Fürstenkrone – 113 – Eine Frau für René

Fürstenkrone
– 113–

Eine Frau für René

Muss sich der Prinz den Konventionen beugen?

Marisa Frank

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-764-6

Weitere Titel im Angebot:

Helene Fürstin Buschhoff seufzte gekonnt. »Wo steckt Erika nur schon wieder?«

Laut zog Prinz René die Luft ein. Er tat es ungeniert. Er mochte seine Mutter, er verehrte sie, aber er war so frei, sich auch einzugestehen, dass sie ihm oft auf die Nerven ging. Er beugte sich etwas nach vorn.

»Mama, wir brauchen Erika doch nicht. Es ist alles da, was wir benötigen.« Er ließ den Blick über den Tisch schweifen. Wie stets war er zu reichhaltig gedeckt. Vier Personen waren davon satt geworden. Es fehlte auch nicht an Delikatessen.

»Wir haben Erika angestellt, damit sie uns auch beim Essen bedient. Ich werde sonst wieder Roland bitten.«

»Aber, Mama! Du hast Roland als Butler eingestellt. Er steht somit dem Haushalt vor. Du warst schließlich der Ansicht, dass dies nötig ist.«

»Natürlich!« Die Fürstin richtete sich auf. René musste zugeben, dass sie in diesem Moment sehr hoheitsvoll aussah. »Es war notwendig. Wenn wir schon nicht auf Tradition achten, wer sollte es sonst tun?«

Prinz René senkte den Blick, er verzichtete auf eine Antwort. Seine Ansichten deckten sich nicht ganz mit denen der Mutter.

Die Fürstin wusste dies. Obwohl ihr Sohn bereits dreißig Jahre alt war, hatte sie es noch nicht aufgegeben, ihn zu beeinflussen. Sie war aber nicht die Mutter, die sich an ihren Sohn klammerte. Im Gegenteil, sie wollte ihm endlich die geeignete Frau zuführen. So war dies in ihren Kreisen üblich, und sein Sträuben würde ihm wenig nützen.

Fürstin Helenes Blick ruhte auf dem gesenkten Kopf ihres Sohnes. Ihre Miene wurde milder. Sie wusste, dass sie stolz auf ihn sein konnte. Bisher hatte er sie auch nicht enttäuscht. Durch ihn würde das Geschlecht derer von Buschhoff weiterleben. Sie hatte sich bereits in den adeligen Kreisen umgesehen. Im Grunde lag es nur an ihrem Sohn, keine würde ihm einen Korb geben.

Ein kleiner Seufzer entfuhr der Fürstin. René hob den Kopf.

»Mama, was beschäftigt dich denn schon wieder?« Ein leicht amüsiertes Lächeln huschte über seine Lippen.

»Bitte, läute nach Roland.«

»Wozu, Mama?«

Fürstin Helenes Augenbrauen zogen sich leicht in die Höhe. »Ich möchte noch ein Glas Wein.«

Sofort sprang René auf. »Verzeih, ich habe nicht bemerkt, dass dein Glas leer ist.«

»Du sollst mich auch nicht bedienen. Dazu haben wir Erika. Sie sollte sich im Esszimmer aufhalten.«

»Aber, Mama!« René griff nach der Weinflasche und ging um den Tisch herum. »Ich bin während des Essens lieber ungestört, vor allem, wenn wir das Essen alleine einnehmen.«

»Erika stellt sich beim Servieren auch nicht besonders geschickt an. Daher sollte Roland in der Nähe sein. Er macht eine gute Figur, findest du nicht?«

»Das macht er, Mama!«, stimmte René zu, während er das Glas der Mutter neu füllte. »Du hast ihn als Butler eingestellt. Ich finde, es ist nicht seine Aufgabe, uns bei Tisch zu bedienen.«

»Ein guter Butler muss jeder Situation gewachsen sein. Jedenfalls war es bei uns immer so.«

»Du kannst beruhigt sein, Mama, Roland ist dies auch. Du hast mit seiner Einstellung einen guten Griff getan.«

»Wie schön, dass du dies wenigstens anerkennst.« Fürstin Helene entfernte ein unsichtbares Stäubchen von der Tischdecke.

»Wir haben Verpflichtungen.« Prinz René kehrte an seinen Platz zurück. »Unsere Vorfahren lebten seit Jahrhunderten auf dieser Burg. Du hast mir schon, als ich noch ein kleiner Junge war, beigebracht, was es heißt, ein Buschhoff zu sein. Adel verpflichtet, nicht?«

»Du bist doch stolz darauf, ein Buschhoff zu sein, oder irre ich da?«

»Schon, Mama! Aber nicht immer!« René füllte sein Glas ebenfalls. Sinnend fuhr er fort: »Wir haben das Glück, zum reichen Adel zu gehören. Unser Vermögen ist sehr groß und durch die diversen Anlagen vermehrt es sich. Es geht sogar ohne mein Zutun. Wir können daher ein standesgemäßes Leben führen. Trotzdem, Mama, ich würde gern einmal etwas völlig Verrücktes machen.«

»Das tust du oft genug, mein Lieber.«

René, der ahnte, was nun kommen würde, fragte rasch: »Darf ich dir noch etwas anbieten, Mama?«

»Danke! Wenn du auf den Butler oder das Mädchen verzichtest, dann kann ich es auch. Im Übrigen, dieser Lachs ist wirklich ausgezeichnet.« Ehe René ihr die Platte reichen konnte, hatte sie selbst zur Vorlegegabel gegriffen und bediente sich.

»Du hast recht, Mama. Daher esse ich auch zu Hause am liebsten.« Er lächelte. »Das heißt doch auch, den Abend in deiner Gesellschaft zu verbringen. Das ist für mich immer ein Vergnügen.«

René hob sein Glas und trank der Mutter zu. Er hoffte, das Gespräch in andere Bahnen gelenkt zu haben.

Seine Mutter erwiderte das Lächeln. Sie nippte an ihrem Glas. Ungerührt meinte sie dann: »Du setzt dich wirklich zu leicht über alles hinweg.«

René sah ein, dass er der Mutter nicht ausweichen konnte. So stellte er fest: »Nadine hat sich also wieder einmal über mich beklagt.«

»Nein, nein.« Abwehrend hob die Fürstin ihre gepflegten Hände. »Ich finde dein Verhalten nur nicht richtig. Du verschwindest einfach …«

»Mama«, unterbrach René. »Verzeih, aber ich habe dir gesagt, dass ich verreise. Ich wusste selbst nicht genau, wohin.«

»Ja, ja, mit mir hast du darüber gesprochen. Nadine hatte jedoch keine Ahnung. Sie hat nicht einmal gewusst, dass du verreist warst. Über eine Woche hast du nichts von dir hören lassen.«

»Ich hatte keine Veranlassung, sie anzurufen.« Die Hände des Prinzen verschlangen sich ineinander. Er hasste diese Art von Gesprächen. Er bemerkte, dass seine Mutter noch etwas sagen wollte, und kam ihr zuvor: »Du vergisst, dass ich mit Nadine weder verheiratet noch verlobt bin.«

»Stimmt!« Für den Bruchteil einer Sekunde presste die Fürstin ihre Lippen aufeinander. »Meine Ansicht darüber kennst du.«

»Ich soll mich verloben. Mama, jetzt ist es Nadine, vor zwei Jahren war es Lena von Birkenstein. Ich schätze Nadine, du weißt, dass ich mit ihr befreundet bin. Den Zeitpunkt meiner Hochzeit oder Verlobung würde ich allerdings gerne selbst bestimmen.«

Im Grunde konnte Fürstin Helene ihren Sohn verstehen. Sie konnte es nur nicht lassen, ihn immer wieder an sein Alter zu erinnern. Sie wünschte sich so sehr Enkel.

Fürstin Helene nahm sich noch etwas Kaviar. So aßen Mutter und Sohn die nächsten Minuten schweigend. Schließlich griff die Fürstin zur Serviette und tupfte sich die Lippen ab.

»Papa ist nun schon sechs Jahre tot. Was hältst du davon, wenn wir wieder einmal eine Einladung aussprechen?«

René runzelte die Stirn. Was hatte seine Mutter nun schon wieder vor?

»Die Feste auf Burg Buschen waren sehr beliebt. Es galt als große Ehre, eingeladen zu werden. Warum sollte es nicht wieder so werden?« In Erinnerung lächelte die Fürstin. »Der Ballsaal könnte ohne viel Aufhebens wieder gerichtet werden. Dein Vater war ein ausgesprochen guter Tänzer.«

René griff die Erinnerungen auf. »Du trugst stets die schönsten Kleider. Mich jedenfalls faszinierte dein Anblick. Du kamst mir vor wie eine Fee aus dein Märchen. Ich war sehr stolz.«

»Wie alt warst du da?«

»Ich glaube, fünf oder sechs Jahre. Heimlich schlich ich mich aus meinem Zimmer. Ich habe versucht, in den Ballsaal zu sehen. Später erlaubte mir mein Kindermädchen, dass ich einen Blick auf dich werfen konnte. Am hinteren Seiteneingang durfte ich jedes Mal einige Minuten stehen.«

»Davon wusste ich ja gar nichts.«

»Woher auch? Du hättest es nicht erlaubt. Der kleine Prinz in Pyjamahosen und mit zerzaustem Haar wäre sicher kein eleganter Anblick gewesen.

Erschrocken weiteten sich die Augen der Fürstin.

»Keine Sorge, ich wurde nie entdeckt. Dafür sorgte schon mein Kindermädchen. Diese Bälle gehören mit zu den schönsten Erinnerungen aus meiner Kinder- und Jugendzeit. Du und Papa, ihr fandet immer wieder einen Grund für solche Feste.«

»Ja, es war eine schöne Zeit. Egal, ob es das Frühjahrs- oder das Sommerfest war, überall wurde davon gesprochen. Unsere Feste waren die Ereignisse des Jahres. Für ein Frühjahrsfest ist es in diesem Jahr schon zu spät, aber wie wäre es mit einer Sonnwendfeier? Unser Park ist um diese Zeit besonders schön. Es ist bei uns einiges nicht mehr so wie früher, aber der Park ist weit und breit der schönste. Darum habe ich mich gekümmert.«

René nickte zustimmend. Er war erleichtert, dass seine Mutter von einem Sonnwendfest sprach und nicht von einer Verlobungsfeier.

»Wir haben April, so würde mir genügend Zeit für die Vorbereitung bleiben.« Die Fürstin hob den Kopf. Ihre Wangen hatten sich gefärbt. »Was meinst du? Würdest du mir zur Hand gehen?«

»Gerne, Mama! Eine gute Idee!« René dachte in erster Linie an seine Mutter, die seit Vaters Tod sehr zurückgezogen lebte. »Wir werden Musiker engagieren.«

»Ja, und auf alle Fälle einen Geiger, der im Park spielt. Geigenmusik ist sehr schön. Wir sollten uns fürs Erste auf einige Leute beschränken. Wenn das Wetter schön ist, könnte alles im Park stattfinden. Mitten im Teich könnte man ein Podium installieren, dort könnte eine Kapelle spielen. Los, mein Sohn! Den Kaffee können wir später nehmen. Lass uns einen Abendspaziergang machen. Wir können dann gleich alles in Augenschein nehmen.«

*

»Ist es nicht schön?« Unwillkürlich lehnte Fürstin Helene den Kopf an die Schulter ihres Sohnes, der ihr fürsorglich den Arm um die Schultern gelegt hatte. Gemeinsam sahen sie auf den Teich hinaus. Der Mond spiegelte sich im Wasser, das Schilf bewegte sich leicht im Wind. »Es ist unsere Heimat. Hier lebten schon unsere Vorfahren. Auch du wirst immer wieder hierher zurückkommen.«

»Du vergisst, dass ich die meiste Zeit des Jahres hier lebe. Der Park, der Garten, es ist ein kleines Paradies.«

»Aber es ist auch sehr einsam hier.« Die Fürstin löste sich von ihrem Sohn.

»Das wollen wir ändern, Mama. Du musst nur wieder Gäste empfangen.«

Die Fürstin trat noch weiter zur Seite. »Nein, nein, so meinte ich es nicht. Buschen ist eben sehr abseits gelegen.«

»Trotzdem werden die Gäste wiederkommen. Die Straße ist gut erhalten.«

»Ich dachte jetzt nicht an das Fest«, wehrte die Fürstin ab. »Buschen ist schön gelegen. Vom Turm aus kann man weit ins Land hineinsehen. Trotzdem muss man die Natur lieben, um hier zu leben. Dein Vater hat dies getan.«

»Ich tue es auch!« René begriff nicht, worauf seine Mutter hinaus wollte. »Unser Besitz ist umgeben von riesigen Wäldern. Obwohl ich nie ein Jäger gewesen bin, liebe ich es, durch den Pfälzer Wald zu gehen.«

»Du schon!«

»Ich verstehe nicht!« Liebevoll ergriff Prinz René die Schultern seiner Mutter. Er drehte sie so um, dass sie nun in Richtung Park sah. Die schön geformten, schmiedeeisernen Laternen beleuchteten die Parkwege. Als dunkle Schatten waren die alten, knorrigen Bäume zu sehen. »Es ist schön!«

»Ich könnte nirgendwo anders leben. Es ist so wunderbar still hier, nur das Plätschern des Springbrunnens in der Ferne ist zu hören. Wenn man ganz still ist, dann kann man auch den Wind in den Bäumen hören. Ob die jungen Frauen von heute das noch hören wollen?«

»Keine Ahnung! Darüber zerbreche ich mir auch nicht den Kopf.«

»Das solltest du aber. Deine zukünftige Frau soll schließlich einmal hier leben.«

Seine Hände versanken in den Hosentaschen, die Lippen pressten sich aufeinander. Es war nicht so, dass er diesen herrlichen Abend nicht gerne mit einer Frau geteilt hätte, aber er hatte stets das Gefühl, der richtigen noch nicht begegnet zu sein. Er ging gerne mit Nadine von Wolff aus, er mochte ihre geistreichen Bemerkungen, und trotzdem – der Gedanke, sie ständig an seiner Seite zu haben, ließ sein Herz nicht schneller schlagen.