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Nr. 107

– Im Auftrag der Menschheit Band 102 –

 

Friede für Feman

 

Ihre Mission ist der Friede – doch sie bringen das Verderben über eine Welt

 

von Kurt Mahr

 

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Mit dem Tod des letzten »Grauen« auf der »Endstation Nemoia« haben die Ereignisse, die durch die Aktivitäten des Redbone- und des Suddenly-Effekts in weiten Teilen der Galaxis Unruhe und Schrecken verbreiteten, ihr Ende gefunden.

Auch die prekäre Lage auf Siga, wo durch verbrecherische Aktionen ein Krieg zwischen Terranern und Terra-Abkömmlingen auszubrechen drohte, ist durch den Einsatz der »Flotte der Glücksbringer« schlagartig bereinigt worden, so dass um die Mitte des Jahres 2842 terranischer Zeitrechnung auf allen von Menschen besiedelten Planeten der Milchstraße wieder Ruhe und Frieden herrschen.

Was aber ist das weitere Schicksal der Flotte der Glücksbringer, der Flotte der telepathischen Raumschiffchen, die unter Führung der Siganesen Flannagan Schätzo und Saggelor Oggian so überraschend Siga wieder verlassen hat, wie sie erschien ...?

Flannagan Schätzo, der ehemalige USO-Spezialist, und Saggelor Oggian, das durch verbrecherische Manipulationen in seinem Wachstum gehemmte Kind, haben sich von ihren Mitmenschen getrennt und entziehen sich der Flotte der Verfolger.

Ihnen schwebt ein hohes Ziel vor – der FRIEDE FÜR FEMAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Flannagan Schätzo und Saggelor Oggian – Zwei Siganesen bringen einer fremden Welt den Frieden.

Liggan und Lemalek – Verfeindete Fürsten von Feman.

Mikkun Onethor und Fanthar – Ratgeber der feindlichen Fürsten.

Xandor – Ein gefürchteter Kämpfer.

1.

 

Mikkun Onethor fürchtete sich. Er nannte sich zwar den Obersten aller Heiligen Priester des Götterpaares, aber die Umstände hatten ihm nie erlaubt, das Heiligtum der Geheiligten Zwei jemals zuvor zu betreten. Dies war sein erster Besuch, und die undurchdringliche Finsternis im Innern des merkwürdigen, uralten Bauwerks war nicht dazu angetan, Onethors Zutrauen in die Sanftmut des Götterpaares zu stärken.

Er bewegte sich auf Händen und Knien. Der Boden unter ihm bestand aus einem merkwürdigen kühlen, glatten Stoff, der nicht Eisen und nicht Holz und dennoch beides in einem war. Von neuem erwog Onethor die Möglichkeit, das Heiligtum zu verlassen und mit einer Fackel zurückzukehren, und es war auch keineswegs persönlicher Mut, der ihn diesen Gedanken immer wieder verwerfen ließ, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass er fünf Jahre gebraucht habe, um so weit zu kommen, und dass es, wenn er sich jetzt von hier entfernte, wahrscheinlich wieder fünf Jahre dauern würde, bis sich eine zweite Möglichkeit bot.

Solcherart von Zweifeln und Ängsten geplagt, erreichte Mikkun Onethor eine Stelle, an der der Boden eine kleine Unebenheit aufwies. Er war mit dem rechten Handballen daraufgeraten, und im selben Augenblick geschah etwas, das den Obersten aller Priester fast um den Verstand brachte.

»Unbefugter Zutritt zur Waffenkammer!«, krächzte eine mächtige Stimme, die von überallher zu kommen schien.

Gleich danach brach ringsum ein höllisches Pfeifen, Schreien und Kreischen aus, dass Onethor, der voller Entsetzen zur Seite gekippt war, die Hände gegen die Ohren pressen musste, wenn er nicht taub werden wollte. Gleichzeitig wurde es strahlend hell im Innern des Heiligtums. Die Helligkeit kam von grellen, blauweißen Lichtpunkten, die rings um Mikkun Onethor angebracht waren.

Sein Herz schlug wie wild. Er wollte aufspringen und davonlaufen, aber erstens versagten ihm vor lauter Angst die Muskeln den Dienst, und zweitens hatte er vor Entsetzen die Orientierung verloren und wusste nicht mehr, woher er gekommen war. Diese doppelte Unfähigkeit erwies sich jedoch zu seinem Vorteil. Das Geheule und Geschrei hörte nach einer Weile auf, das Licht jedoch blieb da. Mikkun Onethor nahm die Hände von den Ohren, richtete sich auf und sah sich vorsichtig um. Er befand sich in einem breiten, hohen Gang, dessen Boden ein wenig schräg lag. Vor ihm war in zehn Schritten Entfernung eine halboffene Tür.

Seine Angst ließ nach. Wer war das, dessen Stimme er gehört hatte? In den langen Jahren seines Lebens als Oberster der Priester war Mikkun Onethor allmählich dazu übergegangen, die Lehre vom Heiligen Götterpaar mit Misstrauen und zuletzt mit offener Verachtung zu betrachten. Er wusste, dass viele seiner Untergebenen diesen seinen Unglauben teilten, obwohl sie sich natürlich hüteten, selbst untereinander darüber zu sprechen, und dem Volke gegenüber die Gebote der Heiligen Lehre mit glühenden Worten verteidigten.

Was er soeben erlebt hatte, gab Onethor jedoch zu denken. In diesem Heiligtum gab es Leben. Da jedoch nachweislich seit mehreren Menschenaltern niemand mehr das Heiligtum betreten hatte, musste es sich um Leben handeln, das zäher war als das gewöhnlicher Menschen. Wer anders als die Götter hatte noch zäheres Leben als die Menschen. Hatte Krippom, der mächtige Herr des Götterpaares, zu ihm gesprochen?

Ein neues Geräusch scheuchte Mikkun Onethor aus seiner ideologischen Grübelei. Es war ein Kratzen und Scharren, das sich in unregelmäßigen Abständen wiederholte und ständig lauter wurde. Es schien aus dem finsteren Seitengang zu kommen. Schauder der Furcht rannen dem Priester über den Rücken. Was war das? Onethor wich zurück, in Richtung auf die Tür, die ihm Schutz und Deckung zu versprechen schien. Er war so entsetzt, dass ihm das Unsinnige seines Handelns kaum zu Bewusstsein kam: Wie konnte er vor dem Gott flüchten?

Da schob sich etwas um die Ecke des Seitengangs und tauchte ins Licht: ein groteskes, kastenförmiges Gebilde, das sich auf vier langen, spindeldürren und höchst gelenkigen Beinen bewegte und vier lange, biegsame Arme besaß, die ständig in Bewegung waren, und durch die Luft griffen, als müsse das seltsame Wesen sich trotz all der Helligkeit seinen Weg ertasten. Von Panik erfüllt, sah Onethor den stelzenbeinigen Kasten in seiner Richtung in den Gang biegen. Er wollte weiterfliehen, aber es erging ihm wie zuvor: Die Beine versagten ihm den Dienst.

Mit kratzenden, schabenden Geräuschen schaukelte der Kasten auf ihn zu. Halb bewusstlos vor Angst erinnerte Mikkun Onethor sich an die alte Beschwörungsformel, die zur Abwehr böser Geister gebraucht wurde:

»Oh, bei aller Schönheit des Himmels und dem stinkenden Abgrund der Verdammnis, ich sage zu euch Ausgeburten des Dunkels ...«

 

*

 

Zwei Reiter hielten auf der Höhe des Kammes, der das Tal nach Osten hin begrenzte. Der Ausblick, der sich ihnen bot, war beeindruckend. Von rechts her zog sich aus Norden zwischen zwei Bergketten ein schmales, tief eingeschnittenes Tal, das zu Füßen der beiden Reiter breiter wurde. Die Berge der östlichen Kette wurden allmählich flacher, während die westliche Bergkette sich weit nach Westen ausbeulte und das bisher so schmale Tal in einen riesigen Kessel verwandelte, den zu durchschreiten selbst ein rüstiger Mann wohl drei Tage gebraucht hätte. Weit im Süden traten die beiden Bergketten wieder näher zusammen. Das Tal war dort wesentlich breiter als nach Norden zu, wo es aus den wild zerklüfteten Bergen hervortrat, die Landschaft wirkte weniger lebensfeindlich.

Aus dem nördlichen Tal hervor wand sich der Lauf eines Flusses, der den riesigen Talkessel durchquerte und schließlich zwischen den Hügeln im Süden verschwand. In der Mitte des Kessels spaltete sich das Flussbett in zwei Arme und formte eine Insel, aus der ein mächtiger Felsklotz aufragte. In mehr als dreihundert Schritt Höhe über dem Niveau des Talkessels endete der Klotz nicht in einem Gipfel, sondern einem steinernen Plateau, das annähernd die Form eines Kreises hatte und sicherlich tausend Schritte von einem Ende bis zum anderen maß. Auf diesem Plateau befand sich ein riesiges, kuppelförmiges Gebäude, das unter den Strahlen der Morgensonne matt schimmerte. An verschiedenen Stellen war die Kuppel fleckig, und an mindestens zwei Orten hatte sie hässliche, ausgefranste Löcher, die von rußig-schwarzen Säumen umgeben waren.

Das war das Heiligtum des Götterpaares, uralt und der Geburtsort aller Mandunnen und Feniker, die damals, in grauer Vorzeit, noch ein einziges Volk bildeten und erst später, als Strafe für die Missachtung des Götterpaares, in zwei Stämme gespalten wurden, die sich seitdem ununterbrochen bekriegten. So wenigstens ging die Lehre. Es musste der einzelne mit sich selbst und seinem Gewissen abmachen, ob er daran glauben wollte oder nicht.

Die Reittiere der beiden Männer waren kräftige, langbeinige Zonggors, spärlich aufgeschirrt, aber voller Feuer und Tatendrang, die aus den großen Augen leuchteten. Der eine der beiden Männer war von mittelgroßer Statur, jedoch breit und kräftig in den Schultern. Er hatte ein offenes Gesicht, über das hin und wieder – wie etwa in diesem Augenblick – der Schimmer eines spöttischen Lächelns huschte. Der andere war groß und schlank, jünger als der Breitschultrige, und von ernstem, nachdenklichem Gesichtsausdruck.

»Seit den ersten Stunden der Nacht, Fürst«, sagte der Breitschultrige und blickte zum Heiligtum hinab, »steckt Onethor, der Fuchs, in der Kuppel. Wahrscheinlich hat ihn vor Schreck der Schlag getroffen.«

Der Große, Schlanke schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich nicht, Fanthar«, sagte er mit tiefer, wohlklingender Stimme. »Mikkun Onethor ist ein merkwürdiger Mann. Er ist ein Feigling, aber ein Feigling mit so widerstandsfähiger Natur, dass ihn selbst das höchste Maß an Angst nicht umbringen kann. Er wird wieder zum Vorschein kommen, und von da an nehmen wir uns am besten in acht!«

Die Worte waren mit warnendem Unterton gesprochen. Fanthar starrte seinen Fürsten betroffen an.

»In acht? Vor Onethor, dem Feigling?«, fragte er ungläubig.

»Das Heiligtum enthält viele Geheimnisse«, antwortete Liggan, Fürst aller Feniker, »wohltuende und übeltuende. Wir waren oft im Innern des Heiligtums und haben versucht, die Geheimnisse eines nach dem anderen zu erforschen. Es ist möglich, dass Mikkun Onethor auf etwas stößt, das wir noch nicht gefunden haben. Und wenn es eines der übeltuenden Geheimnisse ist und er es lösen kann, dann wird er es verwenden, um die Feniker zu besiegen.«

Fanthar wollte es immer noch nicht glauben.

»Das wäre Frevel!«, rief er empört. »Das Heiligtum gehört uns allen, Fenikern wie Mandunnen, und nichts, was sich in seinem Innern findet, darf von einem der beiden Stämme gegen den anderen verwendet werden! Die beiden Götter würden Onethor bestrafen!«

»Die beiden Götter«, lächelte Liggan milde, »tun, was ihnen beliebt. Es ist denkbar, dass sie einfach die Augen schließen, wenn Mikkun Onethor ihr Heiligtum beraubt.«

Er straffte sich plötzlich. In einem der schwarzen Löcher, die die Wand der Kuppel durchbrachen, machte sich Bewegung bemerkbar. Die scharfen Augen der beiden Männer erkannten die winzige Gestalt eines Menschen, der aus dem Loch hervorgekrochen kam und sich an der runden Kuppelwand entlang auf das Felsplateau herabgleiten ließ. Die Gestalt eilte über den Felsen und verschwand in einer der Furchen, die die steil abfallenden Wände des Felsblocks durchzogen.

»Siehst du?«, sagte Liggan. »Die Angst hat ihn nicht umgebracht.«

Fanthar sah seinen Fürsten fragend an.

»Was tun wir jetzt?«, wollte er wissen.

»Wir kehren nach Bogadan zurück. In den nächsten Tagen werden wir gut daran tun, die Augen offenzuhalten. Wenn Onethor erfolgreich war, wird es sich bald zeigen.«

 

*

 

Dicht vor dem Obersten der Priester blieb der Kasten auf wippenden Spinnenbeinen stehen. Die Beschwörung hatte gewirkt. Mit zitternder Hand wischte sich Mikkun Onethor den Schweiß von der Stirn und nahm sich vor, seine Meinung über den Glauben im allgemeinen und das Götterpaar und die bösen Geister im besonderen bei nächster Gelegenheit einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und, wenn nötig, zu revidieren.

Zunächst allerdings jagte ihm der seltsame Kasten einen neuen Schreck ein, als er einen Arm ausstreckte und die aus zwei gebogenen Klauen bestehende Hand dem Oberpriester auf die Schulter legte.

»Nnntritt ... vrrrbottennn«, spuckte und zischte er dazu.

Onethor nahm Zuflucht zu dem, was ihm schon einmal geholfen hatte:

»Oh, bei aller Schönheit des Himmels und dem stinkenden Abgrund der Verdammnis«, intonierte er im Singsang der Priestersprache.

Aber der Kasten ließ sich kein zweites Mal beeindrucken.

»Nnntritt ... vrrrbottennn«, wiederholte er und fügte hinzu: »Pfffsssssch!«

Die Klaue glitt von Onethors Schulter herab und schlug schwer zu Boden. Auch die übrigen Arme schienen plötzlich schlaff geworden zu sein. Die spindeldürren Beine knickten ein, und der ganze Kasten stürzte mit schrecklichem Gepolter zu Boden.

Befriedigt nahm Mikkun Onethor von der überwältigenden Wirkung der Beschwörung Kenntnis und wandte sich, nun innerlich gefestigt und frei von Furcht, endlich der halboffenen Tür zu, die schon lange seine Neugierde erregte.

Durch die Öffnung, die seiner Körperfülle nicht ausreichend Platz bot, so dass er sich mit Gewalt hindurchzwängen musste, gelangte er in einen nicht allzu großen Raum, der selbst keine Beleuchtung zu haben schien, jedoch durch die Türöffnung aus dem Gang genügend Licht empfing, so dass der Oberpriester keine Mühe hatte, sich zurechtzufinden. Zunächst mit einiger Zurückhaltung, dann immer mutiger musterte er die vielfältigen Gestelle, die sich an der Wand entlangzogen und in denen teils metallene, teils aus anderem Material bestehende Geräte staken, über deren Verwendungszweck er sich vorläufig noch im unklaren war.

Er wagte es jedoch, eines der Geräte aus seiner Halterung zu ziehen. Der untere Teil des Instruments schien für seine Hand wie gemacht; wie angegossen umspannten seine Finger den Griff, der aus demselben Material gefertigt war wie der Boden des Ganges: weder Eisen, noch Holz und doch beides zugleich. Nach vorne abgewinkelt ragte aus dem Griff ein dünnes Rohr heraus, das am vorderen Ende ein wenig aufgestülpt war. An der Seite des Griffes gab es zwei Knöpfe, einen zum Drücken, wie Onethor vermutete, und einen anderen zum Drehen. Spielerisch legte er den Zeigefinger auf den ersten der beiden Knöpfe. Er lag so ausgezeichnet, als sei er dazu gemacht, von der Kuppe des Zeigefingers bedient zu werden. Mikkun Onethor verstärkte den Druck des Fingers.

Im nächsten Augenblick war die Hölle los. Grelles, schmerzendes Licht fuhr aus dem aufgestülpten Rohr. Das Gerät ruckte ein wenig in der Hand. Ein entsetzliches Fauchen war zu hören. Die Luft wurde plötzlich heiß und stank. Mikkun Onethor stieß einen entsetzten Schrei aus, schleuderte das teuflische Gerät von sich und barg den Kopf unter den Armen.

Sofort war alles vorbei. Nach einer Weile wagte Mikkun Onethor, unter der Deckung der Arme hervorzulugen. Was er sah, war entsetzlich. An einer Stelle war eine der Stellagen, die an den Wänden entlangführten, zusammengebrochen und hatte ihren Inhalt zum Teil auf den Boden entleert. Die Wand hinter dem Gestell hatte einen hässlichen schwarzen Fleck, von dem braune Bahnen herabliefen, die in erstarrten Tropfen endeten. Vor Onethor auf dem Boden lag das Gerät, das er im ersten Schreck panikgeschüttelt von sich geschleudert hatte.

Mikkun Onethor war nicht das, was man einen intelligenten Mann genannt hätte. Aber er besaß eine gewisse Art Schläue, die ihm in vielen Situationen über den Mangel an Intelligenz hinweghalf. Er begriff auch jetzt sofort die Bedeutung seines Fundes. Die Lehre berichtete, dass das Götterpaar, wenn es zornig war, den Himmel mit Wolken überzog und aus den Wolken herab Blitz und Donner auf die Erde schleuderte.

Für Mikkun Onethor gab es keinen Zweifel, dass er in diesem Raum die Geräte gefunden hatte, deren sich die Götter bedienten, um die Blitze zu erzeugen. Sein Blut kam in Wallung. Was für einen Schatz hatte er entdeckt! Er hob das Instrument, das er weggeworfen hatte, vorsichtig auf, betrachtete es von allen Seiten und richtete schließlich das aufgestülpte Rohr schräg nach oben gegen die Decke. Er überwand seine Furcht und drückte von neuem auf den Knopf, nur ganz leicht, kaum einen halben Atemzug lang. Ein Strahl weißglühenden Feuers sprang aus dem Rohr, fauchte zur Decke hinauf und brannte dort ein schwarzes Loch, aus dem glühende Tropfen herab auf den Boden fielen.

Mikkun Onethor frohlockte. Die Götter hatten ihm eine Waffe in die Hand gegeben, mit der er den Erbfeind bezwingen konnte! Niemals hatte es eine solche Waffe in den Händen eines Sterblichen gegeben. Ihn, Mikkun Onethor, hatte das Götterpaar unter allen Menschen dazu ausersehen, die fürchterliche Waffe zu führen. Welch andere Aufgabe konnten sie ihm zugedacht haben, als die Vernichtung des Feindes und die Wiederherstellung des Friedens in der Welt?

Keine Sekunde lang kam Onethor in seinem wiedergefundenen Glauben an die Allmacht des Götterpaares der Zweifel, ob es nicht vielleicht ein Zufall gewesen sei, der ihn diese fürchterliche Waffe hatte finden lassen. Ob er nicht einen Frevel begehe, indem er diese entsetzlichen Geräte überhaupt in die Hand nahm. Er erachtete seine Entdeckung als einen Akt der Vorsehung, und wenn er noch Bedenken hatte, die sich auf den Umstand bezogen, dass auch die Feniker dieses Bauwerk als ihr Heiligtum betrachteten und nach den Regeln der Lehre die Gegenstände innerhalb des Heiligtums als unantastbar galten, so verstand er es doch, sich einzureden, dass die göttliche Offenbarung, die ihm zuteil geworden war, die Vorschriften der Lehre zumindest in diesem Punkt außer Kraft setzte.

Welch unendlicher Reichtum! Hier gab es genug Waffen, um wenigstens vier Zehntschaften mit den Blitzschleudern auszurüsten. Er wurde sich alle Taschen vollstopfen müssen, um eine ausreichende Zahl von Waffen mitnehmen zu können.

Er ging daran, den Gedanken in die Tat umzusetzen, da schoss ihm plötzlich eine Idee durch den Kopf. Die Blitzschleudern an die Zehntschaften verteilen? Welch ein lächerlicher Gedanke! Die Kraft der Götter gehörte nicht in die Hand gewöhnlicher Sterblicher. Außerdem – wie sehr würde er dadurch an Gesicht verlieren, dass Krieger dieselben Zauberwaffen führten wie er, der Oberste aller Priester! Nein, er wurde sich die Taschen nicht vollstopfen. Er würde zwei Blitzschleudern mit sich nehmen, damit er Ersatz hatte, wenn eine davon kaputt ging. Die anderen ließ er hier. Nur er würde in der Lage sein, nach der Art des Götterpaares Blitze zu verschleudern, und die anderen sollten zu seiner ungeheuren Macht staunend und voller Ehrfurcht aufschauen.

Eine einzige Schleuder, im richtigen Augenblick eingesetzt, war ohnehin genug, um dem Feind solchen Schrecken einzujagen, dass er sein Leben lang nicht mehr an Widerstand denken würde.