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Schnelle Colts #3 - Vier Western

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Ein Stern für Texas

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Brigade der Desperados

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SONORA-GEIER

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Die Höllenhunde vom Rio Bravo

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Schnelle Colts #3 - Vier Western

von Alfred Bekker & Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 438 Taschenbuchseiten.

Dieses Buch enthält folgende vier Romane:

Pete Hackett: Ein Stern für Texas

Alfred Bekker: Brigade der Desperados

Alfred Bekker: Sonora Geier

Pete Hackett: Die Höllenhunde vom Rio Bravo

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Authors, Titelbild: Firuz Askin

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Ein Stern für Texas

Western von Pete Hackett

Der Roman handelt von der Pionierzeit des amerikanischen Westens, dem eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Harte Männer im Kampf um Recht und Rache...

1

Die Sonne brannte vom Firmament und verwandelte die Main Street von Imperial in eine Gluthölle. Im knöcheltiefen Staub glitzerten winzige, silberne Kristalle. Dud McPherson, der Sheriff der kleinen Stadt einige Meilen südlich des Pecos River, trat mit dem Gewehr in den Fäusten auf den Vorbau seines Office. Er hielt die Winchester schräg vor seiner Brust. Seine Hände hatten sich regelrecht daran festgesaugt. Der hagere, falkenäugige Mann schaute sich um. Jeder Zug in seinem zerklüfteten Gesicht verriet Anspannung.

Jeden Moment mussten Jesse Elliott und seine beiden Kumpane auf der Straße erscheinen. Und dann würden die Waffen das letzte Wort sprechen...

Die Main Street war wie leergefegt. Manchmal wirbelte der heiße Südwind den Staub auf und trieb ihn in Spiralen vor sich her. Die Menschen von Imperial hatten sich in ihre Behausungen zurückgezogen. Jeder kannte die Gefahr, die sich wie eine drohende Gewitterwolke über der Town zusammengebraut hatte. Keiner wagte es, ihr entgegenzutreten. Die Stadt hielt den Atem an.

Dud McPherson sprang vom Vorbau. Seine Linke löste sich vom Schaft des Gewehres. Er rückte sich den Stetson tiefer in Stirn. Mit helläugiger Reglosigkeit stand er am Rand des Schattens, den das Office warf.

Und dann kamen die drei Banditen. Sie bogen um die Ecke beim Barber Shop. Sie schritten nebeneinander. Die Distanz zwischen ihnen betrug jeweils eine Armlänge. Es waren heruntergekommene, verwegene Gestalten mit tagealten Bartstoppeln in den hohlwangigen, kantigen Gesichtern, in denen ein unstetes, lasterhaftes Leben unübersehbare Spuren hinterlassen hatte. Die Schöße ihrer langen Staubmäntel schlugen gegen ihre Beine. Die Holster mit den Colt lagen frei. Bei jedem ihrer Schritte berührten ihre Handballen die abstehenden Knäufe. Die Sternradsporen der drei Kerle klirrten melodisch.

Dud McPherson rührte sich nicht. In seinen Zügen zuckte kein Muskel. Er verspürte tiefe Bitternis, aber er zeigte es nicht. Dazu gesellte sich ein tiefempfundenes Gefühl der Verlorenheit. Die Stadt hatte ihn schmählich im Stich gelassen. Sein Deputy ritt seit drei Tagen auf der Spur einiger Pferdediebe. So schwer wie in dieser Minute war Dud McPherson das Abzeichen mit dem Lone Star an seiner linken Brustseite noch nie vorgekommen. Es schien tonnenschwer zu wiegen.

Er stand den dreien mutterseelenallein gegenüber.

Sie waren voll Hass. Sie waren gekommen, um Dud McPherson eine blutige Rechnung zu präsentieren.

Wie auf ein geheimes Kommando hielten sie an. Ihre Hände hingen neben den abgegriffenen Knäufen der schweren, langläufigen Colts. Die Finger waren gekrümmt wie die Klauen eines Greifs. Die Kälte des Todes umgab sie...

McPhersons Herz schlug dumpf in der Brust. Der 52-jährige gab sich einen Ruck. Mit kurzen, abgezirkelten Schritten bewegte er sich zur Mitte der Fahrbahn. Staub knirschte unter seinen Sohlen. Der Sheriff spürte Beklemmung. Es war, als berührte eine eisige Hand seinen Nacken.

Dann standen sie sich gegenüber.

Zehn Schritte trennten sie. Eine absolut tödliche Distanz...

Die Gestalten der drei Banditen warfen kurze Schatten. Die Sonne stand halbrechts hinter ihnen. McPhersons Augen befanden sich im Schatten der Hutkrempe. Auf dem unteren Teil seines Gesichts lag das gleißende Sonnenlicht.

Als Jesse Elliott sprach, hatte seine Stimme den Klang zerspringenden Eises. Er rief: "Da sind wir, McPherson. Du weißt, weshalb wir nach Imperial gekommen sind."

Der Sheriff nickte. Seine Lippen waren zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammengepresst. Jetzt sprangen sie auseinander. "Yeah, Elliott. Aber damit machst du deinen Bruder auch nicht wieder lebendig."

"Ihr habt ihn aufgehängt wie ein Stück Vieh!", rasselte Elliotts Organ. "Hast du wirklich gedacht, ich lasse seinen Tod ungesühnt?"

"Dein Bruder wurde gehängt, weil er zwei Männer ermordet hat. Eine vereidigte Jury hat ihn schuldig gesprochen, der Richter hat ihn zum Tode verurteilt. Ich habe das Urteil vollzogen. Das ist Gesetz, Elliott. Für Mord hängt man eben in unserem Land."

"Du hast Matt eingefangen, McPherson!", knirschte Jesse Elliott. "Du hast ihn angeklagt, und du hast die Klappe geöffnet, durch er mit dem Strick um den Hals fiel. Du bist so gut wie tot, McPherson."

"Was reden wir lange", knurrte John Evans, ein indianerhafter Bursche mit tiefliegenden, stechenden Augen und einem brutalen Zug um den schmallippigen Mund. "Pusten wir diesen alten Narren aus den Stiefeln. Kein Hahn wird nach ihm krähen."

Er dehnte die Worte in einer Art, die in ihrer Unmissverständlichkeit erschreckend war.

"Yeah", grollte Lewis Jacksons heiseres Organ. "Fangen wir endlich an. Ich will in den Saloon zurück, ehe mein Whisky warm wird."

"Sicher", nickte Jesse Elliott. "Wir sind nicht nach Imperial gekommen, um große Reden zu führen."

Dud McPherson trat in Aktion. Er wollte ihnen zuvor kommen und schwang das Gewehr hoch. Eine Patrone war im Lauf. Er zog den Kolben an seine Hüfte...

Es war wie ein Signal. Und es war der Auftakt zu einer tödlichen Tragödie. Die Hände der Banditen stießen zu den Colts. Die Eisen flirrten aus den Holstern. Ziehen, spannen und schießen waren bei jedem von ihnen ein einziger, glatter Bewegungsablauf. McPhersons Winchester peitschte. Die Sechsschüsser dröhnten. Die Mündungsfeuer verschmolzen mit dem grellen Sonnenlicht. Die Detonationen stauten sich zwischen den Häusern und stießen schließlich dumpf grollend hinaus in die Wildnis.

Dud McPherson lag bäuchlings im Staub. Eines der Geschosse hatte ihn in den Oberschenkel getroffen und ihm das Bein vom Boden weggerissen. Seine Kugel hatte John Evans gefällt. Elliott und Jackson spritzten auseinander. Schießend rannte Elliott auf die linke Straßenseite, Jackson näherte sich mit langen Sätzen der rechten. McPherson rollte durch den Staub. Die Banditenkugeln pflügten den Boden, wo der eben noch gelegen hatte. Wieder war die Stadt voll vom belfernden Krachen der Waffen.

Elliott warf sich hinter einen Tränketrog. Jackson hechtete unter einen Vorbau, schleuderte sich herum und suchte über Kimme und Korn seines Sechsschüssers den Sheriff.

McPherson hatte sich aufgerafft. Der Schmerz von seinem durchschossenen Oberschenkel flutete hinauf bis unter seine Schädeldecke und trieb ihm die Tränen in die Augen. Zwischen seinen Zähnen knirschte Staub. Blut pulsierte aus der Wunde. Mit zusammengepressten Kiefern humpelte McPherson los. Er gab sich selbst Feuerschutz. Mit rasender Geschwindigkeit repetierte und feuerte er. So zwang er die beiden Banditen, die Köpfe einzuziehen. Seine Projektile hämmerten fingerdicke Löcher in die Wand es Tränketrogs, hinter dem Jesse Elliott Schutz gesucht hatte. Das Wasser suchte sich einen Weg, sprudelte in den Staub und verwandelte ihn in Schlamm.

McPherson erreichte den Vorbau des Office. Rückwärtsgehend schleppte er sich die Stufen hinauf. Schuss um Schuss fuhr aus der Mündung der Winchester. Dann war die letzte Kugel aus dem Lauf. Es machte 'Klick', als der Schlagbolzen in die leere Kammer stieß. McPherson ließ das Gewehr fallen und riss den Colt heraus. Mit dem Daumen zog er den Hahn zurück. Schmerz verzerrte sein Gesicht. Schweiß perlte auf seiner Stirn, rann über seine Wangen und brannte in seinen Augen.

Jetzt wagten sich die beiden Banditen aus ihren Deckungen. Ihre Schüsse prallten heran. Geduckt rannten sie im Zickzack näher. In ihren zusammengekniffenen Augen glühte der Wille zum Töten. Sie kannten keine Gnade und kein Erbarmen.

McPherson kniete auf dem Vorbau ab. Sein Bein wollte ihn kaum noch tragen. Die Hose klebte an der Haut. Der Schmerz lähmte seinen Verstand. Sein Zahnschmelz knirschte. Er hob die Faust mit dem Colt. Sein Finger krümmte sich um den Abzug. Das Eisen bäumte sich auf. Die Trommel drehte sich klickend um eine Kammer weiter, als er erneut spannte...

Der Sheriff spürte einen furchtbaren Schlag gegen seine Schulter. Die Wucht des Treffers warf ihn halb herum. Ein Aufschrei stieg aus seiner Kehle. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. Heiß strich ein Stück Blei an seiner Wange vorbei. Die Schatten der jähen Benommenheit, die sich wie ein Schleier vor seine Augen senkten, rissen, als die Todesangst kam und zugleich der Selbsterhaltungstrieb durchbrach. Wenige Schritte vor sich sah er Jesse Elliott. Er schlug den Colt auf den Outlaw an...

Die Waffe des Banditen brüllte auf. Einen Herzschlag später donnerte Lewis Jacksons Eisen. Der Tod griff mit knöcherner Klaue nach Dud McPherson. Er kam nicht mehr zum Schuss. Er wurde herumgerissen und geschüttelt, und schließlich kippte er sterbend auf die Seite. Seinen Sechsschüsser begrub er unter sich.

Aus den Mündungen der Banditencolts kräuselten feine Rauchfäden. Die Detonationen zerflatterten über den Dächern, die Echos verebbten mit geisterhaftem Geflüster. Bleierne Stille senkte sich in die Stadt, eine Stille, die fast noch schrecklicher und unerträglicher anmutete als das mörderische Hämmern der Waffen vorher.

Ohne jede Gemütsregung näherte sich Jesse Elliott der reglosen Gestalt auf dem Vorbau. Ohne Eile stieg er die Vorbaustufen hinauf. Währenddessen sicherte Lewis Jackson auf der Straße um sich. Aber niemand ließ sich sehen. Die Angst hatte die Town fest im Griff.

Groß und hager stand Jesse Elliott vor dem Sheriff. Mitleidlos starrte er auf die stille Gestalt hinunter. Unter dem Körper rann Blut hervor und sickerte in eine Ritze zwischen zwei Bohlen. Mit dem Stiefel drehte Elliott den Sheriff auf den Rücken. Die blaugrauen Augen starrten mit leerem Ausdruck zum Himmel. McPhersons Hemdbrust war dunkel von seinem Blut.

Jesse Elliott bückte sich und riss dem Toten den Stern von der Weste. Sekundenlang starrte er mit verächtlichem Ausdruck auf das Symbol des Gesetzes in seiner flachen Hand. Dann schleuderte er es in die Fahrbahn. Das Abzeichen versank im Staub. Elliott machte abrupt kehrt.

Lewis Jackson war zu John Evans hingegangen und beugte sich jetzt über ihn. Elliott sprang auf die Straße. Während er in Evans Richtung stiefelte, klappte er die Revolvertrommel heraus. Er schüttelte die verschossenen Patronen aus den Kammern und ersetzte sie mit scharfen aus seinem Gurt. Die Trommel rastete wieder ein, der Bandit stieß den Colt ins Holster.

"John hat der Bastard noch erwischt", stieß Jackson gehässig hervor. "Er war besser, als wir annahmen."

"Aber nicht gut genug", versetzte Elliott kalt. "Für Jack können wir nichts mehr tun. Verschwinden wir aus dem Nest. Reiten wir zum Canadian hinauf."

Auch Jackson lud seinen Revolver nach. Die beiden Banditen stapften zum Mietstall. Eine Viertelstunde später verließen sie Imperial. Die Nasen ihrer Pferde wiesen nach Norden...

2

Bill Waco, der Deputy Sheriff von Imperial, hatte die beiden Halunken, die ein halbes Dutzend Pferde aus einem Corral der Double-B Ranch gestohlen hatten, wenige Meilen nördlich von Fort Stockton, gestellt.

Es war früher Morgen. Im Osten hing die Sonne wie eine Scheibe aus flüssigem Gold über dem welligen Horizont. Der Morgendunst war Vorbote der kommenden Hitze. Auf den Gräsern lag noch der Tau.

Die beiden Sattelstrolche waren gerade dabei gewesen, ihr Nachtlager abzubrechen. Jetzt hatten sich auf einer Anhöhe verschanzt. Der Abhang schwang sich steil nach oben. Sporadisch wuchteten Felsklötze aus dem Boden. Mesquitesträucher, dorniges Gestrüpp und hartes, trockenes Gras bildeten die Vegetation. Hier und dort waren kleine Inseln purpurn blühenden Salbeis zu sehen. Der Blütenduft hing in der Luft. Bienen summten...

"Gebt auf, Leute!", forderte Bill. Er lag hinter einem hüfthohen Findling und äugte den Abhang hinauf. Seine Rechte umschloss den Kolbenhals der Winchester, Modell 73. In Bills Holster am rechten Oberschenkel steckte ein 45er Colt-Revolver. Der Kolben aus Walnussholz war hell und glatt.

Nach einer kurzen Pause, in der keine Resonanz auf seine Aufforderung erfolgte, erklang wieder seine staubheisere Stimme: "Ihr entkommt mir nicht. Also streckt die Waffen und tretet mit erhobenen Händen aus euren Deckungen. Es ist nicht nötig, dass wegen einer Handvoll Pferde Blut vergossen wird."

Die Antwort war ein Schuss. Die Kugel schrammte über den Felsen, hinter dem Bill sich verschanzt hatte, und zog einen hellen Streifen. Ein durchdringendes Quarren erfüllte die Luft. Bill zog den Kopf ein. Über dem Felsen oben auf dem Hügel schwebte eine Pulverdampfwolke.

"Hol uns, wenn du lebensmüde bist, Deputy" erschallte es rau und wild. "Wenn du allerdings Blutvergießen vermeiden willst, dann solltest du umkehren."

Bills Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Hart traten die Backenknochen daraus hervor. "Wie ihr wollt", knurrte er tief in der Kehle. Er nahm seinen Stetson ab, legte ihn auf den Boden und spähte am Felsen vorbei hangaufwärts. Die nächste Deckung, die einigermaßen Sicherheit bot, war etwa acht Schritte entfernt.

Bill spannte seine Muskeln. Er federte aus der kauernden Stellung hoch, schießend rannte er geduckt zu dem Felsklotz. Querschläger jaulten ohrenbetäubend, das Peitschen der Schüsse rollte den Hang hinauf und stieß darüber hinweg.

Als die beiden Banditen das Feuer erwiderten, war Bill schon in Deckung. Sein Atem ging etwas schneller, der Herzschlag hatte sich beschleunigt. Das Blei der Pferdediebe pfiff über ihn hinweg. Bill wischte sich den Schweiß aus den Augenhöhlen.

Das Gewehrfeuer brach schlagartig ab. Wahrscheinlich wurde den beiden Banditen bewusst, dass sie nur ihr Blei vergeudeten. Die letzten Echos der Schüsse versanken in der Lautlosigkeit. Bill spähte nach oben. Atmung und Herzschlag hatten sich bei ihm wieder reguliert.

Der Schatten eines der Kerle fiel hinter einem Felsen hervor. Plötzlich kam die Gestalt zum Vorschein. Sie hetzte ein Stück den Hang hinunter und verschwand in Deckung. Im nächsten Moment begann das Gewehr des Strolches zu hämmern.

Auf der Hügelkuppe huschte der andere Bandit aus der Deckung. Mit langen Sprüngen kam auch er ein Stück nach unten, um sofort hinter der nächstbesten Deckung abzutauchen.

Aaah, durchzuckte es Bill, sie wollen den Spieß umdrehen und dich in die Zange nehmen. Na schön, Amigos, das erspart mir den Weg da hinauf. Sein Kinn wurde eckig. Er jagte blindlings einen Schuss aus dem Lauf und kroch auf die andere Seite des Felsens.

Die Banditen deckten die Stelle mit ihrem Blei ein, von der aus er eben den Schuss abgegeben hatte. Und dann wuchs einer der Kerle hinter seiner Deckung hervor, stieß sich ab und sprang wieder ein Stück die Hügelflanke nach unten.

Bill feuerte. Der Bursche brüllte seinen Schreck hinaus. Sein Gewehr flog in hohem Bogen davon. Einen Lidschlag lang hing er quer in der Luft, dann krachte er der Länge nach auf den Boden. Er rollte noch ein Stück hangabwärts, dann blieb er an einem Strauch hängen. Sein Stöhnen ertönte in das Verraunen der Detonation hinein. Er griff zum Colt.

Bills nächste Kugel warf ihm eine Handvoll Erdreich ins Gesicht. Er erstarrte in der Bewegung. Die Knöchel seiner Hand, die den Revolvergriff umklammerte, traten weiß unter der Haut hervor.

"Lass ihn lieber stecken, Hombre!", brüllte Bill. "Die nächste..."

Das Gewehr des anderen Banditen schleuderte sein rhythmisches Krachen den Hang hinunter. Steinsplitter sirrten wie Geschosse durch die Luft. Der Verwundete begann zu kriechen. Auf allen vieren strebte er einem der Felsblöcke zu.

Bills Kugel stoppte ihn. Sie schlug dicht vor ihm ein. Schmerz und Angst entlockten ihm ein ersterbendes Röcheln. Aus unterlaufenen Augen starrte er auf den Felsen, hinter dem er den Deputy wusste. Er wagte nicht mal mehr mit der Wimper zu zucken. Die Furcht vor der nächsten Kugel würgte seinen Widerstandwillen regelrecht ab. Hals und Mundhöhle des Banditen waren jäh ausgetrocknet.

"Ich - ich gebe auf!" Seine Stimme war verzerrt von den Qualen, die ihm die Wunde bereitete, die Bills Kugel an seiner Hüfte gerissen hatte.

Das Gewehr seines Komplizen schwieg.

"Dann zieh vorsichtig die Kanone aus dem Holster und wirf sie fort!", rief Bill klirrend. "Und dir dort oben empfehle ich das gleiche. Es lohnt sich nicht, wegen einiger Pferde zu sterben."

Der Verwundete zog den Colt heraus und schleuderte ihn hangabwärts. Stahl klirrte gegen Gestein. Der Bursche presste die Hand auf die Wunde. "Er hat recht, Dale!", rasselte die Stimme des Mannes. "Wir..."

"Ich pfeif drauf!", brüllte der andere überschnappend. "Ich blase diesem aufgeblasenen Sternschlepper das Hirn aus dem Schädel. Und hinterher werde ich auf seinen Stern spucken."

Er spurtete nach rechts davon, schlug Haken wie ein Hase, wandte sich jäh hangabwärts und kam auf eine Höhe mit Bill. Dessen Kugeln begleiteten seinen Sturmlauf, aber der Kerl bewegte sich mit einer Behändigkeit ohnegleichen, so dass die Geschosse Bills nur Staubfontänen in die Höhe wirbelten. Dann peitschte wieder die Winchester des Pferdediebes. Bill warf sich zur Seite. Im letzten Moment. Denn der Mister hatte ihn von dem Platz aus, an dem er sich jetzt befand, gut im Visier, während er selbst sicher gedeckt hinter dem Felsen kauerte.

Bill rollte den Hang hinunter. Er stieß sich die Schulter an einem spitzen Stein. Etwas bohrte sich hart in seinen Rücken. Dann kam er hoch. Sein Schuss krachte. Er drückte sich ab, flog hinter einen Strauch und presste seinen Körper flach auf den Boden.

Oben sah er den verwundeten Banditen schlangengleich zu seinem Colt kriechen. Bill zielte kurz und drückte ab. Das Stück Blei knallte in das Bein des Banditen. Und jetzt gab er endgültig auf. Wimmernd blieb er liegen.

Sein Komplize jagte seine Kugeln blindlings in den Busch, hinter dem Bill lag. Zweige und Blätter regneten auf ihn herunter. Glühendheiß fuhr es ihm über das Schulterblatt.

Hier kannst du nicht bleiben!, hämmerte es hinter seiner Stirn. Gehetzt schaute er sich um. Fünf Schritte weiter wuchtete ein von der Erosion glattgeschliffener Felsbuckel aus dem Boden. Bill setzte alles auf eine Karte. Er zog die Beine an, schnellte hoch, und setzte alle Kraft ein, die in seinen Beinen steckte.

Oben trat der Bandit hinter seiner Deckung hervor. Sein kaltes Auge starrte über die Zieleinrichtung der Winchester auf Bills Rücken. In dem Moment, als er abdrückte und die Mündungsflamme aus dem Lauf stieß, schleuderte Bill sich herum. Er strauchelte, machte einen Sprung und landete gleichzeitig mit beiden Beinen. Das Gewehr ruckte in die Höhe. Feuer, Rauch und Blei stießen aus der Mündung. Der Bandit zuckte zusammen, seine Augen weiteten sich. Er wankte. Die Mündung seines Gewehres wies auf den Boden. Plötzlich entglitt die Waffe seinen kraftlos werdenden Händen. Sie klatschte auf den Boden. Der Bursche brach auf die Knie nieder, im nächsten Moment fiel er auf's Gesicht. Ein Schauder durchlief seine Gestalt, dann erschlaffte sie.

Abwartend verharrte Bill auf der Stelle. Er hatte nach seinem Schuss sofort eine Patrone in den Lauf geriegelt. Hart lag sein Finger um den Abzug.

Doch der Pferdedieb rührte sich nicht mehr.

Die gebotene Vorsicht nicht außer acht lassend stieg Bill den Hügel empor. Seine Sinne arbeiteten mit doppelter Schärfe. Diese Kerle waren nur aus Niedertracht, Verschlagenheit und tödlicher Gehässigkeit zusammengesetzt. Der kleinste Fehler konnte der letzte sein.

Bill näherte sich dem Verwundeten. Er holte sich dessen Waffen und schleuderte sie weit den Abhang hinunter. Das Gewehr prallte gegen einen Felsen und zerbrach. Zwischen den Zähnen stieß Bill hervor: "Das habt ihr verdammten Narren euch selbst zuzuschreiben."

Er erntete dafür einen gehässigen Blick. Dann keuchte der Bandit: "Willst du mich nicht verbinden bevor ich verblute?"

"Alles der Reihe nach", versetzte Bill ungerührt. "Um dein verkorkstes Leben scheinst du dir ja mächtige Sorgen zu machen. Mit dem Leben anderer gehst du leichtfertiger um."

Er stapfte zu dem anderen, der auf dem Gesicht lag und dessen Finger sich mit dem letzten Aufbäumen gegen den Tod im hartgebackenen Untergrund verkrallt hatten.

Unter die Banditenkarriere dieses Burschen hatte Bill einen blutigen Schlussstrich gezogen. Bill drehte ihn auf den Rücken. Noch im Tod verzerrte der Hass die Gesichtszüge des Mannes.

Bill kehrte zu dem anderen zurück. "Wie heißt du?"

"Dave Baxter. Zur Hölle mit dir, Deputy, ich gehe hier vor die Hunde, wenn du..."

Bill schnitt ihm das Wort ab: "Nimm dein Halstuch, Bandit. Wo habt ihr die Pferde?"

"Hinter dem Hügel", presste Baxter hervor.

"Well. Hast du Verbandszeug in deiner Satteltasche?"

Baxter nickte. Er knüpfte mit zitternden Fingern seine Bandana auf und zerriss sie. Einen der Streifen wickelte er sich um die Beinwunde. Den anderen presste er auf seine Hüfte.

Bill steckte zwei Finger in den Mund. Ein schriller Pfiff ertönte. Sekundenlang passierte gar nichts. Dann erklang ein Wiehern, und in das Gewieher hinein mischte sich pochender Hufschlag. Unten kam um eine Gruppe von Felsen ein Rappwallach. Das Tier stampfte den Abhang hinauf. Bei Bill blieb es stehen und spielte mit den Ohren. Bill stieß die Winchester in den Scabbard. Dann nahm er Handschellen aus seiner Satteltasche.

"Ich muss dich anketten, Baxter. Einer wie du kommt nämlich sehr leicht auf verrückte Ideen."

"Wie soll ich meine Wunde..." wollte der Bandit aufbegehren, doch Bill winkte schroff ab. Dann schnappte eine der Spangen um Baxters Handgelenk zu. Die andere Stahlklammer schloss Bill um den dicken Ast eines Strauches.

Bill holte seinen Stetson und drückte ihn sich auf die blonden Haare. Dann ritt er hinter den Hügel. Da standen die beiden Vierbeiner der Banditen unter den Sätteln, bei ihnen das kleine Rudel der gestohlenen Pferde. Die Banditen hatten einen provisorischen Seilcorral errichtet. Die Tiere äugten dem Reiter entgegen und peitschten mit den Schweifen nach den blutsaugenden Quälgeistern an ihren Seiten.

Bill riss den Seilcorral ein. Die Lassos benutzte er als Longen, an denen er die beiden Banditengäule führte. Das Rudel sattelloser Pferde trieb er vor sich her. Der pochende Hufschlag erfüllte die Morgenluft.

Bei Dave Baxter glitt Bill von seinem Pferd. Er ging zu einem der Banditengäule, wühlte in den Satteltaschen und fand Verbandszeug. Er warf es Baxter zu. "Ich bringe dich und deinen toten Kumpan nach Fort Stockton, Baxter. Dort wird sich ein Doc um deine Wunden kümmern. Ausheilen werden sie allerdings im Gefängnis, schätze ich."

Zwischen den engen Lidschlitzen des Banditen spiegelten sich Hass und Feindschaft...

3

Baxter war auf Nummer sicher. Bill brachte die Pferde zu ihrem Besitzer auf die Double-B Ranch zurück. Brad Bradford, der Ranchboss, legte Bill die Hand auf die Schulter und schaute ihn ernst an. Mit schleppendem Tonfall gab er zu verstehen: "Jesse Elliott und zwei seiner Banditen haben Imerpial einen blutigen Besuch abgestattet, Bill."

Bill spürte, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken rann. Eine unsichtbare Hand begann ihn zu würgen. Düstere Ahnungen befielen ihn. "Sprich weiter, Brad", entrang es sich ihm mit belegter Stimme.

"Sie kamen vor drei Tagen und schickten einen Halbwüchsigen zu Dud. Sie ließen ihm bestellen, dass er Punkt sechs Uhr nachmittags auf die Straße kommen solle, sonst würden sie ihn aus dem Office holen."

"Und Dud ging hinaus?", stieß Bill entsetzt hervor. "Gütiger Gott."

Bradford nickte schwer. "Sie drohten ihm, in der Stadt das Oberste zuunterst zu kehren, wenn er zur angegebenen Zeit nicht erscheint. Bill, verdammt, ja, er ist hinausgegangen." Die Stimme des Ranchers sank herab. "Einen von ihnen hat er mitgenommen auf die lange Reise. Aber gegen Elliott und Jackson hatte er keine Chance."

"Er ist tot." Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Die drei Worte tropften wie Bleiklumpen von Bills zuckenden Lippen.

Der Druck der Hand auf seiner Schulter verstärkte sich. "Yeah, Bill. Wie ich schon sagte: Sie ließen ihm nicht den Hauch einer Chance."

"Diese Bastarde. Sind sie noch in Imperial?"

"Nein. Sie sind sofort weitergeritten."

"Wohin?"

Bradford zuckte mit den Achseln.

Eine jähe, tödliche Leidenschaft stellte sich bei Bill ein. Der Hass auf die Mörder seines väterlichen Freundes schwoll an wie ein reißender Fluss. Seine Gedanken wirbelten und drifteten auseinander. Dud ist tot!, sickerte es durch sein Gehirn. Sie haben den Mann, der dich damals aufgenommen und großgezogen hat, niedergeknallt wie einen tollwütigen Hund. Sie haben ihn kaltblütig ermordet...

Es nagte und fraß in ihm und ließ ihn nicht mehr los, vergiftete seinen Verstand und ließ keinen anderen Gedanken mehr zu, als den nach gnadenloser Vergeltung.

Er schaute Bradford an wie ein Erwachender. "Ich reite nach Imperial, Brad", murmelte er. "Und dann..."

Mit einem Satz war im Sattel des Rappwallachs. Der Tier tänzelte auf der Stelle. "Lauf, Blacky", zischte Bill und ruckte im Sattel. Das edle Tier streckte sich. Seine Muskeln und Sehnen begannen zu arbeiten.

Eine Stunde später ritt Bill zwischen die ersten Häuser der Stadt. Es war um die Mittagszeit. Die Sonne stand hoch im Zenit, hatte sich in einen glühenden Ball verwandelt und sog Mensch und Tier regelrecht das Mark aus den Knochen.

Passanten blieben auf den Sidesteps stehen, als sie den verstaubten Mann mitten auf der Fahrbahn reiten sahen. Betretenheit schlich sich in die Gesichter. Viele der männlichen Einwohner der Town bekamen es plötzlich sehr eilig, von der Straße zu verduften. Beim Saloon hielt Bill an. Er saß ab. Staub rieselte von seinen Schultern und von seiner Hutkrempe. Er führte Blacky zum Tränketrog und ließ die Zügel einfach fallen. Das Tier senkte seine Nase in das brakige Wasser.

Sattelsteif ging Bill in den Inn. Seine Absätze tackten rhythmisch. Eine Schicht aus Staub und Schweiß hatte sich in seinem Gesicht gebildet. Seine Lider waren gerötet. Er sah aus wie ein Mann, den nach vielen Tagen die Hölle ausgespuckt hatte.

An einem der Tische beim großen Frontfenster saßen vier Männer. Bürger von Imperial. Der Salooner stand hinter dem Tresen und starrte Bill an wie eine Erscheinung. An einem Tisch am Ende der Theke saßen zwei Girls, die an den Wochenenden die Gäste bedienten, wenn die Cowboys von den umliegenden Ranches in die Stadt strömten, um sich nach einer Woche knochenbrechender Sattelarbeit auszutoben und der Lasterhaftigkeit zu frönen.

Morna, so hieß das eine der beiden hübschen Mädchen, erhob sich, als Bill einen Schritt vor der Tür abrupt stehen blieb. Hinter ihm schlugen knarrend die Batwings aus.

Bills staubheisere und dennoch klirrende Stimme erklang: "Luke, wo war diese elende Stadt, als Dud auf die Straße ging? Warum hat ihm kein einziger Mann beigestanden?"

Luke, der Salooner, zog den Kopf zwischen die Schultern. Die vier Kerle beim Frontfenster vermieden es, Bill anzusehen. Sie schienen auf ihren Stühlen regelrecht zu schrumpfen.

Morna trat vor Bill hin und legte ihm beide Hände gegen die Brust. Er roch den Duft ihrer dunklen Haare und sah ihren beschwörenden Blick, der sich an seinem Gesicht verkrallt hatte.

"Du solltest der Stadt keinen Vorwurf machen, Bill", kam es leise über ihre sinnlichen Lippen. "Den Männern fehlte ganz einfach der Mut, sich an Duds Seite zu stellen und gegen die drei skrupellosen Strolche zu kämpfen."

"Als Dud den Mörder Matt Elliott gefesselt in die Stadt brachte, waren sie mutig genug, nach einem Strick für den Banditen zu brüllen. Diese Feiglinge." Die Schicht aus Schweiß und Staub in Bills Gesicht zerbrach. In seinen blauen Augen flirrte es kalt. Er ließ seiner tiefen Verachtung freien Lauf. "Diese Stadt ist eine Rattenburg", presste er hervor. "So ist es. Sie wird von Ratten und feigen Coyoten bevölkert."

Er schwang herum. Mornas Hände sanken nach unten. "Bill, bitte..." flehte sie, aber Bill stieß schon mit den Handballen die Türflügel auf und verließ den Schankraum.

Er führte Blacky zum Mietstall. Den Jungen, der hier Dienst versah, fragte er: "Hatten Jesse Elliott und seine Schnellschießer ihre Pferde bei dir untergestellt?"

Der Halbwüchsige nickte.

"Hast du eine Ahnung, wohin sie sich gewandt haben?"

"Sie sprachen vom Canadian", erwiderte der Boy.

"All right, Junge", murmelte Bill. "Reib Blacky trocken und gib ihm Futter. Ich hole ihn morgen früh ab."

Er verließ den Mietstall und ging zum Undertaker. Er erfuhr, dass Dud schon beerdigt worden war. Wegen der Hitze, erklärte ihm der Totengräber. Bill stapfte zum Boothill, der etwas außerhalb der Stadt angelegt worden war. Lange stand er vor dem flachen Grabhügel. Und während er seinen Stetson in den Händen drehte und von einer ganzen Gefühlswelt durchströmt wurde, leistete er einen Schwur - den Schwur, nicht zu ruhen, bis Dud McPhersons Mörder zur Rechenschaft gezogen waren.

Schließlich verließ er das Grab. Er kehrte in die Stadt zurück und begab sich ins Office. Die Strapazen der vergangenen Tage steckten ihm in den Knochen. Er legte sich auf eine der Pritschen im Zellentrakt. Schlaf jedoch fand er zunächst nicht. Viel zu sehr war er aufgepeitscht. Eine eisige Hand aus der Vergangenheit griff nach ihm. Vor seinem geistigen Augen erschienen farbige Bilder.

Da war die kleine Ranch am Tule Creek. Er war 12 Jahre alt, seine Schwester Lucy 15. Er sah seine Mutter und seinen Vater. Es gab zwei alte Cowboys. Das Leben verlief ruhig und friedlich.

Bis zu jener Nacht, in der sich alles schlagartig veränderte. Bill erinnerte sich an das Peitschen der Gewehre und das Dröhnen der Revolver. Reiter donnerten in wilder Karriere um die Ranch. Mündungslichter zerschnitten die Finsternis. Pulverdampf und aufgewirbelter Staub vermischten sich und hüllten die Gebäude ein wie dichter Nebel. Lucy wurde in den Ranchhof gezerrt. Einer der Nachtreiter hievte sie vor sich auf's Pferd. Flammen schlugen aus dem Haus. Bald brannte die Ranch wie ein riesiger Scheiterhaufen. Geisterhafte Lichtreflexe spülten über die regungslosen Mienen der Kerle hinweg. Das eine oder andere der Gesichter würde Bill sein Leben lang nicht vergessen. Unauslöschlich hatten sie sich in seinem Bewusstsein eingebrannt.

Er war aus dem Fenster geflohen und ins Ufergebüsch des Flusses geflüchtet.

Die Gebäude brachen zusammen. Funken stoben, Asche wirbelte. Das höllische Rudel ritt in die Nacht hinein. Lucy nahmen die Mörder mit. Bill hatte nie wieder etwas von ihr gehört. Ihr Schicksal lag im Dunkeln.

Bills Eltern waren tot. Brutal erschossen. Ebenso die beiden Cowboys. Bill wagte sich aus seinem Versteck. Er war alt genug, um zu begreifen, dass er hier nicht bleiben konnte. Er machte sich auf den Weg nach Silverton. Niemand wollte ihn. Er war dazu verdammt, sich als Bettler durch's Leben zu schlagen. Dann traf er auf Dud McPherson. Dud nahm ihn auf und brachte ihm alles bei, was ein Mann brauchte, um nicht zu scheitern.

Dud hatte Nachforschungen betrieben. Oben, im Panhandle, stieß er auf riesige Ranches, die einem Zusammenschluss angehörten, der sich 'Panhandle Cattle Company' nannte. Eisenharte, unduldsame und kompromisslose Männer führten diese Ranches, hartbeinige, schnellschießende Mannschaften standen ihnen zur Verfügung. Wer ihnen im Wege war, wurde gnadenlos zermalmt. Es ging um Weideland und Wasserrechte. Die Alteingesessenen bekämpften die Neusiedler und Smallrancher. Das Gesetz stand auf schwachen Beinen...

Wer den Mord an Bills Eltern veranlasste, kam nie an Licht. Und Bill musste in den all den Jahren damit leben, dass die Mörder seiner Eltern und Kidnapper seiner Schwester frei herumliefen.

Jetzt, 17 Jahre nach der blutigen Nacht am Tule Creek, war Dud ebenfalls kaltblütig und brutal ermordet worden.

Irgendwann übermannte Bill der Schlaf. Schreckliche Träume quälten ihn und rissen ihn immer wieder in die Höhe.

In der Nacht stand er wie gerädert auf. Nichts mehr hielt ihn an diesem Ort. Nicht einmal Morna, mit der er ein recht inniges Verhältnis hatte. Alle hatten sie zugesehen, als Dud zusammengeknallt wurde. In Bill war etwas zerbrochen. Es gelang ihm nicht, für irgendeinen Menschen in Imperial ein anderes Gefühl als Verachtung aufzubringen.

Im Office war es finster. Bill machte kein Licht. Er löste den Stern von seiner Weste und legte ihn auf den Schreibtisch. Dann verließ er das Office. Fahles Mondlicht lag mit silbrigem Hauch auf den Dächern und der Fahrbahn. Bill marschierte entschlossen zum Mietstall. Eine Laterne spendete vages Licht. Blacky ruckte in die Höhe und schnaubte. Der Mann legte ihm den Sattel auf, zäumte ihn und führte ihn in den Wagen- und Abstellhof. Das Sattelleder knarrte, als er aufsaß.

Bill ritt auf die Main Street und wandte sich nach Norden. In seinem Holster steckte der 45er, im Scabbard die Winchester. Was Bill jedoch im Herzen trug, aber war gefährlicher und tödlicher als jede Waffe der Welt...

4

Es war früher Morgen. Die ersten Strahlen der Sonne griffen nach der Horseshoe-Ranch am Palo Duro Creek. Die Luft war kühl und frisch. Über dem Creek wallten die Morgennebel.

Jane Carson trat aus dem Haupthaus. Jane war 26 Jahre alt. Lange, dunkle Haare fielen in weichen Locken über ihre Schultern und auf ihren Rücken. Sie rahmten ein schmales, sonnengebräuntes Gesicht ein, das von einem Paar dunkler Augen beherrscht wurde. Die junge Frau war mittelgroß und sehr schlank. Bekleidet war sie mit Jeans, einem karierten Hemd und einer braunen Lederweste. Ihre Füße steckten in Reitstiefeln, auf ihrem Kopf saß ein flachkroniger Stetson. Jane trug eine Tasche aus Leder mit sich.

Nach dem mysteriösen Tod ihres Vaters vor einem Jahr hatte Jane die Ranch übernommen. Sie beschäftigte ein halbes Dutzend Cowboys. Ihr Vater hatte sich auf die Pferdezucht verlegt. Der Betrieb verfügte aber auch über einige kleinere Herden Longhorns.

Bei der Remise war Legh Caldwell, einer der Cowboys und Broncobuster, damit beschäftigt, ein Pferd vor einen Buggy zu spannen. Er winkte Jane zu. Jane wartete beim Brunnen in der Hofmitte. Der kühle Morgenwind strich über ihr ebenmäßiges Gesicht. Rundum zwitscherten die Vögel. Einige Hühner pickten im Staub. In der Koppel hinter dem Pferdestall tummelten sich etwa 50 Pferde. Sie waren für den Verkauf an die Armee bestimmt.

Legh Caldwell führte das Pferd in den Hof. Die Räder des Buggy quietschten leicht in den Naben. Das schwarze Verdeck war zurückgeschlagen. Der Cowboy vollführte eine einladende Handbewegung und grinste. Jane setzte ich in das Fahrzeug. Legh schwang sich neben sie auf den Sitz, angelte sich die langen Zügel, die er um den Bremshebel gewickelt hatte, und ließ sie auf den Rücken des Pferdes klatschen.

Aus der Tür des Bunkhouse traten zwei Weidereiter und winkten ihnen hinterher. Der Buggy holperte über den ausgefahrenen, von Radspuren zerfurchten Weg, der dem Creek folgte. Am späten Nachmittag erreichten Jane und der Cowboy Amarillo. Die Stadt war der wirtschaftliche Knotenpunkt, das Herz des Panhandle, und zählte etwa 500 Seelen. Der Handel blühte. Fortschritt und Aufschwung waren nicht aufzuhalten. Eine Eisenbahnverbindung hierher gab es allerdings noch nicht. Sie sollte erst im Jahre 1887 Amarillo mit dem Osten verbinden.

Jane und der Cowboy gingen zunächst, nachdem sie das Gespann in einem Mietstall abgegeben hatten, in ein Restaurant, um zu essen und zu trinken. Als der Cowboy sich eine Zigarette gerollt und angezündet hatte, sagte Jane: "Legh, du wartest hier auf mich. Ich gehe zur Bank, um mit Brown einige Dinge abzuklären."

Der Cowboy grinste schief. "Sei mir nicht böse, Jane, aber das hier ist nicht das, wo ich mir die Zeit vertreiben möchte." Er machte eine Handbewegung in die Runde. "Ich warte lieber im Cattleman Saloon auf dich. In Ordnung?"

Jane lächelte. "Von mir aus. Ich komme also in den Cattleman Saloon, wenn ich meine Angelegenheiten bei Brown geregelt habe."

Sie verließen das Restaurant. Draußen trennten sich ihre Wege. Um sie herum pulsierte reges Leben. Jane begab sich zur Bank. Einer der Clerks fragte sie nach ihren Wünschen. Sie verlangte Patrick Brown zu sprechen, den Bankier.

Zehn Minuten später saß sie dem Mister gegenüber. Brown war ein dickleibiger Bursche mit Glatze. In seinem feisten Gesicht klebte ein süffisantes Grinsen. Seine aufgeworfenen Lippen sprangen auseinander. "Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen, Miss Carson. Wenn die fälligen Zinsen für die Hypothek nicht bis Mitternacht eingezahlt worden wären, dann... Nun, Sie wissen sicher, was dann gewesen wäre."

Jane nickte ohne die Spur von Freundlichkeit. Sie griff in ihre Tasche und legte ein Bündel Geldscheine auf den Tisch. "2000 Dollar", gab sie kühl zu verstehen. "Die Zinsen für ein Jahr. Außerdem würde ich mit Ihnen gerne einmal über den Zinssatz sprechen, Brown. Zehn Prozent sind zu hoch. Das ist Wucher. Wie soll ich die Hypothek je ablösen können, wenn mein Erspartes für die Zinsen draufgeht?"

Brown starrte sie durchdringend an. "Die Hypothek ist in einem Jahr fällig, Miss. Ihr Vater hat die Bedingungen akzeptiert und den Vertrag unterschrieben. 20.000 Dollar, zehn Jahre Laufzeit, zehn Prozent Zinsen. Es tut mir leid."

"Was ist, wenn ich in einem Jahr nicht zahlen kann?"

Pat Brown hob die Hände, es sollte so etwas wie eine bedauernde Geste darstellen, ließ sie wieder auf seinen Schreibtisch sinken und erwiderte schmal: "Dann wird die Hoseshoe Ranch wohl unter den Hammer kommen, Miss."

"Und welcher von den Weidepiraten der Panhandle Cattle Company steht Ihnen schon auf den Haken, damit Sie ihm den Schuldschein verkaufen?"

Brown zeigte ein mattes Grinsen. "Was interessiert es Sie dann noch, was aus Ihrer Ranch wird, Miss? Sie werden das Land verlassen und irgendwo neu beginnen. Warum haben Sie nicht schon längst aufgegeben? Sie fretten sich mit ihren sechs Cowboys dahin, leben sozusagen von der Hand in den Mund und..."

Jane schnitt ihm schroff das Wort ab. "Nur wegen Ihrer horrenten Zinsforderungen, Brown. Wenn der Hypothekenvertrag im nächsten Jahr ausläuft - was steht entgegen, dass wir ihn verlängern?"

"Nun, die Bank will ihr Geld sehen."

"Das Geschäft der Bank ist der Geldverleih. Bei Ihren Wucherzinsen floriert dieses Geschäft doch. Nein, Brown, dahinter stecken andere Interessen. Wenn Sie mir die Hypothek nicht verlängern, dann nur, weil jemand scharf auf mein Weideland ist. Im Verein mit Ihnen soll der Horseshoe Ranch der Todesstoß versetzt werden."

Pat Brown saß plötzlich aufrecht. Die Glätte in seinem Gesicht zerbrach. Seine blassblauen Augen versprühten zornige Blitze. Er schnappte aufgebracht: "Was sind das für Unterstellungen, Miss? Welcher finsteren Machenschaften verdächtigen Sie mich? Dafür sollte ich Sie aus der Bank werfen lassen."

"Quittieren Sie mir die Einzahlung, dann gehe ich von selbst", fauchte Jane. Dieser feiste Mister, der sich auf die Seite der Starken und Mächtigen hier im Panhandle geschlagen hatte, verursachte in ihr Übelkeit. Seiner Sorte konnte ihr nicht das Geringste abgewinnen.

Browns Züge glätteten sich wieder. Seine Brauen blieben düster zusammengeschoben. Er griff nach dem Bündel Banknoten und zählte es. Dann nickte er zufrieden und quittierte den Empfang des Geldes. Er reichte Jane das Stück Papier. Sie warf einen Blick darauf. Es hatte seine Ordnung. Sie schob die Quittung in eine Brieftasche und legte diese in ihre Tasche.

Jane verließ die Bank grußlos. Die Sonne stand schon über den Zacken und Graten der Berge im Westen. Die Frau orientierte sich. Dann machte sie sich auf, um Legh Caldwell aus dem Cattleman Saloon zu holen. Sie mussten sich ein Zimmer für die Nacht suchen.

Als sie sich dem Saloon auf etwa 20 Schritte genähert hatte, donnerte im Schankraum ein Schuss. Die Detonation trieb ins Freie. Dann kehrte Stille ein. In jäher Sorge begann Jane zu laufen. Sie spürte das Unheil fast körperlich. Ein beklemmendes Gefühl, von dem sie selbst nicht wusste, woher es rührte, das sie auch nicht zu analysieren vermochte, bemächtigte sich ihrer.

Sie stieß die Türflügel auseinander und staute den Atem...

5

Legh Caldwell hatte sich im Cattleman Saloon an die Theke gestellt. Im Schankraum herrschte wenig Betrieb. Das würde sich erst ändern, wenn sich die Nacht über Amarillo senkte und die große Stadt begann, zu sündigem Leben zu erwachen.

Der Cowboys bestellte sich ein Bier. Es war kühl und löschte seinen Durst. Er schaute sich um. Der Inn war ziemlich luxuriös eingerichtet. Die Rückwände der Borde mit den Gläsern und Flaschen bildeten Spiegel, die vom Boden bis zur Decke reichten. Im Mittelgang hingen von der Decke Lüster mit geschliffenen Tropfen, die in allen Regenbogenfarben leuchteten. Über den Tischen waren Lampen angebracht. An den Wänden hingen Bilder mit Frauen und Landschaften. Die Theke war aus Mahagoni, die Platte aus poliertem Kupfer, Hand- und Fußlauf aus Messing.

Ja, das war ein nobler Laden.

Auf dem Vorbau dröhnten Schritte. Am großen Frontfenster schritten drei Kerle vorbei. Im nächsten Moment flogen die Türpendel auseinander und sie kamen herein. Sie waren gekleidet wie Weidereiter. Die Colts jedoch hingen tief an ihren Oberschenkeln.

Diese Kerle verströmten Härte und Unerbittlichkeit.

Sie bauten sich am Schanktisch auf und schrien nach Whisky. Der Keeper beeilte sich, ihrem Wunsch nachzukommen. Sie prosteten sich zu und tranken.

Legh Caldwell beobachtete sie, schätzte sie ein und kam zu dem Ergebnis, dass es sich um drei Revolvercowboys von einer der großen Ranches im Panhandle handelte.

Sie bemerkten seinen taxierenden Blick. "Heh, Mister, warum starrst du uns so an?", fragte einer der Kerle, ein breitschultriger, finstergesichtiger Typ.

Legh drehte sein Bierglas in der Hand. Mit der Linken winkte er ab. "Es ist nichts. Ich hab euch wohl vollkommen gedankenlos gemustert."

"O nein, Amigo. Du hast uns ziemlich bewusst angestarrt. Wo kommst du her? Ich hab dich noch nie hier gesehen." Zwingend starrte er Legh Caldwell an.

"Vom Palo Duro Creek", murmelte Legh. "Ich arbeite dort seit kurzer Zeit auf der Hoseshoe Ranch. Ich bin mit der Besitzerin nach Amarillo gekommen, weil..."

Legh brach ab. Es ging diese Kerle nichts an.

"Weil was?", herrschte ihn der andere an und wechselte viel sagende Blicke mit seinen Gefährten.

"Tut nichts zur Sache", knurrte Legh. Ihm war etwas mulmig zumute. Und er nahm sich vor, sein Bier nicht auszutrinken, sondern zu bezahlen und zu verduften. Einen Streit wollte er sich nicht an den Hals laden. Er stellte das Glas ab, griff in die Tasche und warf ein Fünfcent-Stück auf den Tresen. Legh wandte sich ab, um zu gehen.

"Von der Hoseshoe Ranch also", hielt ihn die höhnische Stimme des anderen auf. "Dann sind wir ja sozusagen Nachbarn. Wir reiten für die Hackknife Ranch am Canadian. Mein Name ist Phil Garrett. Die beiden hier sind neu. Sie heißen Elliott und Jackson. Weißt du, dass die Horseshoe die Hackknife Rinder vom Palo Duro Creek abhält?"

Legh Caldwell zuckte mit den Achseln. "Das ist nicht mein Problem, Garrett. Ich reite für die Horseshoe Pferde ein und kümmere mich hin und wieder zusammen mit den anderen um die Rinder. Ansonsten..."

"Die Lady, der die Ranch gehört, hat der Hackknife den Zugang zum Fluss verwehrt. Das finden wir gar nicht lustig, Amigo. Kürzlich haben einige von euch fast eine Stampede verursacht, als sie Hackknife-Rinder mit Schüssen von der Hoseshoe-Weide jagten."

"Davon weiß ich nichts", knurrte Legh Caldwell. "Ich gehe jetzt, Garrett. Von dir habe ich übrigens schon gehört. Du bist nach Jim Wallace und Mel Stratton der dritte Mann auf der Hackknife Ranch."

Garrett grinste scharf. "Dann weißt du sicherlich auch, dass ich es nicht hinnehme, dass ein paar Pinscher von einer lächerlichen Pferderanch es wagen, der Hackknife die Stirn zu bieten. Gib acht, Caldwell. Ich werde dich nun stellvertretend für alle Sattelquetscher der Horseshoe auf deine richtige Größe zurechtstutzen. Ihr werdet es euch künftig überlegen, auf unsere Longhorns zu schießen und sie fast in Stampede zu treiben."

Jesse Elliott und Lewis Jackson grinsten verschlagen und niederträchtig. Seit 24 Stunden standen ihre Namen auf der Lohnliste der Hackknife Ranch. Phil Garrett, den eine alte Freundschaft zu den Sheriffmördern verband, hatte die beiden ins Land geholt.

Die Hackknife suchte gewissenlose Kerle. Im westlichen Oldham County hatte die Regierung vor längerer Zeit das Land zu beiden Seiten des Canadian River für die Besiedlung freigegeben. Heimstätter waren im Lauf der Zeit eingetroffen und hatten ihre Parzellen abgesteckt. Sie hatten begonnen, Zäune zu ziehen...

"Ich werde mich nicht mit dir schlagen, Garrett", wehrte Caldwell ab. "Außerdem sollte die Hackknife dafür sorgen, dass ihre Rinder nicht auf fremde Weidegründe laufen."

Caldwell setzte sich in Bewegung. Die wenigen Gäste im Saloon waren auf den Wortwechsel beim Tresen aufmerksam geworden. Sie beobachteten die vier Männer.

Mit zwei Schritten hatte Garrett den Cowboy eingeholt. Seine Hand legte sich auf Caldwells Schulter und riss den Weidereiter herum. Und dann klatschte seine flache Rechte auf die Wange Legh Caldwells. Rot zeichneten sich die fünf Finger Garretts auf der Haut des Cowboys ab.

Caldwells Verstand holte die Reflexbewegung seiner Rechten zum Revolver ein. Seine Fingerkuppen hatten schon den Knauf berührt. Jetzt zuckten sie zurück, als wäre dieser glühendheiß.

"Warum machst du nicht weiter?", peitschte Garretts Organ. Seine Hand hing dicht neben dem Sechsschüsser. Herausfordernd starrte er Caldwell an. Ein Blick in sein Gesicht ließ all die Brutalität und Skrupellosigkeit erkennen, die in ihm steckten.

Jesse Elliott und Lewis Jackson lachten. "Wenn er jetzt den Schwanz einzieht, dann nimmt zwischen hier und Mexiko kein Straßenköter mehr ein Stück Brot von ihm ", rief Jackson wild.

Seine letztes Wort versank in der Lautlosigkeit, die eingetreten war. Die Atmosphäre im Schankraum war unvermittelt unheilvoll und drohend.

"Ich gehe jetzt", quoll es aus dem Mund Caldwells. "Ich lasse mich von dir nicht provozieren, Garrett."

Phil Garretts Hand zuckte hoch. Bretterhart landete der Handrücken auf Caldwells Mund. Die Unterlippe platzte auf. Blut sickerte über das Kinn des Cowboys.

"Feiger Hund!", zischte Garrett.

"Lass dir von ihm die Stiefel küssen, Phil", stichelte Jesse Elliott, der Sheriffmörder.

"Das kommt zum Schluss, wenn er auf allen vieren am Boden liegt", knurrte Garrett. Und mit seinem letzten Wort zuckte seine Rechte erneut in die Höhe. Und wieder klatschte sie schmerzhaft in Legh Caldwells Gesicht. Sein Kopf flog auf auf die Schulter. Die Wucht des Schlages ließ ihn taumeln. Ein gurgelnder Ton kämpfte sich in seiner Brust hoch und erstickte in der Kehle. Es hörte sich an wie ein trockenes Schluchzen.

Caldwell wich zurück. In seinen Augen flackerte die Angst. Sie kam kalt und stürmisch wie ein Blizzard und schnürte ihm die Kehle zu.

Garrett folgte ihm gleitend wie eine große Raubkatze. Ein kaltes Grinsen bog seine Mundwinkel nach unten. Es konnte nicht über die erwartungsvolle, drohende Spannung hinwegtäuschen, die den Saloon erfüllte. Heimtücke und Bosheit lagen in diesem Grinsen, aber da war noch mehr -  da war der Wille, zu zerschlagen, zu zertrümmern, zu vernichten, und da war die tödliche Gier...

Caldwell achtete nicht darauf, in welche Richtung er taumelte. Die Angst vor Garrett hatte ihn derart im Klammergriff, dass sie keinen anderen Gedanken zuließ. Plötzlich ging es nicht mehr weiter. Der Cowboy stieß mit dem Rücken gegen die Theke.

Garrett schlug noch einmal zu. Caldwells Oberkörper kippte halb über den Tresen. Ein Glas stürzte um und zerbrach klirrend. Bier verteilte sich auf der Kupferplatte und tropfte auf die Dielen. Ein zerrinnendes Röcheln wand sich aus Caldwells Kehle. Und dann brannte bei ihm eine Sicherung durch. Angst und Wut über die Demütigung beraubten ihn seiner Sinne. Er richtete sich auf, ein gehetzter Ton kam über seine Lippen, er knickte in der Mitte nach vorn, seine Hand zuckte zum Colt.

Legh Caldwell brachte das Eisen halb aus dem Holster, als es bei Garrett schon aufglühte. Eine ellenlange Mündungsflamme stieß aus der Coltmündung. Pulverdampf schwebte vor Garretts Gesicht. Der Donnerknall rüttelte an den Wänden und drohte den Saloon aus seinen Fugen zu sprengen.