CLOWNFLEISCH 

Tim Curran


übersetzt von Kalle Max Hofmann

 





This Translation is published by arrangement with Tim Curran
Title: CLOWNFLESH. All rights reserved.


Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

 

Impressum


Deutsche Erstausgabe
Originaltitel: CLOWNFLESH
Copyright Gesamtausgabe © 2020 LUZIFER Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

 

Cover: Michael Schubert
Übersetzung: Kalle Max Hofmann
Lektorat: Astrid Pfister

  

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2020) lektoriert.

  

ISBN E-Book: 978-3-95835-518-7

  

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Kapitel 1


Heute Nacht kommt ein Blizzard über uns, ein geradezu tobendes Monster von einem Blizzard.
Er bringt pfeifende Winde mit sich, deutliche Minusgrade, und sein Bauch ist aufgebläht, mit Schnee und eiskaltem Regen. Craw Falls – ein stinknormales, kleines Kaff im südöstlichen Teil des Bundesstaates – liegt genau auf seinem Weg, und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, versteckt sich noch etwas anderes in dem Sturm. Es benutzt das Unwetter als Tarnung, um in aller Ruhe zu jagen … Menschen zu jagen.

 

Doch dazu kommen wir später.

 

Im Moment sitzt Milford Zeiss, direkt neben seiner klapprigen Fischerhütte, auf dem Eis des Crow Lakes, etwa eine Meile vom Ort entfernt und angelt Barsche. Er hat nicht die geringste Lust, damit aufzuhören, denn im Moment beißen die richtig dicken Dinger wie verrückt. Sie schnappen quasi sofort nach seinen Wachswürmern, sobald er sie zu Wasser lässt. Der Eimer wird voller und voller und er sieht sich schon in einer strahlenden Zukunft voller gegrillter Barsche. So ein Glück hatte er schon lange nicht mehr.

Aber dieser verdammte Sturm!

Oh Mann, das wird echt heftig, denkt Mil, doch er lässt den Haken trotzdem noch ein letztes Mal ins Wasser gleiten. Keine zwanzig Sekunden später zieht er auch schon den nächsten dickbäuchigen Barsch hinaus und wirft ihn in den Eimer.

Inzwischen klappert seine Holzhütte im Wind und selbst Mil macht sich so langsam Sorgen. Dabei angelt er schon seit 1954 im Crow Lake, damals war er gerade einmal zarte acht Jahre alt. Er seufzt bitterlich, schwer enttäuscht von Mutter Natur, die ihm gerade einen dicken Strich durch die Rechnung macht – ausgerechnet in einer Nacht, wo seine Ausbeute nicht nur gut, sondern richtig spektakulär ist. Widerwillig packt er seine Sachen zusammen und schließt den Abzug des Holzofens, damit das Feuer ausgeht.
»Morgen ist ja auch noch ein Tag«, murmelt er durch seine zusammengebissenen Zähne, doch das bessert seine Laune auch nicht. Er weiß schließlich ganz genau, wie verdammt unberechenbar die Fische hier sind, und so eine Nacht wie heute wird es vielleicht wochenlang nicht mehr geben – vielleicht sogar Monate oder Jahre nicht. Deshalb fühlt er sich, als hätte ihm jemand gehörig in die Eier getreten.

Niedergeschlagen öffnet Mil den Riegel an der Holztür, die ihm der Wind jedoch sofort aus der Hand reißt. Verdammt, was für eine Brise. Im Licht seiner Laterne peitscht der Schnee wie eine wilde, wütende Masse durch das Dunkel der Nacht. Mil muss sich richtig gegen den Wind stemmen, als er die paar Schritte zu seinem Schneemobil macht, einem Polaris Colt von 1976. Er startet den Motor und gibt ihm ein paar Minuten, um warm zu werden.

Als er endlich in der Hütte ist, nachdem er die Tür mit viel Mühe aufbekommen hat, schiebt sich Mil eine Winston in den Mundwinkel und entzündet sie mit seinem Zippo. Eine echt höllische Nacht, denkt er. Richtiges Scheißwetter. Aber er hat schon Schlimmeres erlebt, zumindest redet er sich das ein. Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette und sagt sich, dass er das Ufer schon finden wird, trotz der schlechten Sicht. Er ist schließlich nur eine Viertelmeile vom Land entfernt und muss doch einfach nur den alten Spuren seines Schneemobils folgen. Abgesehen davon ist sein Polaris wie ein Pferd, es findet zur Not auch allein den Weg, selbst wenn der Reiter mal die Orientierung verloren hat.

Mil wird klar, dass er garantiert als Einziger noch auf dem Eis ist, wenn man sich diesen Sturm mal genauer betrachtet. Er ist eben hart gesotten. Ein echter Draufgänger. Wenn die Fische so beißen, dann braucht es schon ein echtes Wunder, um einen Zeiss vom Eis zu kriegen. Sein Vater hatte früher immer gesagt, dass die Warmduscher bei Sonnenuntergang nach Hause gehen, doch dann fängt für die echten Männer das Angeln erst richtig an. Mil lächelt bei diesem Gedanken. Dennoch weiß er, dass man einen Blizzard auf einem zugefrorenen See nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er hat schon genug Winter im hohen Norden erlebt, um einen gehörigen Respekt davor zu haben.

Er nimmt einen letzten Zug, dann wirft er den Stummel in den Ofen und läutet damit den Feierabend ein. Er dreht die Gaslaterne aus und zieht sich seine Wollhandschuhe über, dann schnappt er sich den Eimer mit den Fischen und geht nach draußen, wobei er darauf achtet, dass der Wind ihm nicht die Tür aus der Hand reißt. Er verstaut den Eimer sorgfältig auf dem Polaris und macht sich anschließend bereit für die Fahrt nach Hause. Er muss nur noch schnell die Hütte zuschließen, dann ist er bereit zur Abfahrt. Doch plötzlich hält er inne.

Was zur Hölle ist das?

Trotz des anhaltenden Jaulens des Windes hört er etwas, das sich wie klingelnde Glocken anhört. Das kann doch nicht sein. Aber dann hört er es wieder, und dieses Mal scheint es noch näher zu sein. Aber hier draußen? Vielleicht hat ja irgendein Idiot ein Windspiel oder so etwas Ähnliches an seine Hütte gebunden, und nun fliegt das Ding durch die Gegend. Er erinnert sich, dass Johnny Pallanpa vor ein paar Jahren mal einen zwei Meter langen Flaggenmast auf sein Dach gepflanzt hat, um aus Solidarität mit den Truppen im Irak das amerikanische Sternenbanner wehen zu lassen. Eines Nachts hat dann ein ähnlich starker Sturm nicht nur den Mast abgerissen, sondern gleich auch noch das halbe Dach mitgenommen. Als Johnny endlich fertig damit war, den Schaden unter viel Schwitzen und Fluchen zu reparieren, war er deutlich weniger patriotisch gestimmt gewesen.

Auch darüber muss Mil lächeln.

Doch dann hört er das Klingeln ganz in seiner Nähe und sein Lächeln verschwindet. Irgendwas daran stimmt nicht … nicht hier draußen … nicht in so einem Sturm und in solcher Dunkelheit, mitten auf einem zugefrorenen See. Es ist nicht so, dass er Angst hat – zur Hölle noch mal, er hat als Mitglied der ersten Luftkavallerie 1965 schließlich den Kampf um Ia Drang überlebt und seitdem hat ihn nichts mehr schrecken können. Trotzdem ist er etwas besorgt. Als er auf sein Schneemobil steigt, hört er die Glocken dicht hinter sich.

Das reicht.

 

Kapitel 2

 

Mil gibt Gas und zischt mit bemerkenswerter Geschwindigkeit über den hart zusammengepressten Schnee. Mühelos findet er seine alten Kettenabdrücke und folgt ihnen. In zehn Minuten ist er wieder an Land. Er könnte zwar noch ein bisschen schneller fahren, aber er will nicht Gefahr laufen, bei dieser schlechten Sicht seine Spur zu verlieren. Es ist ein wirklich übles Unwetter, die Seitenwinde drücken ihn fast aus dem Sitz und er kann nicht mal fünf Meter weit sehen. Hier draußen auf dem blanken Eis ist es sogar noch schlimmer, denn hier gibt es weit und breit kein Hindernis. Der Wind bläst einfach mit voller Kraft und wird eher noch stärker als schwächer.

Plötzlich hört er die Glocken wieder und auch wenn es verdammt noch mal unmöglich ist, klingt es so, als würden sie sich direkt neben ihm befinden. Trotzdem hat Mil noch immer keine Angst. Unter seinem Schneeanzug schwitzt er zwar, das Herz schlägt ihm bis zum Hals, und er beißt die Zähne zusammen, damit sie nicht klappern, doch Angst hat er nicht. Denn er weiß, was Angst aus Männern machen kann. Er hat es in der Landezone X-Ray im November '65 selbst erlebt, als die Kämpfe eskaliert waren und der Vietcong sie mit allem beschossen hatte, was sie hatten, vielleicht abgesehen von ihren Stiefeln und Reisbeuteln. Angst konnte einen dazu bringen, seltsam zu denken, und dann beging man Fehler.

Er ist ja gleich da, es ist nun nicht mehr weit.

Mil denkt ganz fest daran und klammert sich in Gedanken an das nahende Festland, wobei der Schnee wie ein bodenloser Strudel um ihn herumwirbelt. Doch plötzlich fühlt er einen Stich in seinem Herzen, denn was er da am Rande seiner schmalen Piste sieht, ist einfach unmöglich. Es kann nicht sein. Nicht hier draußen. Doch die Gestalt winkt ihm zu, als er vorbeifährt und grinst dabei breit.

Jetzt will er doch schneller fahren. Mil gibt Vollgas, er muss das Land unbedingt erreichen. Komme, was wolle, er muss es schaffen. Seine Gedanken füllen sich unwillkürlich mit den grausamen Bildern der Landezone X-Ray und er denkt daran, wie er sich damals, vor so vielen Jahren, immer wieder gesagt hat, dass, wenn er es nur schaffte, bis zum Morgengrauen durchzuhalten, alles in Ordnung wäre. Jetzt muss er das Festland erreichen, denn wenn er das schaffte, wäre alles …

Lieber Gott im Himmel!

Die Gestalt ist plötzlich direkt vor ihm. Sie steht einfach so mit offenen Armen da und wartet auf ihn. Mil weiß ganz genau, dass sie ihn niemals überholt haben kann … nicht auf dem Eis … nicht im Dunklen … nicht bei diesem Sturm. Was auch immer dieses Ding ist, es ist definitiv kein Mensch. Er kann das fiese, grinsende Gesicht sehen – die Zähne sind lang und scharf. Mil gibt erneut Vollgas. Er wird das Ding einfach volle Pulle umfahren. Einfach wegsensen. Es kommt näher und näher. Mein Gott, diese Augen!

Im letzten Moment macht die Gestalt einen Schritt zur Seite und Mil fühlt so etwas wie ein Stahlseil an seinem Hals, das ihn von der Maschine reißt. Er kracht mit voller Wucht aufs Eis. In seiner Schulter flammt ein höllischer Schmerz auf. Sein Gefährt schlittert in eine Schneedüne, wühlt sich darin noch ein Stück nach oben und kippt dann schließlich auf die Seite.

Trotz der entsetzlichen Schmerzen kämpft sich Mil auf die Beine.

Er hat ein Springmesser am Gürtel und zieht es jetzt hervor, dann lässt er die fünfzehn Zentimeter lange Klinge herausschießen. Der Sturm peitscht auf ihn ein und schleudert ihm die ganze Zeit Schnee ins Gesicht. Eiskalte Winde versuchen, ihn wieder zu Boden zu drücken, doch in seinen Venen pulsiert immer noch etwas von dem eisenharten Willen des Soldaten der ersten Luftkavallerie.

Zeig dich, du feiges Monster. Wenn du aufgeschlitzt werden willst, dann komm her!

Dann steht die Gestalt plötzlich direkt vor ihm. Die Zähne sind wie Eiszapfen, die Klauen, die nach ihm greifen, wie die eines Bären. Mit einem Aufschrei rammt Mil das Messer tief in dessen Fleisch und ein wildes Jaulen ertönt aus der Kehle der Kreatur. Doch dann erwischt ihn eine der Krallen. Seine Kehle wird brutal herausgerissen, bevor er auch nur den Gedanken fassen kann, auszuweichen.

Er ringt nach Luft, doch Blut flutet seinen Mund und schießt aus seinem zerrissenen Hals hervor. Kraftlos fällt er auf das Eis und seine Lebenskraft scheint ihn als heißer Dampf zu verlassen. Die Gestalt beobachtet genüsslich, wie er stirbt. Erst, als er sich nicht mehr bewegt, stürzt sie sich auf ihn, um zu fressen.

 

Kapitel 3

 

Obwohl er nun schon seit zehn Jahren der Sheriff von Clay County ist, weiß Will Teague ganz genau, dass ihn die meisten der alten Leutchen hier im Ort immer noch den Neuen nennen. Genau wie sein Vorgänger steht Will immer noch im Schatten von Lester Pease, der entweder der beste Cop aller Zeiten gewesen sein musste, oder das größte Arschloch, das je einen Sheriffstern getragen hatte – je nachdem, wen man fragte.

Lester war 1993, nach stolzen vierzig Dienstjahren als County-Sheriff in Rente gegangen. Sein Nachfolger war Benny Lacks gewesen, der dieses Amt innehatte, bis Teague ihn 2005 abgelöst hatte. Doch selbst jetzt, über zwanzig Jahre später, war Lesters Glanz noch immer nicht verblasst – sein Schatten hingegen wurde immer länger. Für die Rentner in Craw Falls war Lester Pease augenscheinlich einfach nur der beste und härteste Cop, den die Welt je gesehen hatte, zu gleichen Teilen Dirty Harry und John Wayne. Ein pflichtbewusster, fleißiger Teufelskerl, der immer ganz genau gewusst hatte, was im Ort los war. Sobald irgendeine metaphorische Scheiße passierte, hatte er offenbar sofort mit der Schaufel daneben gestanden und hatte klar Schiff gemacht.

Die Frage war nur: Was an diesem Bild entsprach der Wahrheit und was davon war von Lester einfach nur vorgegaukelt worden? Ehrlich gesagt, war das im Nachhinein schwer zu sagen.

Als der Blizzard schlimmer wird, fährt Teague gerade die Nebenstraßen der Stadt ab und denkt über die Dinge nach, die außer ihm und Lester niemand weiß … die Veruntreuung von Geldern, die frisierten Statistiken, die gefälschten Beweise … und noch ein halbes Dutzend anderer unangenehmer Wahrheiten, die er damals, als Lesters Hilfssheriff, über seinen Boss erfahren hat. Benny Lacks hat es nie herausgefunden, sonst hätte er Les garantiert eingebuchtet. Teague hingegen hätte das natürlich tun können, doch er hatte es dem alten Mann durchgehen lassen, denn unterm Strich war durch Lesters schlampige Ermittlungsarbeit niemand je zu ernsthaftem Schaden gekommen. Nun war Les tot, deshalb breitete er einfach den Mantel des Schweigens über die Vergangenheit, auch wenn einiges davon einen wirklich üblen Nachgeschmack bei ihm hinterlassen hatte. Bis zu seinem Todestag hatte Les genau gewusst, dass Teague ihn durchschaut hatte, und wann immer sich die beiden getroffen hatten, hatte er es kaum fertiggebracht, Teague in die Augen zu schauen. Sein langer Schatten war nach und nach bis zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft.

Es ist schon seltsam, dass Will ausgerechnet jetzt darüber nachdenkt, während unbändige Winde den Schnee durch die nächtlichen Straßen treiben, aber manchmal holt einen die Vergangenheit eben ein.

Auf seiner Fahrt sieht der Sheriff nur wenige Menschen, was gut ist, doch auf der Hauptstraße sind eine Menge Autos geparkt, was schlecht ist, weil der Schneepflug hier bald durch muss. Das bedeutet, er muss sämtliche Kneipen abklappern und den Saufnasen sagen, dass sie gefälligst ihre Vehikel wegfahren sollen, und das würde ihnen garantiert nicht gefallen. Sie werden Ärger machen, das weiß er ganz genau.

Aber das gehört nun mal zu seinem Job.

Die Schaufel wurde weitergereicht und nun muss er die Scheiße wegschaufeln.

Er parkt vor einer Bar namens Broken Bottle, steigt aus und bleibt für einen Moment unter der wild im Wind schwingenden Werbetafel stehen, um sich in die richtige Stimmung für seine Aufgabe zu bringen. Wenn das folgende Gespräch die unangenehmste Situation ist, die ihn heute Nacht erwartet, war das doch eigentlich in Ordnung, denn es gibt deutlich schlimmeres, sagt er sich.

Damit hat er verdammt recht, denn schon bald wird er etwas bedeutend Schlimmeres kennenlernen.

 

Kapitel 4

 

Es ist alles Tubbs Schuld, und Gina hat bereits beschlossen, dass er dieses Mal aus ihrem Haus ausziehen muss, sobald er wieder aus dem Knast kommt. Es ist ihr scheißegal, dass er ihr Bruder ist. Sie hat einfach keine Lust mehr, sich um einen Vierzigjährigen zu kümmern, der sich immer noch wie ein Teenager benimmt. Die Quelle ihrer schwesterlichen Nächstenliebe hat lange genug gesprudelt, nun ist sie ausgetrocknet wie ein Wüstencanyon.

Das ist schon das zweite Mal, dass er in den letzten anderthalb Jahren wegen Trunkenheit am Steuer eingebuchtet wurde, denkt sie, während sie darum kämpft, ihren Toyota trotz des unnachgiebigen Blizzards in der Spur zu halten. Dieses Mal behalten sie ihn garantiert für mindestens drei Monate da, und der Vollidiot hat jede Stunde davon verdient.

Was für ein Sturm!

Auf dem Hinweg nach Vermillion war es ja schon schlimm gewesen, aber nun ist die Straße kaum noch passierbar. Vor zwanzig Minuten hat sie noch einen Schneepflug gesehen, doch inzwischen liegen schon wieder über zehn Zentimeter Schnee. Wenn das so weitergeht, würde sie noch eine halbe Stunde bis nach Craw Falls brauchen – falls sie überhaupt jemals dort ankommt.

Danke, Tubb. Vielen Dank auch!

Sie kann sich lebhaft vorstellen, wie der Trottel gerade in einer gemütlichen Sammelzelle sitzt und mit den anderen Delinquenten Zigaretten raucht, während sie hier quasi um ihr Überleben kämpft. Natürlich hätte sie gar nicht nach Vermillion fahren müssen. Tubb und seine blöde Sucht hätten auch bis Montag warten können, aber ihr blöder Helferkomplex hatte schließlich wie immer gewonnen. Das hatte sie zwölf Jahren katholischer Mädchenschule sowie einer Mutter, die das eigene Leiden zur Kunstform entwickelt hatte, zu verdanken. In einem tobenden Blizzard den ganzen Weg nach Vermillion zu fahren, nur um ihrem geliebten Sohn eine Stange Kippen zu bringen, wäre garantiert ganz genau das, was sie getan hätte. Also muss Gina es auch tun, denn alles andere wäre undenkbar. Schließlich ist das Märtyrertum in der Keller-Familie so eine Art Wettkampf.

Ich liebe dich, Mom, und ich vermisse dich jeden Tag, aber ich bin es wirklich leid, immer krampfhaft zu versuchen, noch mehr zu leiden als d…
Der Wind trifft den Wagen plötzlich wie eine Tsunamiwelle und Gina klammert sich so fest sie kann, am Lenkrad fest, damit es ihr nicht aus der Hand gerissen wird. Der Toyota rutscht nach rechts und kippt dann etwas nach links, als er über den vereisten Straßenrand rutscht. Als sie schon kurz davor ist, im Graben zu landen, bekommt sie den Wagen endlich wieder unter Kontrolle.

Mein lieber Herr Gesangsverein, das war aber knapp.

Der Wind peitscht über die weiten Felder und wirft unablässig eine Art weißen Vorhang auf die Frontscheibe des Wagens. Die Wischer laufen bereits auf Hochtouren, um das Glas einigermaßen freizuhalten. In den Kegeln des Fernlichtes tanzen die weißen Flocken, als würde man unaufhörlich eine Daunendecke ausschütteln.

Gina kneift die Augen zusammen, um herauszufinden, wo sie ist.

Sie hat schon seit einer Weile kein anderes Auto mehr gesehen und die Straße ist ein jungfräuliches weißes Band, das am Rand in die umliegenden Felder übergeht. Zögerlich nimmt sie den Fuß vom Gas. Es ist unmöglich, zu sagen, ob sie überhaupt noch in ihrer Spur ist, oder schon im Gegenverkehr. Der Toyota schlingert um eine Kurve, als der Schnee ihre Fahrt schließlich zum absoluten Blindflug macht. Die Sichtweite beträgt jetzt nicht einmal mehr zehn Meter.

Dann sieht sie plötzlich Scheinwerfer. Sie halten genau auf sie zu, und das mit einer irren Geschwindigkeit. Scheiße!

Sie muss tatsächlich die Mittellinie überquert haben und nun kommt ein Laster genau auf sie zu. Der Trucker lässt sein mächtiges Horn ertönen, während Gina von absoluter Todesangst übermannt wird. Wenn sie das Steuer jetzt zu schnell herumreißt, werden die Reifen ihre Haftung verlieren und sie wird frontal mit dem LKW zusammenstoßen. Also dreht sie, so vorsichtig es geht, am Lenkrad und schafft es gerade so, an dem entgegenkommenden Wagen vorbei. Es ist ein Tieflader, der mit Kieferstämmen beladen ist. Es sind nur wenige Zentimeter, die zur absoluten Katastrophe gefehlt haben. Wenn man eine Orange zwischen die beiden Fahrzeuge geklemmt hätte, wäre diese nun geschält. Sie kann von Glück sagen, dass der Truck bei seinem Ausweichmanöver nur eine riesige Ladung Schnee abgeworfen hat, die ihren kleinen Wagen beinahe in den Graben befördert hätte.

Die nächsten zwanzig Minuten sind dankbarerweise deutlich ruhiger.

Schließlich kämpft sich der Toyota über eine Kuppe und Gina kann Craw Falls in dem Tal vor sich sehen. Die Lichter der Stadt funkeln wie auf einem kitschigen Gemälde und das Ganze wirkt beinahe wie eine Fata Morgana in der Wüste, denn innerhalb von Sekundenbruchteilen ist die Aussicht wieder im Blizzard verschwunden.

Ich bin fast zu Hause, denkt sie. Bald bin ich da.

Als sie nur noch fünf Minuten vom Stadtrand entfernt ist, rollt sie einen Hügel hinunter und muss sich anschließend durch zehn Zentimeter hohen Schnee kämpfen, der die Straße komplett bedeckt.

In diesem Moment tritt eine Gestalt in ihren Scheinwerferkegel. Sie schreit erschrocken auf und tritt auf die Bremse. Der Toyota schaukelt hin und her, rutscht aber auf dem gefrorenen Untergrund beinahe ungebremst weiter. Es gibt ein grauenhaftes, dumpf klingendes Geräusch, als die Person von der Stoßstange erfasst und dann ins Schneegestöber geschleudert wird.

Das Nächste, was Gina mitbekommt, ist, dass der Toyota bis zur Windschutzscheibe in einem Schneehaufen steckt. Sie legt den Rückwärtsgang ein, aber die Räder drehen einfach durch. Sie versucht sich zu beruhigen, schaltet die Warnblinkanlage an und öffnet dann unter hohem Kraftaufwand die Tür. Anschließend torkelt sie in den Sturm hinaus.

Der eiskalte Wind peitscht auf sie ein und sofort fühlt sich ihr Gesicht taub an.

Ihr ganzer Körper zittert, doch nicht nur wegen der Kälte. Sie hat jemanden angefahren, und es gibt absolute keine Chance, dass diese Person noch einmal aufsteht. Sie muss sofort die 911 wählen und die Leiche suchen. Allein der Gedanke daran, lähmt sie, denn sie hat ganz genau gesehen, wen sie gerammt hat, oder besser gesagt, was. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Sie hat einen Clown überfahren!

  

Kapitel 5

 

»Jetzt beruhigt euch doch endlich mal!«

Die Stimme von Sheriff Teague dröhnt aus den Boxen der Karaoke-Anlage. Sogar die Biker, die im Nebenraum Billard spielen, halten inne und stützen sich auf ihre Queues auf. In der gesamten Kneipe kehrt jetzt Stille ein, niemand im Broken Bottle macht auch nur das leiseste Geräusch. Die Gäste haben ihre Biergläser vergessen und fassen auch die Schnäpse nicht mehr an. Die fettigen Pizzastücke auf den Papptellern werden langsam kalt.

»Also«, setzt Teague erneut an. »Ich habe nicht gesagt, dass ich das Broken Bottle schließen will. Dazu habe ich gar nicht die Autorität, und …«

»Da kannst du aber einen drauf lassen, dass du die nicht hast«, erwidert einer der Gäste lautstark, was zu Jubelrufen und Klatschen führt.

Teague schüttelt den Kopf. »Danke, Carpy. Wenn ich dich das nächste Mal anhalte, weil du Schlangenlinien fährst, dann nehme ich dir nicht nur den Schlüssel weg, dann verfrachte ich dich direkt in eine Zelle.«

Auf einmal ist der Enthusiasmus von George Carp drastisch gedämpft. Er starrt in sein Bierglas, als würde er irgendwo in dem Sud seinen verlorenen Mut wiederfinden können.

Teague fährt fort: »Niemand will das Broken Bottle dichtmachen, ich informiere euch lediglich über den Ernst der Lage, denn es ist wirklich verdammt ernst. Draußen braut sich gerade der Blizzard des Jahrhunderts zusammen. Wir werden bis Mitternacht garantiert dreißig Zentimeter Schnee haben und bis zum Morgengrauen einen Meter. Die State Police hat bereits den Highway dichtgemacht und auch wir von der örtlichen Polizei werden nicht versuchen, die Nebenstraßen offen zu halten. Diejenigen unter euch, die also weiter draußen wohnen – wie du zum Beispiel, Carpy – sollten sich deshalb sofort auf den Weg nach Hause machen, oder sich wenigstens darum kümmern, dass sie bei irgendwem im Ort übernachten können.«

Im ganzen Raum entsteht daraufhin Gemurmel und Gebrummel.

»Ganz tolle Aktion, Sheriff«, schimpft Brenda Prechek. »Du ruinierst mir damit mein komplettes Freitagabend-Geschäft! Ich kann schon so kaum die Miete zahlen, damit ruinierst du mich endgültig.«

»Jawohl«, stimmt ihr Ehemann Stew lautstark mit ein.

Teague weiß allerdings ganz genau, dass Stew Prechek seiner Frau immer recht gibt, egal was sie sagt. Ob es nun um die gestiegenen Preise von eingelegten Gurken geht oder um die Konsistenz ihres morgendlichen Stuhlgangs.

»Ich nenne euch hier nur die Tatsachen«, ruft Teague, »ihr könnt alle machen, was ihr wollt, aber schafft gefälligst eure Autos und Trucks von der Straße. Der Schneepflug muss hier ungehindert durchkommen können. Wenn nicht, habe ich keine andere Wahl, als in dreißig Minuten den Abschleppdienst zu rufen.«

Einige der Gäste ziehen sich ihre Jacken über und eilen nach draußen, woraufhin sofort ein eisiger Wind hereinbläst und den einen oder anderen Pappteller durch die Luft wirbeln lässt. Die Stammgäste und Volltrunkenen bleiben allerdings, wo sie sind, und murmeln nur in ihre Bärte, wer zum Henker Will Teague denn zum neuen Weltherrscher ernannt hat.

Brenda Prechek hingegen tobt vor Wut. »Wirklich ganz tolle Aktion, Sheriff. Damit muss demnächst noch ein weiterer Laden in dieser pissigen Stadt dichtmachen!«

»Dreißig Minuten!«, ruft Teague noch einmal, bevor er von der Karaoke-Bühne hinuntersteigt, die kaum größer als ein Bierdeckel ist.

Brenda lamentiert weiter über Cops und Beamte, die jedem die fettigen Finger in den Arsch schieben und damit irgendwann das ganze Land ruinieren. Man darf keine Waffen mehr kaufen, und in der Schule darf man nicht mal mehr beten, behauptet sie. »Das hat man von diesen ganzen Liberalen mit ihrem …«

»Halt doch endlich dein verdammtes Maul, Brenda«, fährt Teague sie schließlich an.

»Lässt du den Kerl etwa so mit mir reden?«, fragt sie ihren Mann empört, der so dünn ist, dass er manchmal mit einem Pfeifenreiniger verwechselt wird.

»Überleg dir gut, was du jetzt sagst«, knurrt Teague.

Stew schaut vom knallroten Gesicht seiner Frau zum Sheriff … zu den gesamten hundertachtzig Zentimetern voller Muskeln, und den breiten Schultern, die in einer Polizeilederjacke stecken.

Er schluckt trocken. »Ja.«

 

Kapitel 6

 

Der Blizzard tobt weiter und peitscht weiße Schneewände vor sich her. Gina stopft ihre Handschuhe in die Jackentaschen und zieht ihr Handy hervor. Sie wird jetzt zuerst die 911 wählen und dann den Kerl suchen, den sie überfahren hat.

Durch die Kälte und ihre Angst zittern ihre Hände so stark, dass das Telefon ihr förmlich aus der Hand katapultiert wird. Es fliegt durch die Luft und verschwindet dann in einem Schneehaufen.

»So eine Scheiße!«

Sie geht auf die Knie und wühlt mit eiskalten Fingern in der weißen Masse herum. Eigentlich müsste es doch ganz leicht zu finden sein, doch das ist es nicht. Sie buddelt und tastet weiter, bis sie die Minusgrade irgendwann nicht mehr aushält und sich die Handschuhe wieder anziehen muss. Es sind allerdings nur dünne Lederhandschuhe. Nutzlos gegen die Kälte, aber gut für feinmotorische Bewegungen. Trotzdem kann sie das Telefon einfach nicht finden. Es ist zu dunkel und hier liegt einfach viel zu viel Schnee. Sie kämpft sich zurück zum Auto und holt ihre Mini-Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Als sie an die Stelle zurückkommt, wo sie ihr Telefon fallenlassen hat, tritt sie auf etwas Hartes.

Toll, diese beschissene Nacht wird echt immer besser!

Sie durchwühlt den Schnee und findet schließlich ihr Handy. Na super. Mit ihrem eigenen Gewicht hat sie Schnee zwischen die Tasten gedrückt und das Display hat jetzt einen Sprung. Sie versucht den Schnee aus den Ritzen zu kriegen, hat aber mit ihren betäubten Fingern nicht viel Erfolg damit. Die Knöpfe reagieren nicht und auf dem Bildschirm ist nur noch eine wirre Ansammlung von Pixeln zu erkennen. Sie fällt auf die Knie und würde am liebsten losheulen. Der Wind bläst ihr unaufhörlich Schnee ins Gesicht und die Kälte kriecht immer tiefer in ihre Kleidung. Sie kann sich keine hoffnungslosere Situation vorstellen. Doch dann macht sie sich bewusst, dass sie in zehn Minuten im Ort sein könnte, wenn sie jetzt losgeht.

Tja, wenn …

Aber sie weiß, dass sie den Unfallort nicht verlassen kann, ohne zumindest kurz nach der Person zu suchen, die sie überfahren hat, denn die Schuldgefühle würden sie zerstören.

Du hast gesehen, was es war.

Und das ist es, was ihr wirklich zu denken gibt. Ein Clown? In einem Blizzard? Allein die Idee ist absurd. Sie muss dabei sofort an durchgeknallte Massenmörder denken, denn abgesehen von irgendwelchen psychischen Störungen kann es keinen Grund geben, in diesem Unwetter in einem solchen Kostüm unterwegs zu sein. Und das macht ihr letzten Endes noch viel mehr Angst als der Sturm.

Das Wichtigste ist aber, dass ihr arschkalt ist. Entweder sie läuft jetzt sofort los, oder sie schaut nach der Leiche. Wie immer gewinnt bei dieser Entscheidung der verdammte Helferkomplex der Familie Keller.

Mit der Taschenlampe in der Hand quält sie sich durch die Schneewehen. Sie muss allerdings gar nicht allzu weit gehen, maximal fünfzehn bis zwanzig Meter. Die Spuren des Toyotas verschwinden zwar bereits, doch sie kann immer noch sehen, wo sie ins Schlingern gekommen ist.

Dann sieht sie das Blut.

Es ist zwar schon teilweise von Schnee bedeckt, aber im Schein der Taschenlampe sieht sie dennoch genug, um zu wissen, dass hier jemand schwer verletzt wurde.

So viel Blut … das kann niemand überlebt haben.

Trotzdem sieht sie keine Leiche. Aber bei diesem Wetter sieht man sowieso nicht viel.

Der Schnee tobt um sie herum und scheint nach und nach alles zu verschlucken. Einige der Schneewehen sind schon fast einen Meter hoch. Darunter könnte locker eine Leiche liegen. Mit ihrem Stiefel bohrt sie vorsichtig in einen der großen Haufen, doch da ist nichts. Es ist einfach nur eine riesige Schneemasse, und ähnliche Ansammlungen sind überall. Es könnten ein Dutzend tote Clowns um sie herum liegen.

Denk doch nicht so einen Blödsinn!

Es gibt also keine andere Möglichkeit, als nach Craw Falls zu laufen, um den Sheriff und seine Leute zu holen.

Die werden schon wissen, wie man mit so einer Situation umgeht. Sie macht ein paar Schritte und hält dann sofort wieder inne, denn sie hört etwas, das nicht hierher gehört.

Was ist das?

Der Wind pfeift über die leeren Felder und der Schnee scheint förmlich zu flüstern, während er um sie herumtanzt. Die ganze Welt wirkt wie ein weißer Friedhof.

Doch da ist das Geräusch schon wieder … ein seltsames Klappern … so als würde man eine Babyrassel schütteln. Scheiß drauf, denkt Gina.

Sie macht sich wieder auf den Weg in Richtung der Ortschaft und weigert sich, weiter über das Geräusch nachzudenken. Sie will einfach nur einen Schritt vor den anderen setzen, doch dann wird sie auf einmal von panischer Angst erfüllt, denn etwas hat sie am Fußknöchel gepackt!

Sie stößt einen entsetzten Schrei aus, als sie sieht, was genau sie da festhält: Es ist eine wulstige, missgebildete, weiße Hand. Im Schein der Taschenlampe sieht es fast wie ein Handschuh aus, doch es ist keiner. Denn Handschuhe haben keine pulsierenden Venen, und was sie erst recht nicht haben, sind lange, gelbe Krallen.

Gina fällt schreiend in den Schnee.

Der Griff der Hand ist fest wie ein Schraubstock. Sie wird durch den Schnee gezogen und das Nächste, was sie mitbekommt, ist, dass sie fliegt. Kurz darauf stürzt sie mit dem Kopf voran in eine Schneewehe. Wie von Sinnen gräbt sie sich heraus und kämpft sich dann auf allen vieren aus dem Graben zurück auf die Straße. Ihr Kragen ist voller Schnee und sie wischt sich hektisch das Gesicht ab. Ihr Knöchel schmerzt in pulsierenden Wellen.

Sie schaut panisch nach links und rechts.

Doch sie sieht niemanden.

Der Schnee peitscht weiter auf sie ein und bleibt an ihrem Parka kleben. Der Wind jault durch die Bäume. Getrieben von der Angst, schaut sie sich weiter um, doch sie sieht niemanden.

Dennoch weiß sie, dass sie nicht allein ist.

Sie rappelt sich mühsam auf, wobei ihr das Herz bis zum Hals schlägt, und stellt dann erschrocken fest, dass sie ihren schmerzenden Knöchel kaum belasten kann. Ein stechender Schmerz schießt bei jedem Versuch eines Schrittes bis in ihr Knie hinauf. Aber was hat sie für eine Wahl? Wenn sie hier draußen bleibt, wird sie entweder erfrieren oder dieses Ding wird sie kriegen. Also humpelt sie gequält los. Wenn sie Glück hat – was sie kaum glaubt – kann sie vielleicht einen Schneepflug anhalten.

Mach schnell!

Sie konzentriert sich ganz und gar auf ihren Überlebenssinn und marschiert weiter. Alles, was sie jetzt tun kann, ist einen Fuß vor den anderen zu setzen, auch wenn sich ihr Knöchel dabei anfühlt, als würde er in Flammen stehen. Sie versucht so viel Gewicht wie möglich auf ihren anderen Fuß zu verlagern.

Sie weigert sich, an die Gefahr zu denken, in der sie sich gerade befindet. Das kann sie später immer noch machen. Immerhin kann sie schon die Lichter des Ortes sehen. In fünf Minuten wird sie dort sein, wenn Fortuna ihr hold ist. Doch da ertönt wieder dieses klappernde Geräusch.

Oh nein, bitte nicht!

Vor ihr sieht sie jetzt eine verschwommene Bewegung und macht deshalb erschrocken einen Satz nach hinten, wobei sie fast das Gleichgewicht verliert. Schnee stäubt um sie herum auf, dann wird sie plötzlich geschubst. Sie geht zu Boden, steht aber sofort wieder auf. Doch der Clown steht nun direkt vor ihr.

Er ist riesig und deformiert, sein blau-weißer Anzug ist mit verkrustetem Blut befleckt. Sein Gesicht ist blass wie das einer Leiche, seine Nase rot und wulstig, seine Wangen und die Stirn sind mit einem Netzwerk pulsierender, pinker Venen überzogen. Ein paar Strähnen grüner Haare stehen von seinem Schädel ab wie riesige Federn.

Sie hat gerade noch genug Zeit, all das zu erfassen, bevor die gelben Krallen in ihr Gesicht sausen und sie mit solcher Wucht treffen, dass sie in eine fast zwei Meter entfernte Schneewehe geschleudert wird.

Schreiend wischt sie sich den Schnee aus dem Gesicht, doch sie kann immer noch nichts sehen. Die messerscharfen Klauen des Clowns haben ihr Gesicht vom Haaransatz bis zum Kinn zerfetzt und vier klaffende, blutende Gräben hinterlassen. Ihre Unterlippe ist beinahe abgerissen, die Nase aufgeschlitzt und ihre Augen nur noch klaffende Löcher, die sich rasch mit Blut füllen.

Bis die Schmerzen und die Angst in ihrem Gehirn ankommen, ist auch schon eine lähmende Schockstarre eingetreten. Gina geht zu Boden und steht nicht mehr auf. Als der Clown seine Zähne in ihrer Kehle versenkt, ist sie dankenswerterweise bewusstlos.

 

Kapitel 7

  

Zwanzig Minuten später ist Sheriff Teague zu der Überzeugung gelangt, dass er die Situation ganz gut im Griff hat. Natürlich hat ihn jeder einzelne dieser nutzlosen Besoffenen im Broken Bottle an seine verfassungsmäßigen Freiheitsrechte erinnert und ihn darüber in Kenntnis gesetzt – ohne bei der Wortwahl allzu zimperlich zu sein – dass er bei der nächsten Wahl keine Chance mehr hätte, aber das ist ihm ehrlich gesagt vollkommen egal.

Dieser gottverdammte Ort war voll mit Trotteln, Querulanten und medizinisch diagnostizierten Wahnsinnigen. Die brauchen hier keinen Sheriff, die brauchen einen verdammten Psychiater. Craw Falls hat weniger als dreitausend Einwohner, doch die Zahl der Geisteskranken ist im Vergleich zum Rest des Bundesstaates überproportional hoch. Statistisch gesehen sind die Zahlen eigentlich komplett unplausibel. Es muss wohl etwas im Trinkwasser sein.

Etwa die Hälfte der Kneipengäste kommt nicht wieder zurück, nachdem sie den Laden verlassen haben, um ihre Fahrzeuge umzuparken. Die Anwesenheit eines Polizisten scheint wohl irgendetwas an sich zu haben, das jeder Party den Spaß nimmt. Brenda Prechek geht nun von Tisch zu Tisch, sammelt Flaschen und Gläser ein und starrt den Sheriff dabei zwischendurch immer wieder hasserfüllt an. Teague ist sich nicht sicher, ob sie auf ihn oder auf ihren Ehemann wütender ist, aber um ehrlich zu sein, kümmert es ihn auch einen Scheißdreck. Sie ist nur eine böswillige, ständig fluchende alte Hexe und interessiert ihn nicht die Bohne.

Er geht rüber zum Fenster und studiert die Sturmwolken, um den weiteren Verlauf des Unwetters einschätzen zu können. Eines ist sicher: Das wird eine gottverdammte Katastrophe. Aber wenigstens ist die Straße jetzt frei. Das ist doch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

Er geht zum Ausgang und wirft Brenda noch einen abschätzigen, bösen Blick zu, doch dann fliegt plötzlich die Tür auf.

  

Kapitel 8

  

Wind und Schnee peitschen in den Raum hinein und lassen Teague ein Stück zurückweichen. Dann schließt sich die Tür und er sieht Beebe Chandliss auf sich zu stürzen. Ihre Augen sind weit aufgerissen und erstickte Schluchzer kommen aus ihrem Mund. Sie packt ihn am Kragen, japst und sackt dann in ihrem roten Schneeanzug auf die Knie.

»Um Himmels willen«, sagt Teague und zerrt sie auf eine Sitzbank. »Was ist denn passiert?«

Ich hoffe, das war nicht wieder Richie, denkt er wütend. Wenn er sie wieder verprügelt hat, dann sperre ich diesen Wichser für ganze sechs Monate ein!

Doch irgendwie glaubt er nicht, dass es um Richie geht.

Beebe ist vollkommen außer sich, aber er sieht kein Blut oder blaue Flecken. Das einzig Auffällige, abgesehen von ihrem geistigen Zustand, sind Risse am Rücken ihres Schneeanzugs.

Sie presst ihr Gesicht in ihre Handflächen und schluchzt unablässig. Als sie endlich anfängt, zu reden, ergibt das Gesagte allerdings kaum Sinn. Sie stammelt nur irrationales Zeug vor sich hin, während ihre Nase läuft und ihre Augen sich mit Tränen füllen. Inzwischen hat sich eine kleine Gruppe um den Tisch geschart.

»Tief durchatmen«, weist Teague sie an. Er schaut zu Brenda hinüber. »Bring ihr was zu trinken, irgendwas Starkes.«

Brenda verzieht mürrisch das Gesicht. »Das Zeug gibt’s aber nicht umsonst, das ist dir schon klar, oder?«, sagt sie mit ihrer üblichen, sympathischen Art.

»Nun mach schon!«, herrscht er sie an.

Nachdem Beebe etwa drei Fingerbreit Whiskey intus und sich ordentlich ausgehustet hat, spricht sie etwas ruhiger. Allerdings fährt sie mit ihrer Geschichte mitten im Satz fort: »… wir haben die Leiche gesehen … sie war schon halb vom Schnee bedeckt … aber sie war komplett zerfetzt.«

Jetzt kippt sie den restlichen Inhalt des Glases in sich hinein. »Oh mein Gott … sie ist ausgeweidet worden, Sheriff! Ausgeweidet wie ein verdammtes Reh!« Sie starrt ihn an und leckt sich immer wieder über die Lippen. »Sie war … wir haben es beide gesehen … sie war innen ganz leer …«

Ein ganz schlechtes Gefühl macht sich in Teague breit. »Wer, Beebe? Von wem redest du?«, fragt er sanft.

»Ich glaube, sie redet von einer Leiche«, meint Stew Prechek.

»Ach, wirklich?«, entgegnet seine Frau trocken.

»Wir hatten solche Angst«, fährt Beebe fort. »Wir hatten kein Telefon dabei, also sind wir wieder auf unsere Maschinen gestiegen und in Richtung des Ortes gefahren …«

Es dauert eine ganze Weile, aber mit viel Geduld und Ermutigungen schaffen sie es schließlich, die restlichen Tatsachen aus ihr herauszukriegen. Sie und Ritchie waren offenbar auf ihren Schneemobilen auf dem Rückweg von Crow Lake, als sie die Überreste einer Frau am Stadtrand gefunden haben.

»Der Schnee war überall«, berichtet sie, »man konnte nicht mal mehr zehn Meter weit sehen. Ritchie war direkt hinter mir mit seiner Maschine … und dann war er auf einmal weg.«

Daraufhin fuhr sie zurück und sah sein Schneemobil im Graben liegen, doch er selbst war weit und breit nicht zu sehen. Das Einzige, was sie fand, war eine Menge Blut im Schnee. Beebe sagt, es sah aus, als wäre ein Sack voll mit roter Tinte explodiert.

»… und dann habe ich ihn gesehen.«

»Richie?«, fragt Carpy. Doch sie schüttelt den Kopf. »Nein, er war es nicht.«

Sie lässt ihren Blick durch den Raum schweifen, als wäre sie noch immer dort draußen im Sturm. »Er … er stand auf einem Schneehügel und hat mich angestarrt. Er hatte riesige Krallen. Es … war ein Clown.«

Teague steht abrupt auf.

Alle starren ihn an. Sie warten offenbar darauf, dass er Beebe fragt, was sie geraucht hat. Er seufzt leise. Es würde anscheinend eine dieser ganz besonderen Nächte werden, das ist ihm sofort klar.

»Ein Clown?«, fragt Brenda verwirrt, so als hätte sie das Wort noch nie zuvor gehört. »Ein verdammter Clown

Ihr Mann ist ebenfalls komplett verwirrt. »Wie im Zirkus?«

»Nein, du Trottel, so einer, der einen Jet fliegt«, herrscht Brenda ihn ungehalten an. »Wie viele gottverdammte Arten von verfickten Clowns gibt es denn bitteschön?«

»Ich meinte ja bloß«, entgegnet Stew seufzend.

Carpy kichert. »Einer, der einen Jet fliegt. Das gefällt mir.«

»Schnauze!«, rufen Teague und Brenda gleichzeitig. Doch Beebe scheint von dem Ganzen kaum etwas mitzubekommen. »Es war ein Clown. Er hatte riesige Krallen. Er hat sich Ritchie geschnappt.« Teague wusste genau, wo Beebe die Leiche und Ritchies Schneemobil gesehen hat, und genau dort musste er jetzt hin.

»Kümmert euch um sie«, ruft er, als er bereits auf dem Weg zum Ausgang ist.

  

Kapitel 9

    

Teague hat in dieser Nacht drei Hilfssheriffs im Dienst, doch zwei von ihnen – Stills und Wegley – haben momentan am anderen Ende des Landkreises zu tun. Nur Peanut, der eigentlich Olly Pease heißt, kontrolliert gerade in einem SUV die Straßen von Craw Falls. Dabei lässt er sich natürlich schön viel Zeit, kurvt am Stadtrand herum und hört dabei WKBD, den Rocksender aus Grand Forks, wobei er gerade ein wenig Luftgitarre zum Song Pretty Noose von Soundgarden spielt. Eben hat er mit dem Sheriff gefunkt, der ihm gesagt hat, dass es einen Unfall am Stadtrand gegeben hat. Er brauche jedoch keine Unterstützung und würde sich später mit weiteren Details melden. Peanut solle währenddessen weiterhin sicherstellen, dass keine Autos am Straßenrand parkten.

Gar kein Problem.

Durch die Gegend fahren und dabei gute Musik hören ist genau die Art, auf die Peanut gern seine Nächte verbringt, denn er hasst es, ein Cop zu sein. Der einzige Grund, warum er einer geworden ist, war, dass man es von ihm erwartet hat. Sein alter Herr war nämlich über vierzig Jahre lang der County-Sheriff und hat von seinem Sohn verlangt, in seine Fußstapfen zu treten, so wie Väter das eben tun. Alle Männer der Pease-Familie waren Polizisten gewesen, das ließ sich bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückverfolgen, und mit so einer Tradition konnte man natürlich nicht so ohne Weiteres brechen.

Die Sache ist nur, dass Peanut einfach kein Cop ist. Das passt so gar nicht zu ihm. Er mag Musik, das ist sein Ding. Seit der Highschool hat er alles Mögliche gespielt; von Country Rock über Trash bis hin zu Funk und Heavy Blues. Aber am liebsten mag er Metal. Seiner Meinung nach ist das die einzig wahre Musik, und wenn jemand ihm das nicht glaubt, ist er sich sicher, dass er die Meinung desjenigen mit seiner geliebten Ibanez Destroyer und einem mannshohen Stapel Verstärker, der jedem Zuhörer die Eier wegbläst, ändern kann.

Sein alter Herr ist vor sechs Monaten an einem Herzinfarkt gestorben und jetzt überlegt Peanut, ob er seinen Stern nicht einfach an den Nagel hängen und nach Seattle abhauen soll, wo er vielleicht als Session-Musiker arbeiten könnte.

Das wäre auf jeden Fall tausendmal besser als das hier.

Was zur Hölle ist das denn?

Ein merkwürdig aussehender Kerl lungert auf dem Schul-Spielplatz herum. So eine Scheiße. Peanut überlegt kurz, ob er einfach so tun soll, als hätte er ihn nicht gesehen (das macht er oft) aber er weiß insgeheim, dass das nicht in Ordnung ist.

»Buchte ihn ein, Danno«, zischt er im Gedenken an die Lieblingsserie seines Vaters, Hawaii Five-O.

    

Kapitel 10

  

Peanut hält den SUV an, gibt der Zentrale kurz seine Position durch und teilt ihnen mit, dass er den Wagen verlassen wird. Der Kerl auf dem Spielplatz scheint sich nur wenig daran zu stören, dass die Polizei gerade aufgetaucht ist. Peanut schreitet durch das Tor auf den Spielplatz, wo ihm der Schnee sofort bis zu den Knien reicht.

»Entschuldigen Sie bitte, Sir«, sagt er, wobei er den Kegel seiner Taschenlampe auf den Fremden richtet. Schneeflocken wirbeln um ihn herum. »Darf ich fragen, was Sie da machen?«

Doch der Kerl ignoriert ihn einfach. Er kniet auf dem Boden und sucht den Schnee mit einer kleinen Lampe ab. Nach einem Moment des Zögerns richtet er sich auf – und was für ein Kerl das ist! Er ist groß und bärtig, sein Gesicht ist von Wind und Wetter gegerbt, die Augen schmal. Er trägt einen Fellmantel, der ihm bis zu den Knöcheln reicht, und einen flachkrempigen Hut im Stil der Mormonen. Sein Mantel ist geöffnet, sodass Peanut einen tief hängenden Munitionsgurt mit einem Holster erkennen kann, in dem eine fies aussehende Schusswaffe steckt.

»Sagen Sie schnell, was Sie sagen müssen, Officer«, verkündet der Hüne mit einer knurrenden, tiefen Stimme. »Denn ich habe hier zu tun.«

»Was genau haben Sie denn zu tun?«

»Ich jage und bin gerade auf der Suche nach Spuren.«

Peanut schluckt schwer, während er seine Hand unwillkürlich auf seine Waffe legt.

»Auf einem Spielplatz?«

»Ganz genau. Denn das, was ich suche, mag kleine Kinder. Es mag es, sie aufzuspüren und anschließend zu fressen.«

Peanuts Kehle fühlt sich an, als wäre sie voller Sand. Hier stehen sie, im vielleicht fiesesten Blizzard aller Zeiten, und er muss ausgerechnet diesem bewaffneten Spinner über den Weg laufen. Der Wind bläst immer heftiger, der Schnee fliegt und er kriegt nicht mal den Verschluss seines Holsters auf.

Endlich schafft er es.

»Darf ich nach Ihrem Namen fragen, Sir?«

»Clegg. Einfach Clegg.«

»Okay, Mister Clegg, Sie müssen zugeben, dass das alles ein bisschen merkwürdig auf mich wirkt. Sie tragen eine Waffe und sagen mir, dass sie etwas jagen … in einem Blizzard … mitten in einem Stadtgebiet.«

»Richtig.«

»Würden Sie mir dann bitte ganz konkret erläutern, was Sie da jagen.«

Clegg lächelt weder noch verzieht er das Gesicht, seine Miene ist komplett ausdruckslos. »Sagen wir einfach, ich bin hinter einem ganz bestimmten Fleischfresser her.«

Jetzt zieht Peanut seine Waffe. »Ich fürchte, das reicht mir nicht als Antwort.«

Clegg seufzt. »Ich bin keine Gefahr für dich, Junge.«

»Die Waffe, die Sie tragen, sagt mir aber etwas anderes.«

Clegg lacht auf. »Mein Sohn, sie ist doch nicht dafür da, um Menschen zu töten. Sie ist dazu da, mich vor bestimmten Dingen zu schützen.«

»Haben Sie denn eine Erlaubnis, eine verdeckte Waffe zu tragen?«

»Nein. Dafür habe ich in meiner Branche keine Zeit.«

»Und was ist das für eine Branche?«

»Ich jage Dinge, die Menschen töten. Das ist meine Aufgabe, dazu wurde ich berufen.«

Er scheint nichts weiter dazu sagen zu wollen, stattdessen starrt er Peanut verdächtig an. »Sie stellen aber ganz schön viele Fragen.«

»Das ist nun mal mein Job, Sir.«

Clegg zuckt mit den Schultern. »Das Problem ist, dass die Viecher, die ich jage, sehr schlau und immer auf der Hut sind. Die benutzen eine Tarnung, um nah an ihre Opfer herankommen zu können. Das Wesen kann sich als Mann oder als Frau verkleiden … sogar als Hilfssheriff.«

Peanut hat das Gefühl, innerlich auszutrocknen. Sein Magen fühlt sich an, als wäre er voller Stecknadeln. Clegg ist offenbar ein Irrer. Ein Durchgedrehter höchsten Kalibers.

»Mister Clegg, ich weiß nicht, wovon Sie reden, aber ich versichere Ihnen, dass ich ein echter Hilfssheriff bin. Bitte zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«

»Der ist in meinem Van.«

Peanut hat das Gefährt bereits auf dem Parkplatz gesehen. Es war mattschwarz, hässlich und hatte riesige Reifen. »Dann gehen wir jetzt dort rüber, denn ich brauche Ihren Fahrzeugschein und den Versicherungsnachweis. Bitte machen Sie keine Dummheiten, Sir. Ich möchte Sie ungern erschießen müssen.«

»Ich Sie auch nicht.«

»Wo Sie gerade davon reden: ich muss Sie dazu auffordern, Ihren Waffengurt abzunehmen. Wie es in Filmen immer so schön heißt: Gaaanz langsam.«

»Das kann ich nicht tun.«

Peanut verkrampft sich. »Und warum nicht?«

»Ich kann es mir nicht leisten, unbewaffnet zu sein, dazu habe ich einfach zu viele Feinde.«

»Das war aber keine Bitte, Sir. Es ist ein Befehl!«

Peanut stellt sich breitbeinig hin und zielt jetzt mit seiner Waffe auf Clegg. »Nehmen Sie sofort den Gürtel ab!«

»Das wäre in meinem Beruf keine gute Idee«, antwortet der Hüne.

»Was ist dieser Beruf noch mal genau?«

»Ich töte Clowns.«

Peanut verdreht die Augen. »Dann kommen Sie wohl mal besser mit aufs Revier.«

  

Kapitel 11