Dietmar Bittrich

Achtung, Gutmenschen!

Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.

Inhaltsverzeichnis

Dank

Auf ins Vergnügen!

Erste Orientierung

Das tun die Guten

Das tun die Bösen

So nerven Umwelt-Gutmenschen

21 scheußliche Dinge, die Umwelt-Gutmenschen heute tun müssen . . .

Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Umwelt-Gutmenschen aufmuntern können

Zehn Fragen, mit denen man Umwelt-Gutmenschen vom kalten Büfett ablenken kann

Tagebuch eines Umwelt-Gutmenschen

Die neun quälendsten Hobbys der Umwelt-Gutmenschen

. . . und die schönsten Gegengifte

1. Sie wittern überall Chemie

2. Sie verfeuern Biosprit

3. Sie bauen Krötentunnel

4. Sie bekämpfen Elektrosmog

5. Sie sehnen sich nach Katastrophen

6. Sie fürchten Gentechnik

7. Sie leiden an Vogelgrippe

8. Sie retten Tiere

9. Sie sehen alles als Symptom

Jetzt werden wir selber gut!

Der Abschluss-Test

Noch nicht gut genug? Allerletzte Tipps

Sieben böse Geschichten für Umwelt-Gutmenschen

Die drei Frösche

Häuptling White Cloud und die Wölfe

Die kleine Schraube

Das Mädchen und die Seesterne

Die starke Palme

Der Kletterfrosch von Ulm

Irischer Reisesegen

So nerven Friedens-Gutmenschen

21 scheußliche Dinge, die Friedens-Gutmenschen heute tun müssen . . .

Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Friedens-Gutmenschen aufmuntern können

Zehn Fragen, mit denen man Friedens-Gutmenschen den Partner ausspannen kann

Tagebuch eines Friedens-Gutmenschen

Die neun quälendsten Hobbys der Friedens-Gutmenschen

. . . und die schönsten Gegengifte

1. Sie geben ihre Stimme ab

2. Sie lassen Kinder für den Frieden malen

3. Sie sind für den Schwächeren

4. Sie kochen für den Frieden

5. Sie betreiben Friedensforschung

6. Sie mögen Krieg

7. Sie läuten die Glocken

8. Sie fürchten Kriegerdenkmale

9. Sie pilgern zum Dalai Lama

Jetzt werden wir selber gut!

Der Abschluss-Test

Noch nicht gut genug? – Allerletzte Tipps

Sieben böse Geschichten für Friedens-Gutmenschen

Wie Alexander Persien eroberte

Laotse und der Frieden

Prinzessin Diana bei Mutter Teresa

Der Hund im Spiegelsaal

Der Fluss des Friedens

Das heilige Licht

Die Unzufriedenheit auf Wanderschaft

So nerven Unschulds-Gutmenschen

21 scheußliche Dinge, die Unschulds-Gutmenschen heute tun müssen . . .

Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Unschulds-Gutmenschen aufmuntern können

Zehn Fragen, mit denen man einem Unschulds-Gutmenschen die Torte wegschnappen kann

Tagebuch eines Unschulds-Gutmenschen

Die neun quälendsten Hobbys von Unschulds-Gutmenschen

. . . und die schönsten Gegengifte

1. Sie verbieten Negerküsse

2. Sie kämpfen gegen den Hass

3. Sie bürgern Hitler aus

4. Sie wollen immer Dialoge führen

5. Sie feiern Jahrestage

6. Sie geben sich als Opfer aus

7. Sie trinken Caipi für einen guten Zweck

8. Sie machen alles wieder gut

9. Sie fürchten, als Deutsche zu gelten

Jetzt werden wir selber gut!

Der Abschluss-Test

Noch nicht gut genug? Allerletzte Tipps

Sieben böse Geschichten für Unschulds-Gutmenschen

Die drei Siebe

Jeder Tag ist ein besonderer Anlass

Vom Wert der Niederlage

Friedrich der Große und der Lausitzer Bauer

Spuren im Sand

Der Professor und der Mönch

Desodorata

Mein Dank gilt der «Achse des Guten»

Auf ins Vergnügen!

«Wir müssten uns unserer guten Taten schämen, wenn die Beweggründe ans Licht kämen.»

FRANÇOIS DE LA ROCHEFOUCAULD

 

«Er war so ein guter Mensch!», beteuerte meine Großmutter, als ihr Ehemann begraben wurde. Die übrigen Verwandten lächelten, denn sie wussten es besser. Doch sie schwiegen. Er konnte nichts Böses mehr tun. Friede war mit ihm.

Lange Zeit ging das so: Mit dem Tod wurde man zu einem guten Menschen befördert. Jeder Besucher eines Friedhofes konnte sich angesichts der Grabinschriften davon überzeugen, dass der bessere Teil der Menschheit unter der Erde lag. «Willst du gescholten werden, heirate», lautete der klassische Rat. «Willst du gelobt werden, stirb.»

Das ist nicht mehr nötig. Niemand muss mehr sterben, um Lob zu ernten und ein rundum guter Mensch zu werden. Gut kann jeder bereits zu Lebzeiten werden. Und das, ohne sich anzustrengen! Es reicht schon, wenn einer «Schokokuss» sagt statt «Negerkuss». Damit beweist er seine Abscheu vor jeglicher Diskriminierung. Das ist schon mal eine Großtat. Wenn er dann noch eindringlich vor der Klimaerwärmung warnt, ab und zu die Armut in der Welt anprangert und immer mal wieder die Frage nach den Verantwortlichen stellt, kann nichts mehr schiefgehen.

Falls jemand noch etwas mehr tun will, aber das grenzt nun schon an Aktionismus, hält er im Fußballstadion gelegentlich eine Rote Karte hoch (gegen Rassismus), steckt in der Fußgängerzone einen Euro in die Greenpeace-Büchse, hinterlässt eine unleserliche Unterschrift auf dem Solidaritätsaufruf und schaltet am Abend für fünf Minuten das Licht aus, womit ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt ist gegen Krieg und Energieverschwendung.

Nun ist dieser Mensch eigentlich schon guter als gut. Er ist ganz offensichtlich für den Frieden, für die Völkerverständigung, für Umwelt, Natur, Kinder, Tiere, Opfer, soziale Gerechtigkeit, für friedliche Konfliktbewältigung und im Zweifelsfall für die berechtigten Anliegen aller Menschen.

Nie in der Geschichte war es so einfach, auf der richtigen Seite zu stehen und sich unschuldig und gut zu fühlen – und das Böse draußen zu wittern, jenseits des Fernsehers, in den verborgenen Schaltzentralen der Macht, in der Globalisierung, in Amerika, in den multinationalen Konzernen. Es war noch nie so einfach, sich gut zu fühlen – obwohl es gerade wieder ein bisschen schwieriger wird. Denn die Ära Bush ist vorüber. Jammerschade!

Bereits vor zwanzig Jahren wurde anständigen Menschen das Leben auf einmal schwergemacht, als in Südafrika die Apartheid abgeschafft wurde. Das war ein bitterer Verlust. Plötzlich mussten sie sich nach jemand Neuem umsehen, den sie anklagen und zu Freiheit und Gerechtigkeit auffordern konnten.

Da kam Kohl. Was für herrliche Zeiten! Alle waren sich einig, dass sie besser waren als Kohl, klüger, schlanker, witziger. Ein Vergleich mit ihm wirkte jederzeit stärkend und aufbauend, zumindest in Deutschland. Und dann kam die Krönung, dann kam Bush! Solange Bush jr. amerikanischer Präsident war, genügte in geselliger Runde ein Hinweis auf ihn, und alle konnten sich einig sein in ihrer heiteren und empörten Überlegenheit. An Intelligenz und außenpolitischer Sensibilität haben ihn alle guten Menschen mühelos überflügelt.

Als der Irakkrieg begann, schrieb der Autor Paolo Coelho im Hochgefühl seiner moralischen Überlegenheit einen ironischen Dankesbrief: «Danke, Mr. Bush, dass Sie uns missachten. Danke, dass Sie uns erfahren lassen, wie man sich fühlt, wenn man machtlos ist. Danke, dass Sie uns nicht zugehört und uns nicht ernst genommen haben.» Und so weiter, zwei Seiten lang. Wofür Coelho in Wahrheit dankbar war, erwähnte er mit keinem Wort. Wahrheitsgemäß hätte er schreiben müssen: «Danke, dass Sie es mir ermöglichen, mich als gut und friedliebend zu empfinden!» Denn genau diesen Triumph hatte Bush ihm und allen anderen verschafft. Bush machte alle Erdenbewohner zu Menschen, die sich klug und gut und feinsinnig dünkten. Ein historisches Verdienst.

Aber jetzt? Was können Gutmenschen nach ihm tun? In Deutschland haben sie immer noch Hitler, an dem sie sich messen können. Dabei schneiden sie im Allgemeinen prächtig ab. Hitler hielt sich ebenfalls für einen guten Menschen, mit ein paar Ecken und Kanten; aber da muss er einen schiefen Blick gehabt haben, während die wirklich guten Menschen alles ziemlich klar sehen. Es bleibt dabei: Im Notfall, wenn alles andere zu kompliziert erscheint, können sie Zuflucht nehmen zu einem Hinweis auf die Nazi-Vergangenheit, am besten unter dem Motto «Nie wieder», oder zu einem Vergleich unter der Parole «Wehret den Anfängen». Prompt fühlen sie sich wieder obenauf.

Glücklicherweise gibt es noch weitere erlösende Themen und Rezepte, die zum moralischen Wohlfühlen geeignet sind. Ich habe sie in diesem Buch versammelt. Es sind die bewährten Rezepte der Moralapostel, der privaten und der öffentlichen. Diese Rezepte werden überall erfolgreich nachgekocht: von den Predigern in den Feuilletons, von den Gästen der Talkshows und in den Kultursendungen, von all jenen, die immer nur das Beste wollen, die sich bedeutend und besonders fühlen möchten, kurz, die es geschafft haben, ihren Egotrip als Wohltat für die Menschheit auszugeben.

Das sind gar nicht so sehr die üblichen verdächtigen Politiker und Pfarrer als vielmehr deren Kritiker. All die ungefragten Kommentatoren, die sich für aufgeklärt und kritisch halten. Sie sind die Prediger und Mitläufer der Religion des Gutmenschentums. Religion ist das, woran man glaubt und wozu man sich bekennt. Und das sind zurzeit schlichteste Floskeln wohlmeinender Gesinnung. Gutmenschen formulieren daraus ihre eigenen Ablassbriefe.

«Ich habe die Live-8-CD gekauft», «Ich bin gegen den Hass», «Ich habe die Aids-Gala gesehen», «Ich habe den Aufruf für Klimaschutz unterschrieben», «Ich bin für den Frieden», «Ich habe das T-Shirt ‹Deine Stimme gegen die Armut› bestellt, weil man was tun muss», «Ich bin gegen Nazis» – dergleichen todesmutige Bekenntnisse reichen Gutmenschen, um sich für eine Weile aller Sünden ledig zu fühlen. Umso behaglicher können sie dann privat hassen, raffen, übervorteilen und Diktator sein.

Ist das verwerflich? Nein, das ist normal. Heuchelei ist eine Primärtugend. Sie dient dem Überleben. Das Ich will bestimmen, das Ich will Diktator sein, das Ich will Gott sein, darf es aber nicht zugeben. Diese Erkenntnis Freuds bleibt gültig. Und sie wird am allerwenigsten widerlegt von Leuten, die behaupten, sie wollten Gutes. Dass es im Augenblick so viele tun, immer unter der Flagge des Engagements, ist kein Zeichen von Zivilcourage, sondern vom präzisen Gegenteil – von der Furcht, bei Fehlern ertappt und dann gerügt, angegriffen und ausgegrenzt zu werden.

Wer ertappt und rügt einen eigentlich? Vorwiegend Leute, die sich als Opfer verstehen. Leute, die sich als beleidigte Minderheit begreifen. Und – mit noch größerer Verve – alle, die in deren Namen sprechen möchten.

Hanns Joachim Friedrichs, einst Leiter der «Tagesthemen», hat behauptet, ein Journalist dürfe sich mit keiner Sache gemeinmachen, auch nicht mit einer guten. Wer weiß, ob er eine derartige Unabhängigkeit heute noch fordern würde. Der Wunsch, dazuzugehören und möglichst nichts falsch zu machen, ist dominant geworden. Niemand möchte dabei ertappt werden, dass er öffentlich «Neger» sagt statt «Farbiger» oder gar «Zigeuner» statt «Roma» und, jetzt wird es schon verbrecherisch, «Rasse» statt «Ethnie». Wer so etwas tut, muss zur Buße entweder sofort eine Anti-Kriegs-Gala ausrufen oder beim Dalai Lama Zuflucht suchen.

Die Prominenten schwadronieren vorweg. Auf wohltätigen Geselligkeiten oder auch auf ihren Websites sondern sie Aufrufe ab zu ökologischem Bewusstsein, sozialem Engagement und interkultureller Dialogbereitschaft. So dröhnend hohl die Phrasen sind, keiner kann dagegen sein. Das ist das Schöne. So entfällt auch jede Notwendigkeit einer staatlichen Zensur. Wo jeder als gut gelten möchte, zensiert auch jeder freiwillig seine Kollegen und sich selbst.

«There’s nothing either good or bad but thinking makes it so», äußerte Shakespeare: Gut und Böse seien eine Sache des Denkens, nicht der Realität. Und da, wer an das Gute denkt, gleichzeitig auch immer an das Böse denken muss, wird das Böse nie verschwinden. Das chinesische Yin-Yang-Symbol sagt aus, dass Schwarz und Weiß immer im gleichen Maße vorhanden sind. Wer Weiß vermehrt, vermehrt im gleichen Maße Schwarz, ungewollt und automatisch. Wer emsig für das sogenannte Gute kämpft, schafft ebenso emsig das sogenannte Böse.

Das ist erleichternd. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Wir können ruhig so tun, als wären wir gut; das Böse bleibt uns treu. Wie sang die Erste Allgemeine Verunsicherung? «Das Böse ist immer und überall.» Das ist beruhigend. Das ist entspannend. Das macht optimistisch. Denn solange es etwas gibt, das wir böse nennen können, dürfen wir uns supergut fühlen.

Ja, auch ich, der Autor, möchte ab und zu mal als guter Mensch gelten. Sie etwa nicht? Na, kommen Sie. Wie? Dann lassen Sie uns unseren Spaß haben! Denn man kann mit diesem Buch auf zweierlei Weise glücklich werden. Erstens, indem man Gutmenschen ärgert. Indem man ihre Phrasen entlarvt, ihre Argumente aushebelt, indem man sie zwiebelt, grillt und ins Verlies ihrer eigenen Hohlheit versenkt. Und zweitens, indem man ihre schlichten Rezepte befolgt und selbst ein Gutmensch wird! Kann ja mal nötig sein. Beides lässt sich mit diesem Buch heiter und mühelos verbinden.

Auf in den Vergnügungspark der guten Menschen!

Erste Orientierung

Das tun die Guten

lassen sich ein

setzen Zeichen

bewegen etwas

üben Solidarität

erfinden sich neu

denken nachhaltig

fördern Behinderte

leisten Trauerarbeit

rocken gegen Rechts

gehen aufeinander zu

integrieren Ausländer

tragen zum Frieden bei

bauen alte Feindbilder ab

planen zukunftsorientiert

regen zum Nachdenken an

stoßen einige vor den Kopf

suchen eine gemeinsame Linie

arbeiten die Vergangenheit auf

führen den Dialog der Kulturen

treffen sich auf gleicher Augenhöhe

unterschreiben Unterschriftenlisten

Das tun die Bösen

sehen weg

grenzen aus

lassen nicht los

tun sich schwer

denken nicht um

treten suboptimal auf

sind unfähig zu trauern

spalten statt versöhnen

leben ein falsches Leben

bauen den Sozialstaat ab

sprechen Denkverbote aus

landen in der Ausweglosigkeit

benutzen Totschlagargumente

säen Zwietracht in die Herzen

fördern die Spirale der Gewalt

machen ihre Hausaufgaben nicht

hegen unterschwellige Vorurteile

treiben die Entpolitisierung voran

kommen nie in der Wirklichkeit an

sind zynisch und menschenverachtend

vergrößern die Kluft zwischen Arm und Reich

kehren in die Verhältnisse früherer Jahrhunderte zurück