Aus dem Englischen von Simona Turini

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe Monstrosity

erschien 2002 im Verlag Cemetery Dance Publications.

Copyright © 2002 by Edward Lee

Copyright © dieser Ausgabe 2019 by Festa Verlag, Leipzig

Titelbild: Arndt Drechsler

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-740-0

www.Festa-Verlag.de

Für Dave Barnett

Wie immer schuldet der Autor vielen Leuten Dank, aber besonderer Dank gebührt: Don D’Auria, Doug Clegg, Rich Chizmar, Tim McGinnis und Tom Piccirilli. Für mein Weiterleben, um mehr Horrorromane schreiben zu können, danke ich den Mitarbeitern des Krankenhauses in Bay Pines, VA: Dr. Durr, Kent Bown, Steve aus der Notaufnahme, Dr. Lopez und Dr. Nash.

Weiterer Dank gilt Stephanie (für den See und die Schichten Esoterias); Susan (für spannende Schnapsnamen) und R. J. (weil du die Boston Red Sox genauso wenig leiden kannst wie ich); Julie (weil du noch mit mir sprichst, nachdem du Creekers gelesen hast); Jill; Amy & Scott (weil ihr so viele meiner Bücher ertragen habt); Mikey und die anderen coolen Leute bei Philthy Phil’s.

Ich danke auch Tony und Kim bei Camelot und wie immer Bob Strauss, Rob Stevens und Bruce Thomas.

Prolog

Ausgrabung S27-0078

Zentralflorida

Juni 1995

Die Leichen waren zerstückelt worden, fachmännisch zerteilt.

Sie waren mehr als 10.000 Jahre alt.

Vor einer Stunde war es Professor Fredricks Team endlich gelungen, die Gruft zu öffnen. Wegen der kreisförmig angeordneten Steinbänke, die er hier vorgefunden hatte – eine typische zeremonielle Aufstellung der Ponoye –, hatte er eine Untersuchung angeordnet. Fredrick hatte die Ponoye-Indianer entdeckt und nun waren sie der letzte Schrei in Archäologenkreisen. Diese Ausgrabung würde sein Durchbruch.

Ich bin jetzt fast 70, dachte er. Verdammt, ich habe es verdient, berühmt zu werden. Der abgelegene Indianerstamm war mittlerweile zwar bekannt, aber noch hatte niemand eine ihrer Kultstätten gefunden. Fredrick wusste genau, dass man die Geheimnisse antiker Kulturen am ehesten entschlüsselte, wenn man ihr Glaubenssystem analysierte. Sein Puls hämmerte vor Aufregung.

»Tiefer«, sprach er in das Mikrofon. »Noch drei Meter, dann bin ich am Boden.«

Im Klettergurt hängend wartete er darauf, dass seiner Aufforderung Folge geleistet wurde. Er schwenkte die Taschenlampe umher und beleuchtete weitere wundersame Entdeckungen. Fredrick konnte es nicht erwarten, sich vor sie zu knien und in ihnen zu schwelgen wie ein Kind in den Geschenken unterm Weihnachtsbaum. Seine Aufregung war grenzenlos, sein Herz unter dem staubigen Kakihemd raste. Krieg bloß keinen Herzinfarkt, dachte er bei sich. Morgen kannst du einen Herzinfarkt haben. Aber erst musst du sehen, was in dieser Gruft ist …

Seine Füße in den Arbeitsstiefeln baumelten in der Luft, nur noch ein paar Zentimeter über dem, was vermutlich der wichtigste Fund seines Lebens war.

Dann stieg er wieder auf. Sie zogen ihn zurück nach oben.

»Hey, was macht ihr?«, rief er ins Mikro. »Runter! Runter!«

Aber er stieg immer weiter, hoch und raus aus seinem gerade erst entdeckten Herz der Finsternis. Ehe er jedoch vollkommen aus der Gruft gehoben wurde, fiel das Licht seiner Taschenlampe für einen letzten Augenblick auf die erste Entdeckung, die er hier gemacht hatte: die Leichen. Die zerstückelten Leichen, die von der Zeit und durch glückliche Umstände nahezu perfekt erhalten waren …

»Sorry, Prof«, sagte Dales. Dales war Fredricks Assistent: jung, aufdringlich, aber sehr kompetent. Das hier war die dritte Ausgrabung, auf die er Fredrick begleitete, und der Junge kannte sich aus. Er hatte die schlechte Angewohnheit, sich Gummibärchen wie Kautabak in die Wange zu stopfen, und er war so sehr ein Klugscheißer, wie er gebildet war. Aber insgeheim betrachtete Fredrick ihn mittlerweile fast wie einen Sohn und er hoffte, der Junge würde mal in seine Fußstapfen treten.

Dales fuhr mit seiner hastigen Erklärung fort, warum er Fredrick so rasch wieder aus dem Bauch der Doline gezogen hatte: »Es sind die Prüfgeräte. Die gehören alle uns, wie Sie wissen, aus dem College-Fundus. Mag ja sein, dass die Regierung diese Ausgrabung bezahlt, aber die werden uns sicher keine neuen Prüfgeräte spendieren.«

Wütend warf Fredrick sein Gurtzeug ab.

»Wovon reden Sie?«

»Das Luftmessgerät.«

»Was?«

»Wir haben ein Becton-Dystal der ersten Generation, Prof. Das ist so alt wie …«

Fredricks Assistent hielt kurz inne und der Professor kniff die Augen zusammen. Er hob den Finger. »Sie sind ein eingebildeter kleiner Drecksack, ist Ihnen das klar? Sie wollten gerade sagen, dass das Ding so alt ist wie ich.«

Dales grinste mit dem Mund voller Gummibärchen. »Nicht doch, Prof, ich wollte sagen, dass es so alt wie die Zeit ist – und ganz ehrlich, das ist im Grunde dasselbe. Aber bevor Sie den vierten Herzanfall Ihrer Karriere haben, lassen Sie es mich erklären. Als wir das Messgerät runtergelassen haben, kam es positiv zurück, also haben wir Sie abgeseilt. Aber als Sie unten waren, sprang das Messgerät auf Rot. Das verdammte Teil ist so alt und verrostet, dass es uns einen falsch positiven Wert angezeigt hat. Erst nach fünf Minuten kam die korrekte Messung aus dem Chromatografen. Prof, Sie haben dort unten mehrere Tausend PPM Methan, CO2 und Radon eingeatmet. Noch fünf Minuten länger in dem Loch, und Sie wären jetzt tot … und mir ist egal, was der Rest der Fakultät sagt, Prof. Die Welt ist mit Ihnen besser dran als ohne Sie.«

Fredrick machte eine vielsagende Geste mit dem Mittelfinger, aber nach ein bisschen Knurren und einem kurzen Hüsteln sagte er: »Gut gemacht, Junge. Danke.«

Dales lachte. »Jetzt kriege ich eine Eins für meine Abschlussarbeit, oder?«

»Übertreiben Sie’s nicht.« Fredrick warf den Rest des klobigen Klettergeschirrs ab. Unruhe kam auf, als mehrere enthusiastische Studenten einen weißen Abluftschlauch in das Loch hinabließen. Dales packte gespielt besorgt Fredricks Schultern und drehte ihn weg. »Nicht hinsehen, Professor. Sonst kommen traumatische Erinnerungen hoch – an Ihre letzte Darmspiegelung!«

»Sie sind ein richtiger Komiker, Dale. Wir sollten Sie in das Loch werfen. Sie müssen nur dort unten sitzen und fünf Minuten lang über sich selbst reden – die ganze heiße Luft treibt sämtliche giftigen Gase raus.«

»Haha, Boss! Ein echter Schenkelklopfer!«

Fredrick blinzelte in die hoch stehende Sonne. Der Lärm der Ausgrabung nervte ihn: das Geratter der Baggermotoren, die Trucks, die durch das Tal fuhren, das endlose Knirschen von Schaufeln, die sich durch steinige Erde gruben. »Wie lange dauert die Belüftung?«

Dales setzte sich auf einen ausgegrabenen Block aus schwarzem Granit, dessen Wölbung darauf hindeutete, dass er einstmals bei Enthauptungen als Schafott gedient haben mochte. »Da unten könnten viele Kubikmeter Platz sein«, merkte er an. »Sie kennen das Vorgehen. Wie groß ist die Doline?«

Die Frage überrumpelte ihn. »Das kann ich unmöglich sagen. Ich konnte nur ein paar Blicke mit der Taschenlampe erheischen, bevor ich wieder rausgezogen wurde. Ich kann nicht mal den Umfang schätzen.«

Dales zuckte die Achseln. »Könnte ’ne Stunde dauern, könnte ’nen Monat dauern.«

Diese Möglichkeit trieb ihn schier zur Verzweiflung.

Er wollte wieder da rein.

Sofort.

»Und Sie haben sicher Leichen gesehen?«, fragte Dales.

»Zerstückelte Leichen«, sagte Fredrick. »Sie waren an den Hüften und Schultern zerlegt.«

»Hmm.« Dales dachte nach. »Sie meinen Knochen. Knochenabdrücke?«

»Glieder, extrem gut erhalten. Im Grunde intakt …«

»… nach 10.000 Jahren?«, unterbrach Dales. »Scheiß die Wand an, wenn das mal kein Glück ist, hm? Hohe Stickstoffwerte, ungestörter Thermalfluss von Methan und Kohlendioxid und durch die dichte Versiegelung der Doline konnte das Radon aus dem Schiefer nicht abziehen. Der ultimative Scharfmacher für jeden Archäologen.«

Dales’ nicht besonders technische Terminologie erwies sich als mehr als akkurat. Ein unfassbarer Zufall hatte absolut hervorragende Konditionen für archäologische Erhaltung geschaffen. Schlichtes Glück hatte dafür gesorgt, dass die Leichen in der Doline perfekt mumifiziert worden waren.

Zehn Jahrtausende alt, dachte Fredrick. Und immer noch intakt …

Dales kicherte. »Ich kann es kaum erwarten, die Gesichter der Trottel zu sehen, die Sie die ganze Zeit ausgelacht haben. Ich meine, Himmel, das hier ist kein Hochmoor in den Anden oder ein geschmolzener Gletscher in Nepal. Das hier ist Florida, Boss. Sie haben entdeckt, dass ein abgelegener Indianerstamm eine institutionalisierte Religion praktiziert hat, ehe es überhaupt institutionalisierte Religionen gab. Sie sind der Wahnsinn, wissen Sie das? Zur Hölle, Sie rocken!«

Obwohl Fredrick die ermutigenden Bemerkungen schätzte – so plump sie auch waren –, wusste er doch, dass seine Entdeckung nur dann akzeptiert werden würde, wenn sich das, was er zu sehen geglaubt hatte, nicht als optische Täuschung entpuppte. Ein niedriger Sauerstoffgehalt konnte leicht eine solche Halluzination hervorrufen. Und Fredrick nahm an, dass in seinem Alter Wunschdenken das ebenso gut konnte. Aber er war sich so sicher. Er war sicher, dass er die Leichen gesehen hatte, und er war sicher, dass er die …

»Was ist mit den Köpfen?«, fragte Dales, als fiele ihm das gerade ein. Eine merkwürdige Frage. »Waren nur die Arme und Beine von den Torsos abgetrennt oder auch die Köpfe?«

»Die Köpfe auch«, sagte Fredrick.

»Also hatten Sie recht, als Sie sagten, dass die Ponoye Opferrituale abhielten.«

Fredrick verstand, worauf er hinauswollte, und korrigierte ihn: »O nein, ich glaube nicht, dass die Körper zu Ritualopfern gehörten. Sie lagen völlig durcheinander am Boden der Gruft. Kein Muster, keine Ordnung. Und es waren Priester.«

»Sie machen Witze.«

Fredrick schüttelte so heftig den Kopf, dass es ein wenig staubte. »Ihre Gewänder waren natürlich stark verwittert, aber ich konnte die Überreste noch gut erkennen. Diese Männer trugen Messhemden und Stolen und aufwendige Soutanen. Dort liegen vier Leichen, Dales, und ich erkannte außerdem vier verwitterte Kopfschmucke auf dem Boden.«

Dales zwinkerte. »Kapiert. Ich Dummerchen. Ein Kopfschmuck bleibt gemeinhin nicht auf dem Kopf, wenn der Kopf abgeschnitten wird.«

»Genau. Aber ich glaube nicht, dass sie abgeschnitten wurden.«

Dazu fiel nicht mal Dales ein Scherz ein. »Wie jetzt? Meinen Sie, dass sie sich nach der Mumifizierung irgendwie gelöst haben? Eine Erschütterung, ein Erdbeben?«

»Nein, nein, nein«, beharrte Fredrick und dachte angestrengt an das zurück, was er gesehen hatte. »Was ich meine, ist die Form der Köpfe – prämortal, nicht postmortal. Wie die Hälse aussahen. Die Köpfe wurden nicht abgeschnitten, Dales. Sie wurden abgerissen.«

Dales spuckte seine Gummibärchen aus und funkelte Fredrick an. »Jetzt machen Sie mir Angst. Normalerweise sind es doch die Priester, die die Opferung durchführen. Aber Sie behaupten, dass vor 10.000 Jahren jemand da runtergegangen ist, um die Priester zu opfern?«

Obwohl die Sonne vom Himmel knallte, zitterte er in der feuchten Luft. Die Ausgrabung erinnerte ihn an Missbrauch, an Vergewaltigung. Eine Reihe eifriger Studenten schlug mit Zehn-Kilo-Spitzhacken den Hang auf. Andere gruben an den unförmigen Umrissen von Gegenständen herum, die die letzten sechs Grabungstage dem Vergessen der Jahrhunderte entrissen hatten. Überall erhoben sich Staubwolken. Das hektische Geräusch von Metall, das auf Stein schlug, klang wie ein vertrautes Lied. Fredrick machte das hier schon sein ganzes Leben lang: verschüttete Zivilisationen aus der dicken Haut der Erde pulen. Aber so hatte er sich noch nie gefühlt. Er kam sich wie ein Eindringling vor.

Er sah auf seine schlammbespritzten Lederstiefel hinab, die er schon zu zahllosen Ausgrabungen getragen hatte. Von Gallien bis Ninive, von Jericho über Troja bis Knossos. Lächelnd dachte er zurück. Er betrachtete sich selbst als Geist aus der Zukunft. All diese Städte, einstmals groß und mächtig, waren dazu verurteilt, dass Fredricks alte Stiefel Jahrtausende später darüber hinwegtrotteten. Vergrabene Zeit. Ganze Zivilisationen eingesperrt unter Schichten von Ton. Er wandelte über Welten und eines Tages, so wurde ihm klar, würde jemand über seiner wandeln.

Aber nicht heute …

Heute würde Fredrick der Botschafter zwischen der Gegenwart und der düstersten Vergangenheit sein.

Endlich allein, starrte er den Eingang an.

Doline, dachte er. Ja, was jeder andere einfach als Loch im Boden bezeichnen würde, nannten Männer wie Fredrick eine Doline. Doline und Zikkurat. Turm und Tunnel. Oben und unten. Sie waren alle gleich. Alle antiken Zivilisationen teilten irgendeine Art spiritueller Ideologie.

Der Himmel war oben. Die Hölle war unten.

Der Turm von Babel beispielsweise war eine Zikkurat, ein heiliges Gebäude, dessen wohldurchdachte Höhe dazu diente, die Priester näher zum Himmel zu bringen.

In diesem isolierten, tropischen Tal hatte Fredrick das Gegenteil gefunden – eine zeremonielle Höhle, deren Tiefe die Priester näher an die Unterwelt bringen sollte.

Näher zum Teufel.

Die Ponoye. Die alten Überlieferungen des abgelegenen Indianerstamms erzählten von heiligen Höhlen – den cennana – und es sah so aus, als hätte Fredrick eine gefunden. Genau wie die alten Cenoten in, sagen wir, Mesopotamien, nur dass …

Diese Doline muss 5000 Jahre vor der ältesten mesopotamischen Cenote genutzt worden sein, dachte Fredrick.

War das der Beweis einer Religion 8000 Jahre vor der Geburt Christi?

In Nordamerika?

Das wird die archäologische Gemeinschaft auf den Kopf stellen …

Wieder erschien das Bild des Taschenlampenausschnitts vor seinem geistigen Auge; Fredrick war davon überzeugt, dass die Leichen in der Gruft Ponoye-Priestern gehörten. Das ungewöhnliche Klima der Doline hatte ihre Insignien perfekt erhalten: den Schmuck auf ihrer Brust. Die Armbinden und -reife. Die Kopfschmucke – den spitzen Mitren assyrischer Rauchwahrsager ähnlicher als allem, was man typischerweise in Nordamerika an zeremoniellen Gewändern finden konnte.

Die Ponoye waren in vielerlei Hinsicht besonders: Zum Ersten verfügten sie über eine komplexe Schriftsprache und verfassten etwa zur selben Zeit, als die ägyptischen Adligen auf Papyrus kritzelten, religiöse Texte. Weiterhin schrieben sie hieratisch: Nur den Geistlichen war es erlaubt zu schreiben. Und drittens beteten sie nicht die Natur an. Sie waren absteigende Theologen. In anderen Worten: Die Ponoye beteten keinen Gott in der Höhe an. Sie dienten »niederen« Göttern.

Fredricks ausgebremste Begeisterung brachte ihn zum Zittern. Seine alten Gelenke schmerzten vom ganzen Hin und Her am runden Sicherheitsgeländer um die Öffnung der Doline. Nach einer Weile merkte er, dass die Sonne unterging. Einer der Studenten trabte heran und winkte ihm: »Der Essenswagen ist da, Professor. Kommen Sie!« Der Rest des Ausgrabungsteams packte zusammen. Bis auf das beständige Tuckern des kleinen, benzinbetriebenen Motors der Lüftung wurde es auf der Baustelle auf einmal still. Erst als er allein war, bemerkte Fredrick die Anzeige des alten Luftmessgeräts.

Das Licht war grün.

Die Lüftung lief schon seit Stunden; sicherlich war die Grube mittlerweile durchlüftet. Dales war nirgends zu sehen, ohne Zweifel stand er in der Essensschlange.

Scheiß drauf, dachte Fredrick.

Er konnte nicht noch länger warten.

Er legte die Gurte für den Abstieg an.

»Zur Hölle mit der Seilwinde«, murmelte er bei sich. »Ich mach’s auf die gute altmodische Art …« Sicherheitsbedenken und simpler gesunder Menschenverstand hatten ihn verlassen; er wollte nicht länger dumm rumstehen. Ein paar Dutzend Meter unter seinen Füßen, gerade unter dem Erdboden, erwartete ihn ein 10.000 Jahre altes Rätsel.

Es konnte nicht länger warten.

Fredrick hielt sich am Kletterseil fest und ließ sich in das Loch hinab. Die Metallspikes an seinen Stiefelspitzen halfen ihm, seinen Stand zu stabilisieren, und nach einigen Augenblicken arbeitete sich der alte Mann gekonnt durch das schmale Loch in die Tiefe. Achtung an der Kante, dachte er nach einer Weile. Jeden Moment musste er die »Deckelplatte« – also die Decke – der Gruft erreichen.

Er streckte die Fußspitze nach unten, nahm Maß, tastete nach dem Boden. Verkack es jetzt nicht, alter Sack!, warnte er sich. Zwar hatte er sich in der Vergangenheit schon viele Hundert Male abgeseilt, aber jetzt war er 70. Selbst ein freier Fall von wenigen Metern konnte ihm die Hüfte brechen oder ein Knie rausspringen lassen.

Vorsichtig, vorsichtig …

Jetzt hielt er sein gesamtes Körpergewicht allein mit der Kraft seiner Arme. Die völlige Finsternis der Gruft schien ihn zu verschlucken.

Tiefer …

Wo ist die verdammte Bodenplatte?!

… und immer tiefer. In der totalen Schwärze verlor er jeden Sinn für Entfernungen; für irgendeinen primitiven Teil seiner Psyche hätten seine Füße auch über einem kilometertiefen Schacht baumeln können. Dieses geistige Bild – verstärkt durch die Dunkelheit, die jetzt sogar noch dunkler zu werden schien – brachte sein Herz erneut zum Galoppieren. Er wusste, dass er nicht genug Kraft hatte, sich wieder zum Rand des Senklochs zu ziehen, wo er sich zumindest kurz ausruhen konnte. Seine Arme zitterten. Und dann wurde ihm seine einzige Möglichkeit klar: loslassen und fallen.

Er musste seinen Händen nicht mal den Befehl geben, das Kletterseil loszulassen. Sämtliche Kraft verließ seine behandschuhten Fäuste und er fiel …

Bitte, Gott, rette mich!

… vielleicht 20 Zentimeter, ehe er auf dem Boden der Doline aufkam.

Idiot. Dummer alter Narr.

Dennoch dankte er Gott.

Er stand still in der Schwärze, wartete, bis sich sein Herz ein wenig beruhigt hatte, und sammelte seine Sinne. Ich bin hier. Endlich. Schließlich wurde ihm klar, was das bedeutete: Ich bin der erste Mensch, der einen Fuß an diesen Ort setzt … seit 10.000 Jahren.

Er griff nach unten, tastete nach der Schnur, mit der er die Taschenlampe festgebunden hatte, und nahm sie fest in die Hand. Er wartete kurz und hielt dabei – mit einem kitschigen Sinn für Dramatik – die ausgeschaltete Taschenlampe hoch erhoben. Wenn ich sie einschalte, sehe ich ein Fragment von dem, was vielleicht das größte Geheimnis ist, das in Nordamerika je entdeckt wurde …

Dann: »Genug Melodram«, sagte er laut. »Statt wie irgendein 70-jähriger Altenheim-Depp hier herumzustehen, solltest du die Taschenlampe einschalten.«

Aber wieder vergingen einige Sekunden, in denen er es nicht tat.

Er konnte nur raten. Es entsprach der menschlichen Natur, sich vor der Dunkelheit zu fürchten, aber im Moment schien es, als hätte Fredrick Angst vor dem Licht.

Warum?

Da liegen zerstückelte Leichen auf dem Boden, dachte er. Hohepriester der Ponoye-Indianer. Warum wurden sie zerstückelt?

Er hatte Angst.

Was ging hier Grauenhaftes vor, als die letzte Eiszeit gerade endete?

Das waren nicht die üblichen Bedenken eines Geschichtswissenschaftlers. Männer wie Fredrick dachten in Kategorien von Radiokarbondatierung, Bodenschichten, Gewichten, Abmessungen und Bodenproben. Seine Welt bestand aus objektiven Fakten, nicht aus …

Nicht aus so emotionalen, unlogischen Begriffen wie Angst.

Wovor sollte er denn schon Angst haben?

Was auch immer das scheußliche Grauen ausgelöst haben mochte, das hier stattgefunden hatte, war sicherlich längst vergangen. Es gab keine Geister in Fredricks kalter, vernünftiger, wissenschaftlicher Welt. Es gab keinen Teufel. Die Ponoye hatten die niederen Dämonen aus denselben abergläubischen Gründen angebetet, die alle Rassen der frühen Menschen beeinflussten. Sie glaubten an sie, das schon.

Aber Dämonen existierten nicht.

Als Professor Fredrick die Taschenlampe einschaltete, erkannte er, dass er unrecht hatte.

Dämonen existierten sehr wohl.

Und einer dieser Dämonen packte ihn …

Teil 1

1

(I)

Es war immer blendend hell. Es war immer so still.

Es war immer gleich.

Clare wusste, dass es ein Traum war, aber diese Tatsache kam ihr nie in den Sinn, wenn sie ihn gerade träumte, was das Ganze noch viel grausamer machte. Vergewaltigt zu werden war, als würde man sich nach der Wiederbelebung an die eigene Ermordung erinnern. Waren nicht bereits genug Dinge in ihrem Leben schiefgelaufen? Warum verfluchte sie das Schicksal drei Mal in der Woche mit diesem elenden Traum?

In dem Albtraum war sie so gelähmt wie damals, als es tatsächlich passiert war: Er hatte ihr irgendwas gespritzt. Sie konnte sich nicht bewegen, aber alles spüren. Die unheimlichsten Worte, die sie je gehört hatte, erklangen jetzt wieder in ihrem lallenden, stotternden Horror: »K-k-k-keine Angst, Clare. Ich t-t-t-tu dir nicht weh, bis ich fertig bin.« Er nahm die Ahle in seine bizarr deformierte rechte Hand, die nur aus Daumen und Zeigefinger bestand – ein Geburtsfehler, hatte man ihm gesagt. Die Linke war normal. Aus irgendeinem Grund waren die ganzen Details des Geschehens in der Erinnerung nicht so verstörend wie dieses eine Bild: die deformierte Hand.

Dann tat die Hand Dinge mit ihr, liebkoste sie, stieß sie an – Clare wollte aufspringen und schreien, sich so heftig wehren, wie es einer Frau nur möglich war, ihn töten, aber natürlich geschah nichts von all dem. Die Droge hatte sie so effektiv paralysiert wie ein gebrochenes Rückgrat.

Sie konnte nicht zurückweichen. Sie konnte sich nicht mal winden.

Sie konnte nur daliegen und zusehen, alles sehen, alles … spüren.

Er hatte sie im Autopsieraum der Militärbasis vergewaltigt, die Untersuchungslichter schienen ihr hell ins Gesicht und die Haut ihres nackten Rückens rieb über den kalten Stahltisch. Und dann war da diese grausame Stille. Das Einzige, was sie hörte, waren seine schmatzenden Lippen und ihr hämmerndes Herz. Er hatte sie auch ein paarmal gebissen und jeder Biss hatte sich angefühlt, als schösse Strom durch ihren Körper.

Sie war benutzt worden wie ein Stück Fleisch, ihr kostbares Leben und ihr Körper waren für das Amüsement dieses Perversen verwüstet worden. Es war egal, dass er sie nicht wirklich verletzt hatte – die Bisse waren kaum durch die Haut gedrungen –, und es war egal, dass der Wachmann reingekommen war, nachdem er fertig war und bevor er sie mit der Ahle bearbeiten konnte. Was Clare wirklich fertigmachte, war die Haltung des Disziplinargerichts, dieser »Sie wollte das doch«-Blick, den alle Beteiligten aufgesetzt hatten. Der Rest des grauenhaften Spektakels setzte sich über entwürdigende Monate fort, mit Überschriften in der Basis-Zeitung wie: »Belastungszeuge: ›vergewaltigter‹ Lieutenant lügt« oder »Richter verhandelt keine Vergewaltigung für Lt. Prentiss; stattdessen Kriegsgericht«. Der Täter hatte ein Alibi, der Wachmann vom Dienst wurde bestochen, der Test auf Sperma war negativ und sie bestand keinen einzigen Lügendetektortest.

Es war ein abgekartetes Spiel.

Nach dem »Tailhook-Skandal«, dem Sex-Skandal auf dem Aberdeen-Versuchsgelände, den »Vergewaltiger-Drill-Sergeants« von Fort Leonard Wood und weiteren Fällen dieser Art duldete Onkel Sam keine neuen landesweiten Überschriften.

Genauso wenig wie Colonel Harold T. Winster, der Kommandant der Forschungseinheit … denn der Täter war Winsters Sohn.

Stattdessen hatten die gute alte Korruption und der Sexismus Clare von Justitias Waage geschubst.

Sie saß erschöpft in dem schmalen Bett. Schwaches Dämmerlicht schimmerte durch die angelehnten Fensterläden. Ein neuer Tag, ein neues Almosen, dachte sie. Das Zimmer, in dem sie erwacht war, roch nicht sehr gut; das taten Obdachlosenheime nie. Das leise Schnarchen aus den anderen Stockbetten schwoll in konstantem Flackern an und ab. So erwachte Clare an jedem Morgen: schockiert, ungläubig. Und höllisch wütend.

Das bin doch nicht ich!, dachte sie, als sie die anderen Frauen betrachtete, die auf ihren Bettgestellen schliefen. Das bin nicht ich! ICH gehöre NICHT hierher!

Das tat sie auch nicht. Aber sie war dennoch hier, und zwar schon seit einigen Monaten.

Beste Schulnoten und ein Unidurchschnitt von 1,5 waren vollkommen egal, genau wie ihre hohe militärische Geheimhaltungseinstufung. Auf ihrer Entlassung aus der U. S. Air Force stand in extravagant verschnörkelter Schrift UNEHRENHAFT. Jeder Arbeitgeber, der eine der üblichen Prüfungen auf kriminelle Vergehen und Kreditwürdigkeit durchführte, wurde sofort mit ihrem Entlassungsstatus konfrontiert. Ihr Strafrechtsabschluss war jetzt weniger wert als eine Rolle Klopapier; im ganzen Land gab es keine Polizeidienststelle oder Sicherheitsfirma, die sie auch nur anfassen würde. Dass ihre Akte vor dem Gerichtsverfahren blütenweiß gewesen war, war irrelevant, genau wie die Belobigungen und die Tapferkeitsmedaille. Wie man es drehte und wendete, Clare Prentiss’ Name war gründlich durch den Dreck gezogen worden.

Sogar die einfachsten Handlanger-Jobs waren ihr verschlossen; der Kampf um das Geld der Touristen in der Gegend um Tampa Bay war ziemlich hart. Selbst wenn sie nur versuchte, einen Job am Popcorn-Stand auf dem St.-Pete-Pier zu kriegen, musste sie sich schriftlich bewerben und ein Vorstellungsgespräch führen, das schlussendlich ihre unehrenhafte Entlassung aus der Armee ans Licht bringen würde. Es war einfach lächerlich. Hausmeisterposten, Tellerwäscher, Müllabfuhr – es gab genug Jobs, aber niemand würde sie einstellen. Sie hatte sich um eine Stelle bei einem Unternehmen beworben, das Müllcontainer reinigte. »Wenn ich Sie einstelle, bettle ich förmlich um Ärger«, hatte der Mann gesagt. »Warum sollte ich Sie nehmen, wo doch der Nächste, der den Job haben will, nicht unehrenhaft entlassen wurde?« Da konnte sie nicht widersprechen, aber – Müllcontainer, um Himmels willen! Sie stellen mich nicht mal ein, um Müllcontainer sauber zu machen!

Auch mit dem Auslösen von Austern wurde es nichts: »Das ist ein Job für Vollidioten, Schätzchen, aber ich brauche ehrliche Vollidioten. Sorry, mit Ihnen ist es zu riskant«, hatte der Chef gesagt.

Da hatte Clare die Nerven verloren. »Warum denn riskant?«, hatte sie eingewendet. »Weil ich unehrenhaft entlassen wurde, fürchten Sie was? Dass ich Austern stehle? Dass ich jeden Tag ein paar in meine Tasche stecke und mitnehme? Dass ich sie auf der Straße verkaufe, um Geld für Crack zu kriegen? Herr im Himmel, warum können Sie mich nicht verschonen?«

Der Mann hatte nur die Achseln gezuckt: »Ich bin Geschäftsmann. Es ist nicht meine Aufgabe, Sie zu verschonen. Tatsache ist, dass Sie einen beschissenen Werdegang haben, also werde ich Sie nicht einstellen. Klar ist es frustrierend, dass eine Frau mit Ihrer Ausbildung nicht mal für das Auslösen von Austern bezahlt wird … aber daran hätten Sie denken sollen, bevor Sie Ihr Leben versaut haben.«

Clare wollte ihn auf der Stelle umbringen, ihn am Boden festnageln, bis er weinte. Stattdessen ging sie einfach.

»Ich hab mein Leben nicht versaut«, flüsterte sie jetzt in ihrem verschlissenen Obdachlosenheimbett. »Ich wurde reingelegt und abgezockt.«

Aber das wollte niemand hören. Das erzählten doch alle Frauen, die vom Pech verfolgt wurden. Es war die Schuld von jemand anderem. Das glaubten sie einem genauso, wie man einem Verurteilten glaubte, dass er wirklich unschuldig war.

Das war es, was die Welt ihr zu sagen hatte: Pech gehabt, Schätzchen.

Der Schweiß auf ihrer Haut fühlte sich an wie Schneckenschleim. Im schwachen Licht des frühen Morgens schielte sie auf ihre Uhr: 4:57 Uhr. Beim Anblick der hochwertigen Militärarmbanduhr fiel ihr ein, dass sie sie schon sehr bald würde versetzen müssen. Die Uhr kostete 400 Dollar, aber sie konnte froh sein, wenn sie von den Kredithaien im St.-Pete-Pfandhaus 50 dafür bekam. Ihre Kollegen von der Militärbasis hatten sie ihr geschenkt, als sie zum Oberleutnant ernannt worden war … damals, als sie noch jemand gewesen war, als man sie noch respektierte und mochte. Damals, als sie noch ein Leben gehabt hatte.

In einer Stunde würden die Angestellten des Heims reinkommen und sie alle wecken. Der Albtraum hatte jede Chance auf Erholung zunichtegemacht und nun hatte es keinen Sinn mehr, wenn sie zu schlafen versuchte – sie wusste, dass die deformierte Hand ihres Vergewaltigers sie erwartete. Warum sollte sie sich darauf einlassen? Zeit, hier abzuhauen, dachte sie. Die Busse raus aus Williams Park würden erst in etwa einer Stunde fahren und wenn sie Glück hatte, schaffte sie es zum Wagen der Missionarinnen der Nächstenliebe in der 4th Street und bekam ein kostenloses Sandwich. Sie nahm sich ihre Kleider vom Metallklappstuhl neben dem Bett und ging leise zur Toilette. Die Hitze Floridas war unerträglich und das Obdachlosenheim hatte keine Klimaanlage. Clare fühlte sich widerlich. Ihr BH und ihr Höschen klebten an ihr. Sie brauchte eine schöne, kühle Dusche. Das würde vielleicht ihre Laune verbessern.

Allerdings, vielleicht auch nicht.

Aaach, Scheiße!, dachte sie. Der Deo-Test!

Sie mochte zwar nun eine Pennerin sein, aber ohne Drogen- und Alkoholabhängigkeit konnte sie sich zumindest für private Produkttests bewerben. Es gab dafür nicht viel Geld, aber es war besser als nichts. Ausgerechnet heute testete sie einen neuen Deoroller und hatte dafür eine unangenehme Auflage bekommen: Sie durfte 24 Stunden lang nicht duschen. Wie nett. Heute soll es weit über 30 Grad heiß werden. Noch ein Schlag.

Hör auf zu jammern, beschloss sie. Zieh’s einfach durch.

Sie versuchte, sich die Haare im Waschbecken zu waschen, aber der Wasserhahn war zu kurz und das Becken zu flach. Also musste sie sich damit begnügen, ihre Hände und das Gesicht zu waschen; dann zog sie sich an und verließ das Obdachlosenheim.

Die Innenstadt von St. Petersburg war am Morgen wunderschön … wenn man nach Osten schaute, zum Wasser. Der Blick nach Westen bot nur dreckige Penner-Klitschen aus Backsteinen, Pfandhäuser und Säufer-Bars. Sie ballte die Fäuste so fest, dass ihre Nägel fast die Haut ihrer Handflächen durchstießen, als sie am Williams Park ankam und die ganzen Säufer und Penner sah, die ruhig im Gras saßen und Sandwiches verspeisten. Der Wagen der Wohlfahrt fuhr gerade weg.

Sie blieb an der Ecke stehen, tappte mit dem Fuß und versuchte runterzukommen. Sie beschwor sich: Ich werde nicht weinen. Ich werde nicht schreien. Ich werde nicht ausflippen. Die Welt ist voll von Frauen, die es schlechter haben als du, also … KOMM DAMIT KLAR, CLARE! Warum zur Hölle auch immer, aber du hast eben einen schlechten Tag. KOMM DAMIT KLAR!

Manchmal glaubte sie, es könnte einfach ein Fehler in ihrem Karma sein, dass irgendeine Gottheit – Gott, Buddha, wer auch immer – sie bestrafte, weil sie ein Leben verschwendete, das früher so voller Chancen gewesen war – einfach weil sie sich nicht ausreichend bemühte, ein guter Mensch zu sein.

Ja, manchmal zog sie diese Möglichkeit tatsächlich in Erwägung.

»Scheiß drauf!«, flüsterte sie. »Ich bin ein guter Mensch. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich werde mich wieder aufrappeln und mein Leben auf die Reihe kriegen.«

In ihrer Tasche befanden sich fünf Vierteldollarstücke. Damit konnte sie mit dem Bus Nummer 35 zur 66th Street fahren. Von dort musste sie die restlichen 30 Blocks bis zur Hillover-Produktprüfung laufen.

Okay. Das war hart, aber sie würde es tun.

Geh los und hör auf zu meckern. Einen Schritt nach dem anderen.

Sie keuchte auf, als sie in der Scheibe der Bushaltestelle die dürre, bettelarme Frau mit dem verschnittenen blonden Haar und den eingesunkenen Augen entdeckte. Sie trug abgewetzte Springerstiefel, zerknitterte Kakihosen, die einige Größen zu groß waren, und ein dreckiges olivgrünes T-Shirt, auf dem U. S. AIR FORCE TOP PISTOL TEAM – MACDILL AFB stand. Natürlich war sie selbst diese Frau, es war ihr Spiegelbild im Plexiglas.

Clares Unterlippe zitterte, als sie genauer betrachtete, was gerade mit ihr passierte. Sie war am Verhungern, ausgemergelt. Ihr ganzes Leben ging den Bach runter.

In ihrem Auge schimmerte eine Träne.

Im Mülleimer bemerkte sie eine braune Papiertüte – chinesisches Essen zum Mitnehmen. Die halb gegessene Frühlingsrolle in dem offenen Styroporbehälter sah verführerisch aus, aber so tief war sie noch nicht gesunken. Es waren Ameisen darauf. Ich werde keinen Müll essen, dachte sie voller Überzeugung.

Moment mal, was …

Sie griff in die Tüte und quietschte fast vor Freude, als sie mehrere Plastikpäckchen mit Entensoße und scharfem Senf fand. Sie waren noch ungeöffnet. Und, noch besser, einen in Zellophan gewickelten Glückskeks.

Sie schämte sich dafür, aber die Gewürzpäckchen waren köstlich. Dann verschlang sie den Glückskeks. Delikat.

Ihr Glücksspruch lautete: HEUTE WIRD IHNEN ETWAS SEHR GUTES PASSIEREN.

(II)

Kari Anns nächster Höhepunkt presste sie regelrecht zu Boden. Ja, ihre Leidenschaft zerquetschte sie, sie wurde von ihrem Verlangen erdrückt. Da sie bereits nach der vierten Klasse die Schule verlassen hatte, war Kari Ann Wells nicht ausreichend gebildet, um nachvollziehen zu können, warum das so war … und es war ihr auch ziemlich egal. Es würde ihr zum Beispiel niemals in den Sinn kommen, dass ihre jahrelange Crystal-Meth-Abhängigkeit damit zu tun haben könnte. Lieber sah sie sich als eine leidenschaftliche Frau, die ihren körperlichen Sehnsüchten auf feminine, natürliche Art folgte statt als hoffnungslos nach diversen Amphetaminen süchtiges Schmuddelkind, das aufgrund einer repressiven Umwelt und einer Abhängigkeit von der unnatürlich starken Stimulation gewisser chemischer Rezeptoren in seinem bald – wenn nicht jetzt schon – geschädigten Gehirn ungezügelte sexuelle Exzesse brauchte.

Kari Ann war eine Wohnwagenpennerin, ein »Ice«-Junkie und eine Hure, deren freier Wille schon vor langer Zeit der Tragödie des Drogenmissbrauchs zum Opfer gefallen war. Ihrer Auffassung nach war sie eine lebhafte, glückliche Frau, die es liebte, geliebt zu werden.

Und im Moment liebte Jory Kane sie ganz vorzüglich.

Der Wald war eine Kakofonie, die nächtlichen Geräusche fast greifbar, als Jory hart in sie stieß. Caleb hatte sie zurück zum Boot geschickt, um mehr Angelzeug zu holen, aber kaum waren sie zwei Minuten unterwegs gewesen, als Jorys Hand schon seinen Weg in ihr abgeschnittenes Höschen gefunden hatte. Ihre Reaktion kam fast automatisch, sie war tief in ihr verwurzelt. Sofort zog sie ihr Top aus und zerrte ihn in die nächste Palmengruppe.

»Was auch immer du tust«, flüsterte sie, »sag’s nicht Caleb …«

»Scheiß auf Caleb«, murmelte er und zog ihr grob die Hose aus. Dann ließ er schnell seine Jeans runter und drückte ihre Knie neben ihren Kopf.

Kari war bereit; sie war immer bereit. Aber … »Benutzt du kein …«

Hump!

Nein, wurde ihr klar, er würde kein Kondom benutzen.

»Ich wette, Caleb besorgt’s dir nicht so …«

Kari Ann zog hart die Luft zwischen den Zähnen ein.

Nein, das tat Caleb nicht.

Gott, er ist so groß, war alles, was sie denken konnte, als sie auch schon aufgespießt wurde. Der leichte Schmerz war köstlich, die abrupte Penetration schaltete all ihre sexuellen Sinne gleichzeitig ein. Es war wie ein Lichtschalter: Klick!, und sie war an und lief, eine heiße, tickende Maschine, bereit, benutzt zu werden. Jory benutzte sie gut.

Dann kam ihr ein schlimmes Bild in den Sinn: Caleb, der den Weg entlangtrampelte, weil er sich wunderte, was sie so lange machten, und …

… sie entdeckte.

Es war nicht so, dass Kari Ann etwas wie körperlichen Missbrauch fürchtete – im Grunde war Caleb nur ein fetter Typ, der sich in seinem ganzen Leben noch nie geprügelt hatte und für den es der Gipfel der Gewalt war, einen Moskito totzuschlagen –, sie wollte einfach nur nicht ihr bequemes Leben riskieren. Caleb hatte seinen eigenen sieben mal 15 Meter großen Wohnwagen im Pelican Park, den seine Eltern ihm gekauft hatten und der wirklich nett hergerichtet war: Fensterelemente in jedem Raum, ein großer japanischer Fernseher, ein Videorekorder und ein DVD-Player und außerdem eine von diesen Satellitenschüsseln. Er arbeitete nicht, weil er irgendeine komische Knochenkrankheit hatte, weshalb er ein bisschen merkwürdig lief. Also bekam er 795 Dollar im Monat vom Amt und dazu ein paar Tausender von seinen Eltern. Damit gehörte Caleb zur Elite des weißen Abschaums, die Art Mann, die sich alle Frauen von Kari Anns Schlag schnappen wollten. Er rauchte kein Meth, sondern trank nur Bier und kaute Tabak und war überglücklich, einen Großteil seines monatlichen Barvermögens seiner liebenden »Freundin« zuzustecken. Caleb hielt Kari Ann auf Crystal Meth und Kari Ann ließ Caleb in dem falschen Glauben, er sei jemand.

Die perfekte Beziehung.

Caleb war sozusagen Kari Anns »Job«, und sie würde den Teufel tun, ihn zu verlieren, weil sie unvorsichtig war. Natürlich betrog sie ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit, aber sie wusste genau, dass sie mit Jory besonders vorsichtig sein musste. Die beiden waren Cousins dritten Grades oder so was und als Jory das letzte Mal aus dem Gefängnis gekommen war, hatte er sich bei Caleb einquartiert. Unsicher, wie Caleb nun mal war, gefiel es ihm, in der Öffentlichkeit mit einem großen, breiten Redneck-Kumpel wie Jory aufzutreten. Dann fühlte er sich gut. Im Grunde spielte Jory sein eigenes Spiel und hatte genauso viel zu verlieren.

Ihr Schweiß tränkte den unebenen Waldboden unter ihr. Jory stieß immer weiter zu. Wenn ihre weiblichen Reize so etwas wie ein Blumenbeet waren, grub Jory es gerade vollkommen um, mit Wurzeln und allem. Ihre Ekstase verschlang sie und ihr erster Orgasmus explodierte. Jorys sexuelle Kunstfertigkeit machte sie zu einem kleinen, warmen, nassen Ding, dessen einzige Berufung in der Welt es war, sich im Dreck zu winden und Lust zu empfinden.

Sosehr sie das innerlich auch ablehnte, flüsterte sie ihm zwischen seinen Stößen zu: »Du musst dich beeilen, Schätzchen! Caleb wird nach uns suchen …«

Jory, ganz Romantiker, drückte ihr seine Hand auf den Mund. Fest. »Klappe, Schlampe. Ich mach ja schon.«

Kari Ann konnte nur noch durch die Nase atmen. Die grobe und rohe Behandlung beleidigte sie … etwa fünf Sekunden lang, dann schien sich ihre Lust durch diese Geste missbräuchlicher Gleichgültigkeit sogar noch zu steigern. Sie verdrehte die Augen. Durch die ausladenden Kronen der Palmen über sich sah sie den Mond und der Mond schien genauso konzentriert auf sie herabzuschauen, als würde er sie mustern, ein stummer Voyeur, dem es gefiel, Zeuge ihrer Freude zu sein.

Sie drehte und wand sich, als tief in ihrem Innern weitere Orgasmen explodierten.

In ihrer Verzückung dachte sie noch, armer, fetter, kleiner Caleb. Ich hoffe, er amüsiert sich mit seiner Angelrute.

Bei jedem Auswerfen der Leine fuhr Caleb ein Stechen durch den Rücken und er verzog das Gesicht. Er drehte und wand seinen fetten Körper am kantigen Seeufer, aber das führte nur zu weiteren Schmerzspitzen. Osteopenie war eine elende Krankheit, aber abgesehen davon hatte er keinen Grund, sich zu beschweren. Er hatte reiche Eltern und einen schicken, extragroßen Trailer. Und dem Himmel sei Dank für meine wundervolle, liebende Freundin, dachte er. Und natürlich meinen neuen besten Freund Jory. Caleb war ein bescheidener Kerl und nahm nichts für selbstverständlich. Allerdings …

Ich frag mich, warum sie so lange brauchen …

Er hatte sie doch nur zum Boot geschickt, um ein paar Köder und größere Gewichte zu holen. Der See hatte einen stärkeren Wellengang als erwartet. Caleb war auf der Jagd nach dem berühmten Muschelknacker-Aal, und in diesem See sollte es welche geben. Aber dafür brauchte er ein schwereres Gewicht an der Schnur. Er war sehr erfahren, was Salzwasserfischen anging – Zackenbarsche und Meerbrassen fing er im Schlaf –, und er hatte in so ziemlich jedem dreckigen See der gesamten Küstengegend geangelt. Caleb brauchte eine neue Herausforderung und deshalb hatte er beschlossen, es drauf ankommen zu lassen und herzukommen, zum Lake Stephanie, einem geschützten See in einem Fisch- und Wildreservat.

Jory hatte ihm mit der Ausrüstung geholfen und mithilfe der Drahtschere kurzen Prozess mit dem Zaun gemacht. Ihr unbefugtes Eindringen war eine Straftat, das wussten sie, und es war sehr wahrscheinlich, dass, was auch immer Caleb fangen mochte, zu einer geschützten Art gehörte.

Aber Caleb war nun mal ein dicker, draufgängerischer Redneck, nicht wahr? Ein harter Typ, der sich nicht von einem Betreten-verboten-Schild aufhalten ließ. Er war ein ganzer Mann und bei Gott, wenn er in diesem See fischen wollte, dann würde er so was von in diesem See fischen. Tatsächlich war sich Caleb sicher, dass es seine Männlichkeit und sein mangelnder Respekt vor dem Gesetz waren, was Kari Ann so anturnte. Oh, und natürlich sein gutes Aussehen. Da steckten verdammt viele Muskeln unter dem Bierbauch.

Es war cool von Kari Ann und Jory, dass sie mit ihm mitgekommen waren; sie waren nicht so am Angeln interessiert und Caleb konnte das verstehen. Angeln war wie Bowling, ein komplexer Sport, ein Hobby für einen Mann mit Hirn. Es war so nett, wie sie ihm immer mit seiner Behinderung halfen. Sie waren echte Freunde. Caleb wollte Kari Ann bald bitten, ihn zu heiraten, und natürlich sollte Jory sein Trauzeuge werden.

Es gibt nichts Wertvolleres als eine gute Frau und einen guten Freund.

Auf den kleinen Wellen des Wassers glomm das Mondlicht. Es lullte Caleb ein, machte ihn schläfrig. Die acht Dosen Keystone-Light-Bier taten das ihre dazu, aber das kümmerte ihn nicht. Verdammt, dachte er und blickte sich um. Sind die noch nicht zurück? Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich denken, dass sie …

Einen so abwegigen Gedanken musste er nicht mal zu Ende denken. Caleb wusste genau, dass die Chance, dass Kari Ann ihn betrügen würde, genauso groß war wie die, dass die Sonne morgen aufzugehen vergaß.

Aber seine Köder sanken nicht tief genug; sie hielten einfach nicht. Muschelknacker-Aal, Grauer Seewolf, Spitzforelle – in diesem See warteten sie alle nur auf ihn und er war mit Sicherheit nicht den ganzen Weg hergekommen, um mit leeren Händen wieder zu gehen. Für die Plörre brauch ich schwerere Gewichte!

Schätze, ich muss meinen fetten Arsch hochkriegen und selbst zum Boot zurückgehen, beschloss er. Kari Ann und Jory haben sich bestimmt verlaufen.

Caleb wollte gerade aufstehen, als – etwas anbiss.

Er holte die Leine ein.

Anderthalb Pfund, vielleicht sogar zwei, urteilte er nach dem Zug des Fisches. Forelle? Fühlte sich nicht danach an. Das Tier kämpfte kaum. Er holte Leine ein und …

»Na, wenn das nich’ seltsam is …«

An seiner Angel, gesund und munter, hing ein Hummer.

Caleb liebte Hummer und dieser hier hatte eine schöne Größe. Aber es gab da ein Problem: Hummer waren Schalentiere, die im Salzwasser lebten, und Lake Stephanie war so sicher ein Süßwassersee, wie Floridas Orangen orange waren.

»Hmm. Wenn das mal nix is.«

Kein Mann tief greifender Gedanken, rasch löste Caleb den Haken und warf die muntere, mit dem Schwanz schlagende Kreatur in seine Kühlbox. Es käme ihm nie in den Sinn, dass sein Fang in Wahrheit kein Hummer, sondern ein Flusskrebs war – nur 20-, 30-mal größer.

»Verflixt!«

Noch ein Biss, dieses Mal fester. Als er vorsichtig die Leine einholte …

»Noch mal verflixt!«

… bog sich seine Angelrute, als versuchte er, einen Ziegelstein an Land zu ziehen. Das ist ein Großer! Wurde ja auch Zeit! Trotz der acht Bier und der Osteopenie stand er nun auf, um seinen Preis einzuholen.

Dann schlug sein »Preis« so hart nach hinten, dass es ihm die Rute einfach aus den Händen riss.

Caleb konnte es nicht fassen.

Die Angelrute flog davon und landete im Wasser. Was zur Hölle war DAS denn? Caleb wollte es unbedingt wissen und er wollte auch seine Rute zurück. Ein paar Meter draußen trieb sie auf dem Wasser.

Mühselig watete er in den See, knietief, dann hüfttief. Die Angel hat gute 2,50 gekostet. Die lass ich bestimmt nicht hier. Was für ein Fisch konnte das nur gewesen sein? Im Süßwasser?

»Muss echt groß gewesen sein …«

Plötzlich blieb Caleb im Wasser stehen.

Etwas echt Großes strich an ihm vorbei.

Keine Panik.

Er stand stocksteif, die Hände erhoben.

Von hinten schwamm erneut etwas Großes – etwas, das zwei oder zweieinhalb Meter lang sein musste – gegen ihn.

Scheiß auf die Angel. Ich hau hier ab …

Sehr langsam, um das Wasser nicht aufzuwühlen, drehte er sich um, hob einen Fuß und wollte den ersten Schritt zurück zum Ufer machen, als …

FAPP!

Das Wasser wogte. Riesige Kiefer fuhren in Calebs Schritt und klappten zusammen. Er fiel hin, schreiend, platschend, und zog wilde Kreise im Wasser, während sein Angreifer sich mit ihm drehte: Es war tatsächlich ein Aal, drei Meter lang und mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. Die mächtigen Kiefer bissen fester zu; Caleb war vor Schmerzen wie gelähmt, unfähig zu reagieren, unfähig, auch nur einen letzten Schrei auszustoßen, bevor das Gewicht der Kreatur und ihre rohe animalische Kraft ihn unter die Wasseroberfläche zogen und hinein in …

Stille. Schwärze. Panik.

Calebs Instinkte feuerten wild, alle menschliche Vernunft erlosch. Er würde in diesem kalten, unbändigen Grauen ertrinken, während dieses Ding in seinem Schritt nagte. Er würde nie wieder angeln. Er würde nie wieder ein Bier kippen. Er würde nie wieder Liebe mit Kari Ann machen und er hatte zum letzten Mal mit seinem Freund Jory eingeschlagen.

Dann, als er gerade starb …

Packte eine Hand seinen Kragen und zog ihn aus dem Wasser.

»Jory, dem Himmel sei Dank! Nimm das verdammte Ding von mir weg!«

Endlich ließ der Aal los, der rasende Schmerz ebbte ab und Caleb keuchte vor Erleichterung.

Ich wurde gerettet! Ich wurde gerettet!

Am Ufer brach er erschöpft zusammen, blickte zu Jory hoch und …

Das war nicht Jory.

Was für ein Mann … So attraktiv … Zu schade, dass Caleb so viel Geld hat, sonst würde ich …

Der Gedanke traf sie wie ein Schlag. Scheiße! Wie konnte ich das nur vergessen? »Wir sollten doch diese Dinger aus dem Boot holen, Jory! Caleb ist bestimmt jede Minute hier!«

Jory zog seine Jeans hoch und schien dann mit etwas rumzufummeln. »Der fette Sack? Der angelt. Scheiß auf den.«

»Aber, Jory …«

Kurz verwandelte ein schwaches oranges Licht Jorys zerfurchtes Gesicht in eine flackernde Maske. Er zündete seine Pfeife an!

»Jory! Du teilst doch mit mir, nicht wahr?«

Jory schnaubte verächtlich. »Seh ich aus wie der Weihnachtsmann? Wenn du Dope willst, fick mit ’nem Dealer.« Er inhalierte gierig, in heißen Zügen. »Hol dir was von deinem fetten Loverboy.«

Kari Anns Stirnrunzeln war so tief wie die Nacht. Männer. Alles ein Haufen Bastarde. Wenn du ihnen gegeben hast, was sie wollen, scheißen sie dich einfach nur noch an. Das war ein trauriger Gedanke, aber einer, an den sie bereits gewöhnt war. Sie legte sich wieder hin, die Finger hinter dem Kopf verschränkt, und starrte in den Himmel. Sogar Jorys Grobheit konnte ihr diesen Moment der Schönheit nicht zerstören.

Fump.

Ein leises Geräusch, aber … merkwürdig. Etwas war zu Boden gefallen. Eine Kokosnuss oder so? Nein, Jory hatte ihr vermutlich nur ihre Kleider hingeworfen, der fiese Arsch.

Sie setzte sich auf, blickte an sich hinab …

… und schrie so laut, dass ihre Lunge brannte.

Schielend und mit herausgestreckter Zunge starrte Caleb sie an – Calebs abgetrennter Kopf, um genau zu sein.

Der Kopf war auf den Blättern zwischen Kari Anns gespreizten Beinen gelandet.

Voller Panik schrie sie noch ein paarmal, so hoch und laut, dass die Vögel in den Bäumen aufflogen und Eidechsen in Deckung flitzten. Jory kam auf sie zu und in ihrem Schock nahm sie an, dass er ihr helfen wollte.

Aber er ging irgendwie komisch, schlurfte mit den Füßen, und es sah aus, als hätte er etwas bei sich, als trüge er etwas in seinen Armen, und als er nun direkt vor ihr stand, ließ er fallen, was er da trug.

Er ließ es genau in Kari Anns Schoß fallen.

Ein Armvoll seiner eigenen Innereien.

Die heißen Eingeweide klatschten auf ihren Körper und bespritzten sie. Kari Anns Reaktion auf diese Geste war durchaus vernünftig: Sie schrie noch gellender und lauter.

Jory fiel zu Boden und der Schnitt in seinem Bauch klaffte auf, als mehr von seinem Gastrointestinaltrakt herausquoll.

Kari Ann trat um sich und kreischte, als eine große, unsichtbare Hand sie an ihren Haaren langsam und stetig in den Wald zerrte.

Dieser Abend hatte noch viel mehr für sie auf Lager.