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Nr. 28

 

Die Sandgeister von Occan

 

Ein Amphibio und ein Gummimensch – zwei Agenten der Station 98 im Mahlstrom der Ödwelt

 

von Ernst Vlcek

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Mitte Mai des Jahres 2408 Standardzeit.

Das neue Kosmobiotikum gegen die heimtückische Metamorphose-Seuche, das USO-Agenten auf der Ara-Welt Heyscal im Gon-Tabara-System entdeckten, ist in die Massenproduktion gegangen. Und am 15. des Monats ist es soweit! Das Serum gelangt durch ein Medoschiff des Solaren Imperiums auf dem Planeten Lepso zur Verteilung.

Damit tritt auf der von der Seuche heimgesuchten und durch erbitterte Kämpfe schwer erschütterten Freihandelswelt weitgehend wieder Ruhe ein, und die Quarantäne wird aufgehoben.

Für eine ganze Anzahl von USO-Angehörigen beginnt zu diesem Zeitpunkt ein neuer, gefährlicher Einsatz. Lordadmiral Atlan hat die Informationen, die Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon Tschen Baharks Mörder abjagten und an ihren Chef übermittelten, inzwischen ausgewertet und erteilt neue Einsatzbefehle. Eine Spur, die zu den geheimnisvollen Beherrschern der Condos Vasac führt, ist gefunden. Zwei seltsame USO-Spezialisten machen sich auf die Suche – und stoßen auf DIE SANDGEISTER VON OCCAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Noah-Noah – Amphibio von Paron.

»Rubber« Corteen – Mutant von Luna.

Oberst Vangan Bombran – Chef der Station USO-98.

Asmus Gorsyth – Ein Kadett wird hereingelegt.

Major Dilon Konstant – Kommandant der PAMA.

1.

 

Für Asmus Gorsyth begann ein neuer Lebensabschnitt – und er begann mit Zähneklappern.

Er hatte seine Grundausbildung als USO-Agent abgeschlossen und sollte zuerst auf einem Außenposten praktische Erfahrung sammeln, bevor er seine Spezialausbildung erhielt. Die Raumstation, auf der er ein halbes Jahr lang Dienst tun sollte, hieß USO-98 und lag irgendwo am Außenrand des galaktischen Zentrums. Die genaue Position hatte man ihm verschwiegen. Er wusste über USO-98 nur, was er bei seiner Ankunft und in der Folgezeit mit seinen eigenen Augen sah. Es handelte sich um eine quadratische Plattformbasis mit einer Seitenlänge von zweihundert Metern und einer Dicke von vierzig Metern. Es gab eine Raumschiffswerft, in der kleinere Reparaturen vorgenommen werden konnten, und einen leistungsstarken Großtransmitter. Selbstverständlich waren auch wissenschaftliche Abteilungen vorhanden; sie waren von untergeordneter Bedeutung.

Der geheime Stützpunkt USO-98 diente hauptsächlich als Quartier für Exoten. Unter dieser Bezeichnung verstand Gorsyth USO-Spezialisten mit besonderer Abstammung und außerordentlichen Fähigkeiten, vornehmlich Umweltangepasste und Mutanten.

Allen voran stand der Stationskommandant Oberst Vangan Bombran, der ein Umweltangepasster von Ertrus war. Nun konnte man Ertruser kaum noch mehr als Exoten bezeichnen, denn man begegnete ihnen überall in der Galaxis.

Oberst Vangan Bombran jedoch war ein besonderer Ertruser, zwar ein Vielfraß wie alle seine Artgenossen, doch darüber hinaus auch ein Gourmet. Er unterhielt auf USO-98 ein riesiges Aquarium, in dem er Paroner züchtete, um seine Tafel damit zu bereichern. So hatte es Gorsyth wenigstens von der Mannschaft unter dem Siegel der Verschwiegenheit gehört.

Und diese Paroner waren indirekt die Ursache für Gorsyths Zähneklappern. Er sollte nämlich einen von ihnen fangen und als Trophäe in den Mannschaftsraum bringen. Das war die Mutprobe, die die Mannschaft von ihm verlangte, bevor sie ihn in ihre Reihen aufnehmen wollte.

Asmus Gorsyth war keine andere Wahl geblieben, als dem zuzustimmen. Denn wegen seiner unvollkommenen Ausbildung stand er nur im Rang eines Kadetten, und als solcher wurde er von der Stammmannschaft nicht für voll genommen. Er nahm die Feuertaufe auf sich, um nicht länger mehr ein Außenseiter sein zu müssen.

Er hatte bereits alle Vorbereitungen für sein Unternehmen getroffen und saß in seiner Kabine, um seine Ausrüstung einer letzten Überprüfung zu unterziehen. Vor ihm ausgebreitet lag eine Aqualunge, ein Paralysenetz, ein Vibratormesser, eine Badehose und eine Skizze, die ihm den Weg zu dem Raum mit dem Aquarium zeigen sollte.

Seufzend packte er die Ausrüstung in einen handlichen Koffer und verließ seine Kabine. Er folgte den Angaben auf der Wegskizze und stand zehn Minuten später vor der angegebenen Tür in einer abgelegenen Sektion der Raumstation. An der Tür hing ein Schild, auf dem stand: Noah-Noah.

Asmus Gorsyth dachte, dies sei die wissenschaftliche Bezeichnung für die Paroner und wollte schon den Türöffner drücken. Aber dann zögerte er. Ihm wurde klar, dass er nichts über die Paroner wusste. Es konnte sich um Unterwasserschildkröten handeln, ebenso aber auch um Raubfische oder um eine Saurierart. Bedachte man den Appetit eines Ertrusers, traf die letzte Möglichkeit noch am ehesten zu.

Und wie soll ich einen Saurier aus dem Aquarium schaffen?, fragte sich Gorsyth mit Recht und dachte an sein winziges Paralysenetz. Er argwöhnte auch, dass sich seine zukünftigen Kameraden womöglich nur einen üblen Scherz mit ihm erlaubten. Jetzt bereute er es bereits, dass er sich auf diese Mutprobe eingelassen hatte. Aber die Reue kam zu spät.

Als er im Korridor das Geräusch sich nähernder Schritte vernahm, drückte er den Türöffner und schlüpfte durch den sich rasch vergrößernden Spalt.

Er betrat eine fremde, gespenstische Welt, die ebenso unheimlich wie faszinierend war.

Der Raum, in den Gorsyth getreten war, maß zehn Meter im Quadrat und stand unter Wasser. Nur auf der Türseite verlief ein zwei Meter breiter Steg von Wand zu Wand. Darauf stand ein Liegesitz, ein Bücherbord, ein Kleiderschrank, ein Couchtisch und ein zusätzlicher Stuhl. An den Rand des Steges war ein Bildsprechgerät montiert, so dass es vom Liegesitz ebenso leicht zu erreichen war wie von der Wasseroberfläche aus.

Das gab Gorsyth zu denken. Noch etwas war ihm aufgefallen: Der Liegesitz und der Stuhl waren für einen Ertruser viel zu schmal.

Gorsyth blickte in das grünliche Wasser, das vom Grund her durch eine Reihe von Scheinwerfern beleuchtet wurde. Er suchte nach Anzeichen von Lebewesen, konnte von solchen jedoch keine Spur entdecken. Er erblickte nur Unterwasserpflanzen, die von einer schwachen Strömung sanft bewegt wurden.

Gorsyth begann sich auszuziehen. Er wollte diese Sache schnell hinter sich bringen. Die ungemein hohe Luftfeuchtigkeit machte ihm bereits das Atmen schwer.

Wie konnte sich ein Ertruser in dieser dampfenden Atmosphäre wohl fühlen?

Ohne weiter darüber nachzugrübeln, holte Gorsyth seine Ausrüstung aus dem Koffer, schlüpfte in die Badehose, hing das Vibratormesser an den Gürtel, schnallte sich die Aqualunge um und nahm das Mundstück zwischen die Zähne. Zuletzt ergriff er das Paralysenetz und sprang ins Wasser. Obwohl die Wassertemperatur ungefähr seiner Körpertemperatur entsprach, zitterte Gorsyth am ganzen Körper. Er durchtauchte mit schnellen Tempos das Bassin gut zehnmal kreuz und quer, ohne auch nur den Schatten eines Lebewesens zu entdecken.

Gorsyth wollte gerade in dem Bewusstsein auftauchen, einem üblen Scherz aufgesessen zu sein, als er zwischen den wedelnden Pflanzen eine Bewegung gewahrte. Er sah nur einen gut eineinhalb Meter langen Schemen, der sich schnell und geschmeidig auf ihn zuschlängelte, und versuchte sein Heil in kopfloser Flucht. Bevor er jedoch noch auftauchen konnte, wurde er an einem Bein gepackt und in die Tiefe gezogen. Er schlug heftig um sich, aber gegen das Ungeheuer, das hier in seinem Element war, konnte er nichts ausrichten. Etwas wie ein Tentakel legte sich um seinen Hals und schnürte seine Kehle ab. Gleich darauf wurde ihm der Luftschlauch aus dem Mund gerissen.

Gorsyth schluckte Wasser, während er verzweifelt versuchte, sich aus dem tödlichen Griff zu befreien. Ihm wurde bereits schwarz vor Augen, als von irgendwoher ein beharrliches Klingeln erklang.

Plötzlich tat das Ungeheuer jedoch etwas Seltsames: Es tauchte mit Gorsyth auf und ließ ihn zu Atem kommen. Während Gorsyth gierig nach Luft schnappte, tat das Ungeheuer wieder etwas so Ungewöhnliches, dass Gorsyth an seinem Verstand zu zweifeln begann. Ohne sein Opfer aus dem Griff zu lassen, schwamm es zum Bildsprechgerät und schaltete es ein. Das Klingeln erstarb.

»Ja?«, knurrte das Ungeheuer ins Mikrophon.

»Noah-Noah, ich möchte, dass Sie auf schnellstem Wege zu mir in den Kommandostand kommen«, erklang Oberst Vangan Bombrans Bass aus dem Lautsprecher. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Was halten Sie da im Arm?«

»Es handelt sich um einen aus der Mannschaft, dem ich Nachhilfeunterricht im Schwimmen gebe«, erklärte das Ungeheuer trocken. Nachdem das Visiphongespräch beendet war, wurde Asmus Gorsyth freigelassen. Er zog sich mit letzter Mühe auf den Steg hinauf, wo er erschöpft liegen blieb.

 

*

 

Noah-Noah schwang sich auf den Steg hinauf und blickte mit seinen starren Fischaugen und ausdruckslosem Gesicht auf den jungen Mann, der schwer atmend auf dem Boden lag.

»Was haben Sie in meiner Kabine zu suchen?«, erkundigte er sich ohne Groll. Er fand, dass der Eindringling genug bestraft war – der Schreck stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben.

»Ich – es handelt sich um einen Irrtum«, stammelte Gorsyth. »Ich wusste nicht, dass es sich bei diesem Raum um – eine bewohnte Kabine handelt. Ich dachte, hier sei das Aquarium, in dem Oberst Bombran seine Paroner züchtet. Es tut mir leid, Sir ...«

»Sie sind wohl neu auf USO-98?«, fragte Noah-Noah.

»Jawohl, Sir.« Gorsyth sprang auf die Beine und stand stramm. Er salutierte und rasselte herunter: »Kadett Asmus Gorsyth steht zu Ihrer Verfügung, Sir.«

»Nein, ich stehe zu Ihrer Verfügung«, widersprach Noah-Noah. »Sie haben doch einen Paroner gesucht, oder? Nun, was gedenken Sie mit mir zu tun?«

»Oh, diese verdammten Kerle!«, stöhnte Gorsyth und überlegte sich bereits, wie er diesen Streich der Mannschaft heimzahlen konnte. Dann besann er sich, wem er gegenüberstand. Er nahm wieder Haltung an, was ungemein komisch wirkte, da er nur eine Badehose trug.

Jedem anderen hätte Gorsyths ungewöhnliche Erscheinung zumindest ein Grinsen entlockt. Nicht so Noah-Noah. Es war eine seiner Eigenheiten, dass er nicht lachen konnte, obwohl er einen Sinn für Humor besaß. Es war ihm möglich, andere zu Lachstürmen hinzureißen, ohne selbst auch nur eine Miene zu verziehen.

»Sie machen in der Badehose keine sehr erbauliche Figur«, meinte Noah-Noah kritisch. »Ziehen Sie sich besser an und verschwinden Sie, bevor ich Sie meinen Unterwassergarten jäten lasse.«

Ohne Gorsyth noch eines Blickes zu würdigen, öffnete Noah-Noah seinen Kleiderschrank und holte seine aquatische Kombination heraus. Dabei handelte es sich um eine Spezialanfertigung, die auf ihrer Außenseite vollkommen trocken war, deren Innenseite jedoch Feuchtigkeit anzog und an die Haut des Trägers abgab.

Als Umweltangepasster der Wasserwelt Paron konnte Noah-Noah auch unbegrenzt lange an Land leben. Aber Trockenheit war ihm äußerst zuwider, deshalb trug er außerhalb seines Bassins stets seine Spezialkombination.

Noah-Noah zog die letzten Verschlüsse fest. Asmus Gorsyth stand ihm bereits in voller Montur gegenüber.

»Habe ich nicht gesagt, Sie sollten verschwinden?«, knurrte Noah-Noah.

Gorsyth schien ihn nicht gehört zu haben. Seine Augen wurden groß, seiner Kehle entrang sich ein gurgelnder Laut. Er deutete auf Noah-Noah und stammelte: »Sir – Sie sehen nicht wohl aus. Sie sollten in den Spiegel blicken. Eben war Ihre Haut noch schneeweiß, und nun färbt, sie sich ...«

»... bräunlich«, vollendete Noah-Noah den Satz. Langsam riss ihm die Geduld.

»Das ist eine ganz natürliche Begleiterscheinung. Wenn ein Paroner sich an Land aufhält, dann wird seine Haut durch den Entzug der Feuchtigkeit braun.« Noah-Noah entschloss sich zu einer maßlosen Übertreibung, um den lästigen Eindringling endlich loszuwerden. »Und wissen Sie, was passiert, wenn einen Paroner die Wut packt? Dann verfärbt sich sein Gesicht bläulich. Aber ich möchte Ihnen raten, nicht darauf zu warten.«

Gorsyth stolperte rückwärts zur Tür, riss sie schnell auf und verschwand im Korridor. Die Pneumatik schloss die Schiebetür seufzend hinter ihm.

Noah-Noah seufzte ebenfalls. Er ging zu dem auf der Innenseite der Schranktür angebrachten Spiegel und betrachtete sich prüfend. Er war nicht gerade eitel, legte aber doch stets Wert auf eine gepflegte Erscheinung.

Er war nur 1,42 Meter groß und von schlanker, fast zierlicher Gestalt. Er besaß große, flache Hände und Füße, deren Finger und Zehen mit Schwimmhäuten verbunden waren, die er je nach Bedarf und Belieben einziehen oder hervorschnellen lassen konnte. Diesen Schwimmhäuten widmete Noah-Noah seine besondere Aufmerksamkeit. Er besaß nämlich am ganzen Körper kein einziges Haar – und ausgerechnet auf seinen Schwimmhäuten sprossen vereinzelt Härchen. Das störte ihn, denn auf seiner Heimatwelt Paron galt Haarwuchs als Alterserscheinung. Der Flaum an seinen Schwimmhäuten störte ihn doppelt, weil er mit seinen 34 Jahren bei einer Lebenserwartung von 130 Jahren noch ausgesprochen jung war.

Noah-Noah holte eine Pinzette aus der Tasche, zupfte zwei Härchen zwischen Daumen und Zeigefinger aus, strich sich über den spiegelblanken Schädel und schloss dann einigermaßen zufrieden die Schranktür.

Mit einem fast sehnsüchtigen Blick auf sein Bassin verließ er seine Kabine. Er ahnte, dass er es für längere Zeit nicht wiedersehen würde. Denn einer dringenden Unterredung mit Oberst Bombran folgte immer eine längere Trockenperiode – so nannte Noah-Noah seine USO-Einsätze bei sich.

2.

 

Der Kommandostand befand sich in einer der Aufbauten am Rande der Plattformbasis. Noah-Noah gelangte über den Hauptkorridor und einen Antigravschacht hin. Der Adjutant im Vorzimmer wusste Bescheid und geleitete Noah-Noah durch den eigentlichen Kommandostand, wo alle Fäden auf USO-98 zusammenliefen, in einen Nebenraum, den Oberst Bombran immer dafür benutzte, um seinen Spezialisten die letzten Instruktionen zu geben.

Der Ertruser empfing Noah-Noah mit einem giftigen Blick. Er saß hinter seinem mit allen technischen Raffinessen ausgestatteten Arbeitstisch, die fast eineinhalb Meter breiten Schultern etwas gehoben und die Arme auf die Tischplatte gestützt. Der sichelförmige Haarstreif auf seinem sonst kahlen Schädel, der von der Stirn bis in den Nacken reichte, gab ihm das Aussehen eines Hahnes mit stolzgeschwelltem Kamm.

»Wir warten schon eine ganze Weile auf Sie, Major«, sagte Oberst Bombran verhalten. »Verhalten« war für einen Ertruser jedoch noch lange nicht leise. »Wir waren nahe daran, ungeduldig zu werden.«

In das »Wir« war ein Mann einbezogen, der etwas abseits in einem der Instruktionsstühle saß. Er hatte einen massigen Körper, neigte nicht gerade zu Fettleibigkeit, wirkte aber ungemein klobig. Er ließ Arme und Beine phlegmatisch hängen, so, als gehörten sie überhaupt nicht zu ihm. Sein Gesicht war lang, traurig und haarlos. Seine melancholisch blickenden Augen wurden von Wülsten überdeckt, auf denen man vergebens nach Augenbrauen suchte. Von ihm ging Phlegma aus, das geradezu ansteckend war. Einen Choleriker wie Oberst Bombran hatte diese unerschütterliche Ruhe schon mehr als einmal zu der Bemerkung veranlasst: »Sie sind so phlegmatisch wie ein Sandsack!«

Der Vergleich mit einem Sandsack war auch in anderer Beziehung recht treffend. Denn der Mann im Instruktionsstuhl, der weder Haare noch Finger- oder Zehennägel besaß, war auch nicht im Besitz eines Knochengerüsts. Er war das, was Asmus Gorsyth einen Exoten genannt hätte. Seine Zugehörigkeit zu den Exoten war jedoch nicht durch eine Umweltanpassung gegeben, sondern durch eine Mutation: Er war ein Mensch, der seine Körperform beliebig verändern konnte. Diese Eigenschaft hatte ihm einen Spitznamen eingetragen.

»Hallo, Rubber«, begrüßte Noah-Noah den Mutanten.

»Hallo, Amphibio«, erwiderte der Gummimensch in seiner näselnden Sprechweise, die typisch für ihn war. Er seufzte anschließend und ließ seinen Körper noch mehr in sich zusammenfallen. Es hatte den Anschein, als behage es ihm nicht, die humanoide Form seines Körpers aufrechtzuerhalten. Als Phlegmatiker musste es ihm tatsächlich manchmal lästig sein, die psi-stabilisierte Knorpelmasse, die er anstatt eines Knochengerüsts besaß, durch seine paraphysischen Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten.

»Rubber« hieß mit Familiennamen Corteen, war USO-Spezialist im Range eines Majors und darüber hinaus Hyperphysiker.

»Stimmt es, dass auch Sie ungeduldig sind?«, erkundigte sich Noah-Noah bei Corteen.

Der Gummimensch nickte. »Es interessiert mich brennend zu erfahren, was wir auf Lepso sollen.«

»Lepso?«, wiederholte Noah-Noah ungläubig und blickte zu Oberst Bombran. »Das ist doch die Freihandelswelt, auf der Tekener und Kennon agieren. Abgesehen davon, dass ich nicht gerne Kollegen ins Handwerk pfusche, steht Lepso unter Quarantäne.«

»Die Quarantäne wurde aufgehoben«, erklärte Oberst Bombran. »Außerdem kann überhaupt keine Rede davon sein, dass Sie beide nach Lepso gehen.«

»Dann habe ich Sie missverstanden, Oberst«, meinte Rubber Corteen phlegmatisch.

»Jawohl, Sie haben mich missverstanden«, bestätigte Oberst Bombran. »Ich sagte lediglich, dass die Voraussetzungen für Ihren Einsatz auf Lepso geschaffen wurden. Das ist ein Unterschied, Major Corteen.«

»Wenn Sie es sagen, Oberst.«

Noah-Noah war zu einem der Instruktionsstühle gegangen und hatte sich gesetzt.

»Auf Lepso wurde die Quarantäne also aufgehoben«, überlegte er. »Dann stimmt es, dass man ein Mittel gegen das Metavirus II gefunden hat.«

»Ja«, bestätigte Oberst Bombran und trommelte mit den Fingern nervös auf die Tischplatte. »Das ist für Sie jedoch nur von sekundärer Bedeutung. Ich werde Ihre Neugierde in Stichworten zu stillen versuchen, dann will ich kein Wort mehr zu diesem Thema verlieren.« Der Ertruser lehnte sich zurück und erzählte mit monotoner Stimme: »USO-Spezialisten fanden auf einer Ara-Welt ein Antibiotikum, mit dem man das Metavirus II ausschalten kann. Terra stellte dieses Antibiotikum unter der Bezeichnung BK-K 14 ultraforte in Massenproduktion her, und ein Medoschiff des Solaren Imperiums brachte es von Tahun nach Lepso, so dass heute, am 15. Mai, die Quarantäne aufgehoben werden konnte. Zufrieden?«

Noah-Noah nickte. »Nur noch eine Frage dazu. Steht unser Einsatz in Zusammenhang mit diesen Geschehnissen?«

»Nein, das ist wieder eine ganz andere Geschichte.«

 

*

 

Oberst Bombran schaltete das Visiphon ein.