1. Einleitung

„Mindless vandalism can take a bit of thought.“ 1

Dies schreibt der britische Street Art-Künstler Banksy in seinem „Advice on painting with stencils“. Einige Gedanken, die er sich gemacht hat beziehungsweise die seine Werke auslösen (können), werden in der vorliegenden Arbeit an ausgewählten Beispielen erläutert.

Das vorliegende Buch wurde im Februar 2008 als Magisterarbeit unter dem Titel „Banksy – ein Vertreter der Street-Art“ in Kunstgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt. Betreuer und Erstkorrektor war Professor Hans Dickel, Universität Erlangen. Die Zweitkorrektur übernahm dankenswerterweise Prof. Michael Diers von der Humboldt-Universität zu Berlin. Für die Buchveröffentlichung wurden einige Aktualisierungen vorgenommen sowie Anregungen der Professoren zu großen Teilen eingearbeitet. Als neuer Titel wurde „Street Artivist Banksy“ gewählt, da dieser mir prägnanter erschien indem er Banksys Vorliebe für Wort- und Gedankenspiele und sein Changieren zwischen Aktivismus und art / Kunst zeigt.

Ich danke meinem Vater Ulrich Blanché, Angela Beyerlein, Florian Wimmer und Nadja Gebhardt fürs Lektorat sowie meiner Familie und Lisa Neubauer.

Vorgehensweise

Im ersten Teil werden die relevanten Termini und Techniken rund um das Phänomen Street Art erläutert und definiert. Die Entstehung des Terminus Street Art (die oft anfangs als Post-Graffiti bezeichnet wurde) und was man darunter versteht, sowie dessen Entwicklung in den letzten Jahren, bilden hier den Anfang. Darauf aufbauend folgen die Prinzipien des Graffiti-Writings beziehungsweise seine Geschichte seit den 1960er Jahren in New York als ein Wesenszug der Subkultur HipHop. Anschließend daran werden die nun erläuterten Genres Street Art und Graffiti auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Der dann folgende Unterpunkt widmet sich den wichtigsten Techniken der Street Art, in erster Linie der Stencil-Technik (die auch als Schablonen oder Pochoir-Technik bezeichnet wird). Auch werden an dieser Stelle die Schlüsselfiguren der Street Art, Blek le Rat und Shepard Fairey, kurz vorgestellt und zugleich weitere Techniken wie die Verwendung von Aufkleber, sowie die Street Art-Skulptur am Beispiel des Künstlers Marc Jenkins erklärt. Nach den konkreten Street-Art-Vertretern wird die Aktionismusform Kommunikationsguerilla allgemein und an Beispielen erklärt und ihre besondere Verbindung zu Street Art erläutert. Der erste Teil endet damit, dass Street Art im Bezug auf andere Stil-Begriffe und Bewegungen wie Pop Art, Dadaismus, Land Art, Kunst im öffentlichen Raum und Comics auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten diskutiert wird.

Der zweite Teil analysiert Banksys Werk anhand von ausgewählten Beispielen. Zunächst wird sein Werdegang kurz erläutert, bevor allgemeine Vorbemerkungen zu seinem Œuvre besonders zur Reproduktion seiner Werke, deren Betitelung und Maße folgen. Anhand von Beispielen wird dann die Ikonographie seines Werkes bestimmt. Die vier folgenden Kapitel tragen Titel von repräsentativen Banksy-Werken als Überschrift. Diese und weiterführende Vergleichsbeispiele werden zuerst formal wie inhaltlich beschrieben, bevor Erläuterungen und mögliche (Be-)Deutungen folgen. Nach dem darauf folgenden Fazit wird als Abschluss noch auf die Kommerz-versus-Subkultur-Diskussion um Banksy eingegangen.

Anschließend wird die gewählte Kategorisierung von Banksys Werk diskutiert, warum die gewählte Einteilung in dieser Arbeit dem Autor als die passende erscheint, bevor auf die Quellenlage eingegangen wird.

Zunächst stellt sich die Frage nach der hier zu wählenden Kategorisierung von Banksys Werk. Wegen der doch relativ geringen Zeitspanne von Banksys gut dokumentiertem Œuvre von nur etwa zehn Jahren erschien eine chronologische Einteilung zum Beispiel (noch) nicht zweckmäßig. Auch eine Einteilung nach Ausstellungen ist in seinem Fall nicht sinnvoll, da Banksy zwar an einigen Gruppenausstellungen teilnahm und auch Einzelausstellungen hatte2, er seine Werke aber immer noch größtenteils auf der Straße anbringt.

Andere Gliederungen erwiesen sich teilweise erst auf den zweiten Blick als unpassend oder zumindest weniger passend. Einteilungen wie erstens eine nach rein formalen Kategorien - in Stencils und andere Techniken – würde aufgrund des großen Anteils von Schablonen im Vergleich zu den Übrigen (Aufkleber, Aktionen, Skulpturen, et cetera) wenig Sinn machen. Auch überschneiden sich die Intentionen und Deutungen der Werke zu sehr, so dass die Gefahr von häufigen Wiederholungen gegeben wäre. Dies wäre auch der Fall, wenn man zweitens der Einteilung von Banksy in seinem selbst herausgegebenen Werkverzeichnis „Wall and Piece“ folgen würde. Er geht dabei hauptsächlich von den dargestellten Motiven der Werke aus und teilt damit sein Werk in „Monkeys“, „Cops“, „Rats“, „Cows“, „Art“ und „Street furniture“ ein.3 Allein der letzte Gliederungspunkt bei Banksy bezieht sich auf den Ort, wo die Werke sind, nämlich die Straße („Street“) und ihre Form, nämlich Plastiken („furniture“). Diese mögliche Gliederung hat des Weiteren den Nachteil, dass sie zu grob ist. So beginnt beispielsweise laut Inhaltsverzeichnis das Kapitel „Rats“ auf Seite 96, das folgende Kapitel „Cows“ erst auf Seite 152. Allerdings sind Werke, die das Motiv der Ratte beinhalten, schon auf Seite 108 abgehandelt, die übrigen 44 Seiten bleiben also uneingeteilt. Umgekehrt verhält es sich bei Kapitel „Cops“. Bereits ab Seite 24 sind Werke mit dem Motiv des Polizisten zu sehen, obwohl das so betitelte Kapitel erst auf Seite 30 beginnt.

Wenn man die ebenfalls vom Künstler gewählte Einteilung seines Werkes auf seiner Homepage betrachtet, findet man die Kapitel „Out-doors“, „Indoors“ und „Drawing“4 Die ersten beiden Begriffe sind rein ortsspezifisch, was ja – wie bereits diskutiert – ebenso auf die StilBegriffe Graffiti und Street Art zutrifft. Inhaltlich als auch ausgehend von der Zielsetzung der Werke würden aber bei dieser dritten potentiellen Einteilung häufige Überschneidungen auftreten. Auch würde ein zu großer Schwerpunkt auf dem Ort, an dem die Werke sich befinden, letzteren nur teilweise gerecht werden. Wiederum wäre die Einteilung folglich zu grob. „Drawing“, der dritte Unterpunkt der Homepage Banksys, zeigt eher Vorstufen oder Abwandlungen bereits bearbeiteter Themen, aber auch Neues. Allerdings liegt der Gedanke nahe, dass Banksy diese (Vor-)Zeichnungen und Collagen selbst nicht für so wichtig oder künstlerisch gelungen oder zumindest nur für Vorstufen hält, da sie in keines seiner vier publizierten Bücher Eingang fanden. Sie dienen eher der Transparenz. Banksy ermöglicht Interessierten einen Einblick in seine Arbeitsweise. Dafür ist seine Homepage das ideale Medium, da sie laufend aktualisiert wird. Auch ist die Quantität der Zeichnungen nicht mit den ersten beiden Punkten „Indoors“ und „Outdoors“ zu vergleichen. Der Begriff an sich bezieht sich außerdem nur auf die Technik. Aus diesen Gründen fand auch der Unterbegriff „Drawing“ nicht Eingang in die hier getroffene Gliederung zum Gesamtwerk.

Nach Ausschluss der genannten möglichen Einteilungen erschien die vierte, in orts- und zeitbezogene Werke, am stimmigsten. Denn Banksy misst beiden Aspekten große Bedeutung zu. Er notiert in seinen Publikationen bei jedem fotografierten Werk den Ort und den ungefähren Zeitraum der Aufnahme, oft sogar die Dauer der Arbeitszeit, die er benötigte, um die Arbeit anzubringen. Wie schon erwähnt, spielt der Ort sowohl für Banksy als auch für Graffiti und Street Art eine große Rolle. Nachteil dieser Gliederung wäre, dass nach näherer Untersuchung eigentlich alle Werke Banksys einen besonderen Ortsbezug und zugleich Zeitbezug aufweisen, womit sich diese Einteilung als ebenfalls zu allgemein herausstellt.

Die endgültige, für diese Arbeit gewählte Einteilung ist eine exemplarische. Anhand von einzelnen Werken Banksys wird herausgearbeitet, warum gerade dieses Beispiel stellvertretend für wichtige Aspekte von Banksys Schaffen anzusehen ist. Dies hat viele Vorteile. Man kann die einzelnen Gliederungspunkte erstens so anordnen, dass Wiederholungen nach Möglichkeit reduziert werden und wenn sie auftreten, dass sie zumindest aufeinander aufbauen können. Zweitens werden Ergebnisse der geleisteten Arbeit nicht schon in der Gliederung behauptet, sondern erst im Text bewiesen. Drittens können die Vorteile beziehungsweise die Aspekte der ersten vier verworfenen Gliederungen relativ leicht integriert werden. So kann man en passant jeweils ein Werk zu den am häufigsten gewählten Techniken Schablonen, Aufkleber und Skulptur vorstellen, wenn dies in den restlichen Kontext passt. Man kann aber auch Beispiele für Indoor- und Outdoor-Werke nacheinander verwenden oder exemplarisch je ein Werk aus den vom Künstler häufig gewählten Motivserien (wie Ratten oder Affen) vorstellen sowie besonders auf Raum und Zeit eingehen. Aufgrund dessen erschien also diese Einteilung als die für Banksys Werk die passende. Die für die vorliegende Arbeit gewählte Einteilung hat aber ebenfalls nicht den Anspruch, das „ideale“ Raster für Banksys Werk zu sein, denn auch bei dieser Unterteilung gibt es Überschneidungen.

Quellenlage

Sowohl bei Banksys Werk als auch bei Street Art handelt es sich um zwei eher neue Sujets, weshalb die Literatur im Sinne von gedruckten Büchern zu beiden eher spärlich ist. Oft werden beide Themen in den gleichen Büchern behandelt. Die Bücher, die Street Art behandeln, sind oft Bildbände, die wenige und zumeist nicht wissenschaftlich geschriebene Texte enthalten. Für den Abschnitt über Graffiti standen dagegen eine ganze Reihe Bücher zur Verfügung, wenngleich auch hier die Bildbände überwiegen. Im Gegensatz zu den Büchern über Street Art, die mit Ausnahme von Tristan Mancos „Stencil Graffiti“ (2002) in den letzten zwei Jahren erschienen, wurden die Bücher über Graffiti meist in den 1980er und frühen 1990er Jahren herausgegeben.

Julia Reineke liefert nach Eigenaussage die überhaupt erste wissenschaftliche Analyse zu Street Art in ihrem Buch „Street Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz“ vom Juli 2007. In diesem Buch untersucht sie Street Art von der kulturwissenschaftlichen Seite und widmet auch Banksy ein Kapitel. Auch in Tristan Mancos bereits erwähntem Bildband „Stencil Graffiti“ von 2002 findet sich ein kurzes Kapitel über Banksy, das überwiegend aus Zitaten des Künstlers und einem kurzen Werdegang besteht. Der Bildband „Street Art. Die Stadt als Spielplatz“, von Daniela Krause und Christian Heineke 2006 herausgegeben, behandelt zwar hauptsächlich deutsche Street Art, liefert aber auch Texte mit Hintergrundinformationen. Auch das Buch „Sticker City. Paper graffiti art“ von Claudia Walde, das im Mai 2007 herauskam, ist ein Bildband mit wenigen Texten. Seit der Veröffentlichung dieser Arbeit im Februar 2008 erschienen weitere Bildbände und Street Art-Bücher, unter denen Cedar Lewisohns „Street Art. The Graffiti Revolution“ und das von Katrin Klitzke und Christian Schmidt herausgegebene „Street Art: Legenden zur Straße“ herausstechen, weil sie sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen.

An wichtigste Quelle im Analyseteil der vorliegenden Arbeit steht das von Banksy selbst veröffentlichte Werkverzeichnis „Wall and Piece“, das 2005 erstmals publiziert wurde und hier in der zweiten, erweiterten Ausgabe von 2006 vorliegt. Das Buch dient als Primärquelle und zeigt hauptsächlich große Farbfotografien von Banksys Schaffen seit etwa Mitte der 1990er5, welche von kurzen Texten des Künstlers und Kommentaren zu den Werken und Aktionen und ihrer Entstehung begleitet werden. Bei dem in London publizierten Buch handelt es sich um eine Zusammenfassung dreier weiterer, ebenfalls von Banksy selbst herausgegebener, kleinerer Bücher. Das erste trägt den Titel „Banging Your Head Against a Brick Wall“ und erschien bereits 2001, das zweite, „Existencilism“ wurde 2002 herausgegeben und „Cut it out“ ist von Ende 2004. In diesen finden sich teilweise alternative Texte und Fotografien. Auch tauchen einige Werke in „Wall and Piece“ nicht mehr auf. Neben diesen wird besonders www.banksy.co.uk, die Homepage des Künstlers als Primärquelle zitiert, auf der man teils andere Werke als in den Büchern, alternative Fotos und ganz aktuelle neue Werke findet.

Während der Recherche für diese Arbeit erschien im Dezember 2007 Steve Wrights „Banksy’s Bristol. Home Sweet Home“. Dieses nicht wissenschaftliche Buch besteht größtenteils aus Fotos und Interviews mit Wegbegleitern Banksys und Kennern der Graffiti-Szene seiner Heimatstadt Bristol. Martin Bull gab bereits im Dezember 2006 seinen Führer zu Banksy-Werken in den Straßen Londons – „Banksy Locations & Tours. A Collection of Graffiti Locations and Photographs in London“ – heraus. Die verwendete aktualisierte Ausgabe ist vom März 2007.

Des Weiteren werden in der vorliegenden Arbeit auch Interviews mit Banksy zitiert, an erster Stelle das von Simon Hattenstone im Guardian von 2003 und das von Shepard Fairey für das Swindle Magazine von 2006. Außer den genannten schrieben viele größere und kleinere Zeitungen und Zeitschriften (und deren Online-Ausgaben) sowie Websites, Blogs und Internet-Foren über Banksy, wobei hier meist die Frage nach seiner Identität behandelt wird oder spektakuläre Aktionen geschildert werden. Dennoch überwiegen Internet-Quellen in der vorliegenden Arbeit aufgrund ihrer Aktualität wobei oft ausschließlich Daten wie Jahreszahlen, Orte oder Banksy-Zitate übernommen wurden. Unseriöse Seiten wurden nach Möglichkeit vermieden und wenn dann als Meinung gekennzeichnet. Der Großteil dieser Quellen sind Online-Artikel großer Zeitungen.

1 Robin Banksy: Wall and Piece. London 2006. S. 237.

2 Vgl. Peter Bowes: ‚Guerrilla artist‘ Bank sy hits LA. BBC News vom 14. September 2006.

3 Vgl. Banksy 2006. S. 6.

4 Der Singular des Wortes im Gegensatz zu „Outdoors“ und „Indoors“ verwirrt. Wohl handelt es sich um einen Rechschreibfehler auf der Seite. Mittlerweile (Oktober 2009) hat Banksy „Indoors“ durch „Inside“ ersetzt.

5 Laut Steve Wright begann Banksy 1992 – 1994 zu sprühen, sowohl frei Hand wie auch mit der Stenciltechnik. Vgl. Steve Wright: Banksy’s Bristol. Home Sweet Home. The unofficial guide. Bath 2007. S. 32.