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ANDREW FARLEY

Gott ohne Religion

ANDREW FARLEY

Gott ohne Religion

Kann es wirklich so einfach sein?

Aus dem Amerikanischen von Bettina Krumm

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ELB Revidierte Elberfelder Bibel © 1985, 1991, 2006, SCM R. Brockhaus im SCM Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
LUT Lutherbibel, Revidierte Fassung von 1984, Copyright 1985 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart.
NEÜ Neue evangelistische Übersetzung. Copyright © Karl-Heinz Vanheiden.
NLB Bibelübersetzung »Neues Leben«, Copyright © 2006, SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
NGÜ  Neue Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen, Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.
HFA »Hoffnung für alle« ®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblia, Inc.™. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Brunnen Verlags Basel.

Für meinen Sohn Gavin.
Es bereitet mir unglaublich viel Freude,
dir beim Spielen zuzusehen!

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Re-li-gion [reli'gio:n] (Substantiv)

Rückkehr zur Gebundenheit. Das Wort Religion geht zurück auf die lateinische Vorsilbe re »wieder« und das Verb ligare »binden«.

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Der Erpresser

»Drew Dog! Wie geht’s, Drew Dog? He, hör mal, ich weiß, was mit deinen Sachen passiert ist, und ich kann sie dir wieder beschaffen. ›Crime Stoppers‹[1] bietet dir tausend Dollar an, wenn du ihnen Informationen über einen Einbruch gibst. Aber wenn du mir tausend Mäuse gibst, dann besorge ich dir dein Zeug sofort wieder.«

Wir wurden ausgeraubt. Jemand hatte unser Haus in Indiana ausgeräumt, als wir gerade nicht da waren. Jetzt, nur eine Woche später, stand dieser Typ vor unserer Tür und versuchte, Geld von uns zu erpressen. Doch damit nicht genug, ich kannte ihn! Er war bereits vor einem Monat hier gewesen und hatte uns angeboten, in unserem Garten Laub zu harken, und wir hatten ihn angestellt. Offensichtlich hatte er diese Chance genutzt, um unser Haus auszuspionieren und seinen Einstieg durch ein Gartenfenster zu planen.

Willkommen im Stadtzentrum von South Bend. Wir hatten erst wenige Monate dort gelebt. Und es häuften sich die Anzeichen, dass es vielleicht einen Grund gab, warum unser Haus so erschwinglich gewesen war.

»Warte mal einen Moment«, sagte ich dem Typen. »Ich hab da gerade was auf dem Herd und ich muss mal kurz danach sehen. Bin gleich wieder da.« Ich schloss die Tür und steuerte auf die Küche zu, um die Polizei zu rufen. Als ich zurückkam, rechnete ich damit, dass der Typ verschwunden wäre. Aber er war immer noch da.

Ich verwickelte ihn in ein Gespräch. Wir quatschten über Sport und das Wetter. Nach einigen Minuten rückte die Polizei an und nahm ihn zum Verhör mit. Wir waren uns sicher, wir würden ihn nie wieder sehen.

Klopf. Klopf.

Es waren erst ein paar Stunden vergangen. Ich spähte aus dem Fenster, um zu sehen, wer auf der Veranda war. Es war doch tatsächlich er. Ich öffnete die Tür und wurde von lautem Geschrei empfangen. »Drew Dog, deinetwegen musste ich in die Stadt! Deinetwegen wurde ich rumschikaniert! Du schuldest mir was, Drew Dog! Du schuldest mir was!«

Irgendwie seltsam, aber ich mochte den Spitznamen. Doch ich wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte. Also besann ich mich auf das, was zuvor funktioniert hatte. »Warte mal einen Moment. Ich hab da gerade was auf dem Herd und ich muss mal kurz danach sehen. Bin gleich wieder da«, sagte ich.

Dieses Mal rechnete ich damit, dass er mich durchschauen würde. Aber als ich aus der Küche zurückkam, war er immer noch da, wie beim letzten Mal. Nach nur wenigen Minuten Geplauder rückte der Streifenwagen an. Sie nahmen ihn wieder mit. Dieses Mal würden sie ihm bestimmt irgendetwas anhängen können – Belästigung oder Hausfriedensbruch oder so was.

Klopf. Klopf. Klopf.

Es war inzwischen kurz vor Mitternacht. Ich schlich die Treppe hinunter und schaute aus dem Fenster. Ja, er war’s wieder. Was war mit diesem Typen los? Hatte er denn gar nichts kapiert? Zum dritten Mal an diesem Abend öffnete ich ihm die Tür.

»Drew Dog, mir ist kalt. Ich bin obdachlos. Ich brauche Handschuhe.«

Ich hob meine Hand, um zu signalisieren, dass ich nur kurz nach etwas sehen musste. Spätestens jetzt müsste er doch wissen, wie’s läuft. Ich steuerte auf die Küche zu und meldete der Polizei, dass er nun schon zum dritten Mal hier war. Dann ging ich zurück zur Eingangstür. Da war er und wartete geduldig auf mich.

Ich griff unsere kurze Unterhaltung wieder auf und sagte: »Obdachlos? Ich dachte, Sie sagten beim letzten Mal, Sie würden in einer Wohnung in der West Young Street 211 wohnen.«

Er fühlte sich ertappt und sagte: »Ähm, ja, nun … mir ist kalt. Hast du Handschuhe?«

Ich sah mich im Hausflur um. Dort lagen die rosa Plüschhandschuhe meiner Frau. Meiner Frau wäre es sicher lieber gewesen, wenn ich meine Suche fortgesetzt hätte, aber ich gab ihm die hübschen Handschuhe und sagte: »Bitte sehr. Jetzt ist es am besten, Sie gehen.«

»Okay«, sagte er, »kann ich über euren Zaun springen?«

»Über den Zaun springen? Nein, laufen Sie bitte außen herum«, sagte ich.

»Komm schon, Drew Dog, ich springe immer über den Zaun, wenn ich über euren Hof laufe!«, sagte er.

Seine Antwort war nicht gerade beruhigend. Nach diesem Abend dachten wir verstärkt über einen Umzug nach!

»Hören Sie mal, Sie sollten von hier verschwinden. Die Polizei ist schon wieder auf dem Weg hierher«, erwiderte ich.

Er schien überrascht. Doch er nahm mich beim Wort und machte sich auf den Weg die Straße hinunter. Als die Polizei aufkreuzte, deutete ich in seine Richtung und sie fuhren los, ihm nach.

Das war für eine ganze Weile das letzte Mal, dass wir ihn sahen. Aber dann, eines schönen Herbstnachmittags im Jahr darauf …

Klopf. Klopf.

Ich öffnete die Tür und wurde mit den Worten empfangen: »Drew Dog! Wie geht’s Drew Dog? Hör mal, hast du nicht ’ne Arbeit für mich? Vielleicht kann ich noch mal dein Laub harken?«

»Einen Moment«, sagte ich. »Ich muss mal kurz in der Küche nach etwas sehen.«

Religiöser Raubüberfall

Nach dem Einbruch fühlten wir uns ziemlich unsicher. Jeden Abend zogen wir die Vorhänge fest zu und jedes Geräusch schreckte uns auf. Kurz darauf kauften wir eine teure Alarmanlage. Wir installierten Bewegungsmelder an unseren Fenstern und überall am Haus. Die Einbrecher hatten Gegenstände im Wert von 13 000 Dollar mitgenommen, aber das weitaus Wertvollste, was sie uns nahmen, war unser Sicherheitsgefühl.

Fast genauso können wir die Opfer geistlicher Raubüberfälle werden. Der Dieb heißt Religion und hat Spaß daran, uns auszurauben. Insgeheim plant er, uns unsere geistlichen Besitztümer und unser Sicherheitsgefühl zu stehlen. Und das Ganze nur, um später vor unserer Tür aufzukreuzen und uns alles wieder anzudrehen.

Nicht umsonst, versteht sich.

Wie können wir uns also davor schützen, dass uns unsere Sicherheit gestohlen und dann sozusagen gegen Lösegeld wieder angeboten wird? Indem wir jeder Form von Religion den Rücken kehren.

Religion ist ein Dieb, der Spaß daran hat, uns auszurauben.

Können wir der Religion unbedenklich den Rücken zukehren? Wie wir sehen werden, ist es nicht nur unbedenklich; es ist Gottes erklärter Wunsch und Wille für uns. Aber wenn wir uns aus den Klauen der Religion losreißen wollen, müssen wir sie als das sehen, was sie wirklich ist. Und wir müssen uns sicher sein, dass es eine Alternative gibt.

Nach dieser wahren Geschichte von Einbruch und Erpressung hast du dich wahrscheinlich gefragt: »Warum nur hat er die Tür immer wieder aufgemacht?«

Gute Frage.

Im Rückblick sehe ich ein, dass es besser gewesen wäre, es nicht zu tun. Es wäre sicherer gewesen, den Einbrecher und sein Angebot zu ignorieren. Vermutlich dachte ich, dass wir so vielleicht unsere Sachen wiederbekommen könnten. Das Ärgerliche an Religion ist, dass sie auf genau dieselbe Weise unsere menschlichen Bedürfnisse anspricht. Wenn wir das Zugehörigkeitsgefühl zu Gottes Königreich oder die gefühlte Nähe zu unserem König verloren haben, werden wir unsere Antworten vielleicht in der Religion suchen. Es ist schwierig, sie einfach zu ignorieren und die Tür vor ihren Angeboten zu verschließen. Und wir können es uns einfach nicht leisten, sie zu ignorieren, solange wir nicht sicher sind, dass unser Leben auch ohne sie funktioniert.

Dieses Buch will dir die Augen dafür öffnen, dass wir als Christen überhaupt keine Religion brauchen. Dass wir stattdessen alles haben, was wir brauchen, um in einer tiefen Beziehung mit Jesus zu leben. Unser einziges Problem ist wahrscheinlich, dass wir gar nicht wirklich wissen, was wir haben.

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Teil 1

Das Motorboot des Mennoniten

[Das Gesetz] ist ein Witwer, der eine Freundin sucht, und sie ohne Probleme in der Gemeinde findet.

Juan Carlos Ortiz (*1961)

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1

Mein erstes Buch, Das nackte Evangelium, schrieb ich auf einem Sony-Laptop. In den letzten Monaten der Fertigstellung des Buches stürzte er immer öfter ab. Als ich das Buch dann abgeschlossen hatte, entschied ich, mir einen neuen Laptop zu kaufen.

Inzwischen schreibe ich auf meinem neuen Apple MacBook. Ja, ich habe die Fronten gewechselt. Aber ich muss euch eingefleischten PC-Fans erklären, wie es dazu kam.

Ich hatte schon vorab recherchiert. Ich war mir wohl bewusst, dass MacBooks bei Verbraucherberichten zuverlässiger abschnitten. Ich wusste auch, dass Apple den besseren Kundendienst hatte. Aber das war nicht, was mich überzeugte.

Da war ich also und stand vor so vielen PC-kompatiblen Laptops in meiner Preisklasse und nur einem Modell von Apple. Ich hatte noch nie ein MacBook besessen und die Lernphase für ein neues Betriebssystem musste wirklich nicht sein. Aber gerade als ich soweit war, den Laden mit einem neuen PC unter dem Arm zu verlassen, geschah es. Ein spitzbübischer Kommentar von einem cleveren Verkäufer, und es hatte mich gepackt.

»Wissen Sie, heutzutage können Sie Windows-Software auch auf dem MacBook installieren. Sie können das ältere, vertraute Betriebssystem auf Ihrer neuen Mac-Hardware laufen lassen.«

Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist dass ich als nächstes mit einem MacBook in der Hand an der Kasse stand. Die Kompatibilität des Alten, Vertrauten mit dem strahlend Neuen war genau das, was mich überzeugte.

Welches Notebook war zuverlässiger? Das MacBook. Und welches hatte den besseren Kundendienst? Das MacBook. Trotzdem wollte ich einen Kompromiss, um mir den Übergang zu erleichtern. Ein radikaler Wechsel behagte mir nicht, zumindest nicht ohne »Stützräder«.

Wenn es um Religion und den neuen Weg geht, den wir kennenlernen sollen, ist das nicht viel anders. Wir sind gewohnt zu denken, dass wir Religion brauchen, um auf dem rechten Weg zu bleiben. Sogar wenn wir uns bei unserer Errettung von der Einfachheit von »Jesus und sonst nichts« überzeugen lassen, könnten wir langfristig versuchen, Jesus und ein bisschen Religion unter einen Hut zu bekommen. Dieselbe Versuchung, die sich mir bei dem MacBook bot, bietet sich auch, wenn wir irgendwann das Alte mit dem Neuen vermischen.

Gottes einfache Botschaft für uns ist vergleichbar mit folgender Neujahrserklärung: »Schluss mit dem Alten, her mit dem Neuen.« Durch die Schreiber der neutestamentlichen Bücher fordert Gott uns auf, unser Vertrauen fest auf seinen neuen Weg zu setzen und der Religion nicht einmal das kleinste Schlupfloch zu lassen. Gott möchte, dass wir alles auf eine Karte setzen, doch das fühlt sich riskant an. Um sicherzugehen, nehmen wir die Religion dann doch lieber mit ins Handgepäck.

Übrigens, ich habe letztlich doch keine PC-Software auf meinem MacBook installiert. Als ich nach Hause kam, funktionierte einfach alles. Und es war alles so unglaublich bedienerfreundlich. Ich glaube, ich vergaß alles über das alte Betriebssystem, als ich erst einmal verstand, dass der neue Weg von Apple einfacher und besser war.

Wie verlässt du den alten Weg der Religion ein für alle Mal? Ganz einfach. Indem du Gottes neuen Weg kennenlernst. Dann wirst du nicht mehr zurückschauen.

Jesus ist nicht kompatibel

Wenn wir die Religion der Vergangenheit mit unserem neu gefundenen Leben in Christus unter einen Hut bekommen wollen, funktioniert das nicht. Zumindest nicht, wenn wir dabei an Jesus festhalten wollen. Man kann zwar PC-Programme auf einem MacBook installieren, aber man kann Jesus nicht mit der alten Weise des Gesetzes vereinbaren.

Jesus wird niemals zum alten Weg des Gesetzes passen.

Ein Grund dafür ist seine Herkunft.

Seine Herkunft? Ja, Jesu Herkunft ist eines der stärksten Argumente dafür, den alten Weg zu verlassen und ausschließlich den ganz neuen Weg zu beschreiten.

Heute beten wir zu Jesus als unserem Hohepriester, unserem Fürsprecher bei Gott. Aber Jesus war gebürtig aus dem Stamm Juda. Und was sagte Mose, der Autor des Gesetzes, über Priester aus dem Stamm Juda? Nichts. Null. Rein gar nichts. Mose zog noch nicht einmal einen Priester aus dem Stamm Juda in Erwägung. Gott selbst verbat sich solch einen Gedanken. Gott sagte Mose, dass ausschließlich der Stamm Levi zum Priesterdienst zugelassen sei:

Dieser Priester, auf den die Schrift hinweist, gehört in der Tat einem ganz anderen Stamm unseres Volkes an, einem Stamm, von dem nie jemand den Dienst am Altar versehen hat. Denn wie wir alle wissen, kommt unser Herr aus Juda, und Mose hat nie etwas von Priestern aus diesem Stamm gesagt. (Hebr 7,13-14 NGÜ)

Jahrtausendelang kamen die alttestamentlichen Priester nur aus dem Stamm Levi. Doch dann betritt Jesus den Schauplatz und bricht alle Regeln. Er ist ein illegaler Priester; seine »Geburtsurkunde« disqualifiziert ihn für die Priesterschaft.

Warum sollte Gott so etwas tun? Warum sollte er wollen, dass Jesus in den Stamm Juda hineingeboren würde? Es wäre doch viel einfacher gewesen, wenn Jesus aus dem Stamm Levi gekommen wäre. Die Juden hätten seine levitische Autorität anerkannt. Sie hätten einfach kleine Änderungen an ihrem Verständnis von Mose vorgenommen, um Raum zu schaffen für das, was Jesus noch dazu beizutragen gehabt hätte.

Doch offensichtlich war Gott nicht an einem reibungslosen Übergang interessiert. Er wollte alles auf den Kopf stellen. Und er begann mit Jesus als einem Priester, der laut Gesetz nicht dafür qualifiziert war.

Neuer Priester = neuer Weg

Wir sehen Jesus als unseren Stellvertreter bei Gott an. Doch wie kann Jesus unser rechtmäßiger Priester sein, wenn das Gesetz das nicht zulässt? Die Antwort ist einfach und kommt direkt aus der Bibel:

Denn wenn das Priestertum verändert wird, so muss notwendigerweise auch eine Änderung des Gesetzes erfolgen. (Hebr 7,12)

Gott sagt uns, dass eine neue Art von Priestertum existiert und wir darum den alten Weg des Gesetzes nicht damit vereinbaren können. Das zu tun wäre ein massiver Widerspruch.

Wenn das Priestertum geändert wird, muss das gesamte System geändert werden.

Verstehst du das? Vor dem Hintergrund von Tausenden von Jahren, in denen immer alles genau gleich gemacht wurde, hat Gott es jetzt anders gemacht. Früher kamen die Priester aus dem Stamm Levi, aber jetzt nicht mehr. Da unser Priester einen anderen Stammbaum hat, ist der alte Weg absolut nicht mehr kompatibel mit ihm. Wenn das Priestertum geändert wird, muss das gesamte System geändert werden.

Das ist noch nicht alles. Der Schreiber des Hebräerbriefs sagt, dass Jesus ein »Hohepriester nach der Weise Melchisedeks« ist (Hebr 5,10). Man kann sich förmlich vorstellen, wie die jüdischen Leser sagen: »Melchisedek, Melchisedek … Mensch, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.« Sie blättern durch das Alte Testament und finden einen Hinweis auf ihn als »König von Salem« (1Mo 14,18). Und der Hebräerbrief schreibt, er sei »ohne Geschlechtsregister« (Hebr 7,3). Offensichtlich waren die Eltern dieses Typen nicht bekannt. Er kam aus dem Nichts! Doch Abraham ehrte ihn als einen einzigartigen Priester Gottes. Und das mehr als vierhundert Jahre vor dem Gesetz.

So, jetzt lasst uns das noch mal klarstellen. Laut Gesetz kommt Jesus also aus dem falschen Stamm, um ein Priester zu sein? Er hat den falschen Stammbaum? Und außerdem ist seine Priesterschaft nach der Weise Melchisedeks, eines geheimnisvollen Mannes, der vor dem Gesetz gelebt hatte? Ja, das stimmt. Und aus diesen Gründen lässt sich Jesus nicht mit dem alten Weg des Gesetzes unter einen Hut bringen.

Unser himmlischer Priester lädt uns auf einen völlig neuen Weg ein.

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2

»Neuer Weg, alter Weg – das macht doch keinen Unterschied! Würdest du mich kennen, könntest du es verstehen. Religion ist nicht so mein Ding. Ich bin da nicht so engagiert. Ich bin eigentlich eher ein schwacher Christ.«

Vielleicht denkst du, du hättest ein paar richtig schlimme Sünden begangen. Oder vielleicht kämpfst du an der einen oder anderen Stelle noch damit. Also denkst du, dass der Gedanke, Gott in vollen Zügen zu genießen, wahrscheinlich nicht dir gilt. Wenn das der Fall ist, möchte ich dir eine Frage stellen:

Wie viele Menschen hast du umgebracht?

Ja, du hast richtig gelesen. Wie viele Menschen hast du umgebracht? Ich stelle dir diese Frage, weil ein Großteil der Bibel von Mördern geschrieben wurde. Mose brachte im Zorn einen Ägypter um. David tötete einen Typen, weil er seine Frau haben wollte. Und Paulus hat in seinem religiösen Stolz Christen umgebracht. Hier ein Auszug aus seinem hässlichen Lebenslauf:

Viele der Heiligen ließ ich ins Gefängnis schließen, wozu ich von den obersten Priestern die Vollmacht empfangen hatte, und wenn sie getötet werden sollten, gab ich die Stimme dazu. Und in allen Synagogen wollte ich sie oft durch Strafen zur Lästerung zwingen, und über die Maßen wütend gegen sie, verfolgte ich sie sogar bis in die auswärtigen Städte. (Apg 26,10-11)

Wie groß sind deine Sünden, verglichen damit, Christen zu töten? Und wie »anders« ist deine Situation? Seien wir ehrlich – das Einzige, was uns davon abhält, Gott zu genießen, ist, dass wir glauben, wir wären dafür nicht qualifiziert. Aber die folgende Nachricht ist für dich: Deine Sünden sind klein. Dein Gott ist groß. Und du bist qualifiziert.

Unser Vertrag mit Gott

Wie können wir also Gott ohne Religion erleben? Ich glaube, der Schlüssel liegt darin, dass wir unseren Vertrag mit Gott verstehen. Unseren Vertrag? Ja, Vertrag. Unser Vertrag mit Gott ist besser, als wir uns möglicherweise vorstellen können. Er ist besser als die unbeständige Religion, die wir fabriziert haben. Er ist besser als der christliche Jargon, den wir uns zurechtgelegt haben. Und er ist besser als der alte Weg, mit dem wir neben Jesus schon seit der Zeit der Urgemeinde hausieren gehen. Unser Vertrag mit Gott lädt uns dazu ein, etwas zu erleben, wovon die Menschen aus dem Alten Testament nur träumen konnten. Sie haben offensichtlich nie das erlebt, was wir heute haben. Die Helden des Alten Testaments waren wesentlich engagierter als die meisten von uns heute. Aber das scheint nicht zu interessieren. Wir machen trotzdem das bessere Geschäft als sie damals:

Deine Sünden sind klein. Dein Gott ist groß. Und du bist qualifiziert.

Und diese alle, obgleich sie durch den Glauben ein gutes Zeugnis empfingen, haben das Verheißene nicht erlangt, weil Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollendet würden. (Hebr 11,39-40)

Warum ist unser aktueller Vertrag mit Gott so viel besser? Um das zu beantworten, erzähle ich euch von einer kaputten Ehe.

Ein Gott der Scheidung?

David und Shelly waren neun Jahre verheiratet. Die ersten paar Jahre waren sie im siebten Himmel. Doch David war sich recht wenig bewusst, dass Shelly Pläne hatte, ihn zu verändern, sonst …

Shelly mochte David wirklich, aber sie sah Dinge an ihm, die sie »überarbeiten« wollte. Wenn sie ihn verändern könnte, würde sie bei ihm bleiben. Aber wenn David sich nicht ändern würde, nun, dann wäre alles denkbar, keine Ahnung – vielleicht sogar Scheidung.

David ging ein bisschen naiv in die Ehe. Er ging davon aus, dass Shelly ein Leben lang bei ihm bleiben würde. Er war ganz schön überrascht, als Shelly anfing, sich über seine Bequemlichkeit, seinen schlecht bezahlten Job und seine fehlende Antriebskraft zu beschweren. »Warum kannst du nicht ein bisschen mehr wie dein Bruder sein? Der hat einen Plan und eine Zukunft. Der weiß, wo er im Leben hin will. Du hast nicht die geringste Ahnung! Erwartest du etwa, dass ich bei dir bleibe, wenn du weiter deinen schlecht bezahlten Job behältst, der dir keine Aufstiegschancen bietet, und uns nicht aus diesem Loch hier rausholst?«

Gottes Eheversprechen gilt wirklich »in guten wie in schlechten Tagen«.

David arbeitete hart. Er hatte zwei Jobs: Unter der Woche arbeitete er auf dem Bau und am Samstag verkaufte er Autos. Er tat, was er konnte. Aber es reichte Shelly nicht. Ihre Anforderungen waren einfach zu hoch. Alle paar Monate setzte sie ihm richtig zu. Sie machte ihn schlecht und gab ihm das Gefühl, ein Nichts zu sein. Dann drohte sie ihm, ihn zu verlassen. David entschuldigte sich und machte verzweifelte Versuche, ihr zu gefallen.

David arbeitete Doppelschichten. Dann wechselte er seine Stelle, um noch mehr Geld zu verdienen. Doch Shelly beschwerte sich immer noch, dass David ihr nicht das Leben bieten könne, das sie sich erhofft hatte.

Es brach David das Herz. Er liebte Shelly über alles und wollte ihr um jeden Preis gefallen. Doch er schaffte es einfach nicht! Egal wie sehr er es auch versuchte, er konnte sie nicht auf Dauer glücklich machen.

Schließlich traf Shelly ihre Entscheidung. Sie ging zum Anwalt und reichte die Scheidung ein. Bald würde alles vorüber sein und dann würde sie vielleicht endlich jemanden finden, der ihr das geben können würde, was David nicht geschafft hatte.

Klingt das nach einer Ehe, die dir gefällt? Wärst du gerne an Davids Stelle? Die meisten von uns würden doch gerne darauf verzichten! Aber wäre es für uns nicht genau dasselbe, wenn wir unsere Errettung verlieren könnten? Wir wären (geistlich) mit jemandem verheiratet, der uns ständig bewerten würde und jederzeit bereit wäre, die Scheidung einzureichen.

Gott hasst Scheidung. Das wissen wir aus der Bibel. Doch wer behauptet, wir könnten unsere Errettung verlieren, sagt, dass wir zwar die Braut Christi sind, Gott aber sofort die Scheidung einreicht, wenn wir seinen Anforderungen nicht entsprechen!

Ein völlig neuer Weg

Wenn wir zu Jesus kommen, treten wir in eine neue Art der Beziehung zu Gott ein. Dieser neue Weg vernichtet sogar die entfernteste Möglichkeit, dass Gott sich von uns »scheiden« lassen könnte. Gottes Eheversprechen gilt wirklich »in guten wie in schlechten Tagen«. Jesus führte einen besseren Bund mit Gott ein (Hebr 8,22; 9,15). Dieser ist mit nichts Früherem vergleichbar. Er befähigt uns, Gott ohne den steinigen Weg der Religion zu erleben. Es geht um Folgendes:

Kopf hoch! Die Tage kommen, an denen ich einen neuen Plan fassen werde, wie ich mit Israel und Juda verfahren werde.

Ich werde den alten Plan verwerfen, den ich mit ihren Vorfahren hatte, als ich sie an der Hand aus Ägypten geführt habe.

Sie haben ihren Teil des Vertrages nicht eingehalten, darum habe ich mich abgewendet und sie gehen lassen.

Dieser neue Plan, den ich mit Israel schließen werde, wird nicht auf Papier geschrieben und nicht in Stein gehauen werden.

Dieses Mal schreibe ich den Plan in sie hinein, graviere ihn auf die Zeilen ihres Herzens.

Ich werde ihr Gott sein, sie werden mein Volk sein.

Sie werden nicht mehr zur Schule gehen müssen, um etwas über mich zu lernen oder ein Buch darüber kaufen, wie sie »Gott in fünf Lektionen kennenlernen« können.

Sie werden mich aus erster Hand kennenlernen, die Kleinen und die Großen, die Jungen und die Alten.

Sie werden mich kennenlernen als den, der ihnen freundlich vergibt und die Kartei ihrer Sünden für immer auslöscht.
(Hebr 8,8-12, übertragen aus der engl. »Message«)

Hast du mitbekommen, welche Probleme der alte Weg der Religion bereitet? Genauso wie David es nicht schaffte, Shellys Erwartungen zu erfüllen, heißt es hier, dass Israel seinen Teil des Vertrages nicht einhielt (V. 9). Und was war das Ergebnis? Gott wendete sich von ihnen ab.

Aber unter dem Neuen Bund ist dieses Problem gelöst.

Zunächst einmal schreibt Gott seine Wünsche in unsere Herzen, damit wir das wollen, was er will. Zweitens erhalten wir einen Platz an seinem Tisch als Teil seiner Familie. »Sie werden mich aus erster Hand kennenlernen«, sagt er. »Sie werden mich kennenlernen als den, der ihnen freundlich vergibt und die Kartei ihrer Sünden für immer auslöscht« (V. 11-12). Ein brandneues Herz und eine ausgelöschte Sündenkartei machen Gottes neuen Weg zu etwas völlig anderem.

Unter dem alten Weg ist keiner »meinem Bund treu geblieben, deshalb habe ich mich von ihnen abgewandt« (Hebr 8,9). Im Alten Testament schafften es selbst die eifrigsten religiösen Diener nicht, Gott zu beeindrucken und in seiner Gnade zu bleiben. Das ist ein echtes Problem, denn heutzutage würden die meisten von uns nicht annähernd die gleichen Anstrengungen unternehmen! Die Diener des Alten Testaments arbeiteten pausenlos daran, alles richtig zu machen. Und Gott wendete sich trotzdem von ihnen ab. Es hat einfach nicht ausgereicht.

Doch Gott hat den alten Plan verworfen (Hebr 8,9), und der neue Weg kam auf den Tisch, um alles zu lösen. Das Geheimnis des neuen Weges ist, dass es nicht um uns geht, sondern um Gottes Treue zu sich selbst!

Es geht nicht um dich!

Gottes Neuer Bund ist völlig anders. Es geht nicht um unsere Leistung. Unsere Unterschrift unter den Vertrag ist nicht erforderlich. Wir profitieren zwar davon, setzen ihn aber nicht in Kraft oder halten ihn aufrecht. Gott löst das alte Problem mit der Treue. Jetzt geht es um die Treue von jemand anderem.

Unter dem alten Weg fand Gott Fehler bei dem Volk. Unter dem neuen Weg machte Gott sich selbst ein Versprechen. Er wollte keinen anderen miteinbeziehen, der es sich vielleicht anders überlegen würde. Diesen Weg hatte er ja bereits hinter sich!

… damit wir durch zwei unveränderliche Dinge, bei denen Gott doch unmöglich lügen kann, einen starken Trost hätten, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die vorhandene Hoffnung zu ergreifen. Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker der Seele, der in das Innere des Vorhangs hineinreicht. (Hebr 6,18-19 ELB)

Was sind die zwei unveränderlichen Dinge? Gott und Gott. Wir sind in diesen Vertrag nicht einbezogen, weil Gott wusste, wo das hinführen würde! Stattdessen geht es in diesem Neuen Bund um Gottes Versprechen sich selbst gegenüber. Gott lügt nicht. Darum ist sein neuer Plan ein »sicherer und fester Anker der Seele« (Hebr 6,19).

In diesem Neuen Bund geht es um Gottes Versprechen sich selbst gegenüber.

Stell dir mal den Titan Atlas aus der griechischen Mythologie vor, der die Welt auf seinen Schultern trägt. Das erinnert mich an Christen, die von ihrer Schuld gegenüber Gott überwältigt sind. Sie leiden an einem Atlas-Komplex, weil sie denken, das Gewicht der ganzen Welt läge auf ihren Schultern. In ihrem Denken dreht sich alles darum, wie sie Gott gegenüber gehorsam und treu sein und vor ihm gut dastehen können. Wenn sie Gott zu sehr enttäuschen, dann könnten sie ihre Errettung verspielen. Sie fürchten, dass es ewige Auswirkungen haben könnte, wenn ihre moralische Stärke sie im Stich ließe. So führen sie ein angespanntes, verkrampftes und schweißtreibendes Leben, weil sie ihre Errettung auf ihren eigenen Schultern tragen.

Wann immer ich einen Christen getroffen habe, der glaubte, er könne seine Errettung verlieren, hat er das immer mit sich selbst begründet. Was ist, wenn ich Selbstmord begehe? Was ist, wenn ich mich scheiden lasse? Was ist, wenn ich aufhöre zu glauben? Was ist, wenn ich …? Egal, wie der Satz weitergeht, es ist immer dasselbe. Jedes hypothetische Szenario macht uns zum Unsicherheitsfaktor der Gleichung.

Doch unsere Treue zu Gott ist ein Problem des Alten Bundes, das durch den Neuen gelöst wurde. Unter dem Neuen hat Gott das Undenkbare geleistet: Er hat uns aus der Gleichung entfernt. Unsere Errettung und unsere Treue hängen jetzt nur noch von Ihm ab:

Wenn wir untreu sind, so bleibt er doch treu; er kann sich selbst nicht verleugnen. (2Tim 2,13)

Sogar unser geistliches Wachstum ist allein von ihm abhängig.

… weil ich davon überzeugt bin, dass der, welcher in euch ein gutes Werk angefangen hat, es auch vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi. (Phil 1,6)

… und nicht festhält an dem Haupt, von dem aus der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengehalten, heranwächst in dem von Gott gewirkten Wachstum. (Kol 2,19)

Religion will uns weismachen, dass wir ein wesentlicher Teil der Gleichung sind. Wir müssen etwas »tun«. Und wir haben es erst geschafft, wenn wir im Himmel ankommen und dann feststellen, dass es »gereicht« hat. Im Gegensatz dazu geht es bei dem neuen Weg nur um das, was Jesus getan hat, um dadurch eine unzerstörbare Beziehung zu Gott und garantiertes Wachstum in ihm zu schaffen.

Bei Gottes neuem Weg geht es nicht um uns. Es hängt alles an ihm. Und Gottes neuer Weg macht es uns möglich, in das lebenslange Abenteuer einzusteigen, Jesus ganz vertraut zu kennen, ohne dass Religion das abtötet.

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3

Als ich eines Tages den Gang der University of Notre Dame entlangging, wurde ich Zeuge eines Gesprächs, das ich nie vergessen werde. Als ich gerade an der Tür zu einem Hörsaal vorbeiging, fragte eine Studentin ihren Professor: »Warum war Gott im Alten Testament so anders zu den Menschen?«

Es war eine theologische Vorlesung, die von einem Priester gehalten wurde, und die Frage der Studentin interessierte mich sehr. Also blieb ich wie angewurzelt stehen, um zuzuhören.

»Gott hat die Menschen im Alten Testament gar nicht so anders behandelt«, antwortete der Priester. »Das Alte und das Neue Testament sind sich ziemlich ähnlich darin, wie sie Gottes Eingreifen in unser Leben beschreiben.«

Die Studentin schien von der Antwort verwirrt zu sein. Aber der Professor war schließlich Priester, also musste er es wohl wissen. Ich sah, wie sie sich einige Notizen machte. Der Priester ging zum nächsten Punkt über.

Wärst du auch der Meinung, dass Gottes Eingreifen in das Leben von Menschen im Alten und im Neuen Testament ähnlich war? Klar, Gott selbst hat sich nicht verändert. Aber wie wir gesehen haben, ist der Vertrag, mit dem er in eine Beziehung zu uns tritt, völlig anders. Es wurde eine Trennlinie gezogen. Das zu missachten würde bedeuten, dass wir die Rolle von Jesu Erscheinen auf der Bildfläche völlig missverstünden.

Unter dem alten Weg wurde Gott zornig, wenn Israel sündigte. Unter dem neuen Weg sind wir vor Gottes Zorn gerettet (Röm 5,9). Unter dem alten Weg wurden die Menschen mit der jährlichen Erinnerung an ihre Sünden belastet. Unter dem neuen Weg gedenkt Gott unserer Sünden nicht mehr (Hebr 8,12). Unter dem alten Weg kam der Heilige Geist zeitweise auf einzelne Menschen, damit sie ihren Dienst ausführen konnten. Unter dem neuen Weg lebt Gottes Geist auf ewig in uns (Eph 1,13-14). Unter dem alten Weg flehte David Gott an, seinen Geist nicht von ihm zu nehmen. Unter dem neuen Weg sind wir ein Geist mit Gott geworden (1Kor 6,17). Und er wird uns niemals verlassen (Hebr 13,5).

Die Art, wie wir zu Gott in Beziehung treten, ist heute völlig anders. Es gab einen Wechsel der Systeme, der den alten Weg hinfällig gemacht hat (Hebr 7,12; 8,8-9). Er wurde weggetan, weil er »schwach« und »nutzlos« war und uns vor Gott nicht gerecht machen konnte (Hebr 7,18-19; 8,13; 10,8-10). Folglich gibt es nur eines, worüber wir heute in der Gemeinde predigen können – den Neuen Bund, nichts anderes:

… der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des Neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes; denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. (2Kor 3,6)

»Ladendieb, Ladendieb!«

»Wir haben ihn auf Band! Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt!« sagte ich zu Aidans Vater. Aber er zeigte sich unbeeindruckt. »Warum hast du Aidan das angetan? Was bist denn du für ein Freund?« fragte er.

Ich war fassungslos. Ich hatte gedacht, Aidans Vater wäre stolz auf mich, dass ich das Verhalten seines Sohnes verfolgt und Beweise gesammelt hatte. Mein Freund Tony und ich waren zusammen in der Mittelstufe und wir gingen in eine Gemeinde, die von unseren Eltern gegründet worden war. Wir sahen uns schon in jungen Jahren als Eigentümer, ja vielleicht sogar als junge Leiter der Gemeinde. Wir waren sehr stolz und religiös und heckten einen Plan aus, um einen unserer eigenen Freunde in die Falle zu locken.

Ich brachte den Kassettenrekorder mit und Tony stellte die Fragen. Wenn wir Aidan dazu bringen könnten, zuzugeben, geklaut zu haben, würden wir bestimmt eine Belohnung dafür bekommen.

Die Sonntagsschule war gerade vorbei und bis zum Gottesdienst waren es noch 15 Minuten. Wir Kinder gingen zum Kiosk runter, um etwas zu essen und zu trinken zu kaufen. Wir hofften, dass Aidan noch einmal sein »Können« unter Beweis stellte. Dieses Mal waren wir gerüstet, ihn auf frischer Tat zu ertappen!

Natürlich verließ Aidan den Kiosk mit ein paar geklauten Süßigkeiten in der Jackentasche. »Was hast du denn da, Aidan?« fragte Tony. In der Zwischenzeit streckte ich meinen Arm in Aidans Richtung (Ich hatte selbst etwas im Ärmel meiner Jacke versteckt – den Kassettenrekorder!).

Als wir zur Gemeinde zurückgingen, hatten wir den nötigen Beweis. Aidan gab an diesem Morgen nicht nur zu, dass er dieses Mal geklaut hatte, sondern auch noch bei anderen Gelegenheiten.

»Junge, Aidans Papa wird vielleicht stolz auf uns sein, dass wir ihn uns vorgenommen haben!«, dachten wir. Aber nachdem wir Aidans Papa das Band vorgespielt und seine zornige Antwort gehört hatten, konnten Tony und ich nur verwirrte Blicke austauschen. Wie hatte das nur schiefgehen können? Warum waren wir nicht die Helden?

Tief drinnen wussten wir, dass Aidans Vater Recht hatte. Denn was hatten wir eigentlich erreicht? Nichts von dem, was wir getan hatten, war aus Liebe geschehen. Und das Ergebnis war, dass Aidan monatelang nicht mit uns redete. Wir hatten unsere Beziehung zu ihm zerstört, als wir ihn »überführen« wollten.

Die Art, wie wir damals Aidan behandelt haben, erinnert mich an das, was mit Menschen unter dem Gesetz geschieht. Wir werden hart und richtend. Und wir beginnen, Beweise gegeneinander zu sammeln. Damit verstoßen wir gegen genau das Gesetz, das wir behaupten einzuhalten.

Du verkündigst, man solle nicht stehlen, und stiehlst selber? Du sagst, man solle nicht ehebrechen, und brichst selbst die Ehe? Du verabscheust die Götzen und begehst dabei Tempelraub? Du rühmst dich des Gesetzes und verunehrst doch Gott durch Übertretung des Gesetzes? Denn der Name Gottes wird um euretwillen gelästert unter den Heiden, wie es geschrieben steht. (Röm 2,21-24)

Unser Problem mit dem Alten

Also, was genau ist das Problem mit dem alten Weg? Das Gesetz zeigt mit seinem heiligen Finger auf uns und bringt uns alle zum Schweigen. Durch das Gesetz werden wir uns unserer Sünde nur noch bewusster:

Wir wissen aber, dass das Gesetz alles, was es spricht, zu denen sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden kann; denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. (Röm 3,19-20)

Das Gesetz drängt uns clever in die Ecke und zeigt uns, dass wir Gefangene der Sünde sind (Gal 3,19-24). Nachdem das Gesetz uns unsere Sünde aufgezeigt hat, bietet es uns keine wirkliche Lösung an. Das Gesetz kann uns in der nahen Zukunft keine neue Geburt, kein neues Leben und keine Hoffnung geben (Gal 2,16; 3,21).

Das Gesetz zeigt mit seinem heiligen Finger auf uns und bringt uns alle zum Schweigen.

Unter dem Gesetz zu sein ist so ähnlich, wie unter einem Fluch zu stehen (Gal 3,10). Die Forderungen, die das Gesetz an uns stellt, sind nicht schwierig, sie sind unmöglich zu erfüllen! Wenn das Gesetz schreit, »du sollst nicht sündigen!«, erregt es gleichzeitig immer noch mehr Sünde in uns (Röm 7,5 ELB). Hier sind wir nun, ohne Hoffnung, dem Maßstab gerecht zu werden, und mit jeder weiteren Minute wird alles nur noch schlimmer.

Weil das Gesetz der Sünde die Möglichkeit gibt aufzublühen (Röm 7,8), wird es zum Dienst der Verdammnis (2Kor 3,7). Ja, Gott brachte das Gesetz ins Spiel, damit unsere Sünden zunähmen, nicht abnähmen:

Das Gesetz aber kam daneben hinzu, damit die Übertretung zunehme. Wo aber die Sünde zugenommen hat, ist die Gnade überreich geworden. (Röm 5,20 ELB)

Wenn sich jemand dem alten Weg des Gesetzes zuwendet, um Antworten zu erhalten, kann er davon ausgehen, dass er mehr sündigt und nicht weniger. Hast du jemals in Betracht gezogen, dass deine selbst auferlegten religiösen Forderungen möglicherweise überhaupt erst der Grund für deinen Kampf gegen die Sünde sind? Die einzige Möglichkeit, unter dem Gesetz Erleichterung zu erleben, ist, die Regeln zu brechen, wenn die Leute nicht hinsehen. Aber wie wir als Nächstes sehen werden, tragen wir am Ende für alle sichtbar unseren Ungehorsam zur Schau!

Das Motorboot des Mennoniten

Als wir im Norden des US-Bundesstaates Indiana lebten, lernten wir viel über die Kultur der Mennoniten. In dieser Gegend gibt es drei Hauptrichtungen von Mennoniten. Am leichtesten kann man sie an der Art ihrer Fortbewegung unterscheiden. Einige verzichten ganz auf das Autofahren. Andere fahren nur schwarze Autos ohne jeden Schnickschnack. Und bei der dritten Gruppe fährt jeder das Auto, das ihm gefällt.