image

Ute Liesenfeld

Glücksorte in Berlin

Fahr hin und werd glücklich

image

Für ihre Anregungen und Tipps danke ich

meinen Töchtern Nina und Hanna,
meinen Neffen Vincent und Stephane,
meinen Freunden Anselm und Sofia.
Ihr seid ein Glück für mich und dieses Buch.

Vorwort

Berlin – die große Freiheit

Im Grunde ist ganz Berlin ein Glücksort. Niemand kann sich der Atmosphäre dieser Stadt entziehen, die aus ihrer besonderen Geschichte erwachsen ist. Hier, wo die Mauer für Trennung und Unfreiheit stand, fühlen sich viele Menschen freier als anderswo. Vielen jungen Menschen gilt Berlin als Hauptstadt Europas, denn die kantige Metropole ist unprätentiös, tolerant und weltoffen. Keine Stadt mit jahrhundertealter Tradition, keine klassische Schönheit, keine Finanzmetropole.

Eine Stadt voller Widersprüche und Narben, aber gerade sie machen Berlin einzigartig. Berlin, das sind viele Dörfer und Städte in einer Stadt, das ist ein großes Puzzle unterschiedlicher Teile. An manchen Stellen spannt es, aber aus Spannung entsteht Energie und Bewegung.

Berlin hat „Drive“.

Es ist ein Leichtes, hier Glücksorte zu finden, und schwer, eine Auswahl zu treffen. Glück ist ja immer subjektiv. Für den einen ist ein Besuch in der Staatsoper Unter den Linden das höchste Glück, für den anderen eine Nacht im „Berghain“, Berlins legendärem Nachtclub. Und manchmal erlebt man das Glücksgefühl dort, wo man es am wenigsten erwartet: an einer verlassenen Radarstation oder auf dem Gipfel eines grünen Hügels mitten in Kreuzberg. Glück entsteht immer im Augenblick.

Oft sind es Menschen, die aus einem Ort einen Glücksort machen, sie sind meist wichtiger als alles andere. Auch die erfrischend direkten Alt-Berliner tragen zum ehrlichen Charme der Hauptstadt bei.

Berlin, das ist eine prickelnde Mischung von Menschen verschiedener Kulturen, die oft nur eines gemeinsam haben: Sie lieben diese Stadt.

Dieses kleine Buch ist kein Reiseführer, eher eine Art „Auswahl-Menü“. Man liest es, um sich zu inspirieren. Glücksorte sucht man nicht, man findet sie. Unverhofft und unerwartet. Und seine persönlichen Lieblingsorte entdeckt jeder selbst. Wer sich die Zeit nimmt, dieses Buch zu lesen, der wird ganz sicher sagen: „Berlin, ick liebe dir!“

Ihre Ute Liesenfeld

image

Inhaltsverzeichnis

1Multikulti in der Mädchenschule

Mogg Deli/Pauly Saal/CWC Gallery/Kennedy Museum

2Spitze für Sundowner

Der Berg von Kreuzberg

3Vorfahrt für Freidenker

Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart

4Salat mit Zukunft

Die Salat-Bar Good Bank

5Herzbube mit Hut

Geliebt und beachtet: das Ampelmännchen

6Vietnamesische Teestunde

Restaurant und Teehaus Chén Chè

7Die wundersame Schokowelt

Lehrstunden in der Schoko-Fabrik

8Der Sinn des Lebens

Im Szene-Restaurant Katz Orange

9Parodie und pralles Leben

Das Prime Time Theater in Wedding

10Im Dschungel

Schaugewächshäuser im Botanischen Garten

11Zeitreise im Spiegelzelt

Große Kleinkunst in der Bar jeder Vernunft

12Ein Platz an der Sonne

Café, Engelbecken und Luisenstädtischer Kanal

13Poesie zum Anfassen

In der Textildesign-Werkstatt Panama

14Volkspark mit Flakturm

Der Humboldthain – mit Zugang zur Unterwelt

15Der Glanz der Kaiserzeit

Das Café-Restaurant Grosz am Ku’damm

16Einstein lässt grüßen

Der Erfinderladen, ein Testmarkt für Ideen

17Einer für alle, alle für einen

Flohmarkt und Karaoke im Mauerpark

18Oh du, Geliebte …

Anna Blume, das Café in Prenzlauer Berg

19Käthe Kollwitz ruft an

Talking Statues – Sprechende Standbilder

20Treibhaus mit Weitblick

Das Restaurant Neni im 25hours Hotel Bikini

21Spionage und Street Art

Die ehemalige Radarstation Teufelsberg

22Salsa, Tango und Theater

Der Monbijoupark mit Strandbar und Märchenhütte

23Nur für Romantiker

Spätkauf mit kleinem Café

24Villa am Wannsee

Im Sommerhaus des Malers Max Liebermann

25Künstlertreff mit Kultstatus

Paris Bar, Café-Restaurant in der Kantstraße

26Fisch am Freitag

Steckerlfisch auf dem Markt am Arkonaplatz

27In-Platz für Insider

Bar Tausend und Restaurant Cantina

28Salonmusik mit Werkstattflair

Pianosalon Christophori – unbeschreiblich anders

29Am Weinberg

Schweizer Küche im Nola’s

30Das Glück der Freiheit

Das Mauermuseum am Checkpoint Charlie

31Berlins beste Brathähnchen

Das Alt-Berliner Wirtshaus Henne

32Es war einmal …

Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain

33Der wahre Wert

Weinerei Forum – das Café für Weintrinker

34Design mit Spaßfaktor

Lifesmyle: Analogfotografie und Designartikel

35Grandiose Kulisse

Der Gendarmenmarkt, Berlins historische Mitte

36Berliner Luft macht kreativ

Kunst aus Berlin in der Berlinischen Galerie

37Pool for you, Pasta für jeden

Im Soho House – Privatclub, Restaurant, Store

38Baden wie in der Kaiserzeit

Das Stadtbad Neukölln

39Gegen den Mainstream

Kino Lichtblick und Wohnprojekt k77

40Frühstück ist die beste Medizin

ORA – Brasserie in der Oranien-Apotheke

41Spielplatz für Botaniker

Prinzessinnengärten – Treffpunkt und Lernort

42Waffeln im Wohnzimmer

Das Café Kauf Dich Glücklich in Prenzlauer Berg

43Porzellan zum Anbeißen

Manufaktur und Ladenatelier feinesweißes

44Mekka für Müllvermeider

Alles selbst abfüllen im Original Unverpackt

45Ein Käfer auf der Kuppel

Dachgarten-Restaurant Käfer im Reichstag

46Kreuzberg reloaded

Das Sage – Fabrikrestaurant mit Strandbar

47Street Food Thursday

Weltküche in Kreuzberg in Markthalle Neun

48Eine Welt für sich

Der Holzmarkt, ein Kreativdorf am Spreeufer

49Das Beste aus zwei Welten

Hallesches Haus – General Store und Bistro-Café

50Musiktheater mit Chuzpe

Komische Oper – kleine Schwester der Staatsoper

51Parkdeck mit Dachgarten

Der Klunkerkranich auf den Neukölln Arcaden

52Die Filmausstatter

Industriedesign im Urban Industrial Berlin

53Vive Berlin!

Marheineke, die Markthalle im Bergmannkiez

54Wie bei Freunden

Im Yafo – Israelische Küche und Berliner Bar

55Ein Schwimmbad in der Spree

Das Badeschiff, ein Strandbad am Flussufer

56Kartoffeln fürs Karma

Glück to go – Fastfood ayurvedisch inspiriert

57Konzerte statt Kulissen

Der Pierre Boulez Saal im Rücken der Staatsoper

58Völlig unerwartet

House of Small Wonder: Café – Restaurant – Deli

59Das Glück der großen Leere

Tempelhofer Feld, Freizeitpark in XXL

60Forum für Weltmusik

Die Werkstatt der Kulturen

61Kunstbummel am Sonntag

Bücher am Bode-Museum und Kunst am Zeughaus

62Kreative Sushi-Meister

Die japanische Küche im Sasaya

63Raum für Ästhetik

Die Concept Stores von Andreas Murkudis

64Literatur und Linseneintopf

Schwäbische Küche in der Joseph-Roth-Diele

65Die Leichtigkeit des Seins

Das Paul-Lincke-Ufer am Landwehrkanal

66Hollywood am Ku’damm

Astor Film Lounge, ein Kino der Extraklasse

67Der Luxus der Einfachheit

Das Kaffee 9 am Eingang der Markthalle Neun

68Nonplusultra für Flaneure

Der Prachtboulevard Kurfürstendamm

69Ein Stück Versailles

Der Körnerpark, ein Gartendenkmal in Neukölln

70Currywurst – Berliner Original

Der Imbiss Hasenecke am Savignyplatz

71Tolle Tüten

Die Eispatisserie Hokey Pokey

72Mensa für alle

Die Fünf-Sterne-Kantine Mensa HU Nord

73Das Glück der Unruhe

Die Schaubühne, eine Instanz im Westen

74Weltklasse im Hinterhaus

Fotokunst in der Galerie Camera Work

75Asiatisches Picknick

Thai Food im Preußenpark

76Idylle im Tiergarten

Das Café am Neuen See und der Englische Garten

77Die reinste Magie

Maskentheater der Familie Flöz

78Schlichte Klasse

Im Szene-Restaurant Fleischerei

79Es leuchtet im Verborgenen

Brücke-Museum & Kunsthaus Dahlem

80Das Glück auf dem Lande

In der Gartenstadt Falkenberg

image

Multikulti in der Mädchenschule

1Mogg Deli/Pauly Saal/CWC Gallery/Kennedy Museum

Hinter dem Tresen des „Mogg Deli“ arbeiten zwei Mexikaner, ein Texaner und ein Neuseeländer, davor sitzen Gäste aus der ganzen Welt. In der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in Berlin-Mitte treffen sich alle Weltreligionen und Wissenschaften. Auch die Brasilianerin Barbara kellnert hier zweimal pro Woche, um ihr Studium zu finanzieren. Sie ist fertige Biologin und absolviert ihren Master in Umweltplanung an der Berliner TU. „Berlin ist wie eine Achterbahn, hoch und runter“, sagt sie strahlend und krempelt den Ärmel hoch, um ihr Tattoo zu zeigen. „Glück“ steht auf dem Arm in schwungvollen Buchstaben. Seit sechs Jahren ist sie in Berlin. Sie mag die Stadt und die Menschen, besonders ihre Kollegen – ihre Familie in Berlin. „Wir sind alle allein hier, darum halten wir zusammen und helfen uns gegenseitig.“ Berlin ist ein Magnet für junge Menschen, besonders für die (Noch-)Nicht-Arrivierten und Nicht-Krawattenträger, eine Stadt im Aufbruch, auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall. Kreativ, ungezwungen und an manchen Stellen ein bisschen schäbig. Wen kümmert es? Hier kann jeder so sein und aussehen, wie er möchte, sei er Politiker, Punk oder Pelzträger. Das zieht an.

Spannenden Kontrasten begegnet man auch in der Mädchenschule: Im „Mogg Deli“ wird New Yorker Edel-Fast-Food wie Pastrami-Sandwich und NY Cheesecake aufgetischt, im „Pauly Saal“ an weißgedeckten Tischen unter hohen Decken gespeist. Die Restaurants und Räume könnten unterschiedlicher nicht sein, doch beide haben ihren eigenen Reiz und bestechenden Retro-Charme. Wie das ganze Schulgebäude! Nach dem Essen sollte man einen Rundgang in den höheren Etagen einplanen. Im ersten Obergeschoss residiert die renommierte Fotogalerie „CWC Gallery“, im zweiten die Dauerausstellung „The Kennedys“, die sich der berühmtesten Familie der USA widmet. Seit John F. Kennedy den Berlinern am 26. Juni 1963 seine Solidarität versicherte („Ich bin ein Berliner“), gilt er hier vielen als Idol.

 

image Ehemalige Jüdische Mädchenschule, Auguststraße 11–13, 10117 Berlin-Mitte
www.maedchenschule.org

image ÖPNV: S1, S2, S25, Tram M1, M5, Haltestelle S Oranienburger Straße

image

Spitze für Sundowner

2Der Berg von Kreuzberg

Auch als Nichtberliner kennt man den Stadtteil Kreuzberg, selbst wenn man noch nie da gewesen ist. Den Berg Kreuzberg aber kennen die wenigsten, wenn sie nicht im Stadtviertel oder seiner näheren Umgebung wohnen. Bei den Kreuzbergern ist der kleine, nur 66 Meter hohe Hügel dafür äußerst beliebt, denn von seiner Spitze hat man eine herrliche Aussicht über die Stadt. Es ist wirklich ein Phänomen. Im Vorüberfahren nimmt man den niedrigen Berg kaum wahr, erst wenn man den gewundenen Waldweg hinaufsteigt, spürt man die Höhe. Auf dem Plateau ganz oben steht das Nationaldenkmal für die Befreiungskriege von Karl Friedrich Schinkel, das Friedrich Wilhelm III. zur Erinnerung an die preußischen Siege über die napoleonischen Truppen errichten ließ. 1821 wurde es eingeweiht und der Kreuzberg, der vorher Sandberg, Runder Weinberg und Tempelhofer Berg hieß, erhielt den heutigen Namen, nach dem später das ganze Stadtviertel benannt wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde um den Berg der Viktoriapark angelegt; seitdem rauscht ein Wasserfall über ein malerisches Felsbett von der Kuppe des Kreuzbergs hinab, so schnurgerade, dass man von der Kreuzbergstraße bis zum Denkmal blicken kann. Das grüne gusseiserne Monument mit dem Eisernen Kreuz auf der Spitze erinnert ein bisschen an die abgebrochene Turmspitze einer gotischen Kathedrale. Von einer Kirche ist nichts zu sehen, aber ganz unten, in der Tiefe des Bergs, versteckt sich ein riesiges Gewölbe wie eine Krypta. Es beherbergt Relikte der preußisch-berlinischen Stadtgeschichte – und eine große Fledermauskolonie.

Die Spaziergänger zieht es natürlich nach oben, ans Licht. Auf der Sonnenwiese am westlichen Hang, den Stufen am Fuß des Monuments und den breiten Treppen, die auf den hohen Sockel hinaufführen, erleben Einheimische und Eingeweihte den Sonnenuntergang. Irgendjemand spielt immer Gitarre oder trommelt auf den Klangschalen eines „Hang“ eine sphärische Meditationsmusik, während die Sonne im Dunst der Stadt versinkt.

TIPP

15 Minuten Fußweg entfernt: der „Park am Gleisdreieck“, entspannt, urban und bürgernah

 

image Kreuzberg, natürliche Erhebung im Ortsteil Kreuzberg

image ÖPNV: Bus 140, Haltestelle Kreuzberg/Wasserfall

image

Vorfahrt für Freidenker

3Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart

Alte Bahnhofsgebäude sind prädestiniert für eine zweite Karriere als Museum. Die stattlichen Fassaden flaggen den Anspruch und die weiten, hohen Hallen eignen sich vorzüglich für die Präsentation von Kunst. Das „Musée d’Orsay“ lockt Millionen an die Seine, das „Arp Museum Bahnhof Rolandseck“ sorgt im Rheinland für Furore. Auch der „Hamburger Bahnhof“, in dem sich das Berliner „Museum für Gegenwart“ befindet, ist eine spannende Zielstation, denn er ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Von allen Berliner Bahnhöfen der ersten Generation überlebte er als einziger den Zweiten Weltkrieg, vermutlich, weil das 1847 eröffnete klassizistische Gebäude bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Museum genutzt wurde. Vom Gewimmel eines Bahnhofs ist hier wenig zu spüren, denn die Kunst der Gegenwart zieht nicht die Massen an. Dafür tickt im „Hamburger Bahnhof“ der Zeitgeist. Man begegnet prominenten Namen wie Andy Warhol, Joseph Beuys oder Thomas Schütte, aber auch unbekannten Nachwuchskünstlern und deren raumgreifenden Installationen. Intermediale Inszenierungen mit großformatigen „Objekt-Kollagen“ und Videoprojektionen. Plakativ, experimentell und häufig irritierend. Es braucht viel Offenheit und Neugierde, um dieser neuen, provozierenden und immer polarisierenden Kunst vorurteilsfrei zu begegnen. Man muss sie nicht mögen und man muss sie auch nicht verstehen. Man darf sie einfach auf sich wirken lassen. Das Ergebnis ist erfrischend. „Kunst wischt den Staub des Alltags von der Seele“, hat schon Picasso gesagt – auch einer, der seine Zeitgenossen mit seinen Sichtweisen brüskierte. In gewissem Sinn ist der Besuch des „Hamburger Bahnhofs“ auch immer ein Experiment mit uns selbst, und ein Aufbruch zu neuen Horizonten. Eigentlich ganz passend zum ursprünglichen Zweck des Gebäudes. Nach dem Rundgang kann man im vertrauten klassischen Ambiente des eleganten Museumsrestaurants von TV-Köchin Sarah Wiener Kuchen aus der hauseigenen Konditorei und österreichisch inspirierte Speisen kosten.

TIPP

Museumspass Berlin 3-Tage-Karte für 30 Museen.

 

image Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Invalidenstraße 50–51, 10557 Berlin-Moabit, Tel. (0 30) 3 97 83 41, www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof

image ÖPNV: U55, S3, S5, S7, S9, Haltestelle S+U Hauptbahnhof, Tram M5, M8, M10, Bus 120, 142, 147, 245, N20, N40, TXL, Haltestelle Invalidenpark

image

Salat mit Zukunft

4Die Salat-Bar Good Bank