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Alfred Wallon, W. A. Travers

GG-B 008: Tödliche Träume

Band 8 der Serie GAARSON-GATE - basierend auf der gleichnamigen Romanheft-Serie, Band 21 bis 23


Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 Munich

GG-B 008:

Tödliche Träume

W. A. Traver und Alfred Wallon

Das Geheimnis von PULSAR-7 – und eine trügerische Hoffnung!“

 

 

 

Die neue Raumfahrt benötigt in der Folgezeit sogenannte Mutanten. Man nennt sie von nun an in Anlehnung an einen Begriff aus der Science Fiction des ausgehenden 20. Jahrhunderts PSYCHONAUTEN.

Auf PULSAR-7 wird Jagd auf Mutanten gemacht, um sie für die ehemaligen Machthaber der Erde als Psychonauten nutzbar zu machen.

Die Mutanten versuchen, zu entkommen...

 

Impressum


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Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

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Lektorat: David Geiger

Titelbild: Gerhard Börnsen

Covergestaltung: Anistasius


Band 8 der Serie GAARSON-GATE

- basierend auf der gleichnamigen

Romanheft-Serie,

Band 21 bis 23


GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von

STAR GATE – das Original

 

1


Vergan schwitzte, denn der steile Pfad war sehr anstrengend. Von einem normalen Weg konnte man schon gar nicht mehr sprechen. Er hatte sich in eine Art Einschnitt im Gestein verwandelt, wo man nun schon ziemlich stark klettern mußte, wenn man weiter nach oben gelangen wollte. Aber das Wissen um ihre Verfolger trieb sie umso mehr an, und schließlich erreichten sie einen kleinen Vorsprung, wo sich ein weiterer schmaler Einschnitt in den Felsen vor ihren Augen auftat.

»Kommt, rasch!« rief Vergan seinen Gefährten zu, als er begriff, daß dies die Chance war, auf die er im stillen gehofft hatte. »Dort hinein!«

Die anderen begriffen, um was es ging, und folgten ihm. Sekunden später befanden sie sich in einem geradezu beängstigend schmalen Felseneinschnitt, der sich erst zehn Meter weiter wieder zu vergrößern begann. Und dort - hinter einer einer Geröllhalde, befand sich eine zunächst unscheinbare Öffnung in der Felswand, die sich erst beim genauen Hinsehen als Zugang zu einer Höhle entpuppte.

Cybris Vergan zögerte keine weitere Sekunde mehr, sondern bückte sich und ging als erster in die dunkle Öffnung hinein. Duron, Kim und Tyra folgten ihm und ließen das helle Licht des Tages hinter sich.

Für einige Sekunden spürten sie eine eigenartige Unsicherheit, die von ihnen Besitz ergriff, und sie fühlten eine eigenartige Kälte, die ihnen ein leichtes Frösteln über den Rücken jagte.

Erst dann erkannten sie auf einmal, daß weiter hinten in der Höhle ein bläulicher Schimmer war, der sie einen Teil der Ausmaße erkennen ließ. Aber welchen Ursprung dieses schwache Licht hatte, wußte keiner von ihnen.

»Mir gefällt das nicht«, murmelte Kim Gallagher. «Spürt ihr das auch? Es ist eine... ganz seltsame Aura. Auf meinem Kopf lastet ein Druck, der...»

»Kim hat recht«, ergriff nun Pall Duron das Wort. »Kopfschmerzen wären normalerweise das richtige Wort. Es begann, als ich eben in die Höhle kam... Was zum Teufel ist das?«

Cybris Vergan hörte mit gemischten Gefühlen die Worte seiner Gefährten, weil natürlich auch er fühlte, daß hier irgend etwas vor sich ging, das er sich nicht erklären konnte. Als wenn sie von zahlreichen unsichtbaren Augenpaaren zunächst beobachtet worden waren und dann Kontakt mit einem Energiefeld bekommen hatten, das zwar nicht schmerzhaft, aber dennoch irgendwie unangenehm war.

»Wir sollten verschwinden von hier«, murmelte die erschöpfte Tyra Casdorf. »Hier an diesem Ort befindet sich etwas Unheimliches, das...«

»Und wohin sollen wir gehen?« fiel ihr Vergan ins Wort. »Da draußen suchen unsere Verfolger nach uns - und wir brauchen eine gehörige Portion Glück, daß sie uns trotz aller Bemühungen nicht doch noch aufspüren. Was uns dort draußen erwartet, das weiß jeder von uns - und da ziehe ich einen Aufenthalt an diesem Ort auf jeden Fall vor. Kommt, laßt uns der Sache einmal auf den Grund gehen. Ich bin sicher, daß es dafür eine vernünftige Erklärung gibt.«

Er ging einige Schritte tiefer in die Höhle hinein, gefolgt von Kim Gallagher, während Duron bei der verletzten Tyra Casdorf zurückblieb und sich um sie kümmerte. Vergans Schritte klangen hohl und dumpf in der Höhle, in der es feucht war und irgendwie alt roch. Und je tiefer er in die Höhle vordrang, umso schneller konnte er erkennen, daß sich die Höhlendecke allmählich immer mehr neigte und schließlich in einen kleinen Schacht mündete, den man nur durch Kriechen erreichen konnte.

»Du willst doch nicht etwa da rein?« fragte Kim mit unsicherer Stimme, als sie bemerkte, daß sich Vergan auf die Knie hockte und aus dieser Position zu erkennen versuchte, welchen Verlauf der vor ihm liegende Gang nahm. »Mensch, du weißt doch gar nicht, wohin...«

»Aber ich werde es herausfinden, Kim«, unterbrach sie der bärtige Vergan und zwängte sich zwischen den Felsen hindurch. »Bleib hier und warte - ich werde nur mal kurz nachsehen.«

»Cybris!« rief Kim. Aber er hörte nicht auf das, was sie ihm zu sagen hatte. Stattdessen zwängte er seinen breiten Körper durch den engen Schacht und fühlte sich in den ersten Sekunden seltsam hilflos und verloren.

Wenn jetzt die Decke über ihm zusammenstürzte, dann war sein Schicksal besiegelt. Dennoch kroch er weiter - denn das bläuliche Licht im hinteren Teil des Schachtes schien ihn jetzt anzuziehen wie ein Magnet. Von diesem Licht ging etwas aus, das Vergan irgendwie beeinflußte und seine Sinne in ganz bestimmte Bahnen lenkte. Er mußte einfach herausfinden, was sich am Ende dieses schmalen Schachtes befand und welchen Ursprungs dieses bläuliche Leuchten war.

Sein Atem ging keuchend, und er stieß mehrmals mit dem Kopf gegen die Felswände. Dennoch arbeitete er sich weiter voran, bis sich der Schacht wieder vergrößerte.

Der Druck in seinem Kopf verstärkte sich jetzt noch, als er nun auf allen vieren bis zum Ende des Schachtes kroch und dann in einer zweiten, noch viel größeren Höhle herauskam, die ganz in ein blaues Licht gehüllt war. Die gesamte Höhlendecke schien ein ganzes Netz von bläulichen Lichtern zu durchziehen - gewoben als riesiges Netz, das für eine solche Helligkeit in diesem Felsendom sorgte, daß Vergan die Felsformationen genau erkennen konnte.

»Das ist doch...«, murmelte Vergan erstaunt, weil er gar nicht glauben konnte, was er da sah. »Es scheint zu leben...«

Plötzlich durchzuckte ein jäher Schmerz seinen Kopf, und er begann zu wanken, während in seinem Kopf es immer stärker zu dröhnen begann.

Vergan fiel auf die Knie, griff sich mit beiden Händen an den Kopf und versuchte, Herr über seine Sinne zu bleiben.

Obwohl er immer deutlicher zu spüren begann, daß sich da etwas in seine Sinne einzuschleichen versuchte.

Etwas, das er nicht greifen und verstehen konnte - aber es war dennoch da.

Und seine Präsenz kristallisierte sich mit jeder verstreichenden Sekunde immer deutlicher heraus.

Grelle Bilder begannen vor seinen Augen auf- und abzutanzen - und ganz von fern her hörte er ein leises Wispern in einer unbekannten Sprache, das nicht wirklich existierte. Aber für Cybris Vergan war es in diesen Sekunden wirklich existent.

»Nein...«, murmelte er und schloß gequält die Augen, weil er die Intensivität dieser immer schneller auf- und abwirbelnden Farbenmuster nicht länger ertragen konnte.

Und dann entrang sich ein lautes Stöhnen seiner Kehle, dessen Echo von den feuchten Wänden schwach widerhallte.

»Cybris!« hörte er dann aus ganz weiter Ferne die besorgte Stimme von Kim Gallagher am anderen Ende des Schachtes. »Cybris - so antworte doch!«

Aber selbst wenn er es gekonnt hätte - er wollte sich jetzt einfach nicht ablenken lassen, denn seine ganzen Sinne und Empfindungen verwoben sich immer stärker mit dem bläulichen Licht, das sich nun wie eine Glocke über den gesamten Körper von Cybris Vergan ausbreitete und ihn gleichzeitig abzutasten begann (aber das wußte Vergan nicht).

Wimmernd wie ein kleines hilfloses Kind wälzte er sich auf dem unebenen Höhlenboden herum, bis schließlich der heftige Schmerz abrupt endete und anderen Empfindungen Platz machte. Das bläuliche Licht hatte Zugang in das Innerste seiner Seele gefunden, hatte die Mauern seiner biologischen Andersartigkeit erkannt und dann gesprengt, ohne Schaden anzurichten.

Der Farbenwirbel verlangsamte sich jetzt und wich wieder dem mittlerweile schon vertrauten bläulichen Licht, das aber immer rascher von einem weißen Strahl durchdrungen wurde - ein sprichwörtliches Licht am Ende eines langen Tunnels. Zumindest empfand das Vergan so in diesen Sekunden.

DU BIST ANDERS! vermittelte dieser Lichtstrahl seine Empfindungen so, daß Vergan sie verstehen konnte.

Die Worte bildeten sich direkt in seinem Hirn, ohne daß er wußte, auf welche Weise dieser Prozeß in die Wege geleitet worden war. WER BIST DU?

»Ich... ich...«, kam es stöhnend über Vergans Lippen, der sich wieder aufzurappeln versuchte und immer noch Mühe hatte, zu begreifen, was gerade geschehen war.

ICH KANN DEINEN GEIST ERKENNEN - UND ICH SPÜRE EIN VERWANDTES POTENTIAL, meldete sich die wispernde Stimme in seinem Hirn erneut. DU HAST... ANGST. WARUM? ES WIRD DIR NICHTS GESCHEHEN. WENN ICH DICH TÖTEN WOLLTE, SO WÄRE ES LÄNGST GESCHEHEN.

Nachdem Vergan erst nach einigen Sekunden seine Verwirrung hatte überwinden können, war er nun bereit, mit dieser unbegreiflichen Erscheinung auf geistigem Wege zu kommunizieren. Er nahm all seinen Mut zusammen, öffnete seinen Geist für das Wesen und ließ es eintauchen in die Welt seiner Erfahrungen, Gedanken und bisherigen persönlichen Erlebnissen.

ICH VERSTEHE, kam es bald darauf zurück. ES IST EINE SITUATION, DIE ALLES VERÄNDERT HAT - UND ICH WUSSTE NICHT, DASS ES SCHON SOWEIT IST. HOLE DEINE GEFÄHRTEN HIERHER - UND BEEILE DICH. ICH WERDE EUCH SCHÜTZEN.

Cybris Vergan nickte nur und erhob sich rasch. Er eilte zurück zu dem Schacht, aus dem er eben gekommen war.

»Kim!« rief er mit lauter Stimme. »Hol die anderen und kommt dann zusammen hierher!«

»Endlich, Cybris!« hörte er dann ihre erleichterte Stimme. »Warum hast du denn nicht geantwortet, als ich eben nach dir rief? Ist etwas passiert?«

»Das erkläre ich dir, wenn ihr hier seid. Ich habe etwas entdeckt, was ihr alle sehen müßt. Nun beeil dich und stell keine weiteren Fragen. Du wirst es verstehen, wenn du hier bist.«

»Gut - ich bin gleich mit den anderen zurück!« hörte er sie rufen.

Währenddessen ließ Cybris Vergan erneut seine Blicke schweifen und begutachtete den weitverzweigten Netzstrang des bläulichen Lichtes. Jetzt hatte er den Beweis dafür, daß dieses... Wesen wirklich lebte - auch wenn es eine Art von Leben war, an die er bisher kaum geglaubt hätte. Aber mußte denn der Mensch wirklich so vermessen sein, daß er nur seinesgleichen für die wahre und idealste Lebensform hielt? Die Tatsache, daß die menschliche Rasse trotz ihres Expansionsdranges und zahlreicher Raumflotten nur auf wenige andere Rassen gestoßen war, mußte nicht zwangsläufig bedeuten, daß es so etwas wie diese Lebensform hier nicht geben konnte.

Das bläuliche Licht hatte einen weiteren Schritt auf der Leiter der Evolution hinter sich und war in mancher Hinsicht den Menschen voraus.

Vergan fühlte die Bedeutung dieses Momentes - und er war fassungslos darüber, daß diese Begegnung ausgerechnet in dieser angespannten Situation stattgefunden hatte, in der er und seine Freunde sich befanden. Oder war dieser Kontakt vielleicht gar kein Zufall gewesen? Hatte das Schicksal womöglich seine Hände im Spiel?

Stimmen hinter ihm rissen ihn aus seinen vielschichtigen Gedanken. Er drehte sich um und sah Kim Gallagher als erste aus dem Schacht kommen, hörte ihren erstaunten Ausruf, als auch sie das bläuliche Lichtnetz an der Höhlendecke bemerkte. Und ihren anderen beiden Gefährten erging es genauso.

»Was... was ist das?« fragte Tyra Casdorf etwas unsicher und konnte ihren Blick einfach nicht abwenden.

»Es ist.... eine Form von Leben, die wir bisher noch nicht kennen«, antwortete Vergan achselzuckend. »Und wir können mit ihm kommunizieren, wenn wir ihm unseren Geist öffnen. Ich habe es eben getan, und ihr könnt das auch. Laßt uns eine Loge bilden - jetzt und hier!«

Zuerst zögerten die anderen noch ein wenig, als sie den mentalen Druck in ihren Gehirnen spürten, der seit dem Betreten dieser zweiten Höhle noch ein wenig zugenommen hatte. Aber im Gegensatz zu ihren ersten Empfindungen war es nur ein sanftes Berühren. Ihre Sinne wurden von einer beruhigenden Aura erfaßt, die sie schließlich zu der Entscheidung brachte, daß ihnen jetzt und hier von dieser unfaßbaren Lebensform keine wirkliche Gefahr drohte - zu keiner Zeit!

Dann reichten sich die vier Menschen die Hände und richteten ihre Sinne auf geistigen gemeinsamen Kontakt zu dem fremden Wesen aus. Sie schlossen die Augen und ließen sich solange von ihren Gefühlen und Empfindungen treiben, bis auch sie die Stimme in ihrem Hirn hörten...


2


Kommandant Larn fluchte, als er den Mückenbiß auf der Wange spürte, und schlug nach dem lästigen Insekt, das sich dort für Sekunden festgesetzt hatte.

Selbst hier am Rande des Dschungels war noch das feucht-schwüle Klima zu spüren, das für tropische Verhältnisse sorgte und den Schwarzen Gardisten den Schweiß auf die Stirn trieb.

Sie folgten jetzt seit einer knappen halben Stunde den Spuren der Flüchtigen, mußten aber rasch erkennen, daß das Auffinden weiterer deutlicher Hinweise in dem Moment rapide abnahm, als sich das Gelände änderte und die zahlreichen Büsche und Bäume vereinzelten schroffen Felsen und steinigen Pfaden wichen.

Seine Blicke glitten hinauf zum Himmel, wo zwei weitere Gleiter langsam ihre Kreise zogen und das Gelände vor ihnen nach weiteren Hinweisen und Spuren absuchten. Allerdings schienen sie bisher keinen Erfolg gehabt zu haben, sonst hätte Larn längst eine entsprechende Meldung und weitere Befehle erhalten.

Stattdessen schienen die vier Flüchtigen wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Es gab keine weiteren Spuren - sie endeten am Rande des Felsenmassivs, und jetzt war guter Rat teuer. Auch wenn Impresario Spear diese Neuigkeiten nicht gefallen würden, so blieb dem Kommandanten nach Lage der Dinge nichts anderes übrig, als ihn jetzt zu informieren.

Er aktivierte die Sprechverbindung mit dem Gleiter und hatte Sekunden später Kontakt zu dem Manager von WESTBROOK, informierte ihn in kurzen Sätzen über die aktuelle Situation. Für Sekunden herrschte eisiges Schweigen, dann polterte Spear ungeduldig los.

»Das gibt's doch nicht!« ereiferte er sich so laut, daß es in den Ohren des Kommandanten schmerzte. »Sie müssen etwas übersehen haben, Larn. Haben Sie wirklich alles ganz genau abgesucht?«

»Selbstverständlich«, erwiderte der Schwarze Gardist prompt. »Sie müssen sich irgendwo hier oben in den Felsen befinden. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als genau alles abzusuchen - aber das kann dauern und...«

»Ich erwarte Ergebnisse!« tadelte ihn Spear. »Und zwar bald. Lassen Sie Ihre Männer ausschwärmen und erstatten Sie mir alle weiteren fünfzehn Minuten Bericht. Sie können nicht weit gekommen sein.«

»Ich höre und gehorche«, erwiderte der Kommandant und beendete dann die Verbindung zu Spear.

Mit kurzen, lauten Befehlen instruierte er seine Männer, die sich daraufhin aufzuteilen begannen und von verschiedenen Seiten her in das Felsmassiv eindrangen.

Mit schußbereiten Laserwaffen folgten sie den verschlungenen Pfaden, die weiter hinauf führten, schauten sich wachsam nach allen Seiten um. Aber nach wie vor blieb alles still, und nichts deutete darauf hin, daß sich die Flüchtigen hier irgendwo verborgen hielten.

Kommandant Larn murmelte einen leisen Fluch. Jetzt stand er erst recht unter großem Erfolgsdruck, wenn es ihm nicht gelang, in kürzester Zeit Ergebnisse vorzuweisen, die den Impresario zufriedenstellten.

Deshalb trieb er seine Leute umso unbarmherziger an - denn er hatte Furcht vor den Nachteilen, die ihm persönlich bei einem Mißerfolg seiner Truppe entstehen konnten. Insbesondere Geoffrey W. Spear galt da als sehr rücksichtslos...


*


Ich bin... ich existiere. Aber ich erinnere mich nicht mehr, wie lange. Ich habe Galaxien sterben und an anderer Stelle neu entstehen sehen. Ich gehörte zur Rasse der Sheraken - wir besaßen einst auch Körper wie ihr. Aber im Laufe der Evolution mußten wir erkennen, daß es noch höhere Ziele gibt als die rein körperliche Existenz. Unsere Wissenschaftler forschten und suchten so lange, bis sie die letzten Rätsel der genetischen Strukturen erkannt und gelöst hatten. Dies war der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Unser Volk begriff, daß es unsterblich werden würde - und ein unbeschreiblicher Exodus begann, als die erste Phase in die Wege geleitet wurde. Auch ich verließ meine körperliche - und mittlerweile bedeutungslose - Hülle - und ging ein in das schwingende Universum.

Ich durchstreifte zahlreiche Galaxien und wurde Zeuge des vielfältigen Lebens, das sich dort in ganz eigenen und unverwechselbaren Bahnen entwickelt hatte - ich sah aber auch viel Leid und Zerstörung, die durch Fehlentwicklungen und falsche Evolution hervorgerufen wurden. Ich versuchte, dies zu korrigieren, und hatte nicht immer Erfolg dabei.

Ich war ein Bote des Friedens, bis ich auch meine Zeit gekommen sah, um anderen Platz zu machen und mich selbst an einen Ort zurückzuziehen, wo ich endlich Ruhe und Frieden finden konnte. Ich fand diesen Planeten, der noch jung und fast unbewohnt war. Ich wurde Zeuge der Kolonisation, und ich sah die Mitglieder eurer Rasse, die ihren Fuß auf diesen Planeten setzten und versuchten, ihn urbar zu machen.

Ich sah Menschen sterben und solche, die neu geboren wurden. Der Kreislauf des normalen Lebens wiederholte sich hier - aber ich griff nicht ein, denn ich hielt es nicht für nötig. Im Lauf der Zeit beobachtete ich, wie sich das Leben auf diesem Planeten weiter entwickelte und neue Menschen kamen.

Dann spürte ich, daß sich etwas veränderte. Ich fühlte es zunächst nur ganz schwach, denn ich wollte zunächst nicht glauben, daß diese Kraft sich diesem Teil des Universums allmählich näherte. Ich kannte diese Form von zersetzender Energie, die das Gleichgewicht des Universums schon an anderen Orten gestört hatte - und ich erschrak angesichts der Tatsache, wie leichtfertig Unwissende damit umgingen. Keiner von ihnen - und auch ihr nicht - wißt, welch ein großes Unheil dadurch entsteht. Es ist eine unkontrollierbare Energie, die ihre Schöpfer vernichten kann.

Das Universum hat seine eigenen Gesetze, und nur die haben Bestand vor dem Rad der Zeit - alles andere ist bedeutungslos und hat schädlichen Einfluß auf das Gesamtwerk. Ich konnte nicht mehr länger zusehen und versuchte, Mitglieder meines Volkes zu erreichen.

Der erste Kontakt ist erfolgt - und die schreckliche Nachricht wurde übermittelt. Ich kenne nicht die weiteren Konsequenzen. Aber ich weiß, daß niemand unter den höherstehenden Völkern und Rassen zusehen wird, wie Unwissende völlig leichtfertig mit dieser zerstörerischen Kraft umgehen. Man muß dem Einhalt gebieten - sonst wird das Leben in diesem Sektor des Universums allmählich verlöschen, und die Sterne werden sich verdunkeln...


3


Die vier Menschen in der Höhle hörten und registrierten die Stimme des unfaßbaren Wesens so deutlich, als hätte es laut zu ihnen gesprochen.

Und das bläuliche Lichtwesen tat noch mehr - es öffnete für einen kurzen Moment die Barriere zwischen den Realitäten und Zeiten und ließ die Menschen sehen, welcher Art die Folgen der Energieform waren, die als so zerstörerisch bezeichnet wurde.

Cybris Vergan stöhnte laut in seiner Trance, als er die Bilder des Todes erblickte, und Kim Gallagher wimmerte leise, als sie Planeten zerbersten sah.

Zurück blieb nur noch ein gigantischer schwarzer Schlund, an dessen Rändern es rötlich aufblitzte.

Sie wußten nichts von Clark's Planet und den Kangrahs - den Traummeistern, wie sie nur noch genannt wurden -, denen die Menschen dort unter dramatischen Umständen begegneten.

Sie hatten auch keine Ahnung davon, daß man das, was sie das Lichtwesen erblicken ließ, auf der Erde »Das schwarze Universum« nannte - entstanden durch den Gaarson-Effekt, dessen Spätfolgen die Kangrahs nicht durch Gaarson-Gates neutralisiert hatten, wie es auf der Erde geschehen war, um die neue universale Ordnung zu ermöglichen und damit das allesvernichtende Chaos zu besiegen.

So wußten sie auch überhaupt nichts von den Gaarson-Gates an sich und wunderten sich nicht, daß das Lichtwesen dieses Mittel zur Rettung zu erwähnen vergaß.

Sie begriffen nur eines: Was ihnen das Lichtwesen hier so drastisch schilderte, war offenbar das, was dazu geführt hatte, daß zur Zeit jegliche Verbindung mit der Erde unmöglich war.

Und letztlich hatte es auch die Mächtigsten der Erde hierher geführt, denn sie waren rechtzeitig vor Eintritt der Katastrophe von der Erde geflohen...

DAS IST DER SCHLUND DER VERNICHTUNG, hämmerte die warnende Stimme in ihren Gehirnen weiter.

DIES IST DAS ENDE JEGLICHER EVOLUTION - UND ES BEDEUTET DEN TOD FÜR JEDES LEBENDE WESEN. WOLLT IHR WIRKLICH, DASS DIES GESCHIEHT? SEID IHR WIRKLICH SO BLIND, DASS IHR NICHT BEGREIFT, WAS DAS BEDEUTET?

Cybris Vergan, Tyra Casdorf, Kim Gallagher und Pall Duron begriffen und verstanden (so glaubten sie zumindest, weil sie nicht auf dem laufenden waren), welcher Fehler es gewesen war, einfach völlig blind den Auswirkungen des Gaarson-Effektes zu vertrauen und auf dieses mangelnde Wissen eine eigenständige Technik, Raumfahrt und Zivilisation aufzubauen. Eine Zivilisation, deren Ende bereits schon feststand - nur noch nicht der genaue Zeitpunkt.

Für sie, die in einer Zeit aufgewachsen waren, als die Astroökologen noch der Inbegriff des Schädlichen und damit des Bösen waren, weil sie angeblich nichts anderes wollten, als jeglichen Fortschritt aufzuhalten... gab es keine Rettung vor diesen schlimmen Folgen durch den Gaarson-Effekt. Wie hätten sie auch nur ahnen können, daß ausgerechnet die Astroökologen die Menschheit der Erde gerettet hatten, indem sie konsequent den Empfehlungen des Tipor Gaarson der Vergangenheit gefolgt waren und rechtzeitig Vorsorge getroffen hatten.

Eines jedoch war klar:

Erste Anzeichen hatten sich auch bereits hier, auf diesem Planeten, herauskristallisiert, die die vier zwar nur am Rande registriert hatten - aber sie waren nicht in der Lage gewesen, die wirklichen Hintergründe richtig zu deuten. Und seit der Kontakt mit der Erde aus zunächst unerklärlichen Gründen ganz abgerissen war, erfuhr niemand mehr etwas.

IHR TRAGT DIE ZUKUNFT EURER RASSE IN DEN HÄNDEN, fuhr die mahnende Stimme jetzt fort. IHR BESITZT DAS GEISTIGE POTENTIAL, UM DAS SCHICKSAL NOCH ÄNDERN ZU KÖNNEN. IHR DÜRFT NICHT MEHR ZÖGERN. EURE STUNDE IST JETZT GEKOMMEN, UND DESHALB WERDE ICH EUCH SCHÜTZEN VOR DENEN, DIE EUCH VERFOLGEN. ÖFFNET EUREN GEIST UND VERTRAUT EUCH MIR AN...

Die vier Mutanten spürten eine unbeschreibliche Ruhe und Frieden, als ihre Sinne sich mit den völlig fremdartigen Gedanken des Lichtwesens verbanden. Und sie erkannten, was wirklich wichtig war für die Zukunft ihrer gesamten Rasse.

Während sie diese schicksalhaften Erlebnisse hatten, schottete sie das Lichtwesen von allen äußeren Einflüssen ab und sorgte auch dafür, daß die Verfolger diesen Ort nicht betraten.

Es nutzte nur einen winzigen Teil seiner Energie in der Form, daß der Zugang zur Höhle auf einmal nicht mehr existierte. Die drei Soldaten der Schwarzen Garden, die in diesem Moment den schmalen Einschnitt zwischen den Felsen entdeckten und sich mit schußbereiten Waffen hindurch zwängten, fanden am Ende des Einschnittes nur nackte und zerklüftete Felswände - sonst nichts! Sie verständigten ihren Kommandanten über das Ergebnis ihrer Suche und kehrten dann zu den anderen zurück.

Und während draußen die völlig ratlosen Schwarzen Garden Impresario Spear berichteten, daß die Flüchtigen nirgendwo zu entdecken waren, beschützte das Lichtwesen auch weiterhin die vier Menschen, die an diesem Ort Zuflucht gesucht und schließlich auch gefunden hatten. Aber auf völlig andere Weise, wie sie es sich jemals vorgestellt hatten...


*


Spear tobte innerlich. Er hatte Mühe und Not, nach außen hin weiter Haltung zu bewahren. Obwohl er wußte, daß sich die Hoffnung eines raschen Aufgreifens der Flüchtigen sich mittlerweile zerschlagen hatte. Aber wie konnte es nur möglich sein, daß die Bodentruppen nicht den geringsten Hinweis fanden? Daß vier Menschen buchstäblich vom Erdboden verschwunden waren und es nach Lage der Dinge auch blieben, war doch eigentlich unmöglich! Es mußte Spuren geben. Oder waren die jeweiligen Kommandanten nicht gründlich genug bei der Suche? Am liebsten hätte Spear jetzt dem Piloten den Befehl gegeben, daß er den Gleiter landete, damit er sich selbst ein Bild von der Lage machen konnte.

Während er noch überlegte, ob er es wirklich tun sollte, warf er einen Blick auf die Computerbildschirme, deren Kameras die Felsen jede Sekunde beobachteten. Keine auffälligen Werte bisher. Aber das änderte sich in dem Moment, als Kommandant Larn seine zweite Meldung machte und dem Manager von WESTBROOK mitteilte, daß sie nach wie vor erfolglos geblieben waren.

»Meine Männer haben jeden Fußbreit Boden abgesucht - es ist einfach nichts zu finden«, fuhr Larn über Funk fort.

»Langsam frage ich mich, ob wir überhaupt im richtigen Gelände suchen. Es könnte immerhin möglich sein, daß die Flüchtigen wieder zurück in Richtung Dschungel gekehrt sind und...«

Der Kommandant zögerte einen winzigen Moment - was Spears Aufmerksamkeit natürlich nicht entgangen war.

Spear hörte nur am Rande mit, was Larn daraufhin noch von sich gab. Die ersten Sätze schienen ihn dagegen förmlich zu elektrisieren. Vor allen Dingen deshalb, weil auch hier an Bord für wenige Sekunden eine Störung im Funkverkehr aufgetreten war. Ganz plötzlich!

Larn bestätigte, und während er sich mit seinen Leuten zurückzog, leitete Spear bereits die nächsten Schritte in die Wege. Ein Gedanke hatte sich in seinem Gehirn abgezeichnet, der nun rasch sehr konkrete Formen annahm. Denn mittlerweile hatte er begriffen, daß man hier nicht mit konventionellen Mitteln vorgehen konnte. Nein, hier lief alles ganz anders - aber der Zufall hatte ihm dennoch genau den Hinweis gegeben, nach dem er die ganze Zeit über gesucht hatte.