig über meine gesundheitlichen Schwierigkeiten gesprochen, die u. a. auch dazu führten, dass sich meine sportlichen Interessen gewandelt haben. Kurz gefasst war ich durch das wachsende Interesse am Kraft- oder vielmehr Fitnesssport in eine zu einseitige Ernährungsweise abgerutscht, die mich meine Leistungsfähigkeit und am Ende auch meine Fußballkarriere gekostet hat. Aber, wie sich gezeigt hat, war diese schwere Zeit die beste, die mir je passieren konnte. Wann im Leben wird einem sonst die Möglichkeit geboten, sich komplett neu zu definieren und neue Wege einzuschlagen?

Der neue Weg führte mich dahin, dass ich noch mehr über die Gesundheit des Menschen und den menschlichen Körper an sich lernen wollte. Dass ich Menschen helfen wollte, aus dem Loch zu kommen, in das sie gefallen waren, sei es durch einseitige und von der Fitnessindustrie als Wundermittel proklamierte Diäten oder durch schlechte Bewegungsgewohnheiten. Während meiner aktiven Fußballerzeit habe ich viele Sportarten ausprobiert, wenngleich ich dem Fußball immer treu geblieben bin.

Dank meiner Mum konnte ich immer wieder andere Sportarten ausprobieren, wie z. B. Hockey, Tennis, Basketball, Schwimmen, Judo und Tanzen. In meiner Freizeit liebte ich jede Art von Bewegung: ob Tischtennis, Bowling, Radfahren, Badminton, mit meinem kleinen Bruder zu ringen usw. All diese Erfahrungen mit Bewegung sollten mir auf meinem neuen Weg dienlich sein und haben mich zu dem Platz geführt, an dem ich heute bin: in mein kleines, aber feines Monkey Gym, in der Vierer-WG von Monique und mir, in Köln.

Nahezu täglich kommen heutzutage Klienten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum in mein 12 qm großes „Gym“, wo ich mit ihnen nach den Ursachen ihrer Schmerzen suche und sie in Moving-Monkey-Manier stark, beweglich und schmerzfrei mache. Doch wie kam es letzten Endes dazu, dass ich nach meiner Fußballerkarriere mit meinem YouTube®-Kanal Moving Monkey® und dem Studium der Physiotherapie begonnen habe?

Neben einem meiner besten Freunde, Alexander Wahler, der mich dazu gebracht hat, mein erstes YouTube®- Video hochzuladen, war vor allem ein Mann daran „schuld“, dass ich die Reise der Bewegung auf mich genommen habe: Ido Portal. Sicherlich hat er sich im Laufe der Jahre in eine ganze Reihe von Mentoren eingereiht, von denen ich lernen durfte, aber er war der Anfang von allem.

Nach seinem Workshop Ende 2015 in München hat sich bei mir buchstäblich alles gedreht. Ich habe Ido auch persönlich davon erzählt, dass sich bei mir in der Nacht nach dem ersten Tag seines Workshops im Traum alles gedreht hat. Ich durfte quasi noch einmal durchleben, wie meine Glaubenssätze und Ansichten und nicht zuletzt mein Körper auf den Kopf gestellt, dreimal um sich selbst gedreht und wieder neu ausgerichtet wurden.

Ido sagte mir daraufhin in seiner sehr typischen knappen und präzisen Art:

„It’s a scary place, the place of change. But it’s worth it!“

(dt.: „Es ist ein angsteinflößender Ort, der Ort der Veränderung. Aber es lohnt sich!“)

Im Rückblick muss ich gestehen, dass er recht behalten hat! Meine größten Erkenntnisse aus den Tagen mit Ido waren vor allem, dass wir uns mehr um unsere Bewegung (Bewegungsqualität, Bewegungsvielfalt, Bewegungskultur) kümmern sollten, als nur dem nächsten „Workout“ nachzueifern.

Diese Philosophie bestimmt bis heute mein Handeln und Denken. Nicht nur rund um Moving Monkey®, sondern gerade auch meinen Alltag. Schließlich sind wir Menschen für Bewegung geschaffen und es ist unser größtes Geschenk, dass wir einen Körper haben, der zu so vielem imstande ist.

Die Begeisterung, die in mir für Bewegung und den menschlichen Körper brennt, möchte ich in dir ebenfalls entfachen. Sei es, dass du nach diesem Buch damit anfängst, täglich eine kleine Morgen-Mobility-Routine zu integrieren. Oder, dass du die Treppe statt den Aufzug nimmst.

Manche beginnen mit vielen kleinen Schritten, manche mögen lieber wenige große nehmen. Was klar ist, jeder ist auf seiner eigenen Reise, in seinem eigenen Tempo. Und jede Reise beginnt mit Bewegung – und zwar mit dem ersten Schritt …

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1Mobility – das moderne Beweglichkeitstraining

Wenn ich unseren „Calisthenics X Mobility“-Workshop beginne, starte ich stets mit der folgenden Frage: „Kann mir jemand eine Definition von Mobility nennen?“ Unsere Workshopteilnehmer haben eigentlich fast alle schon das eine oder andere Video von mir auf YouTube® gesehen, weshalb die meisten Antworten schon in die richtige Richtung gehen. Es werden dann folgende Schlagworte in den Raum geworfen:

aktives Beweglichkeitstraining,

wie Dehnen, nur mit Kraft,

ein hohes Bewegungsausmaß,

Range of Motion (ROM).

Beim Mobilitytraining liegt der Fokus ganz klar auf der Bewegung. Anders als beim Dehnen, bei dem eine Position über einen längeren Zeitraum gehalten wird, ist beim Mobilitytraining immer die aktive Kontrolle über eine gewisse Distanz notwendig. Um es einfach auszudrücken:

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Mobility = ein hohes Bewegungsausmaß

+ Kraft
+ Koordination (aktive Beweglichkeit)

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Anschließend zeige ich stets ein praktisches Beispiel. Stelle dir vor, ich lasse mich aus dem Stand in den Männerspagat gleiten und komme aus dem vollen Spagat mit der Kraft meiner Beine wieder in den Stand zurück.

Wenn du dir das nicht vorstellen kannst, dass das überhaupt möglich ist, komme am besten zum Workshop oder schaue dir das „Mobility vs. Flexibility“-Video in der App zum Buch an.

Dem steht die passive Beweglichkeit gegenüber, die Flexibilität. Stelle dir vor, dass du im Stand einen Fuß am Sprunggelenk packst und deine Ferse zum Po ziehst. Du hältst dein Bein also passiv in diesem Bewegungsausmaß, ohne dass du die Muskulatur in deinen Beinen anspannst.

Natürlich beginnen wir den Workshop nicht damit, dass wir den Spagat trainieren. Um langfristig beweglich und stark zu werden, müssen wir verstehen, wie mobil unser Körper wirklich sein sollte.

Denn Beweglichkeit und Kraft bedingen sich stets. Stelle dir eine Wippe vor: Auf der einen Seite befindet sich die Flexibilität, auf der anderen die Stabilität. Da unser Körper ein dynamisches System ist, eben wie eine Wippe, brauchen wir eine Mischung aus Flexibilität (passiver Beweglichkeit) und Stabilität (Kraft), um unser Gleichgewicht zu halten. Den sogenannten Sweet Spot beschreibt man als Mobilität.

In der Medizin sprechen wir hierbei vom Zustand der Homöostase, d. h. v om Aufrechterhalten des Gleichgewichtszustandes. Dieser Zustand unterliegt per Definition der „dynamischen Selbstregulation“.

Viele schlaue Worte, die letztlich beschreiben, dass unser Körper immer zwischen Flexibilität, Mobilität und Stabilität schwankt. Somit haben unsere Gelenke auch unterschiedliche Funktionen. Manche sind mehr für Stabilität vorgesehen, andere wiederum für viel Bewegung.

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Was wir daraus für unser Mobilitytraining lernen können, ist Folgendes:

1.Nicht jedes Gelenk muss so mobil wie möglich gemacht werden (es ist sogar stellenweise schädlich und führt zu Schmerzen).

2.Es ist ganz normal, dass wir uns an manchen Tagen unbeweglicher fühlen als an anderen. Wir unterliegen natürlichen Schwankungen.

Wie du ein harmonisches Gleichgewicht schaffen kannst, um nicht jeden Tag mit Verspannungen oder Schmerzen den Alltag bewältigen zu müssen, erkläre ich dir in Kap. 2.1 „So wirst du beweglicher“. Zunächst möchte dir einen kurzen Ausblick darüber geben, wodurch Mobility so populär geworden ist.

URSPRÜNGE VON MOBILITY

Mobilitytraining erfreut sich heutzutage immer größerer Beliebtheit. Der gesundheitserhaltende Aspekt steht dabei sehr im Vordergrund. Verletzt zu sein, wirft einen als Sportler, ob Freizeitsportler oder Profiathlet, immer zurück. Das führt nicht nur zu sportlichen Leistungseinbrüchen, sondern auch stellenweise in depressive Phasen. Die Identifikation mit einem Sport ist häufig sehr hoch und steht in direkter Relation zum Selbstbewusstsein und zur allgemeinen Zufriedenheit.

Wer seinen Sport liebt und verletzt ist, tut alles dafür, um schnell wieder zur alten Form zurückzufinden.

Das Problem war lange Zeit, dass das Thema „Prävention“ als eher langweilig abgetan wurde. Lieber ging man bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit und das bestenfalls bei jedem Training. So lange, bis es nicht mehr ging …

Wenn die Verletzung dann da war, wurde nach den Ursachen geforscht und nach einer Lösung gesucht.

Früher war das ein echtes Problem. YouTube® war 2009 noch nicht wirklich gut bestückt mit qualitativen Videos, die einem geholfen haben, wenn es um das Thema Schmerzen ging. Die ersten erklärenden Videos zum Thema Sport kamen aus dem Bereich Bodybuilding: eine Domäne, die heute noch den Großteil der Sportvideos im Netz ausmacht.

Der Bodybuildinghype hat immer mehr Menschen dazu motiviert, sich ins Fitnessstudio zu begeben. Die Population wurde immer jünger durch den Einfluss der sozialen Medien. Dann wurde „drauflosgepumpt“, mit sehr viel Halbwissen.

Das Problem: immer nur zu trainieren, sorgt nicht für einen gesunden Körper.

Vor ein paar Jahren kam dann der vermeintliche Retter der verletzten Schultern, Rücken und Hüften auf den Markt: die Faszienrolle!

Nunmehr lag jeder Schmerz an Verspannungen, Verklebungen und Triggerpunkten des Bindegewebes. Niemand hatte wirklich einen Plan, was man mit diesen Rollen und später auch Triggerbällen so wirklich anstellen sollte. Deshalb legte man sich auf die Rollen und drückte und rollte alles, was schmerzte.

Ob Faszienrollen Sinn oder Unsinn sind, beschreibe ich später in Kap. 2.5 „Warum Faszienrollen dich nicht beweglicher machen“ noch ausführlicher.