TINO HEMMANN

DER RAT DER

PLANETEN

IV. BUCH

DAS INTERGALAKTISCHE TRAUERSPIEL

Science-Fiction

Engelsdorfer Verlag

2016

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright (2016)

Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte bei Tino Hemmann

Titelgestaltung: Tino Hemmann

unter Zuhilfenahme folgender Bilder:

spaceship and asteroid © innovari - Fotolia.com

earth chaos © Len Green - Fotolia.com

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

www.rat-der-planeten.de © 2009  2016 Tino Hemmann

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Der Fremde

Was bisher geschah

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Letzter Aufzug

Begriffe und Namen in alphabetischer Reihenfolge

Weitere Bücher

Fußnote

Der Fremde

Fau Holl stemmte die kurzen, kräftigen Arme in die Hüften. »Warum wohl sollte ich das tun, Tobobo?«, fragte er und schaute zu dem Thronario auf, das fast regungslos über seinem Kopf schwebte.

Die FUGBUG, ein kleines, wendiges und schnelles Schiff, das einst den Streitkräften M’bagas zur Verteidigung des Planeten gegen die Ikonier diente, bewegte sich im Orbit des in seiner Sonne hell leuchteten blauen Planeten.

»Sie könnten es als feindliche Handlung ansehen, wenn du bewaffnet bist«, surrte das Thronario.

Widerwillig legte Fau Holl den Waffengürtel ab. Nun trug er nur noch die Strahlenschutzeinheiten über dem schäbigen Kleid. »Ich hoffe, es ist kein Fehler, auf dich zu hören!«, herrschte er den fliegenden Computer an. Daraufhin betrachtete er nochmals den Planeten. »Du bist dir wirklich sicher, dass das die Erde ist?«

»Du wiederholst deine Frage bereits zum vierten Mal«, meinte Tobobo. »Daher auch zum vierten Mal meine eineindeutige Antwort: Ja, das ist die Erde.«

»Meine Bedenken sind nicht unbegründet. Selbst M’baga umkreisen unzählige Satelliten und Raumstationen. Dabei ist mein Heimatplanet keineswegs so weit entwickelt wie es die Erde sein sollte.«

Das Thronario gab zunächst keine Antwort. Mit Hilfe der Sensoren der FUGBUG ließ es den Orbit des blauen Planeten absuchen. »Scheinbar sind sie noch rückständiger, als die Menschen auf M’baga.«

Fau Holl schüttelte den wuchtigen Kopf. »Die Erdenmenschen reisten mit großen bewaffneten Schiffen durch unsere Distrikte. Unter ihnen sind Synusier. Nennst du das rückständig?«

»Nein, das ist nicht rückständig.« Das Thronario flog im Zickzack durch die Zentrale des Schmugglerschiffes. »Trotzdem ist ihr Orbit sehr sauber.«

»Sauber? – Der Orbit ist nicht nur Sauber, mein Freund. Er ist gähnend leer!« Fau Holl verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Was soll’s. Transportiere mich hinunter. Ich muss etwas finden, das beweisen wird, dass wir tatsächlich hier waren.«

»Der Intermolekulartransporter ist bereit. Wohin soll ich dich transportieren?«

»Bring mich in eine ihrer Städte. Auf der Nachtseite, wenn möglich!« Der M’baganianer nahm die Transporthilfe und steckte sie ein. Mit dem winzigen Gerät würde ihn der IMT später problemlos finden und zurückholen können.

»Verstanden.« Das Thronario zögerte einen kurzen Moment. »Die Sprachmuster der Erdenmenschen wurden dir während der letzten Ruhephase injiziert. Bist du bereit?«

»Nun mach schon, Tobobo!«, forderte Fau Holl. »Ich kann es kaum erwarten, diesen Planeten Erde zu betreten.«

Im gleichen Augenblick verschwamm seine Umgebung, weißer Nebel tauchte auf, der sich bald verdunkelte und zu einer schwarzen Nacht wurde.

Fau Holl führte seine linke Hand vor die geblendeten Augen. Zwischen den Fingern sah er ein Flackern.

Ein Quietschen und Grollen in seinem Rücken ließ ihn instinktiv zur Seite springen, er landete auf allen Vieren –im Schlamm. Gezogen von zwei merkwürdigen vierbeinigen schwarzen Wesen holperte ein Gefährt an ihm vorüber, das von einem Mann geführt wurde, der die armen Wesen mit einer knallenden Waffe traktierte.

»Wo bin ich hier nur gelandet?«, fragte sich Fau Holl flüsternd selbst und ließ die Blicke wandern. Er fand sich auf einem unbefestigten, schmutzigen Weg wieder, er sah altertümliche, höhlenartige Bauwerke, die zudem kaum beleuchtet waren. Was ihn geblendet hatte, war ein länglicher Mast, an dessen Ende eine Fackel brannte.

Der M’baganianer erhob sich und stolperte auf eines der Bauwerke zu, das aus Holz gefertigt schien und dessen Fenster angehellt flackerten.

Über einem Tor prangte ein Schild. Die Injektion der Sprachpakete ließ Fau Holl die fremde Schrift lesbar erscheinen. »Baltzars Taverne« las er. Neben dem Tor hatte man einige jener gequälten Kreaturen angebunden, die vor dem Fahrzeug von eben hergejagt wurden.

Der Außerirdische klopfte gerade den gröbsten Schmutz aus der Kleidung, gerade in diesem Moment öffnete sich das Tor.

»Lass dich hier niemals wieder sehen, Zechpreller, verfluchter!«, brüllte ein fetter Mensch und gab einem anderen – dürren – einen kräftigen Tritt ins Hinterteil, sodass der im hohen Bogen und mit einem schmatzenden Klatschen auf den schlammigen Boden fiel. Der dicke Mann klatschte die Hände und betrachtete Fau Holl argwöhnisch. »Ich hoffe, Er kann zahlen, damit es Ihm nicht ergeht, wie dem Tagelöhner!«

»Ich … ich habe genügend Kram dabei«, antwortete der M’baganianer.

Kram nannte sich die intergalaktische Währung im Zweiten und Dritten Distrikt. Ein Kram entsprach dem Tageswert von zehn Litern hochwertigem, halischem Gas, das die Grundlage der Tarnung von allen möglichen Dingen im Weltall bildete. Eine Kramkugel selbst bestand aus ganotanischem Gold – dem reinsten, das im gesamten Universum zu finden war.

Der Dicke schien trotzdem nicht unbedingt begeistert. »Kram? Welchen Kram meint Er?«

Fau Holl nahm eine Kram-Kugel aus der Tasche, legte sie auf seine flache Hand und hielt sie dem Erdenmenschen hin.

Dem dicken Wirt fiel nicht auf, dass die Hand des Außerirdischen sieben Finger mit jeweils fünf Elementen aufwies. Er sah lediglich die golden glänzende Kugel, nahm sie mit spitzen Fingern an sich, hielt sie ins Licht der Laterne, betrachtete die holografische Sicherheitsprägung und biss schlussendlich gierig in den Kram.

Fau Holl nickte zustimmend, denn auch die Ikonier prüften per Biss die Echtheit des Goldes. Der M’baganianer zuckte plötzlich zusammen, doch der dicke Erdenmensch klopfte ihm nur freundschaftlich auf die Schulter, ließ den Kram in der eigenen Tasche verschwinden und sprach: »Ein schöner Kram ist das. Wo auch immer es herkommt. Er sei mein Gast und möge sich satt essen und trinken. Ein Schlafgemach sei Ihm ebenso gewährt.« Und er zog Fau Holl mit in die Gaststube hinein.

Da gab es nur zwei allenfalls grob gezimmerte hölzerne Tische. Den Außerirdischen wunderte es nun nicht mehr, dass der Orbit des Planeten leer war. Er schlich dem dicken Erdenmensch hinterher, der mit einem feuchten Tuch einen Platz reinigte und sprach: »Hier könnt Ihr dinieren, mein Herr.«

Bevor sich Fau Holl setzte, flüsterte er dem Dicken zu: »Ich bin doch auf der Erde?«

»Er ist nicht in der Hölle und Er ist nicht im Himmel, auch wenn Er sich so fühlen dürfte, mit dem Schatz, den Er besitzt. Er ist wahrhaftig auf der Erde. – Was will er zu sich nehmen?« Der Wirt legte das Tuch über den fetten Unterarm. »Er möge sich bald entscheiden, ehe ich für Napoléon Bonaparte in den Krieg ziehen muss.«

»Napoléon Bonaparte?« Fau Holl versteckte die Hände so gut es ging unter dem Tisch. Ihm gegenüber saßen zwei ältere Erdenmenschen, recht vornehm gekleidet, mit runden großen Hüten auf den Köpfen. Vor ihnen standen Bretter auf dem Tisch, auf denen Knochen von Lebewesen lagen. Der Magen des M’baganianers spielte kurze Zeit verrückt. »Bring mir nur etwas Flüssiges mit einem Trinkwasseranteil von über neunzig Prozent.«

Für einen Moment verzog der Dicke sein Gesicht, trat an einen höheren Tisch, nahm einen blechernen Becher und goss Wein hinein. Den Becher stellte er seinem merkwürdigen Gast vor die große Nase. »Der Wein wird mit Wasser gemacht. Möge es Ihm wohl bekommen.«

Fau Holl schüttelte den Kopf ein wenig, was einem Dank gleichkam, auf den Wirt jedoch ganz anders wirkte. Daher wendete dieser sich enttäuscht ab.

Zunächst blickte Fau Holl den Becher lange Zeit regungslos an. Dann endlich griff er zu und schlürfte über die Membrane seiner langen Zunge das rote Getränk in sich hinein. Der Geschmack war angenehm frisch, die Wirkung des Alkohols für M’baganianer typisch: Seine Füße wurden glühend heiß und ließen die Feuchtigkeit des Körpers aus seiner Kleidung dampfen.

Die beiden Herren am Tisch interessierte das herzlich wenig. Sie waren in ein Gespräch vertieft, schauten nur selten zu Fau Holl.

»Es scheint mir eine unerwartet vielzählige Auflage des Goethes, die Ihr drucken ließet«, sprach der eine und hielt einen merkwürdigen Gegenstand in den Händen, den er nun öffnete und der sich dem M’baganianer als ein visueller Textdatenspeicher offenbarte.

Fau Holl streckte den Hals lang. Er trug um den Hals eine Strahlenschutz-Manschette, die seinen Tropf versteckte und schützte. Solch ein Textdatenspeicher könnte beweisen, dass er tatsächlich auf der Erde war! Neugierig lauschte er.

»Es sind zweitausend an der Zahl, die letzten werden heute in feines Leder gebunden«, meinte der zweite vornehme Herr. »Wir werden ein gutes Geschäft damit machen, Ihr werdet sehen, mein Freund. Der Ludwig van Beethoven hat eine Musik zum Egmont geschrieben, in Bälde soll das Schauspiel aufgeführet werden. Daselbst wohl werden sich die Bücher fast von allein verkaufen.«

»Das Trauerstück des Herrn Goethes ist aber auch all zu gut, nicht wahr?«

»Ihr werdet sehen, die Herrschaftlichkeiten werden das Buch besitzen wollen. Euer Einsatz wird sich in kurzer Zeit verhundertfachen«, sprach der andere.

Fau Holl hatte sich etwas Mut angetrunken. Der Alkohol des Weines verteilte sich rasch in seinem Körper. Sehr laut sagte er daher: »Oh! Sagt, ist das wahrhaft ein Goethe?«

Erstaunt blickten die beiden Herren den Außerirdischen an. Er machte ihnen keineswegs einen hochwohllöblichen oder gar adligen Eindruck.

»Sagt, kennt ihr den wohllöblichen Johann Wolfgang von Goethe?«

»Selbstverständlich kenne ich ihn!«, antwortete Fau Holl. »Würdet Ihr mir diesen Textdatenspeicher wohl überlassen können?«

»Mein Herr, was meint Ihr mit Textdaten-Ding? Ihr wollt den Egmont kaufen? Das Buch ist noch nicht verkäuflich. Und außerdem … Eure Taler werden nicht reichen, diesen Prachtband zu erwerben.«

Vorsichtig näherte sich der Wirt. »Täuscht Euch nicht, mein Herr«, flüsterte er und wischte sich mit dem Handrücken über die fettigen Lippen. »Der merkwürdige Fremde zahlt seinen Tribut mit purem Gold!«

Die Augen des Verlegers glänzten sogleich. »Was faselt er da? Mit Gold? – Verzeiht mein Herr, es heißt ja Kleider machen Leute, Ihr durchbrecht diese Weisheit garwohl.« Er nahm dem zweiten Herrn das Buch aus der Hand, wischte mit dem Ärmel darüber und schob es über den Tisch. »Schaut es Euch ruhig näher an, gnädiger Herr. Ihr werdet nicht enttäuscht sein.«

Vorsichtig griff Fau Holl zu und öffnete das Buch in der Mitte. »O Spatzenkopf!«, zitierte er an einer zufällig gewählten Stelle. »Wo nichts daraus zu verhören ist, da verhört man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig … – Oh, wirklich ausgezeichnet, dieser Goethe, wirklich ausgezeichnet.« Mit einem Schlag klappte Fau Holl das Buch wieder zu, ließ es auf den Tisch fallen, holte ein paar Kram aus der Tasche seiner Kleidung und ließ sie geschickt quer über den Tisch zu den Fremden rollen. »Meint Ihr nicht, dass damit der Wert des Goethes aufgewogen ist?«

Der Verleger fing die fünf goldenen Kugeln auf und wog sie in seiner linken Hand. Ungläubig blickte er zu dem zweiten Herrn. Auch dem Wirt zitterten gierig und neidvoll die Hände. »Das ist gut und gern ein halbes Pfund, wenn es denn wirklich echtes Gold ist.«

»Es ist echtes Gold«, versicherte der Schmuggler. »Ihr könnt es mir glauben. – Was meint Ihr? Ist das Geschäft damit perfekt?«

Der Verleger erhob sich augenblicklich und hielt Fau Holl die rechte Hand hin, während er die Kram in seiner linken Manteltasche verschwinden ließ. »Es war mir eine Freude, mit Euch ein Geschäft gemacht zu haben«, sprach er und verneigte sich über dem Tisch. »Was nur ist mit Eurer Hand geschehen?«

»Hand? Das … das war ein Unfall. Der … der Biss einer kuusischen Natter …« Statt einzuschlagen, nahm Fau Holl das Buch, drehte und wandte sich eilig dem Ausgang zu. »Ihr gestattet, dass ich gehe, um den Goethe zu genießen.«

»Lebt wohl Fremder, und beehrt mich bald wieder!«, rief der Wirt ihm nach.

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, lief der Außerirdische rasch zu einer dunklen Stelle der Straße. »Ihr seht mich bestimmt nicht wieder«, flüsterte er, nahm die Transporthilfe in die Hand, während er mit der anderen das Buch umklammerte.

Sekunden später fand er sich in der Kanzel der FUG-BUG wieder.

Sechzehn Jahren zuvor auf dem Hauptplaneten der Ikonier Ikonia:

»Warum sagst du, es könnte etwas Schlimmes geschehen?«

»Versteh mich recht mein Kind. Etwas Schlimmes geschieht stets und ständig. Auch ich trage meinen Teil dazu bei. Ich sagte jedoch, es könnte mit mir etwas Schlimmes geschehen.«

»Mit dir, Vater? Es darf nichts Schlimmes mit dir geschehen.«

»Hör mir zu, Inastasia. Du bist wohl ein noch kleines, jedoch sehr kluges Ikoniermädchen. Du hast viel von deinem Vater geerbt. Zeit meines Lebens kämpfte ich um Herrschaft, Stärke, Einflussnahme und Autorität. Dabei schaffte ich mir zahlreiche Feinde. Meine härtesten Feinde sind die Synusier. Menschen, die sich einbilden, etwas Besseres zu sein. Von jeher behaupteten die Menschen, Ikonier könnten nicht selbständig denken, sie würden Ideen rauben und sich niemals entwickeln. Das ist wohl einer der größten Irrtümer der Geschichte. Ikonier sind durchaus dazu in der Lage, Macht auszuüben, eigene Techniken zu entwickeln oder wenigstens gleichberechtigt neben der menschlichen Rasse zu leben.«

»Aber Vater …«

»Ich bin noch nicht fertig, Inastasia. Bist du eines Tages eine ausgewachsene Ikonierin, dann musst du das Ansehen und die Herrschaft des Hauses Insaidia mit allen Mitteln aufrechterhalten und verteidigen. Richte alles zugrunde, was deinen Lebensweg gefährden könnte, nur so wirst du selbst überleben. Überwältige die Synusier oder mach dir ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten zueigen. Versprich mir das, mein Kind. Du musst Ikonier und Menschen durchschauen, bau Verbindungen und Beziehungen auf und nutze sie rigoros. Sei einfach nur meine Tochter, denke stets an meine Worte, dann wird dein Wille dich führen.«

»Aber Vater …«

»Versprichst du mir, so zu handeln, wie ich es dir gesagt habe, Inastasia?«

»Ja, Vater. Du hast mein Versprechen. Aber …«

Insaidia umarmte die Tochter mit allen vier oberen Tentakeln. Dann sabberte er liebevoll in ihr Gesicht. »Nun schlaf gut, mein Kind. Ich werde einige Zeit unterwegs sein.«

Was bisher geschah

Ein Junge namens Adam sieht fremde Gestalten und redet mit ihnen. Eine davon ist die Kaiserin Amelia, hinter der zweiten Gestalt verbirgt sich Gladiola, ein achtjähriges Mädchen mit seidener grüner Haut, das auf dem Wasserplaneten Aurus lebt. Durch Kaiserin Amelia erfährt Adam vom Reich Altoria und auch von einer brisanten Ent-deckung seines Bruders Josef Müllermann – dem 26jährigen Mathematiker einer Universität auf dem Planeten HEIMAT, der in intergalaktischen Karten als FV1 bezeichnet wird.

Müllermann hat ein fremdes Raumschiff entdeckt. Gemeinsam, mit dem Kandaren Komsomolzev, dem Chef der Weltraumforschung Samuel Simon, der wunderschönen Biologin Sonja Esther und deren Freund, dem korpulenten Techniker Emmanuel Tämmler, klaut er ein zu einem planmäßigen Start bereitstehendes Sternstraßenschiff. Geschützt vom Mond des Planeten FV1 beobachtet die Besatzung jene fremden Wesen, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten. Was sie allerdings mit ansehen müssen, wird zur Qual.

Adam ist als blinder Passagier mit an Bord, wird jedoch schon bald von der Bord-Überwachung gefunden und beweist seine unglaubliche Intelligenz. Er freundet sich mit dem schiffseigenen, mitunter etwas eigensinnigen Roboter Kozabim an.

Der fremde Koloss ist ein Ikonischer Kampfkreuzer, bewaffnet mit einem Zivilisationszerstörer, der kurz darauf jedwedes Leben auf FV1 auslöscht. Da das Schiff der Ikonier extrem hohe Geschwindigkeiten fliegen kann, kommt man Adams Vorschlag nach, das Sternenstraßenschiff huckepack auf den Kampfkreuzer zu binden und startet mit den Fremden in die Weiten des Universums.

Bald werden Adam und Kozabim mit Hilfe eines ikonischen Molekulartransporters ins Innere des Kampfkreuzers expediert und dort eingesperrt. Der Junge erhält als Aufsichtspersonen das Thronario Sirena – einen fliegenden, UFO-förmigen Roboter, den er schon bald für seine Zwecke umprogrammiert – und einen kybernetischen Lecoh-Legionär, ein dem Menschen nachempfundener künstlicher Krieger der Ikonischen Armee, den er mit einem Letonator zerlegt – einer weit verbreiteten Waffe. Im Abstellraum des Kampfkreuzers entdeckt Adam kurze Zeit später den Gegenstand einer ihm fremden von den Ikoniern zerstörten menschlichen Zivilisation. Es handelt sich um ein Plasmakatapult, das ihn von nun an begleiten wird. Während sich der Junge befreit und mit dem Plasmakatapult den Raumkreuzer der Ikonier demoliert, versucht Kaiserin Amelia aus dem Dritten Distrikt des Universums Adam zu finden, der von seinen besonderen Fähigkeiten noch nichts ahnt und für den Herrscher der Ikonier – Admiral Alyta – von höchstem Interesse ist. Die Ikonier haben längst den Rat der Planeten unterwandert. Im Krieg gegen die Menschen und um die Vorherrschaft in den drei Distrikten fühlen sie sich legitimiert, und eine ganze Armada von Kampfkreuzern greift Fees an, einen der wichtigen Doppelplaneten der Menschheit.

Adam besitzt die synusischen Fähigkeiten, so wie auch Gladiola, Prinz Sinep – der Sohn der Kaiserin, die Kaiserin selbst und Admiral Alyta über die besonderen Eigenschaften verfügen, die den vom Synus überwachten Korridor zum Ersten Distrikt freigeben können. Alytas und Sineps Kräfte jedoch sind schwach. Daher muss der Admiral über Adam verfügen. Er zwingt den Jungen, auf seiner Seite zu stehen, doch Adam denkt nicht daran. Alyta tötet daraufhin Adams Bruder Josef und Adam schwört Rache. Er spürt den Admiral in dessen Versteck auf, doch der kann entkommen. Adam weiß nun, der Anführer der Ikonier ist ein Mensch!

Der gemeingefährliche Alyta entfesselt einen Krieg zwischen Ikoniern und Menschen, den die Menschen unter Adams Führung fast für sich entscheiden können. Aber unter den Menschen und Ikoniern gibt es Sympathisanten Alytas! Kaiserin Amelia wird heimtückisch ermordet und Prinz Sinep von Admiral Alyta entführt. Als der neue Kaiser Adam vor die Abgeordneten des Rates der Planeten tritt, um sie von Alytas rücksichtsloser Expansionslust zu unterrichten, erscheint das Abbild des Admirals. Er kann über geschickt verknüpfte Lügen den Rat davon überzeugen, dass Adam und die Menschen die Drahtzieher der galaktischen Kriege wären. Wie aus dem Nichts taucht eine gewaltige Armee auf und zerstört die feesischen Raumschiff-Staffeln der Menschen. In höchster Not flüchtet Adam mit Hilfe des Thronarios Heeroo von der Station POOR, die den Rat beherbergt.

Die Feesen überlassen Adam das Raumschiff LORIAN. Gemeinsam mit Gladiola, der ursprünglichen Besatzung des Sternenstraßenschiffs und den künstlichen Mitstreitern Heeroo, Sirena und Kozabim, tritt Adam die Flucht in den Ersten Distrikt an, um neue Kraft zu schöpfen. Nur durch diese Maßnahme kann Admiral Alyta daran gehindert werden, in den bislang unberührten Ersten Distrikt einzufallen oder gar über Adam zu verfügen!

Ganz in der Nähe des vom Synus bewachten Übergangs vom Dritten in den Ersten Distrikt dreht der todgeglaubte Planet FV1 seine Runden. Adams synusisches Abbild wird während des Vorbeiflugs von seinem ehemaligen Heimatplanet angezogen. Er entdeckt Prinz Sinep, der als Alytas Gefangener apathisch dahinvegetiert. Auf FV1 sind riesige militärisch-industrielle Komplexe entstanden, in denen Admiral Alytas neue Armee produziert wird.

Ändern kann der Junge daran jedoch noch nichts …

Vierzehn Jahre lang verstecken sich Adam, Gladiola und die Überlebenden von FV1 auf dem blauen Planeten Erde im Ersten Distrikt. Sie wohnen auf der idyllischen Insel Sandokhan, denn Gladiola liebt und benötigt die Meere. Während dieser Zeit erblicken die Zwillinge Anna und Malte das irdische Licht. Obwohl sie sich äußerlich unterscheiden, ähneln sie einander unzertrennlich: Anna kommt nach der Mutter, hat eine grünliche Haut und besitzt viele der Eigenschaften der Menschen von Aurus, die beispielsweise unter Wasser atmen können. Sie ist außerdem in der Lage, menschliche Gehirne anzugreifen und zu lesen. Malte hingegen ist seinem ganzen Wesen nach ein Abkomme des Vaters Adam und wird von seiner Schwester oft als Weichei bezeichnet.

Kurz vor dem neunten Geburtstag der Zwillinge erfährt Adam, der amtierende Kaiser des Reiches Altoria und oberster Führer der menschlichen Rasse, dass Admiral Alyta in den Ersten Distrikt einfallen will, um Adam zu vernichten. Alyta hat die Zeit genutzt, auf dem Planeten FV1 eine gewaltige Armee von Robomutanten zu schaffen, die in ihren kleinen halbsynthetischen Gehirnen über von Prinz Sinep erzeugte synusische Fähigkeiten verfügen.

Adam, Gladiola, die Zwillinge und der Erdenmensch Thomas Schmitts starten mit dem Raumschiff Lorian, um endlich wieder mit den beiden anderen Distrikten in Kontakt zu treten. Auf dem Weg in den Zweiten Distrikt wird das Raumschiff angegriffen, Gladiola und die Zwillinge werden von so genannten Seemlern – modernen Menschenhändlern – entführt, und während die Zwillinge mit Hilfe ihrer ausgeprägten Fähigkeiten die Verschleppten befreien, wird Gladiola schwer verletzt. Gemeinsam mit den befreiten Universen flüchten die Zwillinge und die verletzte Gladiola mit der SOPHISMA, dem Raumschiff eines getöteten ikonischen Händlers.

Adam hingegen versucht, auf dem noch einzigen, freien Menschen-Planeten Universus, den Rat der Planeten neu zu installieren. Am Tag seiner Rede wird jedoch ein schwerer Anschlag auf die kaiserliche Delegation verübt. Drahtzieher des Attentats ist der Ikonier Insaidia.

Während die SOPHISMA auf dem Weg zur Erde ist, damit dort der verletzten Gladiola Hilfe gewährt werden kann, wähnt sich der unsichtbar mitreisende Alyta an Bord des Raumschiffes sicher. Alytas Reisegründe sind von anderer Natur. Er ist unterwegs, um auf der Erde das vermeintlich ewige Leben zu finden. Der Synus wird von Robomutantenschiffen angegriffen, die mit Antimateriekanonen bewaffnet sind, während menschliche Dissidenten überall im Universum gegen die Robomutanten kämpfen. Der Krieg ist in vollem Gange und noch ist nicht klar, wer den Sieg erringen wird. Das Zünglein an der Waage könnten die Ikonier sein. Doch nach dem Anschlag lässt Adam sie in seinem grenzenlosen Hass verfolgen, einsperren und teilweise töten, was ihm nicht mehr und nicht weniger als viele neue Feinde einbringt. Der frühere ikonische Ausflugsplanet Lunanova wird ein einzigartiges Strafgefangenenlager, das Adam von den menschlichen Lecoh-Legionären bewachen lässt, die zuvor mehrere Generationen lang von den Ikoniern als Kriegssklaven missbraucht wurden waren und sich nun bestialisch an den Ikoniern rächen.

Die Zwillinge werden gemeinsam mit dem außergewöhnlichen Thronario Efzet auf dem Planeten FV1 abgesetzt, wo sie die Macht des Admirals zu untergraben versuchen und in den Katakomben unter der Oberfläche die Produktionshallen finden. Doch auch Ikonier und Menschen wollen zur selben Zeit und unabhängig voneinander diesen Planeten auslöschen. Adams Kinder sind in größter Gefahr!

Insaidia fordert Adam zum Zweikampf heraus, der allein zur verlassenen Raumstation POOR fliegt. General Kabalogs, der frühere Armeegeneral der Ikonier, dessen Familie sich in einem Strafgefangenenlager der Menschen in größter Not befindet, will einen Frieden mit den Menschen erzwingen. Auch er begibt sich nach POOR. Kurz nachdem Adam und Kabalogs einen Burgfrieden geschlossen haben – der ikonische General gaukelt Adam die Gefangenschaft der Zwillinge durch die Ikonier vor – kommt es zum Gemetzel auf POOR. Kabalogs und Adam werden hinterrücks erschossen. Die Täter sind Insaidia, Graf Alucard – dessen Weib Adam einst im Kampf töten musste.

Komsomolzev kämpft derweil auf Fees-Zwei gemeinsam mit einer Dissidentengruppe gegen die Gewaltherrschaft der Robomutanten.

Admiral Alyta, der wütend ist, weil er auf der Erde das angeblich ewige Leben nicht finden kann, entführt die SOPHISMA und die schwerverletzte Gladiola, die bereits im Sterben liegt. Er tötet dabei Emmanuel Tämmlers Frau Sonja Esther und den weisen Universen Wissenschaftler Falima. Gladiola nutzt er, um den Synus auszutricksen, sodass Alyta den Übergang in den Dritten Distrikt durchqueren kann.

Währenddessen erfahren Malte und Anna auf FV1 vom Tod des Vaters und von der bevorstehenden Ankunft des Admirals. Sie geraten in einen Kampf mit dem riesigen Thronario Koloss und finden schließlich einen Raum, in dem der künstlich am Leben gehaltene Kopf von Prinz Sinep an den Computer Cerebius angeschlossen, den Robomutanten im gesamten Universum synusische Macht verleiht.

Die Menschen von der Erde folgen der SOPHISMA mit acht großen und modern ausgestatteten Raumschiffen zum Synus, allen voran die EUROPANIA mit Tämmler, Simon und der Universen Frau Aniratak an Bord. Sie werden zunächst vom Synus festgehalten, doch nach Adams Tod und dessen Einkehr in den Synus lässt der frühere Kaiser – nun selbst Bestandteil des Synus’ – die Schiffe frei, damit sie seinen Kindern auf dem nahegelegenen Planeten FV1 zu Hilfe eilen. Gleichzeitig startet eine gewaltige Armada von Raumschiffen der gesamten Menschheit des Zweiten und Dritten Distrikts mit dem Führungsschiff AMELIANIA – angeführt von Norana, der Präsidentin des Planeten Universus und des Rates. Nach einem kurzen Kräftemessen mit der gerade eintreffenden Flotte Ikonischer Kampfkreuzer, landet auch die EUROPANIA auf dem Planeten FV1.

Alyta ist kurz zuvor auf Adams Geburtsplaneten eingetroffen und droht, die SOPHISMA mit Gladiola an Bord in die Luft zu sprengen, falls die Zwillinge Sineps Kopf von Cerebius trennen. Indes kommen Tausende Robomutanten an die Oberfläche und beginnen, die Menschen in einem Nervenkrieg zu töten, zu dem sie durch ihre synusischen Fähigkeiten in der Lage sind.

Annas Abbild besucht ein letztes Mal die Mutter Gladiola, die dem Kind bedeutet, dass sie in jedem Fall das körperliche Dasein beenden und in den Synus gelangen wird. Das Mädchen Anna soll Sinep vernichten, auch er wird schließlich den Synus erreichen und die Macht desselben vergrößern helfen.

Schweren Herzens ringt sich Anna durch und pulverisiert die Überbleibsel ihres Onkels Sinep, den sie nie persönlich kennenlernte. Die Robomutanten verlieren im Universum ihre Fähigkeiten, Alyta zersprengt die SOPHISMA und mit ihr Gladiola, die Mutter der Zwillinge.

Anna, die ihre synusischen Kräfte nun auf Alyta konzentriert – Bruder Malte, sie selbst und der Admiral sind die letzten noch körperlich lebenden Synusier – dringt in Alytas Gehirn ein und lässt es in Begleitung pestilenzischer Schmerzen zerplatzen. Auch Admiral Alyta gehört dem Augenschein nach der Vergangenheit an!

Die Zwillinge rüsten sich zum Kampf gegen den Intriganten und Bevormunder des Rates: Insaidia. Sie sind wahrscheinlich die beiden letzten körperlich lebenden Menschen mit synusischen Fähigkeiten im gesamten All.

Auf Ikonia wird demokratisch eine neue Regierung gewählt. Doch was ist demokratisch, wenn Insaidia schon vorher weiß, dass er Abgesandter im Rat der Planeten wird? Jener Ikonier, der feige Anschläge durchführen lässt und allen im Rat vereinten Planeten einen ikonischen Burgfrieden aufzwingt. Wer steckt hinter dem Komplott, das die Zwillinge auf den Strafplaneten Z’foh verbannt, das die Flotte der Erde zwingt, vom gigantischen Kriegsschiff AMELIANIA bewacht, in den Ersten Distrikt zurückzukehren?

Im Übergang wird die EUROPANIA vom Synus gestoppt, die dort versammelten Wesen fordern, dass die Zwillinge gerettet werden, denn auf Z’foh geht es turbulent zu, der Planet ist instabil. Anna und Malte wissen sich zu helfen, beenden das Werk eines verstorbenen Verbannten, eine fast menschliche Roboterfrau zu erschaffen. Die letzten Bauteile entstammen den mit den Zwillingen verbannten Thronarios. Das äußerst attraktive Einzelstück erhält den Namen M.A.M.I. – Mechanische Alternative menschlicher Intelligenz, erweist sich nicht nur als strenge Mutter, sondern auch als stets bereiter Lebensrettungsdienst.

Derweil vereinen sich einige Erdenmenschen um Samuel Simon ausgerechnet mit der Familie des Terroristen Nedal Nib, einem gesuchten Verbrecher, der Insaidia das Ver-sprechen gab, die Zwillinge zu töten! Jedoch nicht alles ist wie es scheint. Nedal Nib, selbst Vater zweier Jungen, ist ein Märtyrer, dessen Tochter einst feige von Insaidia getötet wurde. Der angebliche Terrorist trachtet nach dem Leben des Ikoniers. Der Rat schickt hingegen das gigantische Schlachtschiff AMELIANIA, um das irdische Schiff EUROPANIA abzuhalten, die Zwillinge zu befreien. List und Tücke führen zum Zusammentreffen Insaidias und der Zwillinge. Ausgerechnet der Ikonier Tokahn, Abgesandter von Rook im Rat der Planeten, opfert sich, um Insaidias Doppelzüngigkeit zu beweisen. Alles deutet auf ein wunderbar märchenhaftes Ende hin.

Doch gibt es noch den Menschen Amabo von Universus, der sich in das Vertrauen der ohnehin recht zweifelhaften Ratspräsidentin Norana einschleicht. Muscon, bisher Diener der Präsidentin, wird als Bauernopfer zum Tode verurteilt, die allgemeinen Unruhen werden eingedämmt, ein Medienvertreter, der von Insaidias Schuld wusste, wird durch Amabos Komparsen vernichtet, die Zwillinge erhalten vor dem Rat Redeverbot, obwohl sie nun offiziell als irdische Vertretung anerkannt sind und trotzdem am Anfang ihres Endes stehen.

Amabo – verquickt mit etlichen Rüstungsunternehmen im Zweiten und Dritten Distrikt – vertreibt die Zwillinge aus seinem Einflussbereich, würde sie am liebsten töten lassen. Doch ist er sich durchaus dessen bewusst, dass er damit einen gravierenden politischen Fehler begehen könnte.

Gemeinsam mit der Familie Nedal Nibs und dem irdischen Schiff EUROPANIA brechen die Zwillinge in den Ersten Distrikt zum Planeten Erde auf, wo sie Ruhe finden wollen.

Erster Aufzug

Es herrschte nur wenig Betriebsamkeit auf der Insel SANDOKHAN, gelegen inmitten eines Ozeans, weitab vom dicht besiedelten Festland der Erde. Tropische Vögel waren immer zu hören, wenn nicht Malte und Baba gerade ein knallendes Experiment ausführten. Taten sie es doch, so schwirrte die Roboterfrau M.A.M.I. kurz darauf über die Insel, fand die beiden Halbwüchsigen schnell und wies sie entsprechend zurecht. Dann blickten die Jungen den Roboter sehr ernst an und stimmten zu, dass die Versuche durchaus gefährlich waren. Doch kaum hatte sich M.A.M.I. mit den Worten »Ich will das niemals wieder erleben!« zum Abflug bereit gemacht, riefen die beiden ihr nach: »Jo, jo, Mami! Nie wieder!« Dann lachten Malte und Baba heftig, denn das »Jo, jo« hatte M.A.M.I. von Efzet geerbt, einem in ihr integrierten Thronario. Und die Jungs entschieden bereits, was sie als nächstes anstellen könnten. Der Ypsinenhund Bu, den Malte und Anna vom Planeten Z’foh mitgebracht hatten, war mittlerweile ausgewachsen und reichte Malte bis zur Brust. Sanft und vorsichtig sprang er den Jungen hinterher und warnte sie, selbst wenn die kleinste Gefahr drohte.

Fast drei Erdenjahre waren vergangen, seit Nedal Nib mit seiner Familie auf die Erde kam. Der gute Familienvater züchtete auf der Insel allerlei Früchte, die er aus dem heimatlichen Distrikt eher zufällig mitgebracht hatte. Fidelia, sein Eheweib, war meist mit Keko beschäftigt, da M.A.M.I. die Aufsichtverantwortung über den quicklebendigen Vierjährigen nicht mehr übernehmen wollte, und vernachlässigte damit die Erziehung ihres dreizehnjährigen Sohnes Baba. Nedal Nib war oft unterwegs und Thomas Schmitts war der Begriff Erziehung ein wahres Fremdwort.

Anna, die Zwillingsschwester von Malte, begann – erst elfjährig – pubertäre Erscheinungen an den Tag zu legen. Diese wurden begleitet von einer Leistungssteigerung ihrer synusischen Fähigkeiten. In den Nächten schrie Anna mitunter laut auf, saß weinend auf der Bettkante und schüttelte den Kopf. Sie fraß die Bilder in sich hinein, die sie miterleben musste, Anna sah Menschen in Kriegen und bei Naturkatastrophen sterben, litt mit Kindern, Frauen und Männern, die um ihr Leben kämpften und es doch nicht behalten durften. Die Erde war keineswegs ein Paradies. Hinzu kamen Annas sinnentstellte Wahrnehmungen von Gedankenströmen aus dem Synus im Distriktübergang, sie fühlte die Anwesenheit der Eltern Adam und Gladiola, des Onkels Sinep, der Großmutter Amelia und die des Urgroßvaters Alyta. Zudem spürte Anna ständig den Gedanken der anwesenden Menschen nach, was den beiden halbstarken Jungen keineswegs passte.

Gerade stand das Mädchen vor einem Spiegel, betrachtete seine grüne Haut und kämmte sich unentwegt das kurze dunkle Haar, da vernahmen ihre synusischen Felder die Gedanken von Thomas Schmitts, der sich im Labor aufhielt und dort via Internet mit Juri Komsomolzev kommunizierte. Anna begriff, dass Schmitts sehr erregt war, vernahm etwas von einem Kram, das sie nicht zuordnen konnte. Also verließ sie ihren kleinen Sanitärtrakt, stieg die Wendeltreppe hinauf und öffnete sanft die Labortür.

Feuchtwarme Luft kam dem Mädchen entgegen. »Was machst du?«, fragte Anna und setzte sich neben Thomas Schmitts, der erschrocken aufblickte und den Ohrstöpsel des Headsets aus dem rechte Ohr fummelte.

»Du hast mich erschrocken«, sagte er und wischte mit einem abstoßenden Tuch Schweiß von der Stirn. »Sehr erschrocken, gewissermaßen, quasi.«

Anna ging nicht darauf ein. »Nun sag schon, was machst du da?«, fragte sie erneut.

»Juri hat mich angerufen. Eine merkwürdige Geschichte … sehr merkwürdig gewisser …«

»… maßen, quasi.« Anna, die das Wort beendet hatte, grinste. »Und was ist so merkwürdig an der Geschichte?«

»Juri hat ganz zufällig – einigen Hinweisen folgend – in einem europäischen Museum … in Berlin … einen Kram gewissermaßen, quasi … entdeckt.«

Anna versuchte in Schmitts Gehirn vorzudringen. »Es ist also definitiv bewiesen, dass das Geldstück der Währung der beiden anderen Distrikte schon seit 200 Jahren auf der Erde ist?«, fasste sie erstaunt zusammen.

Schmitts verwunderte es längst nicht mehr, dass Anna bereits von Dingen wusste, die nicht ausgesprochen waren. »Es muss mehrere davon gegeben haben. Die Unterlagen des Museums berichten darüber, dass bereits im Jahr 1822 die Existenz von vier Kugeln nachgewiesen werden konnte. Für spektakulär hält man bis heute das Sicherheits-Hologramm auf den Goldkugeln. Nur ein Kram hat –gewissermaßen, quasi – überlebt.«

»Ihr seid euch also sicher, dass es bereits zu Beginn des 19. irdischen Jahrhunderts einen Besuch aus einem der anderen Distrikte gab? Warum aber zweifelst du das an, Onkelchen?«

Schmitts erhob sich, nahm ein Glas zur Hand und trank hastig.

Einst wuchsen die Kinder mit Adam und Gladiola auf der Insel auf. Er war stets ihr guter ständig anwesender Onkel. Als sie noch klein war, hatte Anna Onkel Thomas zu ihm gesagt, neuerdings rufen ihn alle Kinder Onkelchen.

»Die Zeitlinie widerspricht dem, mein Kind. Wir schreiben das Jahr 2024, es sind etwa zweihundert irdische Jahre ins Land gegangen. Rechnen wir diese Zeit um, so stellen wir fest, dass es vor zweihundert irdischen Jahren weder im Zweiten noch im Dritten Distrikt die Währung Kram gab. Die Sicherheitshologramme wurde erst vor vierundneunzig Jahren irdischer Zeitrechnung eingeführt.« Eine kurze Pause folgte, während Schmitts erneut trank. »Deshalb ist es eine äußerst merkwürdige Geschichte. Gewissermaßen, quasi …«

Fau Holl stand regungslos in der Kanzel seines Raumgleiters, schien durch das m’baganianische Thronario namens Tobobo hindurch zu sehen, das vor ihm schwebte und bereits zum dritten Mal fragte: »Wie meinst du das?«

Der Mensch erwachte aus seiner Trance. Er hielt noch immer das irdische Buch in den Händen und setzte sich nun endlich in den Kommandeurssitz der FUGBUG. »Ermittle, welches Jahr nach unseren Aufzeichnungen momentan auf dem Planeten Erde gezählt wird. In deren Zeitrechnung!«, verlangte Fau Holl. »Sofort!«

Das Thronario blinkerte einige Sekunden lang aufdringlich mit vielfarbigen Dioden. Es rief seinen Hauptspeicher ab. »Die meist benutzte irdische Zeitrechnung schreibt im Moment den vierten Tag im neunten Monat im zweitausendvierundzwanzigsten Jahr«, antwortete es schließlich. »Warum fragst du?«

»2024?«, flüsterte Fau Holl und klappte das Buch mit seinen Händen auf. Sanft schlug er die beiden ersten Seiten um. Dann zeigte einer seiner langen, dünnen Finger auf die kleine Gruppe irdischer Zeichen. »1810 gedruckt«, hauchte er. »Dieses Buch ist jedoch erst zwei oder drei Tage alt.«

»Das ist nicht möglich. Zweifellos nutzen die Erdenmenschen unterschiedliche Zeitrechnungen.« Das Thronario schwebte direkt vor dem Gesicht des M’baganianers.

»Es ist durchaus möglich.« Er blickte das Thronario einen Moment lang an. »Ich irre nie!«, rief er schließlich. Dann schaute Fau Holl auf den Hauptmonitor seines Schmugglerschiffes. Der tiefschwarze Zugang zum Distriktübergang war deutlich zu sehen. Hier, im Ersten Distrikt verdeckte nichts den Übergang. Im Gegensatz zur anderen Seite. Dort, im Ikonischen Reich, im Zweiten Distrikt, wurde der Zugang vom Licht mehrerer Riesensterne regelrecht weggeblendet. Nur durch Zufall, nach dem Ausfall eines Triebwerkes und dem Abtriften des Schiffes, war es den Sensoren möglich gewesen, den Übergang zu entdecken. »Der Flug durch den Distriktübergang beeinflusst die Zeit.«

»Nein.« Tobobo wackelte mit dem Rumpf. »Es ist bewiesen, dass die Zeit lediglich eine imaginär angenommene Größe ist. Sie kann nicht verändert werden.«

Gleichzeitig und mit beiden Händen packte Fau Holl das Thronario Tobobo. Goethe fiel dabei auf den Boden. »Wie kommt es dann, dass auf einem fortschrittlichen Planeten keinerlei Technik zu sehen war, dass sie mit Raumschiffen fliegen, jedoch Licht durch Verbrennung erzeugten? Dass sie Lebewesen verspeisten? Dass der Orbit der Erde leer und rein ist, wie der eines unbewohnten Planeten?« Der M’baganianer hob das Buch vom Boden auf und hielt es dem Thronario entgegen. »Vielleicht hat unsere Geschwindigkeit während der Durchquerung des Überganges einen Einfluss auf die Zeitverschiebung?«

»Wissenschaftlich gesehen widerspreche ich dir. Die Zeit lässt sich nicht verändern.«

»Wissenschaftlich!« Fau Holl lachte affektiert auf. »Kein Mensch hätte vor zwei, drei Jahrhunderten daran geglaubt, dass es heute fliegende Roboter geben würde! Wissenschaftlich gesehen war das unmöglich.« Er stampfte durch die Zentrale. »Vor wenigen Stunden noch, wusste absolut niemand, dass es auch vom Zweiten Distrikt einen Übergang zum Ersten gibt, dass schlussendlich all drei Räume des Universums miteinander verbunden sind. – Rede du mir von wissenschaftlich, Tobobo!« Er schritt zur Steuerkanzel und prüfte die Instrumente. »Wir werden den Übergang bald erreicht haben. Wir durchqueren ihn mit genau der gleichen Geschwindigkeit, die wir auf dem Herweg hatten.« Fau Holl drehte sich ruckartig um. »Nur ein Tausendstel Eel schneller! – Wir werden dann auf der anderen Seite wissen, was im Übergang geschieht.«

Tobobo surrte durch den Raum und heftete sich an die Konsole. »Du wirst sehen: Nichts geschieht.«

Auf den Monitoren wuchs der schwarze, sternenlose Tunnel an.

»Die Geschwindigkeit!«, rief Fau Holl. »Stimmt unsere Geschwindigkeit?«

Das Thronario leuchtete schwach auf. »Geschwindigkeit exakt.«

Der M’baganianer hielt die Luft an. Purpurrot leuchteten die vorüberrauschenden Wände des Distrikttunnels. Die FUGBUG vibrierte und rasselte, als versuchte eine unbekannte Kraft, das Schiff zu zerreisen.

»Wie lange noch?«, rief Fau Holl aufgeregt.

Das Thronario antwortete laut, jedoch geruhsam: »Zwei Minuten, vierzehn Sekunden.«

Das Ende des Übergangs wurde als schwarze, mit Glitzersternchen besetzte Kreisfläche sichtbar. Noch einmal rumorte es heftig in den Wänden, dann war es geschafft. Der Schmuggler atmete erleichtert auf. »Die Zeit!«, rief er plötzlich. »Prüfe die gegenwärtige Zeit!«

Das Thronario schwieg. Es prüfte mehrere Routinen, bis es endlich erklärte: »Unsere Zeitmessgeräte funktionieren fehlerhaft.«

Fau Holl schritt wütend durch die Steuerkanzel der FUGBUG. »Spar dir deine Kommentare, Tobobo! Nichts funktioniert fehlerhaft! Wie hoch ist die Abweichung?«

»Die Ununoctium-General-Uhr der Ikonischen Republik weicht gerundete siebzehn Minuten und vierundzwanzig Sekunden von unserer Uhr ab.«

»Ich nehme an, die ikonische Uhr geht vor?«

»Woher weißt du das?«

»Ich habe geraten.« Fau Holl betrachtete das Thronario einige Sekunden lang. »Wir sind genau ein Tausendstel Eel schneller geflogen, als auf dem Hinweg?« Er kratzte sich das Kinn. »Und kamen doch siebzehn Minuten zu spät an.«

»So ist es«, bestätigte Tobobo.

»Dann berechne anhand der vorhandenen Daten, mit welcher Geschwindigkeit man den Übergang durchqueren müsste, und wie sich die Geschwindigkeit auf den Zeitfluss auswirkt.« Der Schmuggler ließ sich auf den Sitz fallen und schlug die Beine übereinander.

»Der Zeitfluss ist nicht …«, wollte Tobobo sagen, doch wurde das Thronario unsanft unterbrochen.

»Du sollst rechnen und nicht denken!«, zischte Fau Holl. Schon kurze Zeit später erhielt er die erhofften Antworten.

Die Station, die einen unbewohnten Planeten im Zweiten Distrikt lautlos umkreiste, trug den universen Namen NESÖK-DAB, was einem Nachtstern gleichbedeutend war. Weder Positionslichter noch irgendeine Beleuchtung verrieten ihre Anwesenheit. Zwei Raumgleiter und das kleine, postmoderne Kriegsschiff NIRAGAG der Universus-Flotte lagen vor Anker.

In einem gegen jedes Abhören gesicherten Raum im Zentrum der Station standen drei Menschen an einem Holo-Tisch, der Teile des Universums projizierte.

Alle starrten schweigend auf ein konisches, nebelförmiges Objekt unweit der stark leuchtenden Sonne des unbewohnten Systems Portokal im Planquadrat 16 - 1-A.

Amabo von Universus brach schließlich das Schweigen. Er lief um den Holo-Tisch, warf den beiden anderen argwöhnische Blicke zu und räusperte sich. »Du kannst deine Behauptung beweisen?«, fragte er schließlich. Hochgewachsen war Amabo, sehr groß für einen Universen. Er trug zivile Kleidungsstücke, deren silberner Farb-ton seinem Aussehen etwas Ehrenvolles verlieh.

Dem Angesprochenen ging ein Zucken durch das Gesicht. Er wandte sich um und öffnete ein Fach an der gegenüberliegenden Wand.

Die Station NESÖK-DAB wirkte grob gebaut, die Einrichtung und die Station selbst trugen kaum Farbe. Der uniformierte Mensch, der zudem ein Strahlenschild vor dem Wanst und vor den Knien und einen schweren Kragen trug, nahm einen Gegenstand zur Hand und drückte ihn Amabo gegen die Brust.

»Was ist das?«, fragte der Berater der Präsidentin und griff zu.

Fau Holl knurrte während er redete. »Sie bezeichnen den Textdatenspeicher als BUCH. Und vor wenigen Universustagen noch, befand sich dieses Buch auf dem Planeten Erde!«

Der dritte Mann im Bunde – ein sehr kleiner, jedoch kräftiger – nahm den Gegenstand an sich und öffnete ihn ungeschickt. Blattseiten hingen gefächert herab. »Was tut man damit?«, fragte er schließlich, nachdem er das Buch beschnüffelt hatte. »Es riecht nicht gerade appetitlich.«

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