Über das Buch:
Es gibt nichts Schöneres als zu lieben und geliebt zu werden. Doch wie kann es gelingen, dass der andere sich tatsächlich dauerhaft geliebt fühlt und unsere Liebesbekundungen ihn mitten ins Herz treffen?
Gary Chapman ist dem Geheimnis einer erfüllten Liebesbeziehung auf die Spur gekommen: Es geht nicht darum, irgendetwas Liebevolles für den anderen zu tun, sondern das richtige. Denn es gibt 5 verschiedene Sprachen der Liebe – und jeder von uns hat eine Muttersprache …
Mit praktischem Liebessprachentest!

Über den Autor:
Dr. Gary Chapman hat Anthropologie studiert und war viele Jahre in der Paarberatung tätig. Er ist der Autor zahlreicher Bücher und als Experte für Beziehungsfragen international bekannt. Mit seinem New York Times-Bestseller „Die 5 Sprachen der Liebe“, der in über 30 Sprachen übersetzt wurde, hat er einen neuen Schlüssel zur Kommunikation gefunden und ein Millionenpublikum erreicht. Zusammen mit seiner Frau Karolyn lebt er in North Carolina.

Sprache der Liebe Nummer 5:
Zärtlichkeit

Schon lange wissen wir, dass Zärtlichkeiten eine Ausdrucksform der Liebe sind. Zahlreiche Forschungsprogramme, die sich mit der Entwicklungspsychologie des Kindes befasst haben, sind zu folgender Erkenntnis gelangt: Kleinkinder, die in den Arm genommen, gestreichelt und geküsst werden, entwickeln sich seelisch gesünder als Babys, die über längere Zeit ohne Körperkontakte auskommen müssen. Wie wichtig es ist, mit Kindern zärtlich umzugehen, ist keine moderne Erkenntnis. Im ersten Jahrhundert brachten die Juden aus Palästina ihre Kinder zu Jesus, dem großen Lehrer, damit er sie anrührte. (Mk. 10,13) Sie wissen vielleicht, dass seine Jünger die Eltern anfuhren, weil sie glaubten, Jesus sei viel zu beschäftigt, um sich mit solchen Nebensächlichkeiten abzugeben. Aber in der Bibel lesen wir, dass Jesus auf die Jünger zornig wurde und zu ihnen sagte: „,Lasst die Kinder zu mir kommen! Wehrt ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, wird dort nicht hineinkommen.‘ Und er nahm sie auf seine Arme, legte die Hände auf sie und segnete sie.“ (Mk. 10,14-16) Kluge Eltern sind zärtliche Eltern – und das gilt für alle Kulturen.

Zärtlichkeiten vermitteln auch Erwachsenen das Gefühl, geliebt zu sein. Händchen halten, Küssen, Umarmen und miteinander Schlafen geben dem Partner zu verstehen: Du bist geliebt. Für manche Menschen ist Zärtlichkeit ihre Muttersprache der Liebe. Ohne sie haben sie das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Doch wenn sie Zärtlichkeit erfahren, wird ihr Liebestank gefüllt, und in der Liebe ihres Partners fühlen sie sich geborgen.

Die Macht der Berührung

Der Tastsinn unterscheidet sich von den anderen vier Sinnen, weil er nicht auf einen bestimmten Bereich des Körpers beschränkt ist. Die sogenannten Mechanorezeptoren finden sich überall in der Haut. Wenn man sie berührt oder drückt, wird der Impuls über die Nerven zum Gehirn geleitet. Das Gehirn interpretiert diese Impulse, und wir nehmen wahr, dass das, was uns berührt hat, warm oder kalt ist, hart oder weich. Es kann Schmerz oder ein angenehmes Gefühl verursachen. Wir können es als unangenehm oder freundlich interpretieren.

Manche Körperteile sind empfindlicher als andere. Das liegt daran, dass die Rezeptoren nicht gleichmäßig über den Körper verteilt sind, sondern in bestimmten Bereichen gehäuft auftreten. Die Zunge etwa hat einen besonders empfindlichen Tastsinn, die Schultern sind am unempfindlichsten. Fingerspitzen und Nasenspitze wiederum sind hochempfindliche Bereiche. Wir wollen hier allerdings nicht die neurologischen Grundlagen des Tastsinns erklären, sondern dessen psychologische Bedeutung.

Körperliche Berührungen können zum Gelingen oder auch zum Scheitern einer Beziehung beitragen. Zu einem Menschen, dessen Muttersprache der Liebe Zärtlichkeit ist, wird eine zärtliche Berührung sehr viel deutlicher durchdringen als bloße Sätze wie „Ich liebe dich“. Ein Schlag ins Gesicht schadet jedem Kind, aber wenn es Zärtlichkeit als Muttersprache der Liebe spricht, ist es am Boden zerstört. Eine zärtliche Umarmung vermittelt jedem Kind, dass es geliebt wird, aber wenn seine Muttersprache der Liebe Zärtlichkeit ist, kommt diese Botschaft besonders laut und deutlich an. Für Erwachsene gilt dasselbe.

In der Ehe kann eine liebevolle Berührung in vielen Formen daherkommen. Weil sich fast überall unter der Haut Tastrezeptoren finden, können Sie Ihren Partner fast überall zärtlich berühren und damit Ihre Liebe zum Ausdruck bringen. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Berührungen gleich gut sind. Manche wird Ihr Partner als angenehm empfinden, andere weniger. Natürlich weiß Ihr Partner oder Ihre Partnerin das selbst am besten, deshalb sollten Sie sich von ihm oder ihr darin leiten lassen, was als liebevoll empfunden wird. Bestehen Sie nicht darauf, den Partner so zu berühren, wie Sie es mögen würden. Und bestimmen Sie nicht den Zeitpunkt für ihn. Lernen Sie es, den Dialekt des andern zu sprechen. So manche Berührung ist für Ihren Partner vielleicht sogar unangenehm oder peinlich. Wer trotzdem fortfährt, bei dem kommt alles andere als Liebe zum Ausdruck. Dadurch wird eher deutlich, dass Sie nicht sensibel genug für die Bedürfnisse des andern sind und sich wenig darum kümmern, was ihm Freude macht. Machen Sie nicht den Fehler, einfach davon auszugehen, dass alles, was Ihnen Freude bereitet, auch Ihrem Partner Spaß macht.

Es gibt die Zärtlichkeiten, die wir bewusst und mit viel Hingabe austauschen: zum Beispiel eine Rückenmassage oder das Vorspiel, das im Geschlechtsverkehr seinen Höhepunkt findet. Andererseits können liebevolle Berührungen auch ganz beiläufig sein und nur einen Augenblick dauern, wenn Sie Ihrem Mann zum Beispiel die Hand auf die Schulter legen, während er sich eine Tasse Kaffee eingießt, oder wenn Sie auf dem Weg zur Küche bewusst und zärtlich den Körper Ihrer Frau streifen.Die bewussten Zärtlichkeiten brauchen Zeit, weil wir erst verstehen lernen müssen, wie wir auf diese Weise unserem Partner unsere Liebe zeigen können. Wenn die Rückenmassage für Ihren Partner eine eindeutige Ausdrucksform der Liebe ist, dann lohnt sich jeder Aufwand für das Erlernen einer gekonnten Massagetechnik. Wenn der Liebesakt der wichtigste Dialekt Ihres Partners ist, wird Ihre Ausdrucksfähigkeit nur noch größer werden, wenn Sie über die Kunst der körperlichen Liebe miteinander reden oder auch Bücher darüber lesen.

Die kleinen Zärtlichkeiten des Alltags erfordern nicht allzu viel Zeit, aber Gedanken sollte man sich schon darüber machen, besonders dann, wenn Zärtlichkeiten nicht zu Ihrer eigenen Liebessprache gehören und Sie in einer Familie aufgewachsen sind, in der Zärtlichkeiten nicht gerade gang und gäbe waren. Wenn Sie nebeneinander auf dem Sofa sitzen und Ihre Lieblingssendung im Fernsehen schauen, könnten Sie sich aneinanderkuscheln. Das kostet gar keine Extrazeit, kann aber laut und deutlich Ihre Liebe zum Ausdruck bringen. Ihren Partner zu berühren, wenn Sie durchs Zimmer gehen, dauert nur einen Augenblick. Eine Berührung, wenn Sie das Haus verlassen und wieder nach Hause kommen, etwa ein flüchtiger Kuss oder eine Umarmung, kann Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin sehr viel bedeuten.

Wenn Sie einmal entdeckt haben, dass Zärtlichkeiten zur Liebessprache Ihres Partners gehören, dann können Sie Ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Sich neue Zärtlichkeiten und ungewohnte Orte dafür auszudenken, kann Ihre Beziehung spannend machen. Wenn Sie es nicht gewohnt sind, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten, werden Sie vielleicht entdecken, dass genau das den Liebestank Ihres Partners auffüllt, wenn Sie durch die Stadt schlendern. Wenn Sie sich normalerweise nicht küssen, sobald Sie beide im Auto sitzen, werden Sie sehen, dass es danach so viel schöner ist, gemeinsam unterwegs zu sein. Wenn Sie Ihre Frau umarmen, selbst wenn sie nur kurz einkaufen geht, bringen Sie damit Ihre Liebe zum Ausdruck. Probieren Sie auch einmal ungewohnte Zärtlichkeiten an ungewohnten Orten aus. Achten Sie dabei immer auf die Reaktionen Ihres Partners, ob er etwas gut findet oder nicht. Vergessen Sie nicht: Er hat das letzte Wort. Schließlich wollen Sie ja seine Sprache lernen.

Der Körper braucht Zärtlichkeit

Sie oder mich gibt es nicht ohne unsere Körper. Wer unseren Körper berührt, berührt uns selbst. Wer sich von unserem Körper zurückzieht, distanziert sich auch emotional von uns. In unserer Gesellschaft ist der Handschlag ein Zeichen für Kontaktbereitschaft und soziale Nähe zu einem anderen Menschen. Wenn jemand sich aber weigert, einem anderen zur Begrüßung die Hand zu reichen, dann ist dies ein sichtbares Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt zwischen den beiden. In allen Gesellschaftsformen berührt man sich auf die eine oder andere Weise, um sich zu begrüßen. Je nach Kultur fühlt man sich zum Beispiel unbehaglich, wenn man durch Umarmung und angedeutetes Küsschen willkommen geheißen wird oder aber zurückgewiesen, wenn man durch einen eher distanzierten Händedruck begrüßt wird.

In jeder Gesellschaft gibt es zudem angemessene und unangemessene Arten, Angehörige des anderen Geschlechts zu begrüßen. In letzter Zeit wurde viel über sexuelle Belästigung geredet und das Augenmerk damit auf die unangemessenen Formen gelenkt. In der Ehe jedoch entscheidet das Paar innerhalb gewisser großzügig abgesteckter Leitlinien selbst darüber, was angemessen ist und was nicht. Körperliche Misshandlung ist natürlich nicht akzeptabel, und es gibt Hilfsorganisationen, die misshandelten Frauen und Männern helfen. Unser Körper wurde eindeutig geschaffen, um berührt zu werden, aber niemals, um misshandelt zu werden.

Unser Zeitalter wird als Zeitalter der sexuellen Offenheit und Freiheit charakterisiert. Doch es hat sich gezeigt, wie absurd z. B. die offene Ehe ist, wo beide Ehepartner die Freiheit genießen, mit anderen Menschen sexuell intim zu werden. Wer nicht aus moralischen Gründen dagegen Einspruch erhebt, wird es aus emotionalen tun. Irgendetwas, das mit unserem Bedürfnis nach Intimität und Liebe zu tun hat, hält uns davon ab, unserem Ehepartner diese Freiheit einzuräumen. Der emotionale Schmerz sitzt tief und Intimität löst sich in Luft auf, wenn wir wissen, dass unser Partner sexuelle Intimität noch mit anderen teilt. Eheberater haben unglaublich viele Fallakten mit Berichten von Männern und Frauen, die das emotionale Trauma bewältigen müssen, dass ihr Ehepartner untreu ist. Dieses Trauma wirkt sich natürlich umso tragischer aus, je eindeutiger jemand die Liebessprache der körperlichen Berührungen spricht. Das, wonach er oder sie sich so sehr sehnt – Liebe, die durch exklusive körperliche Berührungen ihren Ausdruck findet –, wird plötzlich noch jemand anderem zuteil. Sein oder ihr Liebestank trocknet in diesem Fall nicht nur aus, sondern wird regelrecht zerstört. Dann bedarf es massiver Reparaturarbeiten – der Heilung innerer Verletzungen –, damit die emotionalen Bedürfnisse wieder gestillt werden können.

Zärtlichkeit in Krisenzeiten

Gerade in Krisenzeiten suchen wir instinktiv die Nähe des andern. Dies tun wir, weil der Körperkontakt immer ein wirkungsvoller Kommunikator der Liebe ist. Wenn wir in Schwierigkeiten stecken, brauchen wir nichts so sehr wie das Gefühl, geliebt zu werden.

In allen Ehen wird es irgendwann Krisen geben. Der Tod der Eltern ist unentrinnbar. Durch Autounfälle werden jedes Jahr Tausende getötet oder schwer verletzt. Krankheiten kennen kein Ansehen der Person. Enttäuschungen gehören zum Leben dazu. Das Wichtigste, was Sie in Krisenzeiten für Ihren Partner tun können, ist, ihn zu lieben. Wenn Zärtlichkeit seine Muttersprache der Liebe ist, ist nichts wichtiger, als Ihren Partner im Arm zu halten, wenn er weint. Ihre Worte mögen vielleicht in diesem Augenblick nicht zu ihm durchdringen, aber Berührungen werden Ihrem geliebten Menschen signalisieren, dass Sie sich um ihn kümmern. Gerade die Krisen bieten uns Gelegenheit, unsere Liebe unter Beweis zu stellen. Ihre Zärtlichkeit in einer bestimmten Situation wird noch lange im Gedächtnis haften bleiben, auch wenn die Krise längst überwunden ist. Zeigen Sie aber in solch einer Situation dem andern die kalte Schulter, so wird er Ihnen das vielleicht niemals vergessen.

„So soll Ehe nicht sein“

Seit meinem ersten Besuch in West Palm Beach, Florida, der schon viele Jahre zurückliegt, wurde ich immer wieder eingeladen, in dieser Region Eheseminare zu halten. Auf einem dieser Seminare lernte ich Joe und Maria kennen. Sie waren nicht in Florida geboren (das sind überhaupt nur wenige), aber sie lebten hier schon seit zehn Jahren und nannten West Palm Beach ihr Zuhause. Sie hatten mich eingeladen, bei ihnen zu übernachten, und aus Erfahrung wusste ich, dass eine solche Bitte in der Regel bedeutete, dass da noch eine weitere Eheberatung anstand, die sich bis in den späten Abend hinziehen würde.

Als wir den Abend miteinander verbrachten, genoss ich Joes und Marias Gesellschaft. Sie waren ein gesundes, glückliches Paar. Als Eheberater fand ich das bemerkenswert und wollte ihrem Geheimnis auf die Spur kommen. Doch weil ich furchtbar müde war und wusste, dass sie mich am nächsten Tag noch zum Flughafen fahren wollten, entschied ich mich, erst dann nachzubohren, wenn ich ausgeschlafen eine Dreiviertelstunde mit ihnen im Auto verbringen würde.

Als wir am nächsten Morgen auf dem Weg zum Flughafen waren, erzählten Maria und Joe mir ihre Geschichte: In den ersten Jahren ihrer Ehe hatten sie gewaltige Probleme. Vor der Hochzeit noch waren sich alle ihre Freunde einig gewesen: Die beiden waren das ideale Paar, ihre Ehe war im Himmel geschlossen worden.

Sie waren im selben Ort aufgewachsen, hatten dieselbe Gemeinde besucht und an derselben Schule das Abitur gemacht. Der Lebensstil ihrer Eltern unterschied sich kaum. Man hatte in beiden Familien ungefähr dieselben Wertvorstellungen. Es gab viele Dinge, die Joe und Maria gleichermaßen Spaß machten. Sie spielten beide gern Tennis und sie segelten gern. Oft versuchten sie herauszubekommen, wie viele Interessen sie eigentlich teilten. Sie hatten so viele Gemeinsamkeiten, dass man glauben musste, sie würden einmal mit wenigen Problemen in ihrer Ehe zu kämpfen haben.

Bereits seit ihrem letzten Schuljahr waren sie zusammen. Sie studierten dann zwar an verschiedenen Universitäten, aber sie versuchten doch immer, sich mindestens einmal im Monat oder öfter zu sehen. Ihr erstes Studienjahr war kaum vorüber, da waren beide davon überzeugt, „füreinander bestimmt zu sein“. Doch beide waren sich einig, vor der Eheschließung erst das Studium abzuschließen. Drei Jahre dauerte die Idylle ihrer freundschaftlichen Beziehung. Am ersten Wochenende im Monat besuchte er sie an ihrem Studienort, am nächsten Wochenende besuchte sie ihn und am dritten Wochenende fuhren sie nach Hause zu ihren Familien, wobei sie dann doch die meiste Zeit miteinander verbrachten. Nur am vierten Wochenende – so waren sie übereingekommen – sahen sie sich nicht, damit jeder auch eigene Interessen verwirklichen konnte. Bis auf besondere Anlässe wie Geburtstage und andere Familienfeiern hielten sie diese Regelung konsequent durch. Drei Wochen, nachdem sie ihre Abschlussprüfungen bestanden hatten – er in Betriebswirtschaft und sie in Soziologie –, heirateten sie. Und zwei Monate später zogen sie nach Florida, wo Joe eine gute Arbeitsstelle angeboten worden war. Nun lebten sie über 3.000 Kilometer von ihren nächsten Angehörigen entfernt und ihrem Glück stand eigentlich nichts mehr im Weg.

Die ersten drei Monate gab es so viel Neues – der Umzug, die Wohnungssuche, die Freude am gemeinsamen Leben. Der einzige Streitpunkt, an den sie sich erinnern konnten, war der Abwasch. Joe meinte damals, eine effektivere Methode gefunden zu haben, um diese lästige Pflicht zu erledigen. Maria fand die Idee aber gar nicht so gut. Schließlich fand man einen Weg: Wer abwusch, tat es auf seine Weise. Und damit war die Sache aus der Welt geschafft. Doch sie waren gerade erst sechs Monate verheiratet, als Maria das Gefühl bekam, Joe zöge sich von ihr zurück. Er machte Überstunden, und wenn er zu Hause war, saß er lange vor dem Computer. Als sie ihn schließlich darauf ansprach, entgegnete Joe, dass er ihr nicht aus dem Weg ging, sondern einfach schauen müsste, dass er beruflich sein Bestes gab. Sie verstehe nicht, so erklärte er ihr, unter welchem Druck er stehe und wie wichtig es sei, dass er gerade im ersten Jahr im neuen Job gute Leistungen abliefere. Maria war nicht begeistert, entschloss sich aber, ihm diesen Freiraum zu gewähren.

Sie schloss Freundschaft mit anderen Frauen, die in ihrem Apartmentblock wohnten. Wenn sie wusste, dass Joe wieder spät nach Hause kommen würde, machte sie nach der Arbeit noch einen ausgedehnten Einkaufsbummel mit einer ihrer Freundinnen, statt gleich nach Hause zu fahren. So war sie manchmal nicht da, wenn Joe heimkam. Das ärgerte ihn sehr und er warf ihr vor, gedankenlos zu sein. Maria ging zum Gegenangriff über: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Wer ist denn hier gedankenlos? Du rufst mich nicht einmal an, um mir zu sagen, wann du kommst. Warum soll ich zu Hause sitzen, wenn ich nicht weiß, wann du kommst? Und wenn du mal hier bist, dann sitzt du die ganze Zeit vor deinem Computer. Du brauchst gar keine Frau, weil du mit deinem Computer verheiratet bist.“

Worauf Joe zurückgab: „Ich brauche eine Frau. Verstehst du das denn nicht? Das ist der springende Punkt. Ich brauche eine Frau.“

Aber Maria verstand ihn nicht. Sie wusste nicht mehr ein noch aus. Auf ihrer Suche nach Antworten ging sie in die Bücherei und blätterte einige Bücher über die Ehe durch. „Das ist doch keine Ehe, wie wir miteinander umgehen“, überlegte sie. „Ich muss eine Lösung für unsere Situation finden.“ Wenn Joe im Arbeitszimmer hinter seinem Computer verschwand, nahm sich Maria eins dieser Bücher vor. Viele Abende las sie bis tief in die Nacht. Joe bekam das dann mit und machte spöttische Bemerkungen: „Wenn du auf der Uni so viel gelesen hättest, hättest du sicher ein paar Einser mehr geschrieben.“ Und Maria antwortete dann: „Ich bin aber nicht mehr auf der Uni. Ich bin verheiratet, und was unsere Ehe betrifft, würde ich mich im Augenblick mit einer Drei völlig zufriedengeben.“ Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, ging Joe zu Bett.

Am Ende ihres ersten Ehejahres war Maria verzweifelt. Sie hatte es schon einmal erwähnt, doch nun sagte sie ruhig und gefasst zu Joe: „Ich suche mir einen Eheberater. Willst du mitkommen?“

Doch Joe erwiderte: „Ich brauche keinen Eheberater. Ich habe auch keine Zeit dafür, und leisten kann ich ihn mir auch nicht.“

„Dann gehe ich eben allein“, meinte Maria.

„Gut, du bist ja sowieso diejenige, die einen Eheberater braucht.“

Damit war das Gespräch beendet. Maria fühlte sich einsam. Aber schon in der darauffolgenden Woche hatte sie einen Termin beim Berater. Nach drei Sitzungen rief er Joe an und fragte, ob er bereit wäre, bei einem Gespräch dabei zu sein, um über seine Sicht der Dinge zu reden. Joe war einverstanden, und damit begann der Heilungsprozess. Ein halbes Jahr später verließen sie die Praxis des Eheberaters, denn sie hatten begonnen, eine ganz neue Ehe zu führen.

Ich fragte sie: „Was genau haben Sie dort gelernt, das die Kehrtwende eingeleitet hat?“

„Im Grunde ist es darum gegangen, die Liebessprache des andern zu erlernen. Der Eheberater hat nicht diesen Begriff benutzt, aber als ich heute Ihren Vortrag gehört habe, ist mir das auf einmal aufgegangen. Ich musste sofort an die Eheberatung damals denken, und ich habe verstanden, dass wir damals genau das gemacht haben. Wir lernten endlich, die Liebessprache des anderen zu sprechen.“

„Was ist denn Ihre Sprache der Liebe, Joe?“, fragte ich.

„Zärtlichkeit“, erwiderte er ohne zu zögern.

„Ja, auf jeden Fall Zärtlichkeit“, stimmte Maria ihm bei.

„Und Ihre, Maria?“

„Zweisamkeit, Dr. Chapman. Darum musste ich damals auch so oft weinen, wenn er die ganze Zeit nur seinen Beruf und den Computer im Kopf hatte.“

„Wie sind Sie darauf gekommen, dass Zärtlichkeit Joes Sprache der Liebe ist?“

„Das hat einige Zeit gedauert“, entgegnete Maria. „Nach und nach kam das in der Eheberatung an die Oberfläche. Am Anfang hat er es, glaube ich, gar nicht begriffen.“

„Stimmt“, warf Joe ein. „Ich hatte ein so geringes Selbstwertgefühl, dass es ewig gedauert hat, bis ich bereit war, mir einzugestehen, dass ihre fehlende Zärtlichkeit der Grund für meinen Rückzug war. Ich habe ihr niemals erzählt, dass ich mir Zärtlichkeiten von ihr wünschte, obwohl ich mich so sehr danach sehnte, von ihr berührt zu werden. Vor unserer Ehe hatte immer ich bei Zärtlichkeiten die Initiative ergriffen. Sie hatte aber immer positiv darauf reagiert. Das gab mir das Gefühl, von ihr geliebt zu werden. Doch nach der Hochzeit kam es immer wieder vor, dass ich sie zärtlich berührte … und da kam nichts. Vielleicht war sie zu müde, seit sie ihre neue Stelle angetreten hatte. Ich weiß nicht recht, aber ich nahm das persönlich. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht mehr attraktiv fand. Dann habe ich den Entschluss gefasst, dass ich es nicht einmal mehr versuchen würde, weil ich nicht zurückgewiesen werden wollte. Also habe ich gewartet, wann sie die Initiative ergreifen würde, mich küssen oder mit mir schlafen wollte. Einmal habe ich sechs Wochen gewartet, bevor sie mich überhaupt berührt hat. Das konnte ich nicht ertragen. Darum habe ich mich zurückgezogen, damit ich nicht den Schmerz spüren musste, wenn ich mit ihr zusammen war.“

Dann meinte Maria: „Ich hatte keine Ahnung, was er empfand. Ich wusste nur, dass er von sich aus keinen Kontakt mehr mit mir aufnahm. Wir gingen miteinander nicht mehr so zärtlich um wie damals, als wir noch nicht verheiratet waren, aber ich nahm einfach an, das wäre ihm jetzt in der Ehe nicht mehr so wichtig.

Wochenlang habe ich ihn nicht zärtlich berührt. Es kam mir einfach nicht in den Sinn. Ich habe gearbeitet, mich um den Haushalt gekümmert und versuchte ihm ansonsten aus dem Weg zu gehen. Ich wusste wirklich nicht, was ich noch tun sollte, und habe auch nicht verstanden, warum er mir keine Aufmerksamkeit schenkte. Die Sache ist, dass ich mich dann geliebt und wertgeschätzt fühlte, wenn wir Zeit miteinander verbrachten. Ob wir uns dabei umarmten und küssten, spielte für mich keine Rolle. Solange er mir seine Aufmerksamkeit schenkte, fühlte ich mich geliebt.

Es hat uns viel Zeit und Mühe gekostet, die Wurzeln unseres Problems zu finden. Aber sobald wir herausgefunden hatten, dass wir mit unserem Bedürfnis nach Liebe aneinander vorbeilebten, konnten wir das Steuer herumreißen. Als ich anfing, von mir aus zärtlich zu werden, geschahen ganz unerwartete Dinge. Sein ganzes Wesen veränderte sich. Ich hatte auf einmal einen ganz neuen Ehemann. Und als er zu der Überzeugung gelangt war, dass ich ihn wirklich liebte, kam er auch verstärkt meinen Bedürfnissen entgegen.“

„Steht der Computer immer noch bei Ihnen zu Hause?“, fragte ich.

„Das schon“, antwortet sie. „Aber er benutzt ihn nur noch selten. Und wenn er es tut, dann stört mich das nicht, weil ich weiß, er ist nicht mit ihm verheiratet. Wir unternehmen so viel gemeinsam, dass es mir leichtfällt, ihm die Zeit am Computer zu gönnen.“

Nun meldete sich Joe wieder zu Wort: „Was mich heute am meisten beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass Ihr Vortrag über die Sprachen der Liebe sehr viele Erinnerungen an damals in mir wachgerufen hat. Sie haben in zwanzig Minuten das gesagt, wofür wir ein halbes Jahr brauchten, um es zu begreifen.“

„Es kommt nicht so sehr darauf an, wie schnell Sie etwas lernen. Was zählt, ist, wie gut Sie es gelernt haben. Sie beide haben sich offenbar alles zu Herzen genommen.“

Joe ist einer von vielen Menschen, für die Zärtlichkeit die Muttersprache der Liebe ist. Diese Menschen sehnen sich nach Berührungen ihres Partners. Mit der Hand durchs Haar fahren, den Rücken streicheln, Händchen halten, sich umarmen, miteinander schlafen – das und andere liebevolle Berührungen sind ein Rettungsanker für Menschen, deren Muttersprache der Liebe die Zärtlichkeit ist.

Zum Nachdenken

Erinnern Sie sich an zärtliche Berührungen, die mitten im Alltag Nähe zwischen Ihnen beiden geschaffen haben? Was hat diese Berührungen zu etwas Besonderem gemacht?

Wenn Zärtlichkeit die Liebessprache Ihres Partners ist:

1. Schlendern Sie Hand in Hand durch die Stadt oder den Park.

2. Wenn Sie gemeinsam bei guten Freunden eingeladen sind und entspannt zusammen auf der Couch sitzen, ergreifen Sie die Hand Ihrer Partnerin.

3. Wenn Verwandte zu Besuch sind, berühren Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin zärtlich in deren Gegenwart. Eine Umarmung, sanft über den Arm streicheln, beim Gespräch in den Arm nehmen oder einfach die Hand auf die Schultern legen: All das zählt emotional doppelt, weil es signalisiert: „Auch wenn so viele Leute im Haus sind, nehme ich dich wahr.“

4. Geben Sie einmal den Anstoß, miteinander zu schlafen, und fangen Sie mit einer Fußmassage für Ihren Partner an. Gehen Sie über zu anderen Körperteilen, solange es für Ihren Partner angenehm ist.

5. Wenn ein Ehepaar auf Zeit getrennt leben muss, zum Beispiel wegen einer Geschäftsreise, einer Kur oder eines Militäreinsatzes, kann es sich Strategien zunutze machen, um sich symbolisch zu „berühren“. Zum Beispiel kann man einen handgeschriebenen Brief im Gegensatz zu einer E-Mail wirklich in die Hand nehmen. Tragen Sie zu Hause das T-Shirt Ihres Partners oder schicken Sie ihm etwas von sich, ein Kleidungsstück oder ein Foto. So hat Ihr Partner etwas zum Anfassen.

Entdecken Sie Ihre Muttersprache der Liebe

Wenn der Liebestank Ihres Partners oder Ihrer Partnerin gefüllt bleiben soll, ist es wichtig, dass Sie seine oder ihre Muttersprache der Liebe kennen. Jetzt wollen wir aber sicherstellen, dass Sie auch Ihre eigene Sprache der Liebe kennen. Sie wissen inzwischen, welche fünf Sprachen es gibt:

Lob und Anerkennung
Zweisamkeit
Geschenke
Hilfsbereitschaft
Zärtlichkeit

Viele Menschen werden spontan sagen können, welche Sprache sie und ihr Partner sprechen. Anderen fällt es schwer, sich zu entscheiden. Markus zum Beispiel sagte mir einmal: „Ich weiß nicht. Ich glaube, mir sind zwei Sprachen praktisch gleich wichtig.“

„Welche beiden denn?“, fragte ich nach.

„Zärtlichkeit und Lob und Anerkennung“, erwiderte er.

„Was verstehen Sie unter Zärtlichkeit?“, fragte ich.

„Hauptsächlich Sex“, erwiderte Markus.

Nun wollte ich mehr wissen. „Finden Sie es angenehm, wenn Ihre Frau Ihnen durchs Haar streicht oder Ihnen den Rücken massiert, Sie küsst und Sie umarmt, auch wenn es nicht zum Geschlechtsverkehr kommt?“

„Klar“, meinte Markus. „Da sag ich nicht Nein, aber das Wichtigste ist schon, dass wir miteinander schlafen. Dann weiß ich, dass sie mich wirklich liebt.“

Er hatte als Zweites „Lob und Anerkennung“ genannt. Dazu befragte ich ihn auch: „Wenn Sie sagen, dass Ihnen Lob und Anerkennung genauso wichtig sind, welche Aussagen tun Ihnen dann besonders gut?“

„Ich mag es, wenn sie mir sagt, dass ich gut aussehe, dass ich klug bin – praktisch alles, wenn es positiv ist. Wenn sie mir sagt, dass sie mich liebt!“

Ich fragte ihn: „Sind Sie von Ihren Eltern viel gelobt worden, als Sie noch Kind waren?“

„Nicht sehr oft“, antwortete Markus. „Ich erntete fast immer nur Kritik und sie waren sehr fordernd. Aber Alicia war anders.“

Ich bat Markus, über die folgende Frage nachzudenken. „Stellen Sie sich mal Folgendes vor. Angenommen, Alicia würde Ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllen, das heißt, Sie würden so oft mit ihr schlafen, wie Sie Lust haben, aber sie würde dauernd negative Bemerkungen machen und Sie manchmal vor anderen herabsetzen – glauben Sie, dass Sie sich dann von ihr geliebt fühlen würden?“

„Nein, überhaupt nicht“, sagte er. „Ich würde mich schrecklich fühlen.“

„Markus“, meinte ich, „ich glaube, wir haben gerade entdeckt, dass ‚Lob und Anerkennung‘ Ihre Muttersprache der Liebe ist. Miteinander zu schlafen ist für Sie extrem wichtig, damit Sie sich Alicia nahe fühlen, aber emotional gesehen ist Ihnen Lob und Anerkennung von Alicia noch wichtiger. Wenn Alicia Sie nur noch kritisieren und Sie vor andern schlechtmachen würde, dann hätten Sie sicher auch eines Tages keine Lust mehr, mit ihr zu schlafen.“

Viele Männer machen denselben Fehler wie Markus: Sie glauben, die Zärtlichkeiten seien ihre wichtigste Liebessprache, weil sie ein so starkes Verlangen nach der körperlichen Liebe haben. Beim Mann ist der Sexualtrieb körperlich bedingt. Der Drang zum Geschlechtsverkehr wird durch die Produktion von Samenflüssigkeit in den Bläschendrüsen ausgelöst. Wenn diese voll sind, entsteht ganz einfach ein Drang zur Entleerung.

Bei der Frau wird sexuelles Verlangen weitaus mehr von ihren Emotionen beeinflusst. Wenn sie sich von ihrem Mann geliebt, bewundert und wertgeschätzt fühlt, hat sie das Verlangen nach körperlicher Intimität. Doch ohne diese emotionale Nähe ist das körperliche Verlangen meist wenig ausgeprägt.

Weil der Mann verhältnismäßig regelmäßig den Drang nach sexueller Entspannung verspürt, liegt der Gedanke nahe, dies sei seine Muttersprache der Liebe. Wenn ihm aber Zärtlichkeiten ansonsten wenig geben – vor allem, wenn sie nicht sexueller Natur sind –, dann gehören sie wahrscheinlich überhaupt nicht zu seiner persönlichen Liebessprache. Der Sexualtrieb hat im Grunde wenig mit dem Verlangen nach Liebe zu tun. So kann zwar der Wunsch nach dem Geschlechtsakt groß sein, dieser wird aber niemals das Bedürfnis stillen, von der Partnerin geliebt zu werden. Dazu muss die Frau erst seine Muttersprache der Liebe sprechen. Wenn beide die Liebessprache des anderen verstehen und ihre Liebestanks gefüllt sind, wird sich der sexuelle Aspekt von allein regeln. Die meisten sexuellen Probleme in der Ehe haben wenig mit körperlichen Techniken zu tun, aber sehr viel damit, dass die emotionalen Bedürfnisse nicht gestillt werden.

Nachdem wir uns noch ein wenig darüber unterhalten und nachgedacht hatten, meinte Markus: „Ich glaube, Sie haben recht. Lob und Anerkennung, das ist definitiv meine Muttersprache der Liebe. Wenn sie sich kritisch äußert und mich heruntermacht, will ich keinen Sex mit ihr haben und denke sogar an andere Frauen. Aber wenn sie mir sagt, wie sehr sie mich schätzt und bewundert … dann ist das eine ganz andere Geschichte mit uns beiden!“

Wie uns die Sprachen der Liebe verletzen können

Welche Muttersprache der Liebe sprechen Sie? Wodurch wird Ihnen am deutlichsten bewusst, dass Ihr Partner Sie liebt? Wonach sehnen Sie sich am meisten? Wenn Ihnen die Antwort nicht spontan einfällt, hilft es vielleicht, umgekehrt zu fragen: Was kränkt Sie ganz besonders am Verhalten Ihres Partners? Wenn Ihnen z. B. die Kritik des Partners am meisten zu schaffen macht, dann ist wahrscheinlich Lob und Anerkennung Ihre persönliche Liebessprache. Wenn Ihr Partner das Gegenteil von dem tut, was Sie mit Ihrer Liebessprache ersehnen, dann wird es Sie besonders verletzen.