Cover Die historische Entwicklung des erzgebirgischen Bergbaus und Adam Ries als 'Bergmann von der Feder'

Die historische Entwicklung des erzgebirgischen Bergbaus und Adam Ries als „Bergmann von der Feder“
Friedrich Naumann

veröffentlicht 2016 von E-Sights Publishing

E-Sights Publishing
Dr. Jörg Naumann
Altendorfer Straße 61
09113 Chemnitz
Deutschland

Herausgeber: E-SIGHTS PUBLISHING
Umsetzung: Dr. Jörg Naumann
Covergestaltung: Erika Jansen, jansen.lange GRAFIKdesign

Covergestaltung mit Ausschnitt aus dem Ölgemälde „Der Rechenmeister Adam Ries(e)“ von Fritz Raida , 1959, Stadtmuseum Bad Staffelstein

Copyright © 2016 Friedrich Naumann

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ISBN: 978-3-945189-44-3

Inhalt

Vorbemerkungen

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob ADAM RIES (1492-1559) auch ohne seine Tätigkeit im erzgebirgischen Bergbau zu jener Größe aufgestiegen wäre, die es rechtfertigt, ihn zu den Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit zu zählen, mit denen FRIEDRICH ENGELS (1820-1895) die Epoche der Renaissance so treffend beschrieb. Unzweifelhaft verkörpert der vormalige „Zahlenhexer vom Römerberg“ – so sein ehrender Nimbus aus der Frankfurter Zeit – ein außergewöhnliches Maß an Begabung, so daß es legitim scheint, ihn mit solchen hervorragenden Köpfen zu vergleichen, die wie auf ein Zeichen hin auf der ganzen Welt erwachten (ERASMUS) und mit Leidenschaft und Kraft in die Entwicklung der Menschheit einzugreifen wußten.

Innovationen und technischer Fortschritt sind symptomatisch für diese Zeit, die sich aus den Fesseln der Scholastik und des kirchlichen Dogmas befreien kann; bald gewinnt das Baconsche Credo „Wissen ist Macht“ an Schärfe und ermutigt zum Fortschritt. Und die Bilanz ist großartig: die Erfindung des Buchdrucks durch GUTENBERG (1400-1468) oder die Entdeckungsfahrten eines KOLUMBUS (1451-1506) und eines DA GAMA (um 1467-1524), die Befruchtung der wissenschaftlichen Erkenntnis durch COPERNICUS (1473-1543), BRUNO (1548-1600) und GALILEI (1564-1642), die genialen Ideen eines LEONARDO DA VINCI (1452-1519). Auch Geistesriesen wie ERASMUS VON ROTTERDAM (1467-1536), MARTIN LUTHER (1483-1546) oder PHILIPP MELANCHTHON (1497-1560) sind zu nennen, eröffnen sie doch dem l uomo universale, dem „allseitigen Menschen“, neue Lebensinhalte und Perspektiven, prägen den Geist der neuen Zeit, so daß sich Kunst und Literatur, Philosophie und Wissenschaft endlich frei entfalten können. Das Studium der Humanität und das vollkommene Menschliche geraten zum wichtigsten Anliegen dieser epochalen Bewegung. Mit dieser verändern sich auch Soziales und Ökonomisches in entscheidendem Maße, neue gesellschaftliche Kräfte freisetzend und aktivierend.

Was Wunder, daß der einzigartige „Silberne Boden“ des Erzgebirges, der zu jener Zeit in die zweite Hauptperiode der Bergbaus eintritt, neben Bergkundigen auch Künstler, Gelehrte und Humanisten anzieht, die – der Faszination baldigen Reichtums erlegen – hier ihre neue Heimat finden und in dieser dauerhaft und kenntnisreich wirken. Auch ADAM RIES, längst nicht mehr der „Zahlenhexer vom Römerberg“ seiner Frankfurter Zeit, sondern schon gestandener Rechenmeister und Buchautor, wagt den Schritt und wird hier seßhaft. Ob er mit der okkulten Macht seiner Zahlen auch den „Geistern des Berges“ zu gebieten gedachte, bleibt offen; auf jeden Fall sicherten sie zwischen Zubuß und Ausbeut für die zweite Hälfte seines Lebens sein täglich Brot und machten ihn über die Grenzen seines Landes hinaus berühmt.

Das Erzgebirge als Montanregion

Wenn man vom Bergbau im sächsisch-böhmischen Erzgebirge spricht, denkt man zuvörderst an die Gewinnung metallischer Rohstoffe und damit an die Entdeckung der ersten Silbererzlagerstätte im Jahre 1168 in der Nähe des späteren Freiberg, in der Markgrafschaft Meißen gelegen. Dies ist insofern verständlich, als damit eine mehr als achthundertjährige, fast durchgängige Bergbauperiode begann, die für Sachsen zu einem außerordentlich bedeutsamen Standortfaktor wurde und Landschaft und Kultur in wohl einmaliger Weise geprägt hat. Das vielzitierte, schöne alte Wort Das und anders mehr kumbt alles vom Berckwerck her läßt die Konsequenzen jener faszinierenden Entwicklung bestenfalls erahnen, zumal im Spannungsfeld zwischen des Berges Dunkel und des Tages Licht unendliche Mühsal und verdientes Glück stets dicht beieinander lagen. Gegenüber anderen Fürstentümern und Königreichen entwickelte sich das Land zu besonders hoher Blüte, wofür sich eine Fülle von Zeugnissen benennen lässt, die hier nur im Ansatz bemüht werden soll:

Der um 1230 errichtete Freiberger Dom mit der berühmten „Goldenen Pforte“, die Errichtung der Universitäten Leipzig und Wittenberg, die Entwicklung eines auf hohem Niveau stehenden Münzwesens, die Malerei und Bildhauerei – in Kirchen, Schlössern Häusern und Städten, die Anlage prunkvoller Gärten und Parks, die Literatur – NOVALIS' (1772-1801) Roman „Heinrich von Ofterdingen“, ja auch die bergmännische Musik – gepflegt im Schoße der Bergleute wie auch Bestandteil höfischen Zeremoniells und rauschender Feste, die künstlerische Verarbeitung von Silber, Zinn, Kupfer, Eisen, Schmucksteinen, Glas, Keramik und Meißner Porzellan, die erzgebirgische Schnitzerei als Ausdruck bergmännischer Volkskunst, schließlich die Residenzstadt Dresden, verbunden mit FRIEDRICH AUGUST I. ( DER STARKE, 1670-1733) und ihren weltberühmten Schätzen – Zwinger, Schloß, Katholische Hofkirche, Frauenkirche, Kunstkammern, Semperoper, Mathematisch-physikalischer Salon, Gemälde- und Kunstsammlungen und anderes mehr.