Titelseite








Sandra Wimmer




Shit happens

Widmung




Ich widme diesen Roman allen Menschen, die ich liebe und die mich immer unterstützt haben . Aber vor allem widme ich ihn meinem verstorbenen Vater.

Text

Nick Parker war 32 Jahre alt, war ungefähr 1,70 m groß, schlank und hatte blonde Haare. Er hatte zum Teil ein recht friedliches Leben.

Mit seiner Frau Judith und den drei gemeinsamen Kindern lebte er in einer Wohnung im zweiten Stock eines relativ günstigen Wohnhauses in Philadelphia im Südostteil des US-Bundesstaates Pennsylvania. Umgangssprachlich wird Philadelphia unter anderem Philly oder übersetzt „Stadt der Bruderliebe“ genannt. Philadelphia ist nach New York die zweitgrößte Stadt an der Ostküste und auch historisch gesehen eine der bedeutendsten Städte der USA. Die Temperaturen liegen im Winter (beispielsweise im Januar) durchschnittlich zwischen –5,1° und 3,3° C. In den Monaten Juni bis August können Höchsttemperaturen von 30,1° C erreicht werden. Im Durchschnitt gibt es in dieser Stadt im Juli den meisten Niederschlag, die häufigsten Regentage in den Monaten April und Mai.

Übrigens verbrachte auch der Schriftsteller Edgar Allan Poe einige produktive Jahre in Philadelphia.

Nun aber wieder zu Familie Parker: Judith war gut fünf Zentimeter kleiner als ihr Mann, durchschnittlich gebaut und hatte schulterlange braune Haare. Zum Glück aber auch richtig weibliche Proportionen, die sich ruhig sehen lassen konnten. Nie im Leben hätte sich  Nick Parker in einen dürren Hungerhaken verlieben können. Beim Anblick solch abgemagerter Gestalten verging ihm jeglicher Appetit …

Nick und Judith waren sehr jung Eltern geworden. Nick war 18 und Judith erst 16 Jahre alt gewesen, als Randy geboren wurde. Weder Nicks Eltern noch Judiths waren von dem Ausrutscher begeistert gewesen. Doch mittlerweile liebten sie auch den ungeplanten Enkel.

Sohn Randy war zum jetzigen Zeitpunkt 14 Jahre alt. Er hatte hellbraune, struppige Haare und war nur noch zehn Zentimeter kleiner als sein Vater. Randy spielte gern Prince of Persia auf der PlayStation 2. Ansonsten war er zugänglicher als die meisten anderen Teenager. Nur ab und zu tickten bei Randy die Hormone aus, sodass seine Zimmertüre laut knallend zuflog. Seine Mutter sagte da nie etwas, weil sie einfach nicht wusste, was. Meistens schaute Judith ihren Mann vorwurfsvoll an, weil er so gut wie nie richtig eingriff. Nick allerdings zuckte jedes Mal bloß die Schultern. Als wollte er sagen: Das geht auch mal wieder vorbei. Diese Einstellung ging seiner Frau richtig gegen den Strich. Sie fand, dass Nick auch ein bisschen mehr Durchsetzungsvermögen und Strenge in puncto Erziehung an den Tag legen könnte. Denn der Großteil blieb an ihr hängen.

Tochter Susanne war neun. Das Mädchen malte sehr gern, meistens Bilder von Katzen, Häusern oder Blumen. Ihr brünettes Haar reichte ihr bis über die Schultern. Darauf war sie besonders stolz, einige Klassenkameradinnen beneideten sie auch wegen ihrer langen Haare. Oft trug Susanne Spangen mit Tiermotiven. Sie liebte Tiere einfach über alles und hätte zu Hause am liebsten einen eigenen kleinen Zoo gehabt. Aber sie durfte sich nur zwei Meerschweinchen halten. Das männliche Meerschweinchen war schwarz und hieß Hogan. Der Einfluss ihres älteren Bruders Randy hatte Wirkung gezeigt: Denn Meerschweinchen Hogan war benannt nach dem ehemaligen Profi-Wrestler Hulk Hogan.

Das weibliche Meerschweinchen war weiß und hatte ganz zarte hellgraue Flecken. Susanne hatte es Schneebällchen getauft. Nach Meinung ihres Vaters hatte Hogan es mit seinem Namen weitaus besser erwischt …

Nesthäkchen Stanley war gerade fünf Jahre alt. Er saß gern mitten in der Wohnung auf dem Fußboden und spielte mit seinen bunten Spielzeugautos. Dann machte er immer ganz begeistert Brumm-Brumm-Geräusche. Allerdings hatte das Spielen auf dem Fußboden der Wohnung von Familie Parker einen gewaltigen Nachteil. Die Wohnung war recht klein und da war die Gefahr sehr groß, dass man auf irgendetwas draufstieg.

Eine alte Geschichte war zum Beispiel diese: Als Randy mit acht Jahren ein Skateboard bekommen hatte, gab es einen „klitzekleinen“ Zwischenfall. Es war mitten im Weg gestanden und Vater Nick war draufgestiegen. Natürlich war er gleich auf dem Brett davon gerutscht und schließlich gegen eine Wand geknallt … Das war allerdings nur eine von vielen Geschichten, die sich in dieser kleinen Wohnung ereignet hatten.

Ansonsten war Familie Parker eine richtige Durchschnittsfamilie. Streit war zwar relativ selten, gab es aber selbstverständlich auch. Aber sonst gab es nicht sehr viel zu sagen. Die Familie aß immer gemeinsam zu Abend, danach wurden oft Filme angeschaut, derzeit meistens Kinderfilme. Irgendwann würde sich das auch noch ändern, wenn die zwei jüngeren Kinder älter waren.

Ansonsten ein paar kleine Infos über die Eltern dieser Familie Parker: Nick war ein großer Fan von AC/DC, Bon Jovi und System of a Down. Seine Frau Judith hingegen hörte sehr viel von Lady Gaga, Katy Perry und Belinda Carlisle.

Was Musik betraf, ging der Geschmack der Parkers doch weit auseinander. Aber das hinderte sie nicht daran, eine harmonische Ehe zu führen, schließlich hatten sie auch genug Gemeinsamkeiten. Da wären zum Beispiel die Filme aus den 1980er-Jahren, hauptsächlich Tanzfilme wie Grease mit John Travolta und Olivia Newton-John in den Hauptrollen, oder auch der Kultfilm Dirty Dancing mit Patrick Swazy und Jennifer Grey. Die beiden waren aber durchaus auch von neueren Filmen begeistert wie  G. I. Joe, Ninja Assassins und Avatar.

Mit den Tanzfilmen aus den 80ern hatten Judith und Nick ihre Kinder schon „gequält“. Sie fanden, dass das einfach Kultfilme waren, die man unbedingt einmal gesehen haben musste, auch wenn sie einem dann nicht gefielen. Susanne gefielen zurzeit alle Filme in dieser Richtung, und Stanley liebte alles, wo er wie wild herumhüpfen und mittanzen konnte … Randys Geschmack traf das allerdings  nicht. Für den Teenager waren Filme mit spannenden Verfolgungsjagden, Schießereien und Explosionen von größerem Interesse. Deshalb gab es, wenn es die Zeit zuließ, etwas später, nach den Kinderfilmen, Vater-Sohn-Filmabende, die beide sehr genossen. Nick und Randy hatten im Grunde ein gutes Verhältnis zueinander.

Was es zum Arbeitsfeld der Familie Parker zu sagen gab:

Judith arbeitete in einer Drogerie und brachte das meiste Geld für die Familie nach Hause. Nick hingegen war schon als Kind ein begabter Zeichner gewesen. Er hatte es einfach im Blut und das Kunststudium hatte noch positiv zu seinem Talent beigetragen.

Zurzeit hatte Nick aber leider nicht den geringsten Erfolg mit seinen Bildern. Tag für Tag saß er auf Parkbänken und malte das, was ihm den ganzen Tag so unterkam. Von Vögeln, spielenden Kindern bis zu spazieren gehenden Rentnern. Einfach alles.

Einen Vorteil hatte Nicks freiberufliche Arbeit im Park: Er konnte auf seine Kinder aufpassen, wenn Judith Dienst hatte. Andererseits jobbte Nick auch als Nachtwächter. Nicht unbedingt gut bezahlt, aber wenigstens eine kleine zusätzliche Einnahmequelle. Auch wenn es hieß, dass Nick jederzeit einsatzbereit sein musste. Oder auf jeden Fall zu den Zeiten, zu denen auf dem Dienstplan neben seinem Namen mit schwarzem Filzstift BEREITSCHAFT stand.

Manchmal saß Nick eben stundenlang im Park, um zu malen. Sehr oft leistete ihm dabei ein Mann mit längeren weißen Haaren und einem weißen, stellenweise leicht verfilzten Bart Gesellschaft. Er war Rentner, hieß Henry Field und verbrachte sehr, sehr viel Zeit im Park, wenn es warm genug dafür war. Das war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen.

Es war weit nach Mittag, Mr. Field hockte wieder mal neben Nick und seiner Staffelei und beobachtete ihn wie jeden Tag mit großem Interesse. Schon an der ersten Zeichnung, die er von Nick gesehen hatte, hatte er sein großes Talent erkannt. Als Mr. Fields Frau Helen noch gelebt hatte, hatte er Nick darum gebeten, ein Porträt von ihr als Geschenk zu ihrem 80. Geburtstag anzufertigen. Nick hatte es mit Bleistift und Ölkreide gemalt. Dafür hatte Mr. Field ihn selbstverständlich bezahlt. Und Helen Fields Freude war riesengroß gewesen.

„Ich seh mir oft das Gemälde von Helen an, das du gemacht hast“, sagte Henry Field.

„Wirklich?“, fragte Nick nach. „Freut mich, dass es Ihnen noch immer gefällt. … Auch wenn es Ihnen schwer fallen muss …“

„Wenn ich sie mir so ansehe, hab ich manchmal das Gefühl, als wäre Helen noch immer bei mir“, erzählte Mr. Field. „Dann höre ich ihr Lachen, rieche ihr Lieblingsparfum, sehe sie in der Küche stehen und manchmal auch, wie sie mit mir meckert, weil ich dies und jenes schon wieder falsch gemacht habe.“

„Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dem Bild ein wenig helfen kann.“

„Auf jeden Fall“, sagte der alte Mann. „So … Jetzt will ich dich nicht weiter von der Arbeit abhalten! Ich seh dir so gern zu.“

„In Ordnung“, antwortete Nick und malte weiter.

Später am Tag sah Nick aber mal wieder die Sinnlosigkeit in seinem Tun. Er seufzte niedergeschlagen, noch die Stifte in den Händen haltend. Wozu mühte er sich überhaupt ab?

„Nicht aufgeben, Kleiner!“, sagte Mr. Field und klopfte ihm tröstend auf die Schulter.

Nick seufzte nur erneut und legte die Stifte in seine Tasche.

„Die Welt ist grausam“, fuhr Henry Field fort. „Es gibt viel Ungerechtigkeit.“

„Davon brauchen Sie mir nichts zu erzählen“, erwiderte Nick. „Von der Ungerechtigkeit erfahre ich jeden Tag mehr.“

„Nicht aufgeben!“, wiederholte der alte Mann.

„Keine Sorge“, versicherte Nick ihm. „Ich gebe nicht auf.“

„Gut so!“, freute sich Henry Field. „Weiter so!“

„Haben Sie einen guten Rat?“, fragte Nick ihn.

„Und ob ich einen habe …“, setzte Henry Field an. Er war knapp 87 Jahre alt und Nick hörte seinen Worten gespannt zu, um so viel wie möglich von seiner Lebenserfahrung in sich aufzunehmen.

„Schätze jeden Moment, den du hier verbringst“, sagte Henry Field. „Sei zufrieden mit dem, was du hast. Gib nicht auf und gehe deinen Weg … Liebe deine Frau und deine Kinder … Dann wirst du im Alter glücklich sein und auf ein erfülltes Leben zurückblicken.“

„Meine Frau und meine Kinder liebe ich über alles“, versicherte Nick ihm.

„Das weiß ich doch.“

„Ansonsten bin ich auch zufrieden“, fügte er hinzu. „Nur die Sache mit dem eigenen Weg ist nicht so einfach …“

„Du wirst das schon schaffen“, meinte Henry Field zuversichtlich.

„Danke …“

Nick glaubte allerdings längst nicht mehr an seinen Durchbruch als Künstler, auch wenn er Talent hatte. Es war einfach frustrierend. Es war kinderleicht, als Maler eine große Karriere zu machen, wenn man die richtigen Leute kannte. Und da lag das Problem: Nick Parker kannte keine einzige dieser Persönlichkeiten, die ihn fördern könnten …

Völlig erledigt kam Nick an diesem Nachmittag nach Hause. Er schloss die Wohnungstür hinter sich und verkündete: „Hallo, bin wieder da.“

Er klang recht niedergeschlagen.

„Hallo, Liebling!“, sagte Judith aus der Küche, wo sie gerade die Suppe umrührte.

Nick legte sein Malerwerkzeug ab und schlüpfte aus seinen Turnschuhen. Dann schlurfte er zu seiner lieben Frau.

„Wie ist es gelaufen, Schatz?“, erkundigte sich Judith interessiert.

„Ein Penner hat mir 40 Cents dafür gegeben, dass ich seine Bierdose zeichne.“

„Mein armer Liebling“, sagte sie mitfühlend. „Irgendwann hast auch du deinen großen Durchbruch.“

„Ich weiß ja, warum ich dich geheiratet hab“, sagte Nick mit steigender Zuversicht, kam zu ihr und küsste sie auf die Wange. „In jeder noch so beschissenen Situation siehst du das Positive.“

Da kam plötzlich Stanley aus dem Kinderzimmer und fragte neugierig: „Daddy … Was heißt beschissen?“

„Nick …“, sagte Judith gedehnt in vorwurfsvollem Ton. „Bring ihm nicht so schlimme Wörter bei!“

„Okay, Schatz.“ Nick ging vor Stanley in die Hocke und meinte: „Weißt du, kleiner Mann … Solche Wörter wie beschissen sagt man nicht, wenn man mal ein anständiger Erwachsener werden will.“

„Dann ist Daddy kein anständiger Erwachsener?“, fragte Stanley völlig verdattert und mit großen Augen.

„Sei lieb, Stanley“, verlangte seine Mutter sanft. „Lass Daddy mal durchatmen, dann kann er wieder mit dir spielen.“

„Jaaaa!“, freute sich Stanley und lief schon wieder in sein kleines Zimmerchen, das er mit seiner Schwester teilte.

Nick sah zu seiner hübschen Frau auf und Judith lächelte ihn nur an. Egal, wie niedergeschlagen Nick auch war, seine Liebste brachte ihn immer zum Lächeln.

„Dann geh ich mal zu Stanley“, meinte er und deutete dabei mit dem Kopf auf das kleine Zimmer seiner zwei Jüngsten.

„Ist gut.“

Stanley saß schon auf dem Fußboden und spielte mit seinen Autos. Brumm-Brumm-Geräusche inklusive. Nick setzte sich zu ihm. Es war zu erwarten, dass diese einfache Geste etwas auslöste.

„Knuddelattacke!“, rief Stanley begeistert und warf sich mit vollem Schwung auf seinen Vater.

Nick fiel nach hinten auf den Rücken. Aber Hauptsache, der kleine Stanley war weich gelandet. Schon drückte er sich an seinen Vater und Nick nahm seinen jüngeren Sohn fest in die Arme.

Immer in solchen Situationen fing Nick an nachzudenken. Meistens war er von sich selbst enttäuscht, weil er seinen Kindern nicht wirklich etwas bieten konnte. Doch eines konnte er den dreien immer geben … bedingungslose Vaterliebe. Und die würde er seinen Kindern so lange geben, wie er selbst lebte.

Um 20 Uhr war Schlafenszeit. Jedenfalls für die neunjährige Susanne und den fünfjährigen Stanley. Fast jeden Abend war es schwierig, die beiden ins Bett zu kriegen. Meistens übernahm das ihr Vater Nick, damit Mutter Judith noch ein paar Sachen im Haushalt erledigen konnte, für die ihr Ehemann einfach kein Händchen hatte. Wenn Nick meinte, er könne ihr dies und jenes abnehmen, endete es immer in einer Katastrophe. Judith erinnerte ihn bei seinen haushaltstechnischen Hilfsangeboten immer nur an: Geschirrspüler, Waschmaschine und Backrohr … Daraufhin nahm Nick sein Angebot sofort zurück und kümmerte sich eben meistens um ihre Kinder.

Schon im rosa-weiß-geblümten Nachthemd stand Susanne im Badezimmer auf dem Schemel, sodass sie zum Spiegel hinaufsehen konnte. Susanne putzte sich brav die Zähne, während ihr Vater damit beschäftigt war, den zappeligen Stanley in sein Pyjamaoberteil reinzubekommen. Stanley fand es lustig, sich immer wieder heftigst gegen das Anziehen zu wehren. Schon war er seinem Vater entwischt und lief fröhlich lachend ins Badezimmer. Seinen Pyjama hatte er aber wenigstens schon an. Diesen „Kampf“ ums Schlafengehen gab es jeden Abend zwischen Papa Nick und Sohnemann Stanley.

Einen kurzen Augenblick später hörte Nick heftiges Kindergeschrei aus dem Badezimmer. Der dreifache Vater wusste, was es jetzt geschlagen hatte. Stanley hatte seine Schwester wohl wieder geschubst und die hatte ihm aus „Rache“ wieder einmal den Zahnpastaschaum ins Genick gespuckt. Nick Parker blieb einfach im Kinderzimmer sitzen und wartete, bis die zwei sich wieder eingekriegt hatten. Eher gesagt wartete Nick darauf, dass seine Frau Judith das Chaos im Badezimmer schlichten würde. So kam es dann auch. Die manchmal strenge Stimme der Mutter war deutlich zu hören. „Jetzt ist aber Schluss!“

Susanne kam breit grinsend ins Kinderzimmer zurück. Mama Judith stand inzwischen im Bad und wusch ihrem Jüngsten den Zahnpastaschaum vom Nacken. Auch dagegen wehrte sich Stanley heftig. Natürlich hatte sein Pyjamaoberteil auch was von der Zahnpasta und Susannes Spucke abbekommen.

„Nick!“, rief die Ehefrau und Mutter. „Holst du bitte für Stanley ein frisches Pyjamaoberteil!“

„Sofort, mein Engel“, sagte Nick, stand auf, ging zum Schrank seines kleinen Jungen und holte das gewünschte Kleidungsstück. Er ging zur Badezimmertür, blieb in der Tür stehen und reichte seiner Frau das Pyjamaoberteil für das Nesthäkchen.

„Danke“, sagte Judith und zog Stanley das saubere Pyjama-Shirt an. Diesmal bockte der Junge nicht herum.

Nach einer Weile hatte Nick die beiden jüngeren Kinder endlich so weit, dass sie im Bett lagen.

„Geschichte! Geschichte!“, riefen Susanne und Stanley im Chor. „Geschichte! Geschichte!“

Schon kletterte Stanley von seinem Hochbett direkt rüber auf Susannes Bett. Die Neunjährige breiteten in einer Art Beschützerinstinkt gleich die Decke über ihren kleinen Bruder aus, als dieser zu ihr gekrochen kam. Das war längst ein geschwisterliches Ritual geworden.

„Na, meinetwegen“, meinte Vater Nick und ging zum Bücherregal. „Was wollt ihr denn heute hören?“

„Eine Geschichte mit Autos!“, forderte Stanley vergnügt.

„Und wo Tiere mitspielen!“, verlangte Susanne.

Sie hatten kein Kinderbuch, auf das diese Beschreibung passte. Also rückte sich der Vater einen Stuhl zurecht und musste improvisieren.

Papa Nick begann die Geschichte mit dem typischen Klischeesatz. „Also, es war einmal … eine freundliche Giraffe und ein kleines Rennauto …“

Nach der 15-minütigen Geschichte gaben Stanley und Susanne endlich Ruhe. Stanley war sogar eingedöst. Nick war direkt froh darüber, denn langsam ging ihm der Märchenstoff aus.

„Daddy“, flüsterte Susanne. „Stanley schläft.“

„Kein Problem“, antwortete Vater Nick, stand auf und kam näher.

Er griff nach dem schlafenden Stanley und hob ihn vorsichtig hoch. Der Junge gab nur ein kleines Murren von sich und fuhr sich über die Nase. Sein Vater trug ihn rüber zu seinem Hochbettchen und legte ihn hinein. Er deckte seinen fünfjährigen Sohn sachte zu und Susanne legte sich selbst auch schon brav hin.

Da schreckte Stanley auf einmal hoch und stieß hektisch hervor: „Mr. Kroko!“

„Ganz ruhig“, sagte Nick sanft und griff nach dem gewünschten Kuscheltier. „Hier ist Mr. Kroko.“

Stanley drückte sein Lieblingskuscheltier ganz fest an sich und legte sich zufrieden wieder hin. Nick deckte ihn erneut zu. An dieses „Spiel“ war er schon gewöhnt.

„Gute Nacht, Stanley“, sagte er leise. „Mein kleiner Brumm-Brumm-Meister.“

„Gute Nacht, Daddy“, murmelte Stanley und spitzte die Lippen.

Nick beugte sich über das Geländer, gab seinem Jüngsten einen Kuss und strich ihm noch einmal über die Wange. „Und jetzt wird wirklich geschlafen.“

Stanley nickte heftig und kuschelte sich unter die Decke. Jetzt überkam ihn wirklich die Müdigkeit. Das ging bei kleinen Kindern meistens ganz schnell.

Susanne dagegen nun doch wieder aufrecht in ihrem Bett und wartete darauf, dass ihr Vater zu ihr rüber kam, um ihr gute Nacht zu sagen.

„Gute Nacht, meine Prinzessin“, sagte Nick und gab Susanne einen Kuss auf die Lippen.

„Gute Nacht, Daddy“, antwortete Susanne und legte sich hin. Sie kuschelte sich unter die Decke und griff nach einem ihrer vielen Plüschtiere. Ihr halbes Bett war voll damit. Diesmal war es ein rosafarbenes Pferd, das Susanne im Schlaf festhalten würde.

Nick wollte gerade aus dem Zimmer der beiden Kleinen gehen. Doch bevor er das Zimmer verlassen konnte, saß Stanley schon wieder aufrecht im Bett und fragte: „Schickst du Mami rein?“

„Ja“, bestätigte er. „Mami kommt gleich.“

„Okay.“ Stanley legte sich wieder hin. Er würde bestimmt nicht einschlafen, bevor seine Mutter zu ihm kam.

Nick ging in die Küche, wo seine Judith noch schnell den Einkaufszettel schrieb. Das war ja auch eine Sache, von der Nick nur bedingt Ahnung hatte. Irgendetwas vergaß er ja doch immer aufzuschreiben. So wie damals die Windeln …

„Schatz, deine zwei Kleinen verlangen dich noch“, teilte Nick seiner Frau mit.

„Bin gleich bei ihnen“, antwortete sie.

„Warst du schon bei Randy?“, fragte er nach.

„Ja“, bestätigte Judith und meinte schließlich: „Wir sehen uns dann im Schlafzimmer, Liebling.“

„Jop“, erwiderte Nick und klopfte an die Zimmertür seines älteren Sohnes.

„Ja?“, tönte es aus dem Teenie-Zimmer.

„Darf ich gute Nacht sagen kommen?“, fragte Nick seinen pubertierenden Sohnemann sicherheitshalber. Vielleicht war Randy im Augenblick beschäftigt …

„Klar“, war die mehr oder weniger beiläufige Antwort.

Nick kam ins Zimmer und sah seinen Ältesten wie immer am Fenster sitzen, mit den Kopfhörern in beiden Ohren. Kaum sah er, dass sein Vater den Mund aufmachte, nahm Randy die Ohrstöpsel rasch heraus und schaltete auch den MP3-Player ab.

„Alles klar bei dir?“, fragte Nick.

„Klar“, war die wiederholt knappe Antwort.

„Okay.“

Kurz war es still. Manchmal war die Kommunikation zwischen Eltern und pubertierenden Kindern richtig schwierig. Diese Phase gab es auch hin und wieder bei Nick und Randy Parker.

„Gute Nacht, Randy“, sagte der Vater schließlich.

„Gute Nacht, Dad“, antwortete der Junge.

„Bekomm ich einen Kuss?“, fragte Nick erwartungsvoll.

„Okay“, murrte Randy, stand von der Fensterbank auf, ging zu seinem Vater und drückte ihm rasch einen Kuss auf die Wange.

„Du gehst aber auch bald schlafen!“, ermahnte Nick ihm.

„Ja, ja“, meinte Randy schmunzelnd. „Hab doch schon den Pyjama an.“

„Gut“, antwortete er. „Deine Aufgaben hast du gemacht?“

„Sind fertig“, bestätigte Randy und schwang sich ins Bett.

„Okay … Nacht.“

„Nacht!“, erwiderte der 14-Jährige und deckte sich zu.

Nick verließ das Zimmer, schloss die Tür und schaffte es endlich selbst in seinen Pyjama und ins Badezimmer. Judith kam aus dem Bad und ging schnurstracks ins eheliche Doppelbett.

Wenig später schlurfte auch Nick müde ins Schlafzimmer. Er war richtig froh darüber, die drei Kinder endlich in ihre Betten verfrachtet zu haben. Judith lag auf ihrer Seite des Bettes und schaute zu ihrem erschöpften Mann hoch.

„40 Cents …“, seufzte Nick demotiviert. „Dafür hab ich also ein Kunststudium abgeschlossen.“

„Sieht wohl so aus“, sagte sie. „Aber jetzt leg dich erst mal ins Bett und ruh dich aus.“

„Du hast vermutlich recht“, murmelte er, legte sich auf seine Bettseite und schlüpfte unter die dünne Bettdecke.

„Ich hab immer recht, wenn es um deine Gesundheit geht“, bemerkte Judith.

„Das stimmt“, musste Nick zugeben, rollte sich mühsam auf die Seite und schaute seine Frau an. „Du bist noch immer so schön wie an dem Tag, an dem ich dich kennengelernt habe.“

Judith musste ein bisschen schmunzeln. „Meinst du da, wo du den Fußball voll auf den Schädel bekommen hast und ohnmächtig neben mir auf dem Rasen lagst?“

„Genau“, bestätigte Nick. „Das Erste, was ich sah, als ich wieder zu mir kam, waren deine wunderschönen Augen.“

„Deinen Charme hast du mit den Jahren noch nicht verloren“, meinte Judith lächelnd.

„Es gibt noch etwas, was ich nicht verlieren werde“, sagte er darauf. „Die Liebe zu dir.“

„Komm doch her!“, sagte sie.

„Auf das Angebot geh ich gern ein“, war seine Antwort.

Nick legte eine Hand auf ihre Taille und streichelte seine Frau sanft. Dann beugte er sich vor und küsste Judith. Schnell wurde aus einem einfachen Kuss eine zärtliche Zungenspielerei. Dafür hatte sich Nick früher schon sehr viel Zeit gelassen. Judith ließ ihren Mann dabei unter ihre Bettdecke und auch schnell zwischen ihre Beine. Während sie so rumknutschten, spürte Judith deutlich die entstehende Erektion ihres Mannes. Und auch ihre eigene Erregung …

„Ich liebe dich, Judith“, sagte Nick und schmuste nun ihren Hals ab.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte sie.

Nick fasste ihr nur kurz zwischen die Beine, um etwas für ihn sehr Wichtiges festzustellen.

„Du bist ja grad richtig feucht“, bemerkte er schmunzelnd, während er seiner Frau dabei in die Augen sah.

„Willst du es genauer spüren?“, fragte Judith mit einem verdammt verführerischen Blick.

„Ein wunderschönes Angebot, mein Schatz“, fand Nick.

Judith zog ihr weites Nachthemd ein Stück weiter rauf, Nick fasste ihr erneut zwischen die Beine und zog ihr die Unterhose aus. Judith zupfte ein bisschen an der Pyjamahose ihres Mannes herum, um sie ein Stückchen weiter runterzuziehen. Gleich darauf brachte sich Nick richtig zwischen ihren Beinen in Stellung und drang vorsichtig in sie ein. Das Ehepaar küsste einander immer wieder. Aber lange hatten sie nicht Zeit, um das Liebesspiel in Ruhe zu genießen. Nicks Handy klingelte nämlich laut und überaus penetrant. Er löste sich widerwillig von den Lippen seiner Frau und meinte genervt: „Wer ist das denn?!“

„Sieh lieber nach!“, fand Judith.

„Na, gut“, maulte er, während er sich von ihr runterwälzte und nach dem Handy griff.

Judith konnte es aber im Moment nicht lassen und kuschelte sich an ihren Mann. Nick warf einen Blick aufs Display und sagte beinahe schon jammernd: „Nein … Verdammt, nein!“

Widerwillig nahm er das Gespräch an: „Ja?“

„Hab ich dich geweckt?“, fragte Herb Andrews gleich. Er klang ein wenig verschreckt.

„Nein“, antwortete Nick, während er sich am Hinterkopf kratzte. „Ich bin wach.“

„Mir sind zwei Leute krank geworden“, ließ er ihn wissen. „Kannst du bitte einspringen.“

„Ja, kein Problem“, antwortete Nick und warf einen Blick auf den Radiowecker auf seinem Nachttisch. „Bin in einer halben bis Dreiviertelstunde da.“

„In Ordnung“, sagte Herb Andrews dankbar. „Echt spitze, dass ich mich immer auf dich verlassen kann, Nick.“

„Kein Problem“, erwiderte er. „Bis dann!“

„Bis dann!“, bestätigte Herb und beendete das Gespräch.

Nick seufzte genervt und legte das Handy wieder zur Seite.

„Tut mir leid, Schatz“, entschuldigte er sich gleich. „Daraus wird heute leider nichts.“

„Schon okay“, erwiderte Judith.

Es schien fast, als ob es ihr wirklich völlig egal wäre. Aber es schwang doch Frust in ihrer Stimme mit. In letzter Zeit kamen sie eher selten dazu, miteinander zu schlafen. Und jetzt wären beide so gut in Stimmung gewesen …

 

Wenig später hockte Nick in seiner Nachtwächteruniform, mit den Schlüsseln, dem Funkgerät und der Taschenlampe bei seinem Vorgesetzten Herb Andrews.

„Danke, dass du gekommen bist.“ Herb klang wirklich über die Maßen dankbar. „Ich hätt sonst echt nicht gewusst, was ich hätte tun sollen.“

„Kein Problem“, versicherte Nick.

„Na, dann“, sagte Herb. „Bis morgen früh.“

„Genau“, bestätigte er.

„Tschau.“

„Tschau“, brachte Nick grade noch heraus.

Nicks Nachtschicht verging mal wieder sehr, sehr langsam. Es war irgendwie lähmend. Zwischen seinen Kontrollgängen saß er mit den Füßen auf dem Tisch und seinem Skizzenblock da. Aus Langeweile zeichnete er diesmal seine Überwachungsbildschirme. Trotz dieser Beschäftigung hoffte er, dass diese Nacht schnell verging. Bis er seinen Rundgang durchs Gebäude antreten musste, zeichnete er die Überwachungsbildschirme, Teile des Büros und sogar seine Cola-Dose. Ja, dieser Nachtwächterjob war echt langweilig. Nick legte schließlich Block und Stift zur Seite und warf einen Blick auf die Uhr. Es war Mitternacht. Zeit für seinen Rundgang. Also stand er ein wenig widerwillig auf, schnappte sich seinen überfüllten Schlüsselbund und die Taschenlampe und machte sich auf den Weg aus seinem Kämmerchen. Er ging etwas lustlos, aber dennoch aufmerksam durch das dunkle Gebäude. Er würde diesen Job garantiert nicht machen, wenn er seine Familie durch die Kunst versorgen könnte.

Nach etwa 30 Minuten hatte Nick seinen ersten Rundgang beendet. Bis zum nächsten in zwei guten Stunden saß er wieder nur rum und zeichnete. Und irgendwann kam endlich das Ende seiner Schicht …

Nick kam kurz vor sieben Uhr morgens nach Hause und fiel ins Bett. Er bekam gar nicht mit, dass Judith schließlich aufstand, die Kinder weckte, ihnen Frühstück machte und dann mit den Kindern die Wohnung verließ.

Nach drei Stunden war Nick aber wieder auf den Beinen, suchte sich wie an jedem Vormittag eine freie Parkbank und stellte darauf seine Sporttasche ab. Vor der Bank stellte er die Staffelei auf und nahm dann Platz. Es war wieder einer der Tage, an denen man hoffte, dass alles besser werden würde. Aber dann wurde es doch einer der absolut hoffnungslosen Tage. Nick war mehr als frustriert. Als langsam die Sonne unterging, packte er seine Staffelei zusammen und schleppte sie zu der Parkbank, auf der der alte Mr. Field meistens saß. So auch diesmal. Nick sank erschöpft neben den alten Mann und stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Wieder nichts“, erkannte Mr. Field.

„Richtig.“

Da reichte Henry Field Nick seinen Flachmann, den er stets befüllt bei sich trug.

„Danke“, sagte er, machte den Flachmann auf und nahm einen Schluck. Das hatte Nick jetzt wirklich gebraucht …

 

Nick hoffte, dass der nächste Tag etwas besser verlaufen würde. Aber das hatte er wie so oft umsonst gehofft. Der Künstler war zu Recht jeden Tag immer deprimierter. Nick sah keine Hoffnung mehr. Jeder Tag war genauso wie der andere. Erfolglos …

 

Der Freitag neigte sich schließlich dem Ende zu. Nick war zu Hause, Judith noch bei der Arbeit und die Kinder waren auch nicht da.

Vorsichtig rührte Nick das Kartoffelpüree um. Er war eigentlich kein begnadeter Koch. Aber für seine Familie tat Nick einfach alles, was in seiner Macht stand.

Da klingelte es auch schon an der Tür. Nick hatte gewusst, dass sie klingeln würde, denn Judiths Wohnungsschlüssel lag noch immer auf dem Küchentisch. Ein vergessener Wohnungsschlüssel machte ja keine Umstände, wenn ein anderes Familienmitglied zu Hause war.

Nick lief vergnügt zur Tür, öffnete und begrüßte Judith enthusiastisch mit: „Hallo, mein Engel!“

„Hey“, erwiderte sie.

Da drückte Nick ihr schon einen Begrüßungskuss auf die Lippen.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte Judith verwirrt.

„Gar nichts. Ist doch alles bestens“, fand Nick. „Randy übernachtet bei einem Freund und Susanne und Stanley sind bei deinen Eltern. Wir haben sturmfrei, Baby!“

„Deshalb führst du dich so schräg auf.“ Sie zog ihre Jacke aus.

„Was soll daran schräg sein?“, fragte Nick befremdet. „Und, wie war dein Tag?“

„Recht okay“, antwortete Judith müde. „Und deiner?“

„Alles bestens“, log er gekonnt.

„Was riecht hier so?“, fragte Judith und verzog das Gesicht.

„Keine Sorge“, meinte er. „Das ist nur das Abendessen.“

„Das Abendessen?!“

„Ja“, erwiderte Nick gelassen. „Mach dir keine Sorgen! Man kann’s essen.“

„Das will ich auch hoffen“, sagte Judith, während sie für sie beide die Getränke auf den Tisch stellte. „Ich hab wirklich Hunger.“

„Das freut mich aber zu hören“, sagte Nick und rührte noch einmal im Püreetopf um.

Judith bewunderte die Kochbegeisterung ihres Mannes schweigend. Andererseits machte sie sich da auch ein wenig Sorgen. Nick und Kochen … Na ja … Ihr Jahrestagsdinner damals war eine Katastrophe gewesen.

„Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich heute koche.“

„Solange du nicht wieder die Küche abfackelst“, meinte Judith.

„Nein, nein“, versicherte Nick ihr und rührte wieder im Kochtopf mit dem Kartoffelpüree um. „Das mach ich nicht mehr.“ Dann sah er nach dem Fleisch.

Judith setzte sich an ihren Platz am Tisch und erinnerte ihren Mann an eine etwas peinliche Geschichte. „Du hast damals Randys Haferbrei verkokeln lassen.“

„Das war ein Versehen!“, versuchte Nick sich herauszureden. „Ich war abgelenkt.“

„Da wären wir wieder beim Thema Multitasking.“

Mit „Ich bin ein Mann“ rechtfertigte er sich.

Judith musste kurz lachen.

„Es ist dann gleich fertig“, meinte Nick. „In den nächsten paar Minuten … oder so …“

„Okay …“

Wenig später saß das Ehepaar Parker einander am Küchentisch gegenüber und aß. Na ja, Nick wusste, dass sich seine Kochkünste in Grenzen hielten. Judith machte ihrem Mann allerdings die Freude und meckerte kein einziges Mal. Nach dem Essen räumten sie zusammen ab, wuschen ab und räumten das saubere Geschirr wieder ins Regal. Als das alles erledigt war, hatten Nick und Judith wieder mal Zeit für sich ganz allein. Irgendwie war das ungewohnt.

„Nick …“, begann sie. „Was erwartest du dir von einer Nacht, in der die Kinder nicht zu Hause sind?“

„Na ja, was erwartest du dir, Liebes?“

„Beantworte meine Fragen nicht mit Gegenfragen!“, meinte Judith völlig ruhig. „Das hatten wir schon mal.“

„Ja“, sagte Nick und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Daran kann ich mich noch erinnern.“

„Gut.“

„Nur so ’ne Frage …“, begann er. „Hast du etwas gegen eine Umarmung?“

„Nein“, antwortete Judith schmunzelnd.

Zufrieden nahm Nick seine Frau in den Arm und legte seinen Kopf auf ihre linke Schulter.

„Ich liebe dich, Judith.“

„Ich liebe dich auch, Nick.“

Nach einer Weile in dieser vertrauten Umarmung kam allerdings eine ganz direkte Frage von Judith an ihren Ehemann: „Wann hatten wir das letzte Mal?“

„Ich glaub, zu Neujahr“, murmelte Nick. „Wir waren beide mordsmäßig betrunken.“

Bevor er noch mehr dahinmurmeln konnte, küsste Judith ihn. Nick war gar nicht abgeneigt und schon machten sie weiter. Die Zungenküsse genossen beide im gleichen Maß.

„Jetzt kommen wir endlich dazu, das von letztens nachzuholen“, meinte er.

Judith lächelte ihn nur an. Sie hatte eindeutig den gleichen „Hintergedanken“.

Nick hob seine Liebste hoch und trug sie zum Schlafzimmer. Auf dem Weg dorthin stolperte er über ein Kabel, konnte sich aber zum Glück noch rechtzeitig fangen. Judith war bei der drohenden unsanften Landung erschrocken.

„Nichts passiert.“ Nick wollte sie mit diesen Worten beruhigen, weil im Grunde wirklich nichts passiert war. Im Gegensatz zu anderen Malen, als er sie hatte tragen wollen.

Schließlich hatten sie es ins Schlafzimmer geschafft.

Nick setzte seine Frau auf dem Bett ab und knöpfte ihr hastig das Kleid auf. Judith half ihm dabei, indem sie ihr Kleid dann auch gleich ganz auszog.

„Einen Moment, mein Engel“, meinte Nick, hopste zum Vorzimmer und schaltete das Licht ab.

Judith schaltete lieber schnell die beiden Nachttischlampen ein, bevor ihr tollpatschiger Mann noch irgendwo drüberfliegen und sich vielleicht ernsthaft verletzen konnte …

Nick schaffte es ohne weitere Bruchlandungen oder Fast-Bruchlandungen zum Bett zurück und setzte sich zu seiner schönen Frau. Keine zehn Sekunden ließen sie die Finger voneinander.

Judith zog ihm schnell das T-Shirt aus und ihren Mann an den Schultern näher zu sich. Ihre Lippen und Zungen im zärtlichen Spiel der Leidenschaft. Nick zog seiner Frau nun den BH aus und genoss für einen kurzen Moment einfach nur den Anblick. Dann küsste er sie wieder lange und hingebungsvoll und schon zupfte Judith an seiner Jeans. Es war ein eindeutiges Zeichen, dass er sich auch ausziehen sollte. Und sie wurde noch direkter.

„Zieh die verdammte Hose aus!“, forderte Judith ihn auf.

„Okay.“

Nick folgte sofort dem „Befehl“ seiner geliebten Judith. Er stand auf und kämpfte sich mühsam aus der Hose. Er hüpfte dabei sogar auf einem Bein und knallte mit dem Rücken unsanft gegen den Kleiderschrank.

„Bin gleich bei dir, Schatz“, meinte Nick zuversichtlich.

„Wenn du dich nicht vorher umbringst“, sagte Judith zweifelnd.

„Keine Sorge“, erwiderte er und warf seine Hose zur Seite. „Du kennst mich. Ich bin ein stabiler Kerl.“

„Das bildest du dir nur ein“, meinte sie allerdings.

„Gut möglich“, sah Nick ein und kletterte ins Bett zurück.

Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Judith über ihn herfiel. Sie brachte Nick blitzschnell unter sich. Er war richtig überrascht, wie schnell Judith ihn flach auf den Rücken gelegt hatte. Normalerweise war er der Stürmischere von beiden.

„So schwungvoll hast du mich schon lang nicht mehr flachgelegt“, bemerkte er.

Judith brachte ihren Mann zum Schweigen, indem sie ihn erneut küsste.

„Ich mein’s ernst“, sagte er noch.

„Sei jetzt still, Schatz.“

Noch bevor Nick erneut etwas von sich geben konnte, war Judith mit seiner unteren Hälfte beschäftigt. Sie blies ihrem Mann einen. Nick genoss jeden Augenblick, denn er liebte die Frau wahnsinnig, die das grade tat. Mehrmals musste er sich wirklich zusammenreißen.

Schließlich sagte er doch: „Stopp! Stopp! Bitte.“ Dann musste er plötzlich lachen. „Ich flehe dich an!“

Judith kam seiner Bitte nach und hörte auf. Sie legte sich über ihren Mann und küsste ihn wieder. Nick kniff ihr dabei kurz in den Hintern und meinte breit grinsend: „Jetzt bin ich dran!“

„Okay.“

Also legte Nick seine Frau flach auf den Rücken und rutschte selbst ein Stück runter. Ratzfatz zog er Judith die Unterhose aus. Anschließend nahm er mit seinem Kopf zwischen ihren Beinen Platz und fing an, seine Frau oral zu befriedigen. Aber auch Judith hielt das nicht sonderlich lange durch. Es war wohl bei beiden schon zu lange her …

„Stopp!“, keuchte Judith und klopfte dabei neben sich aufs Bett. Ihr Mann tat auch, was sie verlangte.

Nick schaute zu ihr hoch und grinste verschmitzt. Judith packte ihn an den Schultern und zog ihn weiter zu sich rauf. So weit, dass er mit seinem Unterkörper wie von selbst zwischen ihre Beine rutschte. Während Nick erst behutsam in seine Frau eindrang, schmusten sie wieder miteinander. Aber dann wurde es stürmischer. Judith war sich darin ganz sicher: So heftig hatte Nick sie schon lange nicht mehr genommen. Sie liebten einander lang und ausgiebig. Irgendwann war es für beide aber nicht mehr auszuhalten. Das Ehepaar kam gemeinsam zum Höhepunkt, wie schon sehr oft.

Nick musste erst ein paar Sekunden verschnaufen, bevor er sich von seiner Frau runter rollte. Judith kuschelte sich an ihn. „Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch“, war seine keuchende Antwort. Nick war etwas aus der Puste. Beziehungsweise etwas aus der Übung.

Es blieb vorerst die erste und letzte Runde, bevor sie einschliefen.

Obwohl es eine recht „anstrengende“ Nacht gewesen war, hieß das nicht, dass das Ehepaar Parker deshalb später aufstand. Zur gewohnten Uhrzeit waren sie beide wach.

Judith drückte ihrem Ehemann einen sanften Kuss auf die Lippen und meinte anschließend: „Ich mach uns mal Frühstück.“

„Okay“, meinte er, während Judith aus dem Bett stieg. „Aber vergiss nicht, dir was überzuziehen. Ich will nicht, dass Tony von nebenan wieder durchs Fenster starrt!“

„Einverstanden“, sagte Judith, zog sich ein weites schlabberiges T-Shirt über, beugte sich zu ihrem Mann und stützte sich dabei am Bett ab. „Zufrieden?“

„Ja!“, bestätigte Nick und küsste sie flüchtig. „Das T-Shirt hast du ausgeleiert, als du mit Randy schwanger warst.“

„Genau“, antwortete Judith. „Mit diesem T-Shirt bin ich sogar zur Schule gegangen.“

„Stimmt.“ Nick konnte das bestätigen. „Der Anblick hat mich so verdammt scharf gemacht … Ich hätte dich am liebsten jeden Tag in der Schule genommen.“

„Du hast es sogar mal gemacht“, sagte sie. „Erinnerst du dich nicht mehr?“

„Doch“, gab Nick zu. „Ich kann mich noch daran erinnern … Ich weiß sogar, dass du dann Spanisch hattest und ich noch für meine Matheprüfung lernen musste.“

„Das weißt du noch?“, fragte Judith verwundert.

„Ja“, bestätigte er. „Ich weiß so einige Details noch, die du längst vergessen hast.“

„Ich weiß, dass du in der Nacht von Randys Geburt bei einem Konzert von Hammerfall warst“, sagte sie darauf.

„Aber ich war rechtzeitig im Kreißsaal“, rief er seiner Frau in Erinnerung.

„Stimmt“, sagte Judith und ging in Richtung Tür. „Und ich bin sehr froh darüber, dass du dabei warst.“

„Ich auch“, antwortete Nick und streckte sich noch mal. Er ließ sich dabei aber wieder zurück in das weiche Bett fallen. Es war einfach viel zu bequem. Und die Kinder waren nicht da. Da konnte man durchaus ein wenig länger im Bett liegen bleiben und „nichts“ tun.

Daraufhin wollte Judith doch auch noch nicht aufstehen. Sie legte sich wieder hin und kuschelte sich ganz fest an ihren Nick.

„Noch mal?“, fragte sie erwartungsvoll.

„Okay“, antwortete er motiviert, lehnte sich über Judith und küsste sie. Der Rest ließ sich von selbst erklären …

Es war dann schon einige Zeit vergangen. Nick schlurfte zur Wohnungstür und sperrte auf. Sein Blick fiel auf die Fußmatte, auf der überraschenderweise ein Kärtchen lag. Nick hob das Kärtchen auf und las, was auf der Rückseite stand. Er musste breit grinsen.

Nick schloss die Wohnungstür wieder und ging mit dem Kärtchen in der Hand zurück in die Küche.

„Der alte Watson hat uns eine Nachricht geschrieben“, berichtete er.

„Was steht denn drauf?“, wollte Judith wissen, während sie den Haferbrei umrührte.

„Treibt es in Zukunft gefälligst leiser!“, gab Nick die Worte auf dem Kärtchen wieder.

Judith musste augenblicklich lachen. So etwas war ihnen noch nie passiert, und sie wohnten schon seit gut zehn Jahren hier. Von Anfang an neben Mr. Watson. Bisher hatte er sich nie beschwert.

„Das hat er wirklich geschrieben?“, lachte sie.

„Ja“, bestätigte Nick und hielt es ihr vor die Nase. „Sogar mit Rufzeichen.“

Judith lachte wieder. Es war einfach zu komisch.

„Aber wenigstens hat er es schriftlich hinterlassen und nicht währenddessen rübergebrüllt.“ Nick sah das Positive daran. „Letzteres hätte uns die Stimmung verdorben.“

„Du hast recht.“

Das Ehepaar Parker saß wenig später am Küchentisch und löffelte Haferbrei. Gerade erlaubte sich Nick, seiner Frau einen Löffel Haferbrei in den Mund zu schieben, kleckerte aber dabei ein bisschen. Judith hatte nun Haferbrei auf der Wange kleben und musste wieder lachen. Auch ihr Mann lachte mit und schleckte ihr den Patzer schnell vom Gesicht. Das führte wieder zu Gelächter. An diesem Tag fühlten sie sich mal wieder richtig jung.

Nach dem Frühstück und dem Abwasch ergab sich aber eine andere Frage.

„Wann kommen die Kinder?“, wollte Nick wissen.

„Meine Eltern bringen die zwei um fünf her und wann Randy kommt, weiß ich nicht“, antwortete Judith. „Ich hab vorhin mit meiner Mum telefoniert.“

„Gut. Da haben wir ja noch Zeit“, stellte er fest. „Dusche?“

„Immer wieder komm ich von Neuem drauf, was ich für ein verrücktes Ding geheiratet hab“, meinte Judith schmunzelnd.

„Du kennst mich, Babe“, sagte Nick. „Zu 80 Prozent durchgeknallt.“

„Ich weiß“, lachte sie. „Manchmal ein bisschen mehr.“

„Genau“, bestätigte Nick. „Und jetzt ab unter die Dusche!“

„Ja, okay …“

Nick ließ ihr keine andere Wahl. Er packte Judith an der Hand und zog sie mit sich ins Badezimmer, in dem auch ziemlicher Platzmangel herrschte. Aber das wurde im Moment geflissentlich ignoriert.

Kurz darauf standen Nick und Judith in der Badewanne und duschten gemeinsam. Auch dort gab es keine Ruhe, denn sie schmusten rum. Irgendwann wanderte Nick mit seiner Hand zwischen die Beine seiner Ehefrau und berührte ihr Intimstes. Aber sie gingen noch weiter. Judith hob ein Bein an, um es ihrem Liebsten ein wenig leichter zu machen. Dann drang er in sie ein. Also besorgte Nick es seiner Frau noch mal unter der Dusche. So viel Zeit für sich allein hatte das Paar schon lange nicht mehr gehabt. Beide waren der Meinung, dass man diese Gelegenheit bis zur letzten Minute auskosten sollte – was sie auch taten …

Die Stunden zu zweit vergingen recht schnell. Es war bereits gegen 17 Uhr. Nick und Judith warteten schon auf ihre zwei jüngsten Kinder, die von Nicks Schwiegereltern gebracht wurden. Judith bereitete das Abendessen zu, während Nick einfach nur an die Wand gelehnt da stand und seine Frau beim Kochen zeichnete. Auch das war wieder eine Bleistiftzeichnung. Das war Nicks „Spezialgebiet“. Seiner Meinung nach hatten Bleistiftzeichnungen immer eine besondere Wirkung.

Natürlich wusste Judith, dass sie gerade gezeichnet wurde und fragte: „Hast du’s nicht langsam satt, mich zu zeichnen?“

„Nein“, antwortete Nick, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. „Ich werde es nie satt haben, meine bezaubernde Frau zu zeichnen.“

Judith musste kurz lachen und wendete die Kartoffelstücke in der Pfanne. „Du bist ein Spaßvogel.“

„Darum bist du ja auch seit Jahren mit mir zusammen“, meinte er schmunzelnd.

Judith wechselte aber das Thema und sagte: „Hoffentlich kommen sie bald. Sonst verbrutzelt die Sauce völlig.“

„Sie werden sicher bald da sein.“ Nick sagte das mit großer Zuversicht. „Dein Dad kommt ungern unpünktlich.“

„Ich weiß …“

Nick machte den letzten Bleistiftstrich, klappte seinen Skizzenblock zu und legte ihn auf den Wohnzimmertisch, der nicht sonderlich groß war.

In diesem Moment wurde die Wohnungstür aufgesperrt. Susanne und Stanley kamen hereingelaufen. Dicht hinter ihnen betraten ihre Großeltern Joy und Marc Winters die Wohnung. Susanne rannte sofort aufs Klo und knallte die Tür hinter sich zu.

„Da hat’s wer nötig“, bemerkte Nick, der gar keinen Begrüßungskuss von seiner Tochter bekommen hatte.

Stanley hatte sich schon an die Beine seines Vaters geklammert und rief: „Daddy! Daddy!“

Nick hob seinen jüngeren Sohn hoch und schon umarmte Stanley seinen Dad.

„Sie hat die halbe Autofahrt gejammert, dass sie auf die Toilette muss“, teilte Joy ihrem Schwiegersohn mit und kam auf ihn zu. „Schön, dich mal wiederzusehen.“ Denn die Großmutter war noch nicht zu Hause gewesen, als Nick die beiden Kinder am Vortag zu ihnen gebracht hatte.

Sie drückte Nick einen Kuss auf die Wange.

„Hallo, Joy“, begrüßte er sie.

Sonderlich viel konnte Nick im Moment nicht erwidern, denn Stanley hielt ihn ganz fest. Zurzeit hing der Junge sehr an seinem Vater. Aber Nick wusste längst, dass das bloß eine vorübergehende Phase war. Stanley würde wahrscheinlich genauso wie sein Bruder Randy irgendwann aufhören, sich an ihm festzuklammern. Irgendwann würde es schon schwierig sein, überhaupt nur einen einzigen Wangenkuss zu bekommen. Und das war eigentlich nicht viel verlangt.

„Ist Randy da?“, fragte Joy mit erwartungsvollem Blick.

„Nein, tut mir leid.“ Nick enttäuschte seine Schwiegermutter nur ungern. „Er ist noch bei einem Freund.“

„Ach so.“ Joy Winters sah das ein. Immerhin war ihre eigene Tochter in Randys Alter schon dauernd mit dem Parker-Jungen unterwegs gewesen. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Randy in ein paar Monaten schon 15 wird!“

„Tja, die Zeit vergeht wie im Flug“, musste Nick darauf sagen. „Wollt ihr zum Essen bleiben?“

„Nur, wenn es keine Umstände macht“, erwiderte Joy Winters sofort.

Ihr Gatte Marc hatte bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt. Nick hatte nichts anderes erwartet und machte sich auch nichts draus.

Marc Winters hatte Nick von Anfang an gehasst. Bereits, als sie sich kennenlernten, sagte Marc überzeugt, dass Nick der verfluchte Verführer seiner kleinen lieben braven Tochter sein würde. Das hatte sich in gewisser Weise bewahrheitet. Heute war das Verhältnis zwischen Marc Winters und seinem Schwiegersohn Nick Parker halbwegs stabil. Wirklich leiden konnte er den Kerl aber immer noch nicht, der seine junge Tochter damals geschwängert und auch noch geheiratet hatte.

„Was macht die Hüfte, Marc?“, erkundigte sich Nick interessiert.

„Wird schlimmer bei deinem Anblick“, antwortete sein Schwiegervater mit finsterer Mine.

„Mum, Dad“, sagte Judith, die den Kommentar ihres Vaters nicht gehört hatte. „Setzt euch doch!“

Nick atmete erleichtert auf. Seine Judith schaffte es einfach immer, die angespannte Situation etwas aufzulockern. Susanne und Stanley setzten sich an ihren Platz und rutschten ein Stück zusammen. Judith bereitete noch den Braten und die Beilagen zu. Nick bot seinen Schwiegereltern währenddessen etwas zu trinken an, richtete alles her und setzte sich dann hin.

Mr. und Mrs. Winters nahmen auch rund um den Tisch Platz. Und wieder fand Schwiegervater Marc etwas zum Bemängeln. „Eure Küche ist viel zu klein! Man kann sich ja kaum bewegen.“

„Ach, jetzt gib Ruhe!“, meinte seine Frau Joy gelassen. „Wir sehen uns so selten alle zusammen. Da kannst du doch wenigstens EINMAL freundlicher sein.“

„Es ist doch wahr!“, rechtfertigte sich Marc Winters. Er fühlte sich deutlich angegriffen. „Die Wohnung ist überhaupt zu klein für fünf Personen. Randy, Susanne und Stanley bleiben nicht ewig so klein!“

Judith musste kurz lachen und erklärte: „Dad, sei froh, dass Randy noch nicht zu Hause ist. Sonst wär er wieder sehr beleidigt.“

„Er ist eben schmächtig“, meinte Marc Winters schmollend. „Kein Wunder, bei diesem Vater!“

„Dad!“, stieß Judith schockiert hervor und wandte sich von der Herdplatte ab. „Sei jetzt bitte nicht so gemein!“

Nick, den diese Beleidigungen eigentlich betrafen, blieb allerdings ganz cool. Er war es seit vielen Jahren gewöhnt, von seinem Schwiegervater beleidigt zu werden. Es gehörte sozusagen einfach dazu.  Aber Nick war auch Schlimmeres gewöhnt …

Gleich darauf wurde schon wieder die Wohnungstür aufgeschlossen. Randy kam mit etwas zerzausten Haaren herein und meinte: „Tschuldigung. Ich weiß, ich bin zu spät.“

„Macht nichts“, meinte sein Papa Nick. „Zieh dir die Schuhe aus, wasch dir die Hände und setz dich an den Tisch! Es gibt gleich Essen.“

„Okay.“

Randy ging beim Tisch vorbei.

„Hi, Opa“, sagte er und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, „hi, Oma.“ Auch hier folgte ein Begrüßungskuss.