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informationen zur deutschdidaktik
Zeitschrift für den Deutschunterricht
in Wissenschaft und Schule

Textmuster und Textsorten

Herausgegeben von
Ursula Esterl und Ulrike Krieg-Holz

Heft 2-2018
42. Jahrgang

StudienVerlag Innsbruck

Editorial

URSULA ESTERL,
ULRIKE KRIEG-HOLZ:
Über Muster, Sorten und den gelungenen Text

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Magazin

Kommentar
GERHARD TANZER:
Textsortendrill?

ide empfiehlt
URSULA ESTERL: E. Witschel (2017): Textkompetenz fördern durch LesenSchreibenLesen

Neu im Regal

 

Einführender Überblick

ULRIKE KRIEG-HOLZ: Textmuster und Textsorten. Parameter für eine Systematisierung aus linguistisch-stilistischer Perspektive

SARA REZAT, HELMUTH FEILKE: Textsorten im Deutschunterricht. Was sollten LehrerInnen und SchülerInnen können und wissen?

Kompetenzen & ihre Vermittlung

ULF ABRAHAM: Literaturbezogenes Schreiben. Die Rolle von Textsorten und Textmustern im Rahmen literarischer Aufgaben

JOHANNES WILD, ANITA SCHILCHER, MARKUS PISSAREK: Erzählkompetenz entwickeln. Textsortenkompetenz in der Sekundarstufe I

KATRIN LEHNEN: »Meinst du, wir sollen das so krass wie ne Diskussion aufbauen? Eigentlich soll das ja ein Artikel sein.« Zur Bedeutung von Zieltextsorten beim materialgestützten Schreiben

JÜRGEN STRUGER: Textsorten als Handlungsmuster – ein funktional-pragmatischer Zugang

MARKUS RHEINDORF: Textsorten der SRDP Deutsch. Anforderung, Aufgabenstellungen, Schülerleistungen

Praxis & Unterricht

SABINE DENGSCHERZ: Herausforderungen beim Schreiben … meistern

STEPHAN SCHICKER: »Weil das ist, was die Erörterung ausmacht; man tuts alles abwägen, aber am Ende tut man schon seine Meinung sagen.« Ein didaktisches Setting zur Förderung der Textbeurteilungskompetenz von Lernenden

GERHILD ZAMINER: Lernen durch Irritation

SUSANNE LAUBER: Die Poesie des eigenen Wortes. Poetry Slam als produktionsorientierter Umgang mit Lyrik in der 5. und 6. Schulstufe

Service

SABINE EBNER: Textmuster und Textsorten. Bibliographische Notizen

 

 

 

 

»Textmuster und Textsorten« in anderen ide-Heften

ide 4-2016

New Literacies

ide 2-2016

Sachtexte

ide 4-2014

Vorwissenschaftliche Arbeit

ide 4-2013

Textkompetenz

ide 1-2013

Literale Praxis von Jugendlichen

ide 1-2012

Reifeprüfung Deutsch

ide 3-2011

Erzählen

ide 4-2010

Schreiben in der Sekundarstufe II

ide 2-2010

Grammatik (und Textgestaltung)

ide 1-2007

Kultur des Schreibens

 

Das nächste ide-Heft

ide 3-2018

Die Sichtbarkeit (in) der Literatur erscheint im September 2018

 

Vorschau

ide 4-2018

Normen und Variation

ide 1-2019

Deutschunterricht 4.0

 

 

 

 

 

www.aau.at/ide

 

Besuchen Sie die ide-Webseite! Sie finden dort den Inhalt aller ide-Hefte seit 1988 sowie »Kostproben« aus den letzten Heften. Sie können die ide auch online bestellen.

 

www.aau.at/germanistik/fachdidaktik

 

Besuchen Sie auch die Webseite des Instituts für GermanistikAECC, Abteilung für Fachdidaktik an der AAU Klagenfurt: Informationen, Ansätze, Orientierungen.

Über Muster, Sorten und den gelungenen Text

 

 

Textmuster und Textsorten werden im Fach Deutsch aktuell vor allem in Verbindung mit standardisierten Prüfungen wie der schriftlichen Reifeprüfung oder den Bildungsstandards diskutiert. Zentral festgelegte Vorgaben beeinflussen den Unterricht und an die Stelle eines auf Kompetenzerweiterung abzielenden Deutschunterrichts rückt vielfach ein einengendes Textsortentraining. Ziel ist oft nicht die Entwicklung der individuellen Schreibfähigkeit des einzelnen Schülers/der einzelnen Schülerin, sondern ein an äußeren Vorgaben orientiertes Abhaken der Punkte auf einer realen oder imaginären Checkliste.

Dies liegt weder im Interesse der reformierten standardisierten Reifeprüfung im Fach Deutsch noch entspricht es dem Stand der aktuellen schreibdidaktischen Forschung, deren Anspruch es ist, Schüler und Schülerinnen in der Entwicklung ihrer Schreibund Textkompetenz zu unterstützen, die weit über den Unterricht hinausgehend gedacht ist. Eine Beschäftigung mit Textmustern und Textsorten ist dennoch zielführend, denn die Fähigkeit, Texte zu erstellen, ist immer auch an ein Wissen über Textsorten gebunden, das neben inhaltlichem Wissen und Sprachwissen auch pragmatisches Wissen und vor allem ein Musterwissen umfasst (vgl. Krieg-Holz in diesem Heft). Für den Umgang mit Texten ist es darüber hinaus von Bedeutung, sich möglicherweise nur intuitiv vorhandenes Wissen bewusst zu machen, um den unterschiedlichen Anforderungen der Textproduktion und -rezeption gerecht zu werden. Diese liegen keineswegs nur auf der Ebene von Lexik und Grammatik, sondern umfassen eine gezielte Auseinandersetzung mit situativen, funktionalen, strukturellen und stilistischen Aspekten.

Dieses linguistische Wissen wird von der Schreibdidaktik für die Vermittlung von Textkompetenz nun fruchtbar gemacht und für den Unterricht aufbereitet, wobei es verschiedene Zugänge gibt. Unterschieden wird zwischen einem Schreibunterricht, der sich an Textsorten orientiert, und einem auf die Funktionalität der Schreibhandlung ausgerichteten, wie ihn die aktuelle schreibdidaktische Forschung vertritt. Bei genauerer Betrachtung ist zwischen diesen beiden Zugängen, zumindest in dem Konzept, wie es der SRDP Deutsch zugrunde liegt, kein Widerspruch zu sehen – Schreiben im Kontext einer Textsorte sollte immer auch funktional gesehen werden (vgl. Struger, Rheindorf sowie Tanzer in diesem Heft). Dass schulische Textsorten (bezeichnet als »didaktische Gattungen«, Feilke 2012) als in der Regel »nicht kommunikativ funktionalisiert« (vgl. Rezat/Feilke i. d. H.) gesehen werden, gilt unseres Erachtens nur für Zusammenfassung und Textanalyse und mit Einschränkungen wohl auch für die Textinterpretation (vgl. Abraham in diesem Heft). Alle anderen im Textsortenkatalog (www.srdp.at) vorgeschlagenen Textsorten orientieren sich an außerschulischen Vorbildern und lassen sich nicht auf eine einzige Schreibfunktion reduzieren (vgl. Struger i. d. H.).

Daraus folgt, dass nicht das Einüben von prototypischen Vorlagen zu den einzelnen Textsorten im Fokus des Schreibunterrichts stehen soll – denn eine eng gedachte Textsortendidaktik wäre wenig zielführend und aufgrund der »Vielfalt und Vielzahl der Textsorten unmöglich lehrbar« (vgl. Rezat/Feilke i. d. H.) –, sondern ein an Schreibhandlungen orientierter Aufbau von Textkompetenz (vgl. Struger i. d. H.), der auch die sprachliche, insbesondere in Form von zentralen Textprozeduren (vgl. ebd.), und stilistische Umsetzung (vgl. Krieg-Holz i. d. H.) in den Blick nimmt.

Die in diesem Heft versammelten Beiträge nähern sich den titelgebenden Begriffen, Textmustern und Textsorten, aus linguistischer, schreibdidaktischer sowie unterrichtspraktischer Sicht. Der Fokus dieses Heftes ist neben einer vertiefenden Beschäftigung mit dem Thema und einer Klärung der entsprechenden Terminologie auf die aktuell im Fokus von SRDP und BIST stehenden Textmuster und Textsorten gerichtet. Es ist uns bewusst, dass dabei andere, ebenfalls höchst relevante Textsorten wie zum Beispiel jene, die im digitalen Kontext verortet sind, ausgespart werden müssen; diesbezüglich sei auf die ide-Hefte 4-2016 »New Literacies« und 1-2019 »Deutschunterricht 4.0« (in Vorbereitung) verwiesen.

Die Beiträge im Einzelnen

In den beiden einführenden Beiträgen erfolgt eine Annäherung an den Textsorten-Begriff aus linguistischer und schreibdidaktischer Perspektive.

Ulrike Krieg-Holz unterbreitet in ihrem einleitenden Text ausgehend von Kriterien zur Klassifikation von Textsorten einen Vorschlag zur Typisierung von Textmustern. Besonderes Augenmerk wird dabei auf stilistische Textmuster, unterschieden in inhaltlich und strukturell geprägte Textmuster, und ihre Bedeutung für den Text gelegt. Ergänzt werden die Ausführungen mit Überlegungen zu deren Relevanz für den Schreibunterricht und der Gestaltung eines didaktischen Modells zur Textmustervermittlung. Damit nimmt sie Bezug auf das von Sara Rezat und Helmuth Feilke entwickelte Modell des Textmusterwissens. Dieses Wissen sowie Textsortenwissen werden als zentral für die Entwicklung von Textmusterkompetenz angesehen, die im Fokus der Ausführungen auf die Frage »Was sollten LehrerInnen und SchülerInnen können und wissen?« steht. Dem Beitrag liegt ein integratives Textverständnis zugrunde, das von drei in wechselseitiger Abhängigkeit stehenden Ebenen ausgeht: der Ebene der Textsorte, der Texthandlungstypenebene und der Textprozedurenebene, bestehend aus Basisprozeduren und textsortenspezifischen Prozeduren.

Teil zwei des Heftes umfasst Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Textsorten und Vertextungsmustern sowie den für ein erfolgreiches Schreiben nötigen Kompetenzen und deren Vermittlung auseinandersetzen.

Eröffnet wird dieser Teil mit den Ausführungen von Ulf Abraham zum literaturbezogenen Schreiben. Ausgehend von einer poetischen Miniatur von Cees Nooteboom stellt er Überlegungen zur Kommunikation über Ästhetische Erfahrung an. Insbesondere gilt es, Produktion und Reflexion literaturbezogener Textmuster wie Zusammenfassung, Textanalyse und Interpretation zu unterscheiden. Johan nes Wild, Anita Schilcher und Markus Pissarek nehmen die Textsortenkompetenz in der Sekundarstufe I am Beispiel der Erzählkompetenz in den Blick. Sie legen die spezifischen Anforderungen an Schreibkompetenz und -prozess dar, denen SchülerInnen beim schriftlichen Erzählen begegnen. In einem ersten Schritt wird diskutiert, wie gute Erzählungen konstituiert sind und welche Kriterien grundgelegt werden können; Teil zwei des Textes zeigt anhand von konkreten Beispielen Möglichkeiten des Transfers in die Unterrichtspraxis auf. Mit dem Potential des materialgestützten Schreibens für die Entwicklung von Textsortenkompetenz beschäftigt sich der Beitrag von Katrin Lehnen. Auf der Grundlage von heterogenen Materialien und Texten lernen SchülerInnen, einer in sinnvolle Handlungskontexte eingebetteten Fragestellung folgend sich lesend und schreibend der jeweiligen Zieltextsorte anzunähern. Wie dies geschieht, wird anhand von SchülerInnengesprächen im Unterricht dargelegt, abschließend werden noch didaktische Herausforderungen und offene Fragen thematisiert. Ebenfalls für eine Integration von Leseund Schreibaktivitäten und eine kleinschrittige, an Text- und Handlungsmustern orientierte, funktional-pragmatische Schreibdidaktik plädiert Jürgen Struger in seinem Beitrag. Im Fokus des Unterrichts sollen funktionale und inhaltliche Anforderungen einer Schreibaufgabe, die als Handlung verstanden wird, stehen und nicht die Vermittlung von formalen Vorgaben einer Textsorte. Für die induktive Annäherung an die jeweilige Zieltextsorte wird ein dreischrittiges Modell, bestehend aus kognitiver Aktivierung, Systematisierung und Handlungserprobung bzw. Produktion, vorgeschlagen, mit dem Ziel, ein Verständnis für Textsorten als situativ erforderliche Handlungsmuster anzubahnen, mit denen SchülerInnen unterschiedliche Schreibintentionen umsetzen können. Im letzten Text dieses Abschnitts erläutert Markus Rheindorf die Entwicklung des Textsortenkatalogs zur SRDP Deutsch, der seit Einführung der neuen standardisierten Reifeprüfung nicht zuletzt aufgrund der Ergebnisse der begleitenden Forschung, auf die in diesem Beitrag ebenfalls Bezug genommen wird, noch sorgfältig überarbeitet wurde. Darüber hinaus werden Einblicke in Prozess, Erstellung, Begutachtung und Auswahl der Aufgaben im BMBWF gewährt.

Die unterrichtliche Praxis an Schule und Hochschule beleuchtet Teil drei des Heftes. Sabine Dengscherz stellt anhand von empirischen Fallstudien-Ergebnissen aus dem FWF-Projekt PROSIMS (Strategien und Routinen für Professionelles Schreiben in mehreren Sprachen) vor, welchen Anforderungen/Herausforderungen (mehrsprachige) SchreiberInnen begegnen und wie sie in deren Bewältigung unterstützt werden können. Dabei spricht sie sich für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Vorgehen der Lernenden und ein flexibles, an auftretenden Fragen orientiertes Begleiten seitens der Lehrenden aus. Wie SchülerInnen der Sekundarstufe II lernen können, Textqualitäten in argumentativen Texten zu erkennen und auch zu benennen, erläutert Stephan Schicker. Einen geeigneten Weg sieht er in der Förderung der Textbeurteilungskompetenz von Lernenden, für die ein didaktisches Setting entworfen, erprobt und evaluiert wurde. Irritation als Ausgangspunkt für die intensive Beschäftigung mit literarischen Texten steht im Fokus des Beitrags von Gerhild Zaminer. Methodisch orientiert am »Dialogischen Lernmodell« nach Ruf/Gallin sowie am »Literarischen Gespräch« (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert) sollen sich SchülerInnen durch intensiven Austausch dem Text nähern und dadurch Kompetenzen entwickeln, auf die sie schließlich auch beim Verfassen einer literarischen Textinterpretation zurückgreifen können. Den Praxisteil rundet die Auseinandersetzung mit der »Poesie des eigenen Wortes« von Susanne Lauber ab, die sich mit dem Potential von Lyrik im Deutschunterricht der Sekundarstufe I auseinandersetzt. Der Beitrag plädiert für einen produktionsorientierten Umgang mit Gedichten und bietet Anregungen für rezeptive, produktive und performative (in Form eines Poetry Slams) Zugänge.

Der Magazin- und Serviceteil zu diesem Heft wird eingeleitet von einer umfassenden Bibliographie, erstellt von Sabine Ebner. Aus der Innenperspektive des BMBWF kommentiert Gerhard Tanzer die im Textsortenkatalog zur SRDP Deutsch festgelegten Vorgaben und den unterrichtspraktischen Umgang damit. In den Rezensionen stellt Ursula Esterl aktuelle Publikationen zum Thema vor.

Ziel des vorliegenden ide-Heftes ist es, wesentliche Grundlagen zum The-ma sichtbar zu machen, Anregungen und Hilfestellungen zu bieten und theoretisches Wissen mit Erfahrungen aus der Praxis anzureichern, damit LehrerInnen und SchülerInnen den Herausforderungen, die das Schreibenlehren und -lernen in Zeiten zentraler Vorgabe zweifelsfrei mit sich bringen, möglichst gut vorbereitet begegnen können. Es soll darüber hinaus ein Plädoyer dafür sein, den Schreibunterricht auch dafür zu nützen, den persönlichen Ausdruck der SchülerInnen zu entwickeln und sie in unterschiedlichen Schreibsituationen handlungsfähig zu machen.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

URSULA ESTERL
ULRIKE KRIEG-HOLZ

 

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URSULA ESTERL ist Mitarbeiterin am Institut für GermanistikAECC, Abteilung Fachdidaktik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Arbeitsschwerpunkte: Mehrsprachigkeit, DaF/DaZ und Schreibforschung.
E-Mail: ursula.esterl@aau.at

ULRIKE KRIEG-HOLZ ist Professorin für Germanistische Sprachwissenschaft und Institutsvorständin des Instituts für GermanistikAECC an der AAU Klagenfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der theoretischen und empirischen Stil- und Variationsforschung, der Pragmatik, Lexikologie sowie in verschiedenen Anwendungsfeldern der Sprachwissenschaft.
E-Mail: ulrike.krieg-holz@aau.at

Ulrike Krieg-Holz

Textmuster und Textsorten

Parameter für eine Systematisierung aus linguistisch-stilistischer Perspektive

 

 

 

 

 

 

Textsorten stellen als sozial-tradierte und prototypische Formen schriftlicher Kommunikation Gestaltungs- und Formulierungsmodelle dar, die das sprachliche Handeln produzenten- und rezipientenseitig erleichtern. Sie basieren zu einem erheblichen Teil auf der Verwendung bestimmter Textmuster, weshalb in diesem Beitrag ein Vorschlag zur Typisierung derartiger Muster aus linguistisch-stilistischer Perspektive gemacht wird. Ausgegangen wird dabei von Kriterien zur Klassifikation von Textsorten. Daran anschließend werden Textmuster nach inhaltlich und strukturell bedingten Anforderungen an Textsorten systematisiert. Abschließend wird ihre Relevanz für den Schreibunterricht dargelegt und es werden ihre Integrationsmöglichkeiten in ein didaktisches Modell für die Textmustervermittlung skizziert.

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Im Zentrum der linguistischen Stilistik stand lange Zeit die Analyse bestimmter Einzelphänomene. Dass ein Textproduzent bei der Gestaltung eines Textes an unterschiedliche Konventionen und Restriktionen gebunden ist, die keinesfalls nur auf der Ebene der Lexik und Grammatik liegen, sondern vor allem auch komplexere Strukturen der stilistischen Gestaltung betreffen, fand wenig Berücksichtigung, obwohl es als zentrales Kriterium für eine Textsortentypologie anzusehen ist. Gerade der Umstand, dass Textrezipienten bestimmte Textexemplare aufgrund ihrer Textstruktur und ihres Stils einer Textsorte zuordnen können, zeigt, dass es Usuelles, Normatives und mehr oder weniger feste Muster gibt. Derartige Muster können in formaler – mitunter auch funktionaler – Hinsicht beschrieben werden. Dabei ist natürlich ein gewisses Maß an Generalisierung notwendig, denn ebenso wie kein Text bei genauer Betrachtung einem anderen gleicht, stimmen Textmuster in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht vollkommen überein.

In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie sich für die Textsortendifferenzierung relevante stilistische Textmuster isolieren und analysieren lassen und wie sie mitunter auch hinsichtlich ihrer potentiellen Stilwirkung beschrieben und interpretiert werden können. Dazu wird zunächst auf die Merkmale von Textsorten sowie die Kriterien für deren Klassifikation eingegangen, um bestimmte Textmuster innerhalb dieser zu verorten. Im Anschluss daran wird ein linguistisch-stilistisches Modell zur Klassifikation von Textmustern vorgestellt, das auf der grundlegenden Unterscheidung zwischen inhaltlich und (textsorten-)strukturell geprägten Textmustern basiert. Schließlich werden die theoretischen Konzepte auf den Schreibunterricht im Fach Deutsch und dessen didaktische Modelle bezogen. Besondere Beachtung findet in diesem Zusammenhang das umfassende Modell zur Textmustervermittlung von Rezat/Feilke (in diesem Heft).

1. Textsorten und ihre Differenzierung

Unter dem Begriff »Textsorte« werden bestimmte sozial-tradierte Abstraktionen über eine Menge von Textexemplaren gefasst, die sich durch eine prototypische Verbindung von textexternen und textinternen Merkmalen beschreiben lassen (vgl. Krieg-Holz/Bülow 2016, S. 222). Das heißt, Textsorten sind über die individuelle Sprachkompetenz hinaus Bestandteil des Regel- und Erwartungssystems der Sprechergemeinschaft. Sie erleichtern das kommunikative Handeln erheblich, indem sie auf der Produzentenseite als Gestaltungs- und Formulierungsmodelle fungieren und somit die Produktion von Texten vereinfachen. Den Rezipienten können sie Hinweise darauf geben, was sie vom jeweiligen Text erwarten dürfen und wie sie ihn zu rezipieren haben (vgl. Renner 2007, S. 333).

In Bezug auf die Beschreibung und Klassifikation von Textsorten ergibt sich in der linguistischen Forschungsliteratur kein einheitliches Bild, wenngleich bestimmte Dimensionen stets mehr oder weniger prominent enthalten sind. Dazu gehören vor allem situative, funktionale, strukturelle und stilistische Aspekte (vgl. Krieg-Holz 2016, S. 84 ff.), wobei die beiden erstgenannten als textexterne, die beiden letztgenannten als textinterne eingestuft werden.

Situative Aspekte manifestieren sich zunächst in bestimmten materiellen Voraussetzungen wie der Gestaltung der Textträger, also der formalen Sichtbarmachung der sprachlichen Zeichen, und der Medialität (vgl. Fix 2008, S. 347). Denn es wirkt sich auf die Form eines Textes aus, ob er mit Tinte auf ein Papier geschrieben wurde oder eine Art von elektronisch vermittelter Kommunikation darstellt (vgl. Habscheid 2000). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die mediale Verfasstheit von Kommunikaten, ihre Mono- oder Multimodalität (z. B. ausschließlich sprachlich oder mit Bildern und Abbildungen). Zentrale Faktoren der Kommunikationssituation betreffen darüber hinaus das Verhältnis von Produzent und Rezipient (z. B. symmetrisch vs. asymmetrisch, Grade von Nähe und Distanz sowie positiver oder negativer Bewertung) und die raum-zeitliche Situierung, die vielfach nur sehr abstrakt gefasst werden kann (z. B. »Privatraum«, »halböffentlicher Raum«, »öffentlicher Raum«).

Funktionale Aspekte der Textsortenbeschreibung stehen bei verschiedenen Klassifikationsversuchen im Vordergrund und werden traditionell an eher abstrakte Kategorien gebunden. So modifiziert Brinker (1985) die Illokutionstypologie Searles (vgl. 1975) in Hinblick auf die Illokutionstypen »Repräsentativ« und »Expressiv« und führt stattdessen eine »Informationsfunktion« und eine »Kontaktfunktion« ein, so dass er zu einer Unterscheidung von fünf grundlegenden Textfunktionen kommt: »Informationsfunktion«, »Appellfunktion«, »Obligationsfunktion«, »Kontaktfunktion« und »Deklarationsfunktion« (vgl. Brinker 1985, S. 98 ff.). Aus pragmatischer Perspektive scheinen vor allem Parametrisierungen geeignet, die einzelne Kommunikationsbereiche in den Blick nehmen und deren Funktions- und Aufgabensystem in die linguistische Klassifikation einbeziehen (vgl. Krieg-Holz 2017, S.304 ff.). So hat sich für den Bereich der journalistischen Texte eine generelle Differenzierung zwischen Information, Meinungsbildung und Unterhaltung etabliert. Diese Grundfunktionen journalistischer Texte können sich vielfach überlagern, deshalb wird nach der jeweiligen Primärfunktion weiter unterschieden, etwa zwischen meinungsbetonten und informationsbetonten Texten. So ist etwa der Kommentar eindeutig den meinungsbetonten Textsorten zuzuordnen, während die Meldung oder der Bericht zu den informationsbetonten gehören.

Strukturelle Aspekte beziehen sich auf die äußere Form von Textsorten, die in engem Zusammenhang mit der Kommunikationsform (z. B. Brief, Zeitungsartikel) bzw. den materialen und medialen Merkmalen der Kommunikationssituation stehen. Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus der kompositorisch-architektonische Aufbau von Texten, der sich prototypisch als Musterhaftigkeit von Textsorten ausbildet. Diese Musterhaftigkeit betrifft die graphische Gliederung der beschrifteten Fläche, das heißt Einheiten wie Teiltexte, Absätze, bestimmte Rahmenstrukturen (z. B. Anrede, Betreffzeile) sowie die Anordnung von nicht-sprachlichen Elementen (z. B. Bilder, Logos). Sie ist bei den einzelnen Textsorten sehr unterschiedlich ausgeprägt. So ist gegenüber einer relativ standardisierten Textsorte wie dem Geschäftsbrief etwa eine private E-Mail deutlich weniger standardisiert, eine Textsorte in Formularform (z. B. Steuererklärung) wesentlich stärker. Neben den genannten Aspekten der Textgliederung spielen für die äußere Form von Texten auch Merkmale der Textabgrenzung eine Rolle, die besonders leicht zu identifizieren sind, wenn sie mit den materialen Grenzen des Zeichenträgers zusammenfallen (z. B. Bucheinband) und somit sinnlich stark wahrnehmbar sind (vgl. Krieg-Holz/Bülow 2016, S. 10 f.). Eine Abgrenzung einzelner Textsorten innerhalb von Textsammlungen kann auch sehr klar durch das Layout/Design erfolgen, beispielsweise durch den schwarzen Rand um eine Todesanzeige. Zu den strukturellen Aspekten von Textsorten kann auch der Textumfang gezählt werden. Dies ist an journalistischen Textsorten wie »Meldung«, »Bericht« und »Dokumentation« zu erkennen, die allesamt als informationsbetont gekennzeichnet werden können und sich primär durch ihren Umfang unterscheiden.

In enger Relation zu den bisher genannten Dimensionen der Textsortenklassifikation steht die stilistische Gestaltung von Textsorten, die Spezifik ihrer sprachlichen Formulierung (vgl. Krieg-Holz 2016, S. 86). Sie basiert auf einer Vielzahl von Aus-wahlen aus dem Optionsraum des sprachlichen Systems und betrifft grundsätzlich alle sprachlichen Beschreibungsebenen, wobei die lexikalische und die grammatische traditionell im Zentrum der Betrachtung stehen. Auf der Ebene des Wortschatzes geht es etwa um die Abstufung verschiedener Stilebenen oder die Unterscheidung von neutralen und markierten Elementen, wobei Letztere aus vielfältigen Begrenzungen resultieren können (z. B. sozialer, regionaler, fachlicher, emotionaler Art). Dabei werden Einzelelemente (Wort- oder Wortgruppenlexeme) erfasst, die zusammen mit kookkurrierenden Elementen als stilistisches Merkmalsbündel beschrieben werden können. Neben derartigen Einzelelementen innerhalb der verschiedenen sprachlichen Beschreibungsebenen sind für zahlreiche Textsorten komplexere Strukturen der stilistischen Gestaltung kennzeichnend, die im Folgenden als sogenannte Textmuster beschrieben werden.

2. Stilistische Textmuster und ihre Beschreibung

Um die stilistische Charakteristik eines Textes zu beschreiben, ist es sowohl im Hinblick auf Textproduktions- als auch auf die Textrezeptionsprozesse äußerst wichtig, alle relevanten Merkmale der Stilqualität zu erfassen. In diesem Zusammenhang können komplexe Strukturen im Sinne von erwartbaren Mustern von besonderer Bedeutung sein.

Unter einem linguistischen Blickwinkel wurden stilistische Textmuster u. a. von Sandig (vgl. 2006, S. 147) untersucht, die den Begriff des »textstilistischen Handlungsmusters« einführt, zwischen »allgemeinen textstilistischen Handlungstypen und Verfahren«, »generellen textstilistischen Mustern« und »komplexen stilistischen Handlungsmustern« unterscheidet und diese als Ausdruck von unterschiedlichen Aspekten stilistischer Kompetenz bewertet. Die einzelnen Muster bzw. Verfahren werden dabei vielfach von einer grundlegenden Funktion innerhalb des Textes (z. B. Bewerten, Emotionalisieren), in anderen Fällen von eher formalen Kriterien wie der Position innerhalb des Textes abgeleitet (z. B. Anfangs- und Endmarkierung). Auf dieser Unterscheidung basiert auch die folgende Systematik, die grundsätzlich zwischen stilistischen Mustern differenziert, die sich aus inhaltlichen Aspekten des Textes ergeben (z. B. Argumentieren) und solchen, die aus strukturellen Anforderungen an Texte resultieren. Diese beiden Perspektiven auf Textmuster machen ein jeweils eigenes Beschreibungsdesign notwendig. Denn im Falle der inhaltlich determinierten Muster sollte die Beschreibung von der Funktion zur Form, bei den strukturell bestimmten Mustern umgekehrt verlaufen (Abb. 1).

Die verschiedenen Textmustertypen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Position und ihrer Reichweite. Inhaltlich bestimmte Muster kommen typischerweise innerhalb eines Kern- oder Haupttextes vor und sind oft satz- bzw. äußerungsübergreifend. Demgegenüber sind strukturell determinierte Muster kleinräumiger zu beschreiben. Sie resultieren vielfach aus strukturellen Anforderungen an Textsorten und befinden sich an zentralen Punkten der Textorganisation. Dabei stellen sie beispielsweise in Form von Überschriften oder Betreffzeilen zugleich Hinweise für die Gliederung und/oder die Abgrenzung von Texten dar.

 

Abb. 1: Stilistische Textmuster im Überblick (nach Krieg-Holz/Bülow 2016, S. 171)

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2.1 Inhaltlich geprägte Textmuster

Als inhaltlich geprägte stilistische Muster sind globalere Techniken für die Ausgestaltung von Texten anzusehen, die den Bau ganzer Textpassagen prägen können. Zur Beschreibung der stilistischen Variation auf dieser Ebene kann das Modell der Vertextungsstrategien genutzt werden. Vertextungsstrategien klassifizieren komplexe Mechanismen der Textbildung, die an bestimmte kommunikative Aufgaben gebunden sind. Sie lassen sich jedoch zum einen nicht strikt regelhaft fixieren, zum anderen können innerhalb einer Textsorte mehrere Vertextungsstrategien kombiniert werden. In der Regel ist dann eine Strategie die dominierende. Vertextungsstrategien sind idealtypische Muster, deren konkrete sprachliche Gestaltung stark variieren kann. Im Folgenden wird von fünf solchen Strategien ausgegangen (Erzählen, Beschreiben, Erklären, Argumentieren und Anweisen), und deren prototypische Merkmale werden skizziert.

Voraussetzung für die Herstellung eines durchgängig narrativen Strukturmusters ist die Erzählbarkeit vergangener Ereignisse (vgl. Hausendorf/Kesselheim 2008, S.91), wobei die Orientierung am chronologischen Ablauf das Leitmerkmal des Erzählens darstellt. Inhaltlich besteht eine Erzählung aus der prozessual-aktionalen Repräsentation eines Ereignisses, das sich aus einzelnen Ereignisphasen konstituieren kann (vgl. Brinker 2005, S. 69 ff.). Insbesondere schriftliches Erzählen wird in der Regel durch das Tempus Präteritum sowie temporale Kohäsionsmittel kodiert. Weitere narrative Struktursignale bestehen u. a. in Episodenmerkmalen (z. B. im Augenblick), die die erzählten Ereignisse in ein zeitliches Verhältnis zueinander setzen, oder Iterationsmerkmalen (z. B. wie so oft), die Handlungen und Vorgänge als gewohnheitsmäßig ausweisen und dadurch eine Situation gestalten, auf deren Folie das Ungewöhnliche hervortreten kann.

Während Erzähltexte zeitlich strukturiert sind, fassen typische Beschreibungen den Textgegenstand räumlich auf, wobei der Textverlauf einem Beschreibungsweg folgt, der sich auf die Wahrnehmbarkeit von Objekten im Raum bezieht und diese so in eine bestimmte Reihenfolge bringt. Beschreibungen konzentrieren sich auf einen Ausschnitt der Welt, die Dinge, die in diesem vorhanden sind, und deren Eigenschaften. Häufig entsprechen sie sogenannten »Natürlichkeitsprinzipien«, wie »der Wahrnehmung des thematisierten Gegenstandes folgend« oder »von außen nach innen« (vgl. Sandig 2006, S. 193). Typisch für Beschreibungstexte sind das tempusneutrale Präsens und Verben, die Zustände (z. B. haben, sein, sich befinden) und Wahrnehmungsakte (z. B. sehen) bezeichnen. Darüber hinaus treten eine große Zahl an Passivformen auf, relativ viele Substantive der Klasse »Konkreta«, mit denen auf wahrnehmbare Dinge referiert werden kann, sowie Attribute aller Art, die die Eigenschaften des Beschriebenen benennen.

Die Grundfunktion des Erklärens besteht im Wissenstransfer, in der Vermittlung eines erklärenden Zusammenhangs. Dies erfordert, sowohl das Spezifische der Kommunikationssituation als auch die Möglichkeiten der Sinnerfassung beim Rezipienten zu berücksichtigen. Die konkrete Ausgestaltung des Textmusters Erklären kann in Abhängigkeit von diesen Gegebenheiten sehr unterschiedliche Realisierungsformen aufweisen. Kennzeichnend für wissenschaftliche Erklärungen ist es, dass ein Sachverhalt, das Explanandum, aus anderen Sachverhalten, die zusammen als das »Explanans« bezeichnet werden, logisch abgeleitet wird (vgl. Jahr 2000, S. 385). Für erklärende Texte im alltagssprachlichen Bereich ist in der Regel charakteristisch, dass die einzelnen Aussagen durch geeignete sprachliche Verknüpfungsmittel explizit miteinander verbunden werden, um zwischen bestimmten Sachverhalten einen erklärenden Zusammenhang herzustellen. Insbesondere dann, wenn die Sachzusammenhänge per se keine natürliche Folgebeziehung nahelegen, ist die Verwendung von Konjunktionen und Adverbien, die konditional oder kausal verknüpfen, sowie von Verständnishilfen wie explizierenden Zusätzen, Vergleichen usw. notwendig. In fachsprachlichen oder wissenschaftlichen Erklärungstexten werden logisch-semantische Beziehungen stärker über die textuelle Organisation von Inhaltselementen, wie die syntaktische Abfolge, bestimmt. Die Einzelaussagen treten dabei häufig in Form von Nominal- und Partizipialkonstruktionen auf.

Die Textmuster Argumentieren und Anweisen können als direkt handlungsorientiert charakterisiert werden. Während das Argumentieren zum rational eingesehenen Handlungsvollzug führen soll, wird beim Anweisen normalerweise auf Begründungen verzichtet, weil die Sachverhalte entweder zu trivial sind (z. B. Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte) oder asymmetrische Rollenkonstellationen vorliegen.

Die Voraussetzung für Argumentationen bilden ein Konflikt/eine Kontroverse oder die grundsätzliche Absicht, die Meinung des Kommunikationspartners beeinflussen zu wollen. Dies kann sich in der begründenden und stützenden Qualität von Aussagen (Begründungen, Behauptungen), im Rückbezug auf Normen, Regeln und Werte sowie in der Auswahl der Ausdrücke spiegeln (z. B. bezweifeln, für – gegen). Beim Argumentieren geht es immer um Simultanität, d. h. darum, den Rezipienten durch ein Mitvollziehen zu den gleichen Folgerungen bzw. zur Übernahme eines Schemas zu bewegen. Zu den typischen sprachlichen Merkmalen des Argumentierens gehören Verben, die den konfliktären Hintergrund anzeigen (z. B. bestrei ten) oder argumentative Sprechhandlungen bezeichnen (z. B. beweisen, rechtfertigen); darüber hinaus sprachliche Formen, die Geltungsansprüche von Äußerungen stützen bzw. deutlich machen, indem sie sich auf die Gültigkeit, Relevanz oder Eignung von Äußerungen beziehen (z. B. strittig, vermutlich, treffend; vgl. Hausendorf/Kesselheim 2008, S. 95 f.). Dabei kann die stützende Qualität von Textelementen explizit markiert werden (z. B. durch kausale Konnektoren). In vielen Fällen müssen sie jedoch wissensabhängig inferiert werden, weil die Offenlegung der Argumentation prinzipiell fakultativ ist.

Das Textmuster Anweisen tritt nur in wenigen Textsorten dominant auf. Als prototypisch anweisende Textsorten gelten u. a. Gebrauchsanweisungen, Bedienungsanleitungen oder Kochrezepte. In formaler Hinsicht ist für Anweisungen typisch, dass jeder Anweisungszug satzweise erfolgt und sich das Muster einer charakteristischen additiven Aufeinanderfolge von Handlungsschritten ergibt. Typische Zeichen von Handlungsaufforderungen sind Imperative, deren starke Ausdruckswirkung etwa durch den Verzicht auf das Ausrufezeichen (z. B. Ersatz durch Punkte) oder eine weichere kontextuelle Einbettung abgemildert werden kann. Wenn Anweisungen weniger direkt bzw. höflicher verstanden werden sollen, werden anstelle von Imperativen andere Verbformen wie Infinitive, Präsens- oder Futurformen eingesetzt. Zu den Merkmalen des Anweisens zählen außerdem die Verkürzung von Sätzen und die überdurchschnittlich häufige Verwendung von Handlungsverben (z. B. entfernen, öffnen).

2.2 Strukturell geprägte Textmuster

Die Beschreibung von Textmustern, die sich aus strukturellen Anforderungen an Texte ergeben, setzt zunächst eine textsortenspezifische Perspektive voraus, die Texte jeweils als typische oder weniger typische Exemplare einer Textsorte beschreibt. Textsorten sind an bestimmte Kommunikationssituationen gebunden, die die Ausprägung ihrer äußeren Gestalt und ihrer Struktur maßgeblich bestimmen. Dies betrifft rein quantitative Aspekte wie den Textumfang ebenso wie qualitative (z. B. attraktive oder ästhetische Gestaltung) und führt überwiegend zu einer Musterhaftigkeit der Textgliederung. Gerade bestimmte Gliederungssignale, die die Aufteilung einer textuellen Obereinheit in Untereinheiten anzeigen, weisen häufig strukturell determinierte Muster auf. Hierzu gehören etwa die verschiedenen Formen von Überschriften in Zeitungen, Zeitschriften oder Prospekten, die Betreffzeilen von Geschäftsbriefen usw. Allein schon durch ihre Extrastellung sind sie mit bestimmten Funktionen verbunden, die von Sandig (vgl. 2006, S. 223 ff.) zum Beispiel als »Hervorheben« oder »Informationen gewichten« bezeichnet werden. Deshalb treten bevorzugt Textmuster auf, die Ausdruck eines originellen und kreativen Sprachgebrauchs sind. Diese lassen sich zwar nur schwer einer strengen Typologie zuordnen, können jedoch nach der Art ihres Abweichens klassifiziert werden, indem das Invariante, das sich Wiederholende der sprachlichen Form beschrieben wird. Mögliche Ansatzpunkte dafür sind zum einen der Strukturtyp, das heißt die syntaktische Form des Textmusters, zum anderen ist es die Spezifik der lexikalischen Ausfüllung. Im Folgenden werden exemplarisch fünf solche Muster vorgestellt, die in alltäglichen Gebrauchstexten besonders häufig vorkommen.

Bereits ein erster Blick auf Textmuster, die an prominenten Positionen mit Textorganisationsfunktion vorkommen, zeigt, dass diese – im Vergleich zu Sätzen, wie sie in kohäsiven Textabschnitten vorkommen – auffallend kurz sind. Diese Kürze ist Ausdruck einer fehlenden Explizitheit, die häufig die notwendige Basis für kreative Zuordnungen bildet. In diesem Zusammenhang ist das Auftreten von syntaktischen Reduktionsformen von großer Bedeutung. Es betrifft neben bestimmten Satzbauplänen, die die Maximalzahl möglicher Aktanten nicht ausnutzen, vor allem die Ellipsenbildung bzw. Satzverkürzungen und Satzfragmente.

Mit dem Begriff der Ellipse können in einem weiteren Sinne sämtliche Formen der Auslassung syntaktischer Elemente eines Satzes verstanden werden, die das syntaktische Minimum, das heißt die zweigliedrige, nominativische und verbale Struktur des deutschen Satzes unterschreiten. Diese werden aufgrund ihrer Bedeutung für das Herstellen strukturell determinierter Textmuster im Folgenden terminologisch abgegrenzt und als »Satzverkürzung« oder (bei extrem kurzen Varianten) als »Satzfragment« bezeichnet. Eine entsprechende Unvollständigkeit von Sätzen verfügt prinzipiell über ein besonderes stilistisches Potential im Hinblick auf die Erzeugung von Expressivität. Dafür sprechen auch die in zahlreichen Gebrauchstextsorten auftretenden »unechten« Satzverkürzungen, die durch das von syntaktischen Regelmäßigkeiten abweichende Interpungieren, das heißt das rein ausdrucksseitige Zerschneiden vollständiger Sätze, entstehen (z. B. Das Geld ist wieder da. Die Hoffnung nicht.).

Für einen großen Teil strukturell geprägter Textmuster ist das Aussparen sprachlicher Elemente eine notwendige Voraussetzung, für einige ist es das einzige formale Beschreibungsmerkmal. Hierbei kann entsprechend der Zweigliedrigkeit des deutschen Satzes zwischen den Typen der »Satzverkürzung durch Subjektauslassung«, der »Satzverkürzung durch Prädikatsauslassung« sowie dem »Satzfragment«, einer mehr oder minder komplexen syntaktischen Struktur ohne Subjekt und Prädikat, unterschieden werden.

Das Textmuster Satzverkürzung durch Subjektauslassung repräsentieren die folgenden Beispiele aus dem Bereich der Werbung bzw. des Marketings:

Holt mehr aus jedem Tropfen.

Schaut auch im Dunkeln voraus.

Hält andere selbständig auf Distanz.

Die Vorfeldposition ist nicht besetzt. Dies bewirkt gerade am Textanfang oder bei Einzelstellung, dass die Äußerung nicht vollständig eingeordnet werden kann, weil unklar bleibt, worauf sie sich bezieht. Damit wird Spannung erzeugt und das Interesse auf die fehlende semantische Rolle bzw. auf den nachfolgenden Text gelenkt. In der Regel bildet das ausgelassene Element das Thema des Bezugskontextes (z. B. Schaut auch im Dunkeln voraus. Mit der Dunkelheit kommt die Zeit von BMW Night Vision.) oder erscheint als rhematisches Subjekt des Nachfolgesatzes.

Beispiele für das Textmuster Satzverkürzung durch Prädikatsauslassung sind:

Wahl zum FIFA-Chef erst im Januar

Die Integral-Aktivlenkung: einzigartig wie jede Kurve.

Das fehlende Prädikat kann hier in der Regel durch Kopulaverbformen wie ist oder sind ergänzt werden. Dementsprechend stellt dieses Muster eine zweigliedrige Struktur dar, die problemlos als vollständige Aussage rekonstruiert werden kann. Bei einigen Musterexemplaren werden die Prädikatsleerstellen mit einem Platzhalter-Element, einem Interpunktionszeichen wie dem Doppelpunkt, dem Gedankenstrich oder dem Punkt besetzt. Dabei bewirkt ein Gedankenstrich oft die Hervorhebung der anknüpfenden Einheit (z. B. Der neue BMW7er – hellwach, selbst in tiefster Nacht.), ein Doppelpunkt die enge Verbindung von zwei Satzteilen. In funktionaler Hinsicht dient das Muster zumeist der Kondensation des Bezugstextes (im Sinne einer thematischen Überschrift), vielfach erfolgt dabei auch Bewertung der im Bezugstext gegebenen Informationen.

Bei den Äußerungen, die dem Textmustertyp Satzfragment entsprechen, handelt es sich um Bruchstücke von Sätzen, die in syntaktischer Hinsicht durch ein Subjekt und ein Kopulaverb (z. B. »Das ist…«, seltener auch ein Verb der persönlichen Einschätzung) sowie mitunter einen bestimmten oder unbestimmten Artikel vervollständigt werden können, zum Beispiel:

Eine Theorie, die in der Praxis Leben retten kann.

Rückschlag für die Demokratie

Dieses Muster ist besonders geeignet, um eine Behauptung zu äußern bzw. den thematisierten Sachverhalt zu bewerten. Durch die Aussparung des Subjekts als Bezugsphrase des prädikativen Elements erfolgt jedoch keine explizite Bewertung, denn diese setzt eine Thematisierung des zu bewertenden Sachverhalts voraus. Gleichzeitig werden die einzelnen Aussagen kürzer, so dass wesentliche Aspekte akzentuierter kommuniziert werden können.