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Reiner Hänsch

DIE FAXEN DICKE

Vom Sauerland ins Paradies … und zurück

– Ein Urlaubsroman –

FUEGO

– Über dieses Buch –

Alex Knippschild braucht Urlaub. Unbedingt. Jedenfalls meinen das seine Kollegen in der Redaktion des „Sauerlandbeobachters“, einem kleinen, tapferen aber unbedeutenden Anzeigenblättchen, das das um alle herum liegende Sauerland zwar sehr aufmerksam beobachtet, aber leider nie etwas zu berichten hat. In dieser extrem ereignisarmen Gegend passiert einfach nix – außer dröhnenden Schützenfesten und feierlichen Prämierungen der schönsten Kühe natürlich. Alex ist frustriert, genervt und seit einiger Zeit auch gar nicht mehr so richtig nett. Und das war er doch immer!

Er hat ganz einfach die Faxen Dicke! Also Urlaub. Naja, warum eigentlich nicht? Und so reist die Familie Knippschild eines schönen Tages auf die Trauminsel Ko Samui ins ferne exotische Thailand. Was sie dort allerdings erwartet, übertrifft die schlimmsten Befürchtungen bei weitem. Dieser Urlaub ist für die drei Knippschilds eine einzige Prüfung, eine Heimsuchung – einfach nur die Pest. Trotzdem versucht man sich zu arrangieren mit dem finsteren, üblen Urlaubsmoloch, der die arme Familie fest im Griff hat. Und fast scheint man es auch zu schaffen, als plötzlich etwas Unglaubliches passiert ... im fernen Sauerland!

 

Vom Sauerland zum Palmenstrand

sind’s viele Kilometer

manche woll’n da gar nich’ hin

manche vielleicht später

 

Sonne, Sand, Moskitostich

wir sind mal eben wech

Urlaub is’n schönes Ding

doch manche haben Pech

 


 

„Eine irre, verdammt witzige Geschichte ums nackte Überleben in einem scheinbar ganz normalen Pauschalurlaub.“

Anke Niggeloh vom „Sauerlandbeobachter“

„Dieser Roman wird dir gefallen, weil du selbst drin vorkommst.“

Jan Vorwärts, Weltreisender

„Wat ham we gelacht!“

Hermann-Josef Brinkmann, Kassenwart TUS Schwattmecke

 

 

 

 

„Urlaub? Na gut.

Man muss sich eben dran gewöhnen.“

Alex Knippschild

 

„Bügeleisen aus?”

Steffi Knippschild

 

„Fahr doch mal zum Pimmelfelsen!“

Max Knippschild

 

„Isch glaub, isch hob se net olle!“

Cherry (Cherestulama Hiradokinam)

Urlaub - muss dat sein?

Die einen sagen so, die anderen so. Auf jeden Fall scheint der Urlaub wohl den einzigartigen Effekt zu haben, dass man hinter­her nicht mehr der ist, der man vorher war. Urlaub verändert also den Menschen, wie es aussieht. Und das könnte doch gut sein.

Aber: Es sieht nicht immer gut aus.

In der Ankunftshalle eines beliebigen deutschen Flughafens bekommen wir sie manchmal zu Gesicht. Die Urlauber. Sie sind gar nicht scheu. Mehr als zutraulich sogar. Man kann sie eigentlich kaum übersehen. Ledergegerbt, rotverbrannt, manchmal noch qualmend und versalbt oder verpflastert und soeben wieder brutal in der unwirtlichen Heimat ausgesetzt - aber noch nicht angekommen.

“Boah, is dat kalt hier bei euch!”

Klar, wenn man vierzehn Tage Thailand hinter sich hat, dann hat man überhaupt keine Erinnerung mehr an dieses Land im Norden der Welt, wo sozusagen ganzjährig und recht zuverlässig schockfrostige und nasse sieben Grad herrschen.

Und “bei euch!” sagen sie, so, als gehörten sie schon gar nicht mehr dazu - zu uns, den armselig Zurückgebliebenen. So, als seien sie schon längst selbst und selbstverständlich Südländer, Wüstenbewohner, Muscheltaucher oder neu-guineische Einbaumfahrer geworden und noch ganz eins mit dieser anderen verheißungsvollen Welt. So, als könnten sie sich keinesfalls mehr in die harten und widrigen Lebensumstände eines ganz normal miesepetrigen, fröstelnden Nordhalbkugelbewohners hineinversetzen. Einige von ihnen haben es nicht einmal geschafft, sich die Neon-Badelatschen von den Füßen zu ziehen, oder Bermudas, T-Shirts und Sonnenbrillen gegen dicke Mäntel, lange Unterhosen und Schneebrillen einzutauschen. So sieht’s aus.

Wir sehen re-integrationsunfähige Gestalten mit großflächig abgelösten und teilweise auch schon wieder nachgewachsenen Hautfetzen und fast verheilten Narben im Gesichts- und Schulterbereich. Wie gesagt, es sieht nicht gut aus, aber tatsächlich so, als hätte er was gebracht - der Urlaub. Veränderung.

Zumindest schon mal äußerlich.

Aber abgesehen von den sehr deutlichen und sicherlich auch schmerzhaften körperlichen Versehrungen, scheinen sie trotzdem ganz glücklich zu sein - unsere Zurückgekehrten.

Warum?

Und kaum haben sie uns farblose, totenbleiche Nachtschattengewächse des ewigen Eises entdeckt, schmettern sie uns atemlos die Erfolgsmeldungen “Spitzenhotäll!”, “Super-Büffeh!”, “Fümf Stärne!” und “Wätter einmalich!” entgegen. “Ach, war dat härrlich!” darf natürlich auch nicht fehlen

Ja, ein wenig beneiden wir sie schon, diese Aussätzigen, diese Gezeichneten. Sie sind so anders.

Wir wollen auch mal Urlaub!

Aber wir sind ja auch bald dran. Bald schon ist es soweit und dann geht es auch für uns los in das letzte wirklich große Abenteuer der Menschheit, das dann vielleicht “Zwai Woch’n Oll Inkel Dom Räpp achthundatfümmenneunzich Euro” heißt oder für manche auch vielleicht nur “Zelten am Steinhuder Meer - deutlich billiger”.

Urlaub - der nackte Kampf ums Überleben.

Ach, wird das schön. Die wochenlange Planung, das ewige Umschmeißen und Ändern dieser großartigen Pläne und Termine, weil alles so ja gar nicht geht. Ein kleiner erster Streit. Und dann das ganze schöne Gefreue vorher, bis es dann endlich, endlich soweit ist: Um vier Uhr nachts aufstehen, ohne eine einzige Sekunde von dem wirklich notwendigen Schlaf bekommen zu haben, Taxiabholung in der allerletzten Minute vor dem Herzanfall, dann zum Flughafen in der viel zu weit entfernten bösen Großstadt, Ladegerät und Deoroller vergessen, fast zu spät zum Gate gekommen, Koffer zu schwer, ein weiterer kleiner, ganz unbedeutender Familienstreit in der Abflughalle, kein Frühstück, schlechte Plätze in der zwanzigsten Reihe, von den Kindern getrennt, Handgepäck passt nicht in die verdammte Klappe über dem Sitz. Dann wieder anschnallen, heftige Turbulenzen, vierzehn Stunden Flug mit Übelkeit und Erbrechen, Toiletten ständig besetzt … ach, wird das herrlich!

Und dann erst: Ankommen, wo man noch nie war und wo man nix kennt, sich alles ganz anders vorgestellt hat, wieder ein wenig Familienstreit hat, außerdem Kopfschmerzen und kotzende Kinder. Wunderbar! Hitze, Mücken, fremde Währung, Diebe, Betrüger und schlechtes Essen, Krankheiten, Seuchen, Verletzungen, Entstellungen und erste Todesfälle. Die Reihen lichten sich. Vierzehn Tage! Das ist nur was für die ganz Harten. Doch wir kämpfen Tag für Tag unerbittlich. Dieser scheiß Urlaub wird uns nicht kleinkriegen. Nein. Uns nicht!

Und dann … geht es doch so schnell und unerwartet dem plötzlichen Ende entgegen und wir sagen “schade!”

Warum?

Ernste drängende Fragen und Unsicherheiten tauchen plötzlich in der letzten Minute auf. Alles gesehen? Nichts verpasst? Genug gekauft? Braun geworden? Bin ich erholt? Alles gemacht?

Denn man macht ja den Urlaub, das Land, die Region. “Lätz’s Johr homma Ägüppten gemocht! Soogenhofft! Näch’s Johr moch mer Dailond!”

Und jeder macht ja anders Urlaub. Man kann sogar nach Nationalitäten unterscheiden. Die Japaner zum Beispiel schaffen es locker, in fünf Tagen die Highlights Europas zu machen. Klar, da wird es schon mal etwas hektisch. Das ist aber kein Problem für das ohnehin recht emsige asiatische Völkchen. Ein durchschnitt-licher Sauerländer zum Vergleich macht in vierzehn Tagen gerade mal Neuharlingersiel und drei Fischbuden. Er urlaubt einfach intensiver und auch akribischer, wie es scheint. Die Japaner bekommen ja während ihrer Überfall-Blitztour überhaupt nichts mit. Eiffelturm, Brandenburger Tor, Colosseum. Sashimi Futomaki. Nix gesehen! Brauchen sie ja auch nicht. Sie fotografieren einfach alles und schauen gar nicht erst hin. Das spart richtig Zeit und hinschauen kann man ja dann hinterher zuhause hinter dem Papierparavent in Tokio bei einem schönen Glas Sake. Ist ja viel bequemer. Jaja, die Japaner saufen also. Aber in dezenter Zurück-haltung erst zuhause wieder.

Aber im Urlaub und ohne Zurückhaltung da saufen die alten Schweden und sind dementsprechend auch zwei Wochen ohne eigentliche Besinnung. Die Italiener machen Krach, streiten sich ständig und saufen natürlich auch. Auch die Engländer saufen, sind aber außerdem noch tätowiert, haben erst gar keine T-Shirts in den Urlaub mitgenommen und sind einfach eben asi. Und die Russen … naja, also die Russen … die saufen natürlich … aber nee, lassen wir die Russen mal lieber ganz außen vor.

Ach, ist das schön mit den Vorurteilen! Herrlich. Und meistens stimmt ja alles. Wir zum Beispiel, die Deutschen, saufen selbstverständlich auch und tragen außerdem noch weiße Socken in Sandalen. Wir legen abends Handtücher auf die morgendlichen Pool-Liegen und würden am liebsten auch einen Zaun drum bauen. Und wir haben in den urläublichen Speisesälen als Erste einen riesigen, äußerst belastbaren, hochrandigen Teller in der Hand und sind durchaus in der Lage, ganze Buffets leerzufressen, bevor die anderen kommen. Weil ja alles bezahlt ist. Oll Inkel eben. Nee, nee, wir haben alles unter Kontrolle und alles im Griff. Und wir verstehen nicht viel Spaß im heiligen Urlaub. Es muss eben alles geregelt sein. Man ist ja schließlich nicht zum Vergnügen hier.

Und dann spuckt uns endlich der unbarmherzige Urlaubsmoloch doch wieder aus - irgendwo auf einem heimatlichen fernen, fast vergessenen Flughafen. Und nun sind wir die Gezeichneten, die Anderen, die Urlauber. Fremde Wesen, zurück aus einer unwirklichen Zwischenwelt.

“Boah, is dat kalt hier! Komm, Hättwich, lass we schnell widder umdreh’n, woll!”

Ja, ja, das alles wollen wir erleben.

Also, Urlaub: Das muss sein!

 

 

Dann lies mal schön weiter. Jetzt fängt es an!

Oktober im Sauerland:
Et plästert und man plant

„Was heißt denn SupZiDuTeKliMe?“, frage ich Steffi, die neben mir auf dem Teppich unseres großen, schönen Wohnzimmers inmitten der ausgebreiteten Prospekte liegt und mit lüsternen Blicken und bereits leicht geröteten Augen durch die Angebote der Urlaubsparadies-Kataloge hechelt.

„Superior-Zimmer mit Dusche, Terrasse, Klimaanlage und Meeresblick. Ist doch klar, Alex!“, wirft sie mir kopfschüttelnd meine Ahnungslosigkeit vor.

Hach. Ja. Ist ja schon gut.

„Und StaziRadVenoDu?“, wage ich trotzdem noch zu fragen.

„Standardzimmer mit Radio, Ventilator, ohne Dusche. O-Du! ALEX! Das Allerletzte! Du denkst doch wohl noch nicht mal im Traum dran! Keine Dusche, keine Air Con! Ts, ts, ts“, entrüstet sie sich fassungslos, schüttelt noch mal ihren hübschen Kopf mit der neuen Frisur, die sie seit gestern hat, die aber der seit Wochen andauernde Sauerländer Scheißregen auf dem Weg vom Friseur nach Hause leider wieder komplett zerstört hat. Sie sieht aber auch ohne Frisur schön aus. Natürlich.

Meine Steffi.

Doch jetzt funkelt sie mich geradezu böse an. Nein, nein, liebe Steffi, ein StazioDu und ohne Air Con käme natürlich nicht in Frage. Obwohl es recht günstig zu sein scheint, wenn man durch die hochwissenschaftlich aufgebauten Preiskategorie-Tabellen erst mal durchsteigt und die Preise dann auch wirklich lesen kann. Also weiter.

Urlaub?! Muss das sein? Nach Meinung meiner Kollegen in der Redaktion unbedingt.

 

Ich bin Redaktionsleiter einer kleinen Zeitung, dem wöchentlich erscheinenden, kostenlosen Sauerlandbeobachter mit Sitz in Leckede-Hintersten mitten, nein, leider ganz hinten im besagten Sauerland eben. Wir sind ein bescheidenes Anzeigenblättchen mit immer schon ein paar Tage alten Neuigkeiten und Berichten aus der Region. Mit mir im Ausguck beobachtet unser Blatt schon seit ungefähr vier Jahren äußerst kritisch und aufmerksam das gesamte Sauerland – und hat meistens leider nichts Bemerkenswertes zu berichten.

Natürlich könnte ich es mir zwischen Schützenfestreportagen, Fotos von preisgekürten Kühen und dem dramatisch sinkenden Milchpreis gemütlich machen, aber das will ich nicht. Nein, ich will aus diesem Heftchen eine richtige Zeitung machen. Mit Anspruch, Richtung und Haltung.

Das muss gehen!

Leider passiert eben nur meistens wirklich so rein gar nichts, was Anspruch, Richtung und Haltung überhaupt verlangt. Ungerechtfertigte Spritpreiserhöhungen und hemmungslos bejubelte und überbewertete Aufführungen der Volksbühne sind hier zwar brandheiße Themen, die die Bevölkerung aufwühlen, aber ich hoffe sehr, dass mal wirklich was passiert.

Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wäre das ein korrupter Politiker oder so. Unser Bürgermeister Blömecke würde sich dafür gut eignen. Er ist ein aufgeblasenes Großmaul und hat irgendwie schon so was Korruptes an sich.

Aber es tut sich nichts. Rein gar nichts.

Ich bin unzufrieden, gelangweilt und frustriert – und seit einiger Zeit auch nicht mehr richtig nett. Und das war ich doch eigentlich immer. Oder?

Besonders meine lieben Kollegen haben schwer unter mir zu leiden. Ich glaube, dass sie tagelang feiern, wenn ich mal für eine Weile verschwinde. Seit einiger Zeit bin ich einfach leicht widerlich zu ihnen. Ein echter Kotzbrocken sozusagen. Voll die Pest. Die Seuche. Man meidet mich wie einen Leprakranken.

Ich gehe allen so richtig auf den Sack, nehme ich mal an. Weil ich aber auch so richtig die Faxen dicke habe. Das ist so was wie der Sauerländer Burn-out. Alles regt mich auf.

Letzte Woche hat mir einer mit einem dicken, schwarzen Marker das Wort „URLAUB!“ mit (!) Ausrufezeichen auf meinen Planer an der Bürotür geschrieben. Und vor ein paar Tagen habe ich zwischen meinem Durcheinander auf dem Schreibtisch einen buntglänzenden Urlaubsprospekt gefunden, auf dem die beiden glücklichen Menschen an einem Palmenstrand auf dem Titel dieses Prospektes mit einem roten Filzer umrandet waren.

„MACH DAT!“, hat jemand daneben gekritzelt. Und als ich dann immer noch nicht einsichtig war, da haben sie mich quasi rausgeschmissen. Ausgesperrt. Mein Büro war eines Tages abgeschlossen und an meiner Tür klebte ein Zettel mit der Aufschrift „ALEX MACHT URLAUB!“

Das war deutlich. Naja, wahrscheinlich haben sie recht. Und jetzt wollen wir’s dann auch machen. Steffi, Max und ich. Max ist unser Sohn. Elf.

 

Urlaub. Och ja …

Was war das eigentlich noch? Viel zu lange nicht mehr gemacht. Weiß ich eigentlich noch, wie das so geht?

Naja, im Prinzip natürlich schon: Man fährt irgendwohin, wo man noch nie war, und das dauert meistens schon mal sehr, sehr lange und ist nicht ungefährlich. Und dann kennt man sich dort nicht aus, wo man ankommt, weil man ja noch nie da war, und irrt also planlos herum, ist auch gefährlich, man spricht die Sprache nicht, aber alle sind freundlich zu einem, doch im Grunde wollen sie doch nur dein Geld … oder dein Leben. Oder beides. Man muss auf jeden Fall auf beides besonders gut aufpassen. Das Essen da, wo man noch nie war, ist voller gemeiner Killerbakterien, die … naja, ist ja klar, was die wollen. Und meistens ist es dann da auch noch furchtbar heiß, unerträglich heiß. Mephistopheles-Mücken, oder wie die heißen, wollen dein Blut … und auch wieder dein Leben. In den warmen Gewässern lauert giftiges Getier, das dich ebenfalls am liebsten töten will. Oft fahren auch noch die Autos auf der falschen Straßenseite, so dass auch hier eine tödliche, nicht zu unterschätzende Gefahr lauert … überall Tod und Verzweiflung, also … aber … naja, man könnte es ja mal versuchen.

 

„Welches Land nehmen wir eigentlich, Steffi?“, frage ich mal so ganz beiläufig. „Die Hotels sehen ja alle gleich aus. Strand, Pool, Bettenklotz … immer dasselbe, man weiß ja gar nicht, wo man gerade ist.“

Das gefällt mir auch nicht so richtig an diesen Prospekten, und Hauptsache Sonne und Strand ist mir irgendwie zu wenig.

„Und überhaupt, Steffi. Pauschal? Ist das denn das Richtige für uns?“

Sie atmet tief durch und sieht mich leicht bissig an. Ich darf nicht zu viele Fragen stellen. Ich muss etwas vorsichtiger sein. Naja, ich mein ja nur, ich bin doch früher immer in alten Autos mit ein paar Freunden einfach so losgebrettert, wir sind auch irgendwo angekommen und hatten die schönsten Urlaube, die man sich denken kann. Für ganz wenig Geld, weil wir ja auch gar keins hatten.

Na gut, jetzt so weit mit dem Auto zu fahren, bis man dann endlich die Palmen erreicht, und dann mit unserem Sohn Max, wie gesagt, elfjährig und etwas ungeduldig … okay, sehe ich ein. Diesmal dann eben pauschal. Machen Millionen andere ja schließlich auch. Es muss also gehen.

„Was hältst du von Mauritius?“ Steffi schließt die Augen, und ich schwöre, sie hört gerade die Wellen rauschen.

„Oooch“, sage ich etwas gedehnt, denn gerade habe ich nach einem Blick auf die Hotelpreise diese unverschämte Insel wieder erschrocken aus der Liste unserer möglichen Ziele gestrichen.

„Dominikanische Republik!“, werfe ich jetzt meinerseits und auch durchaus preisbewusst in die Debatte, ernte aber nur ein Naserümpfen und heruntergezogene Mundwinkel meiner lieben Frau.

„Da waren letztes Jahr die Görkes“, meint sie abfällig und schüttelt entsetzt den Kopf. Ja, da hat sie natürlich recht, wo die Görkes mal waren, da will ich auch nicht hin. Ich kann mich auch noch gut erinnern, dass diese Inselrepublik bei ihnen immer „Dom Räpp“ hieß und angeblich sogar Lokale habe, die deutsche Bratwürste mit Düsseldorfer Senf führen. Also, das geht ja nun wirklich nicht.

„Sri Lanka“, sagt Steffi.

„Singapur!“, sage ich.

„Bali!“

„Neuseeland!“

„Australien!“

„Madagaskar!“

Die Welt ist groß.

Wir entscheiden uns nach einem langen, anstrengenden, aber eigentlich auch sehr schönen Abend und anderthalb Flaschen Rotwein für ein DelBefrAppBasepDuMinibSa-TerKliKoch, also, ein Deluxe-BeachfrontAppartement mit Bad und separater Dusche, Minibar, Sat-TV, Terrasse, Klimaanlage und Kochgelegenheit in einem Hotel namens Coral Beach Resort. Jou, das isses. Hört sich doch ganz ordentlich an. Wenn nicht sogar fantastisch!

Dieses Traumasyl liegt auf der wunderbaren Insel Phuket im fernen, schönen, warmen Thailand.

Erschöpft, aber voller Genugtuung wie nach einer schweren, harten Arbeit sinken wir an diesem Abend in unsere leicht quietschenden Betten in unserem DoZi, oDu, oKli, oMiniB, oSat, ohne alles. Wie hält man das nur aus?

Och, ja, ich glaube, ich freue mich doch schon ein wenig auf unseren baldigen Luxusaufenthalt im Paradies.

 

***

 

„Dat geht nich!“

Frau Gantenbrink vom Reisebüro des Unternehmens Töffte Reisen (so was gibt’s, Inhaber Werner Töffte) in Schmallenberg ist gnadenlos und von unerwarteter, brutaler Härte. Sie war doch ganz nett, denke ich, als ich vorgestern diese Prospekte von ihr bekommen habe. Aber jetzt?

Ich stelle den klitschnassen Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer, schüttele mich noch einmal kurz wie ein Hund und nässe auf den feinen Teppichboden.

„Alles ausgebucht, woll!“, sagt sie und schüttelt sogar ein wenig vorwurfsvoll und scheinbar ohne jegliches Verständnis ihren wuscheligen Kopf. Und ‚woll‘ sagt sie, weil wir eben mitten im Sauerland sind.

„Schade, Frau … äh … Gantenbrink“, wie ich schnell noch mal auf ihrem Schildchen nachlesen muss, das sie an ihre wogende Brust geheftet hat. „Na, dann nehmen wir ein anderes Hotel. Macht ja nichts, liebe Frau … äh … Gantenbrink“, antworte ich zwar etwas enttäuscht, aber dennoch guter Hoffnung, ein anderes, ebenso schönes Hotel zu finden. Diese Hoffnung nimmt Frau Gantenbrink mir aber dann mit den Worten „AL-LES aus-ge-bucht“.

„Ja, wie? Alles?“ frage ich sie, ungläubig die Augen zusammenkneifend und zweifelnd die Hände hebend. Sollte es denn unter den sicherlich tausenden Hotels auf dieser thailändischen Paradies-Insel nicht eines geben, das uns als wirklich nicht übertrieben große dreiköpfige Familie aufnehmen will?

Ein HOTEL würde sich schon noch finden lassen, meint sie da gnädig. Na, bitte! Es geht doch.

„Aber keine FLÜGE … Herräh …!“

„Knippschild!“

„Herr Knippschild! Nich zu diesen TÄR-MIE-NEN, woll!“ Na klar, wie kann ich nur so unverschämt sein, einen Urlaub zu Weihnachten und Silvester zu planen. Also, das geht doch nun wirklich nicht.

„Unmöchlich“, sagt sie, und es hört sich so an, als meine sie mich damit. „Da müss’n Se im Frühjahr oder spätestens im Sommer komm’n, woll“, sagt sie vorwurfsvoll und will den schönen Katalog schon wieder zuklappen, der all die wunderbaren Strandlandschaften zeigt, die ich doch so gerne mit meinen beiden Lieben besuchen würde.

„Aber im Sommer ist es doch auch hier schön“, werfe ich aufmüpfig ein, um meinen Wunsch nach Sonne im Winter zu erklären. Scheint ja was ganz Ungewöhnliches zu sein.

„Herräh …“

„Knippschild.“

„Herräh Knippschild“, sagt sie jetzt bestimmt und sehr, sehr ernst, und macht danach eine Pause voller Bedeutung, „ich notier mir Ihr’n Fall hier und will sehn, wattich mach’n kann, woll.“

Damit klappt sie den Prospekt endgültig und etwas übertrieben theatralisch zu, und ich spüre, dass unser Gespräch schon zu Ende ist. Vielleicht ist ja damit alles zu Ende.

Aus der Traum!

„Ja, … gut, äh, Sie rufen mich also an?“

„Ja, Herräh … Knippschild, ich ruf Sie an, wenn sich IRG’NDWAT ergeb’n SOLLTE“, sagt sie und schüttelt mir mitleidig die Hand, um mich schnell zu entlassen.

‚SOLLTE‘. Dat wird nix.

„Darwet auch woanders sein?“ fragt sie dann aber doch noch, weil sie sieht, wie enttäuscht ich bin.

„Sonne! Strand! Palmen!“, wiederhole ich meine ursprüngliche Forderung von vorgestern, unterstreiche sie dieses Mal meinerseits noch mit einem Schuss Gnadenlosigkeit und gehe dann einfach.

Da hab ich doch schon wieder sooo die Faxen dicke!

Wie kann man nur? Da kommt dieser Kerl Ende Oktober ins Reisebüro und will Weihnachten in der Sonne sitzen! Das grenzt ja an Missachtung der allseits bekannten Urlaubsgesetze. Das geht doch nicht! Hat der Kerl denn noch nie Urlaub gemacht? So was will von langer Hand vorbereitet sein. Von ganz langer Hand, Herräh … Knippschild! Ts, ts, ts.

Ich mache mir ehrlich gesagt nicht viel Hoffnung und sehe mich schon am Heiligabend in der Redaktion sitzen und einen bösen Artikel über die Überheblichkeit in gewissen Sauerländer Reisebüros schreiben.

Tja, es geht also nicht. Kein Urlaub. Ich komme nicht an Frau Gantenbrink vorbei!

 

***

 

In den nächsten Tagen läuft in der Redaktion alles ganz normal wie immer. Ich darf zwar wieder in mein Büro, aber die Kollegen gehen mir, so gut es geht, aus dem Weg.

Unser größter Kunde, der großkotzige Schlüter mit dem gleichnamigen Autohaus kommt, auch wie immer, in der letzten Minute, um seine doppelseitige Riesenanzeige reinzudrücken, der FC Leckede-Hintersten ist wieder nicht in die Bezirksoberliga aufgestiegen und die Kuh von Hermann-Josef Brinkmann ist die schönste im ganzen Sauerland.

Und Alex Knippschild hält einfach mal die Klappe. Was ihm von den restlichen Mitgliedern der Redaktion zutiefst gedankt wird. Ich drehe mich nachdenklich zum Fenster um, aber das bringt auch nichts. Rein gar nichts. Draußen regnet es schon wieder den ganzen schrecklichen Tag lang. Eine graue, dichte Suppe aus kaltem Nass klatscht bösartig an die Fenster unserer kleinen Redaktion. Ich kann kaum die Leuchttafeln der Raiffeisen-Tankstelle gegenüber sehen und weiß also auch nicht, ob der Spritpreis mal wieder gestiegen ist und ob ich daraus mal wieder eine heiße Titelstory machen könnte. Ist mir auch egal jetzt.

So einen schlimmen Oktober hatten wir doch noch nie. Was ist denn jetzt auch noch mit dem Wetter los?

 

Heute ist ein ganz normaler Drecksmontag und ich kehre erschöpft von meiner sinnlosen Schreibertätigkeit nach Hause zurück. Immer noch regnet es aus Eimern. Ich hinterlasse eine große Pfütze im Flur und stelle meine nassen Schuhe gedemütigt an der Garderobe ab.

Scheißlaune. Das Leben ist nicht schön.

Doch Steffi empfängt mich mit einem seltsamen Glänzen in den Augen. Sie ist nicht beim Friseur gewesen und schwanger scheint sie auch nicht zu sein. Es muss etwas Größeres, etwas Bedeutenderes sein, das sie mir zu eröffnen hat.

„Koshamui“, stößt sie dann atemlos hervor und wiederholt es gleich noch mal. „Koshamui!“ Dann ist sie auch schon am Ende ihrer Kräfte und sinkt erschöpft aufs Sofa.

Asiatisch, denke ich. Ein neues Gericht beim Schnellchinesen? Ein Kampfkunstausruf?

„Die Gantenbrink hat angerufen“, stößt sie mit allerletzter Kraft hervor. „Sie hat was für uns. Setz dich! Los, setz dich, Alex!“

Also, Frau Gantenbrink hat tatsächlich angerufen und ihr mitgeteilt, dass sich da in allerallerletzter Minute etwas ergeben hätte. Kunden hätten storniert. Schlimmer Verkehrsunfall. Die fünfundachtzigjährige Großmutter der Familie wäre leider dabei draufgegangen. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben, aber die wollte auch sowieso nicht mit. Ts, ts, ts. Dennoch: Tragisch, tragisch. Die Eltern hätten komplizierte Arm- und Beinbrüche, Knochensplitterungen, Entstellungen. Das Kind bloß Schürfwunden und Blutergüsse am ganzen Körper … na, und die Omma eben tot.

Super! Was für ein verdammtes Glück! Vier Flüge frei. Und wir brauchen nur drei!

Einen Tag vor Weihnachten könnten wir also nun an Stelle dieser gebeutelten und leicht dezimierten Familie in ein Flugzeug steigen und hätten für zwei Wochen Sonne, Strand, Palmen auf der Trauminsel Ko Samui in Thailand. Steffi hat es nur falsch ausgesprochen.

Sie musste sich dann auch auf die Schnelle für ein Hotel entscheiden, was sie auch spontan gemacht hat. Na, sie wird sicherlich das richtige ausgesucht haben.

Jetzt haben wir es also tatsächlich geschafft. Nur noch ein paar Wochen in stiller Vorfreude die Schnauze halten und ab und zu mal einen bunten Reiseführer durchblättern.

Und wenn ich dann die Augen schließe und mich ganz doll konzentriere, was ich in der letzten Zeit öfter mal tue, dann höre auch ich die sanft heranrauschenden Wellen mit dem warmen Wasser des Mittelmeeres, des Pazifiks, der Südsee … ich weiß gar nicht genau. Ein paar giftige Tiere lauern auch auf mich, aber naja … kann man vernachlässigen.

Und den Strand sehe ich ganz deutlich vor mir. Ja. Endlos weit und weiß, Palmen, Hütten, freundliche Eingeborene, die uns leckere Früchte und Kokosnüsse anbieten, ohne allzu viel Geld dafür haben zu wollen. Fröhliche Fischer, die ihren bunt schillernden Fang frisch und zappelnd an die Strandrestaurants verkaufen. Gleich werden wir in einem dieser Restaurants sitzen und eine dieser herrlichen Kostbarkeiten verspeisen, während unser Junge friedlich im Sand spielt und Muscheln nach Größe und Farbe sortiert.

Naja, vielleicht hat er aber auch seinen Game Boy vor der Nase und sitzt irgendwo im Schatten, weil es ihm viel zu heiß ist. Egal, es ist so schön …

Wir werden also Urlaub machen!

24.12. Ko Samui - erster Tach:
Pelledei Lock Lissoh

(Paradise Rock Resort)

„WÄLLKAMM TO THAILÄNN! WÄLLKAMM TO THAILÄNN!“

Da. Ich kann sie sehen! Mitten im stürmischen Meer der hilflos herumtreibenden Touristen und anderer Gestrandeter, die alle wie wir aus der Ankunftshalle des fernen Flughafens im Paradies geschwemmt werden, entdecke ich sie als Erster. Die thailändische Außendienstmitarbeiterin von Töffte Reisen. Sie ist ganz klein und man sieht sie nur, weil sie die leuchtend rote Pappe mit der typischen, markanten Aufschrift „Töffte Reisen“ ganz hochhält. Und die kleine Frau selbst kann man nur sehen, weil sie ab und zu einen lustigen Hüpfer macht, um ihrerseits auch mal über das wogende Meer der erschöpften Touris gucken zu können. Wie eine rote, auf den Wellen hüpfende Rettungsboje in ganz schwerer See.

Aber sie ist da. Nur für uns. Wir sind angekommen.

Es ist unerträglich heiß für uns arme Menschen, die direkt aus dem deutschen Winter kommen – und es regnet in Strömen. Wie zu Hause.

Nein, falsch. Völlig falsch. Es regnet nicht, sondern ein tropischer Wasserfall ergießt sich aus einer Milliarde Himmelseimern prasselnd auf das Dach des offenen, im lockeren rustikalen Urwaldstil erbauten Ankunftsgebäudes und macht die Verständigung schwierig.

„DA!“, brülle ich meinen Leuten durch das Unwetter zu.

„WAAAS?“, Steffi ist nach dem langen Flug etwas gereizt.

„ACH, EINFACH MITKOMMEN!“ Ich bin auch nicht mehr derselbe. Ja, ja, der Urlaub macht sich schon bemerkbar.

Ganz unauffällig und in der Hoffnung, dass vor allem Steffi es nicht bemerkt, ziehe ich kurz mein Handy aus der Hosentasche und schalte es an. Es dauert eine Weile, aber dann meldet sich das kleine Wunderwerk mit voller Beleuchtung und fünf Ladebalken. Oh, ich muss sparsam sein. Und als ich es direkt wieder ausschalten will, da klingelt es doch tatsächlich. „Tätäätätää­tätäätätää!“ Erschrocken drehe ich mich nach Steffi um, aber sie hat in dem allgemeinen Lärm nichts gehört. Also gehe ich eben dran. Es ist Ulli. Mein lieber Kollege aus der Redaktion unserer Zeitung im fernen Sauerland.

„Ja?“

„Hömma, Don Camillo, … pchch … halt dich fest …“, quäkt das Handy mit Ulli drin schon los.

„Ich bin nicht …“

„Ja, halt ma die Klappe, Don … pchch …, ich muss dir wat … pchch … erzählen, … pchch … glaubsses nich’.“

Schlimme Störungen.

Tja, da hat der Ulli sich wohl verwählt und denkt, ich sei Don Camillo. Don Camillo, müssen Sie wissen, ist mein Partner und der Herr der Finanzen unserer kleinen Zeitung. Heinz-Josef Camillo Montebello heißt er mit ganzem Namen. Sein Vater war Italiener. Bei uns heißt er natürlich nur Don Camillo. Bietet sich ja an.

“Der Blömecke“, krächzt das Handy weiter … pchch … Großkotz Schlüter … pchch … Riesensauerei … pch … pch …“

„Ulli, ich bin’s, Alex, was ist da los?“

„Alex?“, fragt das Handy erschrocken. „Scheiße!“

Und dann ist die Verbindung tot. Was wollte er denn da so Wichtiges an Don Camillo berichten. Blömecke, Schlüter, Riesensauerei? Ich muss ihn unbedingt sofort noch mal zurückrufen.

Aber da steht Steffi schon direkt neben mir und hat diesen Blick drauf, der Telefongespräche momentan nicht duldet.

„Abschalten! Urlaub!“, sagt sie nur und das reicht dann auch schon. Ich schalte es also schnell wieder aus und lasse es mit unschuldigen Gesicht wieder in die Tasche flutschen. Später.

Jetzt nähern wir uns erst mal voller Hoffnung und völlig erschöpft dieser so sympathisch lächelnden, hübschen, kleinen Person mit all unseren Habseligkeiten, die wir mit viel Fantasie und Mühe auf zwei quietschenden Gepäckkarren untergebracht haben, und sehen sie leer und kraftlos an.

Hilf uns! Erbarme dich unser!

„Ah ju Missa änn Missi Leichenhalle?“, fragt sie uns mit einer recht hohen, leicht kieksigen Stimme, die sich an einem sehr gewagten Englisch versucht.

Leichenhalle? Nein. Das sind wir nicht. Das ist ja gruselig.

„Ah JU Missa änn Missi Leichenhalle?“, versucht die kleine rote Bojenfrau es weiter und wendet sich jetzt an ein älteres, etwas verkrampft und irgendwie unzufrieden wirkendes Paar. Bayern, wie wir schon vorher an ihrem niedlichen Dialekt eindeutig erkannt haben.

„Schorsch, jetzt moch holt! Du Hirsch, du dammischer!“

Die Reise hat auch bei ihnen ihre Spuren hinterlassen, und sie scheinen jetzt schon alles zu bereuen. Beim Aussteigen haben sie ein gehöriges Tempo vorgelegt, das ich den beiden in ihrem Alter gar nicht mehr zugetraut hätte. Sie wollen wohl auf jeden Fall die ersten sein, die hier in die trügerische Freiheit des Flughafens von Ko Samui entlassen werden, haben es aber leider nicht ganz geschafft, obwohl die stämmige Frau ihren Gatten durch kasernenhofähnliche Anfeuerungen immer wieder zu Höchstleistungen angetrieben hat.

Aber unsere Koffer waren einfach schneller. Sie waren nur Zweite. Ätsch. Die Bayern müssen nicht immer gewinnen. Und jetzt steht dieser unzufriedene, gebeutelte, bayrische Mann mit seiner noch unzufriedeneren Gattin direkt neben uns, und sie klammern sich, schon sichtlich geschwächt, an die rettende Boje, um nicht doch noch in letzter Minute abzusaufen.

„Jetzt sog halt wos!“, sagt sie.

Und er sagt dann artig: „Na. Des san mir a net! Mir hoaß’n Reichenhaller!“, mit der letzten verbliebenen Würde.

„Yes, Leichenhalle“, sagte die freundliche, mandeläugige Boje und zeigt auf ihre zerknitterten Papiere, die sie fröhlich in der linken Hand schwenkt. „Here look, Lei-chen-hal-le, two Pörssen.“

Der wuchtige Bayernmann wirkt zunächst verwirrt und wischt sich den strömenden Schweiß von der breiten Stirn, aber nach so einer Tortur von Flug scheint er mit jedem Namen einverstanden. Also nimmt er den neuen Namen, nach kurzer, demütigender Rücksprache mit seiner Gattin, an und die beiden setzen sich erschöpft und dankbar in die Richtung in Bewegung, in die die freundliche Rettungsboje zeigt. Frau Leichenhalle allerdings nicht, ohne sich noch mal demonstrativ nach uns umzudrehen und dann mit triumphierenden Blicken zum wartenden Bus zu schippern. Die Bayern sind wieder vorne.

Doch wo sind wir?

Wir haben schließlich auch einen Namen und einen Anspruch darauf, jetzt endlich erlöst zu werden aus der Hölle unserer vor über zwanzig Stunden begonnenen Traumreise, alle Zwischenstopps und Verspätungen mitgerechnet. Der angekündigte Abflug in Düsseldorf sollte zwar erst um die sehr moderate Zeit von elf Uhr fünfundvierzig stattfinden, aber wir mussten natürlich trotzdem schon in unmenschlicher Frühe aufstehen, um den fernen Flughafen zu erreichen, weil das Sauerland ja schließlich nicht direkt zu Düsseldorf gehört. Außerdem mussten wir noch mal und noch mal überprüfen, ob wir denn auch wirklich alles dabei haben.

 

Unser Tag begann praktisch gegen sechs Uhr heute Morgen, nein, das war ja schon gestern. Wir haben ja Zeit und Raum über-wunden, sämtliche physikalischen Gesetze außer Kraft gesetzt und sind ja gewissermaßen in die Zukunft geflogen. Wir erleben ja jetzt hier, weit im Osten, eine Zeit, die in unserem alten, kalten, nassen Deutschland erst in sechs Stunden stattfinden soll. Da blickt man kaum noch durch.

Ich denke kurz an meine Kollegen in der Redaktion, wo es gestern sicher noch eine kleine Weihnachtsfeier gegeben hat. Vielleicht ist die Feier ja auch noch gar nicht vorbei. Im sauerländischen Leckede-Hintersten ist es ja jetzt erst sechs Uhr morgens, und vielleicht hat man ohne den ätzenden Chef einfach mal etwas länger und ausgiebiger gefeiert. Gut möglich.

Ich habe vor dem Abflug noch mal in der Redaktion angerufen und mit Don Camillo gesprochen, um ihm zu sagen, dass es eben jetzt mal zwei Wochen ohne mich gehen müsse.

„Ja, ja“, hat er nur gesagt, „dat geht schon.“ Und weil er im Sauerland geboren ist, sagt er noch: „Getz ärholsse dich ärsma, wo.“ ‚Wo‘, ganz kurz gesprochen, ist eine der durchaus gebräuchlichen Sonderformen von ‚woll‘. Ich kann mir vorstellen, dass er dabei vor den Kollegen eine alberne Fratze gezogen hat. Die sind so froh, dass sie mich endlich für eine ganze Weile los sind.

Don Camillo und ich verstehen uns prima, aber auch er hat mir dringend zum Urlaub geraten.

Naja. Jetzt bin ich ja weg.

Und wir sind dann heute … also gestern, ach egal, alle ganz früh wach gewesen und haben uns in den Zug nach Düsseldorf gesetzt. Das Auto sollte zu Hause bleiben. Ganz stressfrei dieses Mal. Und im Zug haben wir dann sogar noch ein wenig schlafen können.

Wir sind dann in das Taxi gestiegen, das uns zum Flughafen bringen sollte und konnten immer noch nicht recht glauben, dass wir wirklich in den Urlaub fuhren. Noch waren wir ja auch in Düsseldorf. Und als wir dann noch mal unser Gepäck ansahen, das wir da soeben hinten im Kofferraum des beigen Mercedesbusses verstaut hatten, konnten wir auch nicht glauben, dass das wirklich alles war. Es kann eigentlich nicht sein, dass man mit vier Schrankkoffern und sechs großen Taschen und Beuteln als Handgepäck vierzehn Tage im Paradies überleben kann. Wir mussten was vergessen haben.

„Abgeschlossen?“, eröffnete meine liebe Steffi dann im Taxi ein spannendes Match, und ich konterte gelassen per Rückhand mit „Jou!“

Die nächste Ballangabe hieß dann „Gas aus?“

Ich parierte wieder locker mit „Jou!“

„Heizung runter?“

„Jou!“

„Pässe?“

„Jou!“

„Kreditkarten?“

„Jou?“

„Sonnenbrille?“

„Jou!“

„Badehose?“

„Jou!“

Dann ging es immer weiter ins Detail und verlor sich irgendwann im Unwichtigen wie zum Beispiel „Schwarze Socken?“. Darauf antwortete ich dann gar nicht mehr, während der Taxifahrer schon seit einigen Minuten auf den Befehl „Umdrehen!“ zu warten schien und mich unsicher von der Seite anschielte.

Dafür dachte ich mir dann aber selbst eine Frage aus dem „Checked-Roger-Over-Peep-Pilotenspiel“ aus, die heute Morgen (oder eben gestern) „BÜGELEISEN?“ lautete.

Damit hatte ich sie. Ha! Spiel, Satz und Sieg.

Meine liebe Steffi hatte nämlich am Morgen, also eigentlich ja mitten in der Nacht – sie ist dafür schon um halb vier aufgestanden, weil sie sowieso nicht schlafen konnte – noch ihr kleines Schwarzes gebügelt, weil sie angeblich davon geträumt hat, mit mir auf einer besonders schicken Party im Paradies zu sein mit lauter berühmten und bekannten Leuten. Und als Sky Dumont sie dann fragte, ob er ihr einen scharfen Sex-on-the-Beach anbieten oder auch nur einen gewöhnlichen Banana-Cocktail von der Bar mitbringen dürfe, da bemerkte sie, dass sie nichts anhatte. Nichts. Sie war nackt. SIE HATTE EBEN NICHTS AN-ZU-ZIE-HEN!, wie sie ja auch selbst immer sagte. Auch wenn ich immer sagte: „Wozu willst du das denn mitnehmen, das brauchst du doch nie!“. Aber da haben wir den Beweis: Für diese schicke Party mit Sky Dumont hatte sie eben nichts. Gar nichts.

Also bügelte sie mitten in der Nacht.

Ich hatte sie! Mit „Bügeleisen?“ hatte sie nicht gerechnet. Ohrenbetäubende minutenlange Stille aus dem Halbdunkel des dem Flughafen entgegenrasenden Mercedes-Rücksitzes. Entsetztes, endloses Schweigen, schockgeweitete Augen. Der Taxifahrer verminderte dann auch schon mal prophylaktisch die Geschwindigkeit, wir fuhren plötzlich fast nur noch Schritttempo, und immer wieder schaute er lauernd und abwartend zu mir herüber.

„Bü-gel-ei-sen“, quälte meine arme Steffi sich hinter mir. „Bü-gel-ei-sen … verdammt.“

Natürlich war das Bügeleisen aus. Ich hatte es extra noch mal überprüft, weil es ihr schon einmal, ein einziges, dummes Mal passiert war, es nicht auszuschalten. Zum Glück fuhren wir da nicht gerade ans andere Ende der Welt in den Urlaub, sondern nur zu Tante Hedi ins Bergische, und konnten also locker umdrehen und die Katastrophe verhindern.

Ich ließ meine Steffi aber boshafterweise noch ein wenig zappeln. Das war fies. Ja. Vielleicht lag es an der allgemeinen Erregung, am so genannten Reisefieber … ich will es auch nie wieder tun.

Der Taxifahrer wurde noch langsamer und einige Fahrzeuge rasten böse hupend an uns vorbei … nein, ich konnte nicht riskieren, dass wir deswegen zu spät zum Flughafen kamen, also sagte ich schließlich: „Bügeleisen ist aus, mein Schatz. Ich hab selbst nachgesehn.“

„Oh, du mieser Kerl, und es WAR auch aus. Ich HATTE es ausgeschaltet. Das WEIß ich doch!“ Steffi war echt sauer.

„Nein, du weißt es eben NICHT, sonst hättest du jetzt ja nicht so lange überlegt, OB es aus ist. Du warst dir nicht sicher.“

Das hätte ich wohl besser nicht sagen sollen, ich alter Klugscheißer, denn jetzt war sie auch noch beleidigt, aber ich kann es ja auch nicht lassen. Sie drehte sich demonstrativ zur Seite und kümmerte sich dann intensivst um Max, der seit gestern Abend etwas Temperatur hatte. Ausgerechnet. Um mich kümmerte die liebe Steffi sich erst mal gar nicht mehr. So, das hatte ich davon.

„Weiter!“, sagte ich kurz ab zum Taxifahrer, und der gab achselzuckend wieder richtig Gas Richtung Flughafen. Ich meine auch, ein leichtes Kopfschütteln bemerkt zu haben. Unverschämter Kerl.

Und da fiel es mir ein.

Ich hatte gestern noch lange danach gesucht, aber dann hatte ich es aufgegeben und irgendwie auch vergessen. ICH habe etwas vergessen. Ich habe kein Ladegerät für mein Handy! Verdammt. Das ist schlimm! Zwei Wochen ohne Verbindung mit der richtigen Welt? Zwei Wochen, ohne mit der Redaktion zu telefonieren? Das geht ja gar nicht. Naja, die werden sicher im Hotel ein passendes Ladekabel für mich haben. Sicher. Ist ja schließlich ’n Traumhotel!

 

„Wott jo nehm?“, fragt mich jetzt die kleine, rote, rettende Boje auf dem Ko-Samui-Flughafen und sieht uns sehr freundlich lächelnd dabei an.

Wott jo nehm? Man muss sich erst mal an diese extravagante und selbstbewusste Art gewöhnen, so locker mit der englischen Sprache umzugehen. „Wott jo nehm?“ kann eigentlich nur heißen „What’s your name?“, kombiniere ich messerscharf, während wir uns zum wiederholten Male den Schweiß abwischen und die am Leib klebenden Kleider lösen, um wenigstens etwas von der zwar heißen, aber immerhin ventilatorisch gequirlten Luft an die nach Kühlung schreiende, schwitzende, schon Blasen werfende Haut kommen zu lassen.

„Our name is Knippschild“, sage ich freundlich, sehr deutlich und überaus bestimmt zu der netten Boje und denke, dass damit endlich Fahrt in die verfahrene Angelegenheit kommen müsste, wir erkannt und gescannt werden vom allmächtigen Urlaubsmoloch und wieder wie richtige Urlauber überhaupt existieren.

Doch damit liege ich leider falsch. Die kleine freundliche Boje findet unseren Namen leider nicht auf ihrer zerknitterten Liste, sieht uns aber trotzdem weiter freundlich an. Wahrscheinlich wird sie uns gleich mit demselben freundlichen Gesicht wieder zurück nach Deutschland schicken.

„Missa and Missi Lotze?“, fragt die kleine freundliche Frau stattdessen und blickt geduldig abwartend in die Runde. Lotze? Wenn ich die bis jetzt gelernten thailändischen Eigenarten bei der Aussprache auf diesen Namen anwende, dann ist ein deutsches ’R’ so was wie ein thailändisches ’L’, und das gesuchte Ehepaar hieße dann also … Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht hießen sie ja doch Lotze. Hoffentlich.

„Missa and Missi Lotze?“ wiederholt sie, und der ganz sympathisch wirkende baumlange Mann von Reihe vierzehn nähert sich jetzt etwas unsicher und zögerlich der winzigen Bojenfrau. Sie blickt nach ganz oben zu ihm auf und ruft ihm noch mal versuchsweise ein freundliches „Lotze?“ zu.

Ich lächele dem Großen aufmunternd, aber auch etwas neidisch zu. Scheinbar ist er schon dran.

Er murmelt irgendwas, reicht der kleinen thailändischen Töffte-Frau einen Zettel runter, sie liest ihn, vergleicht, und reicht ihn dann nach oben zurück. Und dann nickt der lange Mann. Er scheint mit seinem Namen einverstanden zu sein, winkt seiner eigenen netten, normalwüchsigen Frau, und die beiden ziehen überglücklich, aber erschöpft Richtung Bus. Die haben’s schon mal geschafft.

Steffi sieht mich vorwurfsvoll an, als ob es jetzt an mir läge, dass hier nichts passiert, weil ich die Lage nicht im Griff habe, weil ich nicht mal einer kleinen, freundlichen thailändischen Frau, die uns offensichtlich nichts Böses will, klarmachen kann, wer wir sind und dass wir ein verdammtes Recht auf diesen Urlaub haben, den wir uns so schwer verdient haben.

„Papa, jetzt mach mal!“, ruft da auch noch der schwerkranke Max von seinem Kofferthron herunter, auf dem er seit einiger Zeit sitzt und heftig schwitzt.

Bitte, liebe Trägerin des roten Sonnen-Abzeichens von Töffte-Reisen, schick uns nicht wieder weg. Vertreibe uns nicht aus dem Paradies, in dem wir ja gerade erst angekommen sind. Lass uns hier im gelobten Land unseren verdienten Urlaub machen, bitte. Nur zwei Wochen! Tu es für mich und meine Familie.

Inzwischen wanken mehr und mehr Mitreisende mit neuen fantastischen Namen ermattet, aber glücklich an uns vorbei, immer in die Richtung, in die die Boje sie schickt.

Alle haben jetzt einen Namen, alle haben bald ein Zuhause für die nächsten zwei Wochen. Sie können jetzt Urlaub machen, sie sind alle erfasst von der unbestechlichen Urlaubsmaschinerie. Sie sind endlich eingerastet ins Räderwerk des allmächtigen Pauschaltourismus. Die Glücklichen.

Ich probiere es also noch mal mit leicht veränderter, versuchsweise frei ans Thailändische angepasster Aussprache unseres Namens und sage: „Knippssild“.

Nein, auch „Knippssild“ kommt in der Liste unserer freundlichen Betreuerin nicht vor.

„K-anippessilll!“ Zweiter Versuch.

Nein. Freundliches Kopfschütteln.

Was kann man noch machen? „Kniiipp…“. Nein. Mir fällt nichts mehr ein, aber die freundliche Frau findet keine Gnade. Es gibt uns einfach nicht.

„Zeig ihr endlich unsere Zettel!“, ruft Steffi mir zu. Sie sitzt inzwischen zusammengesunken und ohne Hoffnung auf unserem gigantischen Kofferensemble und macht einen erbärmlichen Eindruck. Max ist eingeschlafen.

Die Zettel! Ja, warum eigentlich nicht. Manchmal haben Frauen ja ganz gute, bestechend einfache und praktische Ideen. Ich wühle also in der kleinen, schwarzen Tasche herum, die ich mir als Dokumentenmappe auserkoren habe, und die auch nur ich tragen darf, der ich darüber wache, dass auch alles zusammenbleibt. Ich finde endlich unsere Zettel, die Urlaubsberechtigungsscheine, unter Kennern auch „Wautschers“ genannt, und zeige sie der kleinen, roten Frau. Hier ist ja schließlich unser Name klar und deutlich in Druckschrift zu lesen. Hier kann man sehen, wer wir sind, was wir eigentlich hier wollen, wohin, wie lange und warum, und so.

Sie sieht die Wautschers interessiert an, blättert wichtig darin herum und löst dann das Rätsel um unseren Namen ganz einfach und in Sekundenschnelle mit einem freundlichen „NIPSI!“

Na, bitte, es geht doch.

Von mir aus!

Wir sind jetzt die Familie Nipsi aus Germany und freuen uns mächtig über unseren neuen Namen. Wir haben es geschafft. Wir sind durch! Endlich, endlich gilt jetzt auch für uns die befreiende Handbewegung zum Haltepunkt des Busses und ich trommele fröhlich, aber erschöpft meine kleine Familie Nipsi zusammen.

 

Die gesamte Mannschaft der anderen Getriebenen ist schon längst vollständig in einem silbernen Toyota-Kleinbus älteren Baujahrs versammelt, und vorwurfsvolle Blicke treffen die Familie Nipsi, die noch nicht mal ihren richtigen Namen kennt und damit den Beginn des ganzen Urlaubsvergnügens unfairerweise erheblich verzögert. Nur Herr Lotze-oder-so lächelt uns verständnisvoll an. Kann ja passieren. Er muss ein wenig seinen Kopf einziehen, denn der Bus ist nicht für mitteleuropäische Scheinriesen ausgelegt.

Ich lächele achselzuckend zurück und dann verteilen wir uns mit auf die restlichen engen Sitze. Ich komme neben einem schwitzenden, ganz dicken Menschen zu sitzen, der schon kaltlächelnd die Oberherrschaft über die Mittellehne gewonnen hat und auch nicht bereit ist, diese Macht zu teilen. Und ich bin zu schwach, um darum zu kämpfen.

Und so rattern wir in diesem stark klimatisierten, das heißt eigentlich kühlschrankmäßig tiefgefrosteten Toyota-Bus dahin. Alle zittern, Max niest, und wir alle hoffen, dass diese Tour nur sehr kurz sein wird.

Das wird sie aber nicht.

Die ersten beiden Aussteiger haben es richtig gut. Jedenfalls denken wir das zuerst, denn schon nach etwa fünf Minuten Fahrt wirft man das Pärchen aus Dresden an ihrem Hotel raus. „Lägünä Lötsch“, davon haben sie schon die ganze Zeit geschwärmt und sich kindlich darauf gefreut.

Es ist ein fünfstöckiger, furchterregender gelber Kasten direkt an der belebten Hauptstraße und in der Einflugschneise des Flughafens. Also sehr verkehrsgünstig gelegen, wie die bunten Urlaubsprospekte so was ja immer gerne anpreisen. Ich frage mich ängstlich, wer sich diesen verheißungsvollen Namen für den grauenhaften Siebziger-Jahre-Bunker ausdenken durfte – und wie er damit auch noch durchgekommen ist. Laguna Lodge. Sagenhaft.

Wir sind überglücklich, dass der Toyota uns noch nicht ausspuckt und wir weiterrattern dürfen und schnattern dafür auch gerne noch ein wenig länger. Als wir zurückblicken und die beiden armen Dresdner im erbarmungslosen Tropenregen inmitten ihrer zahlreichen, neuen, roten Hartschalenkoffer stehen sehen, tun sie uns unendlich leid.

Ich müsste dringend noch mal Ulli zurückrufen. Der verwählte Anruf von ihm hat mir doch zu denken gegeben. Irgendwas scheint da zu passieren im Sauerland. Riesensauerei, hat er gesagt. Aber ich komme jetzt nicht an das Handy dran, weil Steffi mich leicht säuerlich anlächelt. Aber immerhin lächelt sie schon wieder und das sollte man nicht aufs Spiel setzen.

Der Toyota pflügt sich seinen Weg durch Wasserlachen, die in etwa die Größe unserer heimischen Talsperren haben, und man denkt bei jeder neuen Stauanlage, dass der Wagen unweigerlich darin versinken müsse.

Ein paarmal gibt Max ein fassungsloses „Boah!“ ab, dann zittert er wieder. Der heutige Regenguss ist wohl keineswegs der erste oder gar einzige der Wintersaison auf dieser schönen Insel. Regen scheint hier wohl eher typisch zu sein. Wo kommt das ganze Wasser her? Was haben dieses Land und seine Menschen verbrochen, um so bestraft zu werden?

Der Fahrer vermindert zwar freundlicherweise ein wenig die Geschwindigkeit, wenn die Hütten der Ko-Samuianer zu dicht an der Straße und den Stauseen stehen, aber als dann nur