Vier Bergromane Sammelband: Ich will mein Herz nur dir schenken und andere Romane

Anna Martach

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.

Inhaltsverzeichnis

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Vier Bergromane: Ich will mein Herz nur dir schenken und andere Romane

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Gefährliche Wetten und heiße Liebeleien

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Madln und Berge – geliebt und gefährlich

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Ich will mein Herz nur dir schenken

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Expedition ins Glück

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Vier Bergromane: Ich will mein Herz nur dir schenken und andere Romane

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Dieses Buch enthält folgende Romane:

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ANNA MARTACH: GEFÄHRLICHE Wetten und heiße Liebeleien

Anna Martach: Madln und Berge – geliebt und gefährlich

Anna Martach: Ich will mein Herz nur dir schenken

Anna Martach: Expedition ins Glück

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DIESMAL BEKOMMT ES Alpendoktor Daniel Ingold mit geradezu „unterirdischen“ Problemen zu tun. Gefühle geraten ins Rutschen, und so manche gute Absicht scheint verschüttet unter vergangenen Traumata. Wird die Erde im alpinen Hindelfingen am Ende wieder Ruhe geben?

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TITELBILD: ALFRED HOFER 123rf

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© Cover: Firuz Askin

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Gefährliche Wetten und heiße Liebeleien

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Alpendoktor Daniel Ingold – Band 1

von Anna Martach

Der Umfang dieses Buchs entspricht 105 Taschenbuchseiten.

Wo das Herz spricht, hat der Verstand nicht mehr viel zu sagen ... Alpendoktor Daniel Ingold muss sich nicht nur um zwei verliebte Burschen kümmern. Eine rätselhafte Krankheit breitet sich außerdem im Ort aus – was steckt dahinter? Und was sagt sein eigenes Herz?

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Tun S’ nimmer so viel, Frau Obermayr“, riet Daniel Ingold. Der sympathische Arzt mit den leuchtend blauen Augen und den lockigen blonden Haaren blickte die ältere Frau an, die vor seinem Schreibtisch saß und wegen Beschwerden in den Gelenken zu ihm gekommen war. „Da haben S’ doch Ihre Schwiegertochter, die Anna ist doch eine tüchtige junge Frau. Die kann Sie ein bisserl entlasten.“

Lena Obermayr schaute Daniel an, als zweifelte sie an seinem Verstand. „Die hat doch net genug Ahnung“, murrte sie dann. „Stellen S’ sich nur einmal vor, Herr Doktor, die Anna wollt mir doch tatsächlich einreden, man tät’ heutzutag nimmer mit der Sense das Gras für die Karnickel schneiden. Das hab ich aber mein Lebtag getan.“ Empörung flammte in den hellwachen Augen der Frau auf, und Daniel musste sich ein Lächeln verkneifen.

Es war auch heute noch nicht leicht für viele ältere Menschen, den Fortschritt zu akzeptieren. Sie hielten fest am Althergebrachten. In mancher Beziehung war das ja auch gar nicht verkehrt, nicht alles Neue musste auch unbedingt gut und richtig sein. Doch wenn durch eine solche Neuerung schwere körperliche Arbeit vermieden werden konnte, sollte man doch darüber nachdenken. Er wollte der alten Dame gerade behutsam erklären, dass sie ruhig ab und zu auf ihre Schwiegertochter hören sollte, die es ja nur gut mit ihr meinte, als er abrupt unterbrochen wurde.

Jemand stürmte in das Sprechzimmer, und gleich hintendrein lief Minchen, die gute Seele der Praxis, die schon beim alten Dr. Huber für Ordnung gesorgt hatte.

„Herr Doktor, bitte, es ist dringend. Mein Bub ist schrecklich krank, da müssen S’ auf der Stelle kommen.“

Daniel blickte auf Ursel Korbmacher, die mit allen Anzeichen von Aufregung dastand. Warum sie den Buben nicht gleich mitgebracht hatte, fragte er lieber nicht. Er wusste, dass die Frau fast abgöttisch an ihrem einzigen Kind hing, seit der Ehemann bei einem grässlichen Unfall ums Leben gekommen war.

Der Arzt bewahrte Ruhe, auch als Minchen, die eigentlich Hermine Walther hieß, mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Ursel nun endlich aus dem Raum schob.

„Nun geh schon, der Herr Doktor kommt bestimmt gleich mit, wenn er Zeit dafür hat. Aber ich sag’s dir, das war net der rechte Weg. Hättst mir ein gutes Wort gegeben, dann hätt’ ich ihn dir schon geholt, den Herrn Doktor.“

„Aber wenn der Basti doch ...“

„Hättst ihn auch gleich herbringen können, deinen Basti, es wär’ sicher schneller gegangen“, brummte Minchen und schloss nun endgültig die Tür.

Drinnen war die Lena aufgestanden.

„Schaun S’ mal zu, ob die Anna net doch vielleicht auch mal recht haben kann“, riet Daniel ihr zum Abschied. „Sie mögen das Madl doch, ich weiß das. Und tun S’ nimmer mehr so viel.“ Wahrscheinlich war dieser gute Ratschlag in den Wind gesprochen, doch den Versuch musste er machen. Daniel schenkte der Lena noch ein aufmunterndes Lächeln, und unwillkürlich verzog auch die Frau das Gesicht.

Ja, unser Herr Doktor, dachte sie bei sich. Wenn’s den net gäb’, müsst man ihn erfinden. Lena nahm sich vor, heute besonders nett zu ihrer Schwiegertochter zu sein. Es konnte ja nicht schaden, einfach mal auf dieses neumodische Zeugs zu hören – auch wenn es ganz bestimmt nicht richtig war.

Dr. Ingold lief aber nun rasch hinter der Ursel her. Zum Glück war es nicht weit zu ihrem schmucken kleinen Häuschen.

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Und noch einen drauf“, rief der Stefan Raddatz und ließ seine Faust auf den Tisch knallen, dass die Karten nur so tanzten. Resigniert warf der Matthias Schwetzinger sein Blatt ab. „Wenn ich’s net besser wissen tät’, würd’ ich glauben, du hättst die Karten gezinkt.“

Die beiden Burschen saßen in einer Runde mit anderen zusammen im Kreuzkrug beim Doppelkopf. Schon seit der Schulzeit herrschte Rivalität zwischen ihnen, damals schon nicht wegen besonders guter Noten, sondern eher darum, wer beim Raufhändel der Stärkere war. Und auch jetzt wetteiferten die zwei um alles Mögliche, selbst beim Kartenspiel.

Der Stefan warf jetzt bitterböse Blicke zu dem anderen hinüber, seine Augen funkelten, und unwillkürlich ballte er die Fäuste.

„Willst damit am End gar sagen, ich tät’ betrügen? Das muss ausgerechnet einer sagen, der zu dumm ist, um die Karten zu kennen. Wennst Bescheid wüsst’, dann könntst auch was draus machen.“

Nun, das konnte man so oder so sehen. Diese Bemerkung war jedoch nicht dazu angetan, die angespannte Stimmung etwas zu dämpfen.

„Das könnt man auch bei der Kathrin so sehen“, witzelte einer der anderen Burschen, und zwei Augenpaare richteten sich düster auf ihn.

„Ich mein ja nur“, murmelte er betreten.

„Die Kathrin, ja?“, grinste der Stefan. „Das ist ja mal ein sauberes Madl. Ich will ja wohl net glauben, dass du dir Hoffnungen auf sie machen tätst.“ Spott sprach aus seinen Worten, und Matthias musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und dem anderen an die Kehle zu gehen.

„Die Kathrin – wirst in Ruhe lassen“, knurrte er. „Ich tät’ mich ja auch net drum kümmern, wie du die anderen Madln anmachen tätst. Aber die Kathrin ist was Besonderes, die wirst in Ruhe lassen.“ Vor dem geistigen Auge des Burschen entstand das liebliche Gesicht des Madls, mit den leuchtend blauen Augen, den zwei niedlichen Grübchen in den Wangen, wenn es lachte, und der fröhlichen Stimme, die im Leben wohl noch nie ein böses Wort gefunden hatte.

Der Stefan lachte auf. „Kannst es mir net verbieten, mich um sie zu bemühen. Gleiches Recht für alle.“

Dieser Spott traf tief, so tief, dass der Matthias nun doch aufsprang. „Willst net verstehen, die Kathrin gehört mir. Such dir eine andere. Ich will’s dir auch gern auf andere Weise einprägen, wennst net kapierst.“

Blitzschnell sprang auch Stefan auf, die beiden starrten sich unversöhnlich an, und die Fäuste öffneten und schlossen sich automatisch.

„He, ihr da, raus mit euch, wenn’s euch net benehmen könnt“, donnerte Franz Dernbacher, der Wirt vom Kreuzkrug und meist nur Franzl gerufen, dazwischen. „Hier gibt’s keine Prügelei. Wenn ihr glaubt, dass es net anders geht, müsst ihr das draußen unter euch ausmachen, net in meinem Hause.“

„Ich will mich gar net prügeln, ich will nur, dass der Stefan die Kathrin in Ruhe lässt“, brummte Matthias.

„Hat einer von euch Deppen das Madl schon mal gefragt, wen’s denn überhaupt haben möcht’?“

„Das spielt doch gar keine Rolle“, wehrte Stefan ab.

„Oh, das tät’ ich aber schon glauben. Meinst denn wirklich, die Madln müssten nur so vor euch hinsinken? Noch dazu eine wie die Kathrin? Die ist ein ganz besonders fesches Madl und net auf einen angewiesen, der nur mit dem Mundwerk was darstellen tät’. Da müsst’s aber auch schon was vorweisen.“

Beide Burschen starrten ihn verblüfft an.

„Bevor ihr euch die Köpfe einschlagen tätet, solltet ihr vielleicht erst mal klären, wer der Bessere ist. Und der sollte dann in aller Form um die Kathrin werben.“

Nur langsam sickerte den Burschen in den Kopf, dass an den Worten vom Dernbacher was Wahres dran war.

„Der Bessere, ja?“, grinste Matthias. „Das bin freilich ich.“

„Du Depp, du“, schimpfte Stefan. „Sagen können tät’ das ein jeder. Beweisen musst das erst mal.“

Die beiden setzten sich wieder, und der Wirt brachte eine neue Runde. „Wenn ihr euch net einig seid, dann müsst’s das halt eben erst feststellen“, gab der Dernbacher noch zu bedenken, und für einen Moment herrschte Stille. Etwas verwirrt schauten die beiden Burschen umher.

„Ja, dann täten wir halt eine Wette abschließen“, erklärte Stefan siegessicher.

„Eine Wette?“ Der Matthias runzelte die Stirn, doch dann grinste er auf die gleiche Weise. „Ja, warum eigentlich net? Machen wir’s doch wie in alten Zeiten. Wer drei Aufgaben als bester löst, der bekommt die Kathrin.“

„Ihr seid’s ein bisserl verrückt“, stellte der Wirt fest. „So hab ich das eigentlich net gemeint. Aber ich denk’, das wär’ immer noch besser, als sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen.“

„Wirst schon sehen“, lachte Stefan. „Ich werd’ den Matthias schlagen, und dann ist das Madl mein.“

Dernbacher schüttelte den Kopf. War er in seiner Jugend ebenso verrückt gewesen? Er hörte jetzt mit halbem Ohr zu, wie die Burschen Vorschläge für ihre Aufgaben machten, einer verrückter als der andere.

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Na, mein Bub, was hast gegessen, dass du ausschaust wie ein Streuselkuchen?“, scherzte Daniel Ingold. Auf den ersten Blick machte Sebastian Korbmacher keinen lebensbedrohlich kranken Eindruck, auch wenn er lustlos und schwach wirkte. Der Bub hockte in seinem Bett, hatte Bücher und Spielzeug auf der Bettdecke liegen und war tief beschäftigt gewesen. Jetzt schaute er auf, und ein gespannter Ausdruck trat in die Augen des Doktors.

Die Haut des Kindes war über und über voll mit kleinen roten Punkten. Auf den ersten Blick wirkten die vertraut, und doch schien es sich um was anderes zu handeln, als der Doktor es eigentlich kannte.

„Mein Bub isst nix, was ihm schaden könnt“, erklärte jetzt Ursel Korbmacher auf die Frage Daniels. „Das hab ich ihm verboten.“

„Unsere Kinder tun leider net immer das, was wir erlauben oder verbieten. Und der Basti wär’ net der erste, der von verbotenen Früchten naschen tät’.“ Die Stimme des Mannes klang beruhigend, während sich in seinem Kopf die Gedanken überschlugen. Diese Art von Ausschlag kannte er so nicht. Oder er hatte eine andere Form davon kennengelernt. Besorgnis regte sich ihm, doch die sollte er besser nicht zeigen, die Mutter war schon aufgeregt genug.

Das Fieber war relativ hoch, doch der Junge schwitzte fast gar nicht. Die rätselhaften Flecken erstreckten sich über den ganzen Körper und wirkten in sich selbst etwas eigenartig. Die erste Diagnose, eine allergische Reaktion auf etwas, das der Junge gegessen oder getrunken hatte, geriet wieder ins Wanken.

„Ich hab nimmer nix gegessen“, beteuerte Basti und schaute seine Mutter an, als erwarte er jetzt von ihr Zustimmung, die auch prompt kam.

„Ja, ich glaub`s dir ja, mein Zuckerl“, erklärte sie, und Daniel seufzte innerlich. Das würde sicher ein ganz schweres Stück Arbeit geben. Fürs erste konnte und wollte er nur ein relativ leichtes Mittel geben; bevor er sich nicht weiter mit seinen Kollegen beraten hatte, konnte es ein Fehler sein. Allerdings hatte der Arzt das sichere Gefühl, dass es sich bei diesem Ausschlag um eine Art allergische Reaktion handelte. Ein Verdacht ging ihm im Kopf herum, da war mal etwas gewesen, was er vor langer Zeit gelernt hatte. Doch in dieser Form hatte er nie etwas damit zu tun gehabt. Er wollte seinen Verdacht später prüfen, jetzt war es erst mal wichtig, dass das Kind versorgt und die Mutter beruhigt wurde, und das tat er so gut, dass die Frau fast normal wurde und ihre anfängliche Hysterie schwand.

„Der Basti tät’ doch wieder ganz gesund werden?“, forschte Ursel, nachdem sie mit dem Doktor das Zimmer verlassen hatte. In ihren Augen schimmerte es verdächtig, und sie streckte wie flehend die Hände aus. Daniel griff danach.

„Das wird schon wieder“, beruhigte er sie. „Erst einmal tät’s wichtig sein, dass Sie selbst keine Unruhe verbreiten. Sonst denkt der Bub am End gar noch, es tät’ ihn wirklich schlecht gehen. In ein paar Tagen ist er wieder auf den Beinen.“

Zurück in seiner Praxis hatte er zunächst noch eine ganze Reihe von Patienten zu behandeln, die zum Glück jedoch alle Symptome zeigten, wie er sie kannte.

Viel später saß Daniel Ingold allein in seinem Sprechzimmer und wälzte eine Reihe von Büchern. Bisher hatte er jedoch nicht den kleinsten Hinweis darauf gefunden, wie diese rätselhafte Krankheit sich entwickelte, und was sie überhaupt auslöste. Es musste schon sehr lange her sein, dass solche Symptome zum letztenmal aufgetreten waren, denn in der aktuellen Fachliteratur konnte er nichts finden. Sobald es sich ergab, musste er mal den alten Huber, seinen Vorgänger fragen, der tät’ vielleicht mehr wissen.

Daniel fuhr sich müde über die Stirn. Es war ein langer Tag gewesen, und er fühlte sich rechtschaffen müde. Langsam ging er noch einmal durch die Praxis, um sich zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Kaum jedoch streckte er die Hand zur Klinke aus, um in seine Wohnung hinüberzugehen, als es draußen Sturm läutete. Sollte er denn heute gar keine Ruhe bekommen?

„Ach, Gott sei Dank, dass ich S’ noch antreff’, Herr Doktor. Der Michi liegt im Bett, und er schaut ganz komisch aus, mit roten Punkten auf der Haut. Und Fieber hat er auch, und er fühlt sich gar net gut.“

In Daniel Ingold schrillten sämtliche Alarmglocken, als er rasch mit Maria Wanninger die Straße entlanglief. Sollte in seinem Ort womöglich eine Art Seuche ausgebrochen sein?

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Es war vom ersten Anschein her genau das gleiche Krankheitsbild wie auch schon bei Sebastian, und Daniel Ingold stand vor einem Rätsel. Auch hier hatte er erst einmal die Eltern beruhigt und dem Patienten ein linderndes Medikament verabreicht. Nun schien es jedoch noch wichtiger und dringender zu werden, einen Kollegen zu erreichen, der ihm bei dieser rätselhaften Diagnose helfen konnte. Mittlerweile war es aber schon Abend, und der Allergologe im Krankenhaus nicht mehr erreichbar. Aber der Doktor fand noch immer keine Ruhe, obwohl auch er sich nach etwas Entspannung und seinem Bett sehnte.

So schrak er auf, als jemand von außen ans Fenster klopfte. Nicht noch so ein Fall!, flehte er in Gedanken. Doch seine Erleichterung war groß, als er den alten Doktor Huber erkannte, der nun einfach hereinkam. Von ihm hatte Daniel vor mehr als zehn Jahren diese Praxis übernommen und es bis heute eigentlich nicht bereut. In Notfällen war der alte Huber noch immer bereit einzuspringen, und seine Erfahrung in vielen Dingen war unschätzbar.

„Sie tät’ der Himmel schicken“, rief Daniel denn auch aus und bat seinen Vorgänger zu einem Glas Wein auf einen gemütlichen Sitzplatz.

„Ich tät’ mich grad wundern, dass bei dir noch Licht brennt. Wir alten Leut’ brauchen wenig Schlaf, aber du hast ja viel Arbeit und solltest längst im Bett liegen.“ Der Huber schaute den Jüngeren über seine Brillengläser hinweg fragend an. Er duzte jeden, ohne Ausnahme, und sein Wort hatte fast soviel Gewicht wie das des Herrn Pfarrers, auch wenn er sich eigentlich längst auf sein Altenstübchen zurückgezogen hatte.

„Ich hab da ein Problem, das bringt mich um die Ruhe“, erklärte Daniel ohne Umschweife und berichtete von den beiden Jungen und ihren rätselhaften Flecken.

Huber hörte in aller Ruhe zu und überlegte, dann aber schüttelte er den Kopf. „Kann ich dir auf Anhieb auch nix zu sagen. Klingt seltsam, und doch mein ich, so was ähnliches wär’ mir schon mal untergekommen. Ich kann mich im Augenblick aber net drauf besinnen. Man wird halt eben alt. Du wirst das Problem aber auch net lösen, wennst hier die ganze Nacht herumsitzen tätst, um drüber nachzugrübeln. Geh erst mal schlafen, und morgen kannst in aller Ruhe einen Kollegen fragen. Das wird sich schon aufklären. Allerdings magst wohl recht haben mit deiner Vermutung, dass da ein Gift im Spiel ist. Wenn ich mich nur drauf besinnen könnt’“

Weise Worte hatte der alte Arzt da gesprochen, und Daniel sah ein, dass er wohl recht hatte.

„Was täten S’ eigentlich noch um diese Zeit draußen?“, wollte er dann wissen.

„Ich hab noch einen Spaziergang gemacht. Ist gut für die Nerven. Magst das glauben oder net. Aber jetzt will ich heim. Kannst ja mal wieder auf einen Obstler hereinschaun, wennst magst. Der Mensch lebt net von der Arbeit allein.“ Das verschmitzte Lächeln im Gesicht des alten Mannes erinnerte Daniel daran, dass er mal den guten Ratschlag bekommen hatte, sich eine verständnisvolle Frau zu suchen. Die würde schon dafür sorgen, dass er nicht nur in der Arbeit verkommen würde. Bis heute hatte sich der Doktor aber nicht die Zeit genommen, diesem Ratschlag zu folgen. Es hatte sich einfach keine Gelegenheit ergeben, und er hatte stets so viel zu tun. Und außerdem gab es nicht viele Gelegenheiten eine passende Frau zu finden ...

Doch da gab es in der Tat Bernie Brunnsteiner, die reizende, fesche Tierärztin, in die Ingold sich eigentlich unsterblich verliebt hatte. Doch bisher war nichts daraus geworden, sie waren nichts weiter als gute Freunde. Wenn er nur mal den Mut aufbringen könnte, ihr ein gutes Wort zu geben und sie einfach zu fragen. Doch so bestimmt der Doktor auch im täglichen Leben seinen Mann stand, wenn es um Bernie und seine Gefühle ging, dann fand er keine Worte mehr. Dabei wäre sie doch bestimmt die beste Wahl für ihn.

Der nächste Morgen brachte neben den üblichen Fällen von Altersbeschwerden, Erkältungen, verdorbenen Mägen und Schwangerschaften einen weiteren Fall der roten Flecken.

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Wirst schon sehen, hast überhaupt keine Chance gegen mich“, prahlte Stefan siegessicher.

Der Matthias schaute ihn mit einem fast mitleidigen Blick an. „Wennst Weltmeister im Dumm-Daherreden werden könntst, hättst schon längst gewonnen. Aber allein mit dem Mundwerk tätst hier net viel ausrichten.“

Die beiden jungen Männer schauten sich wieder einmal unversöhnlich an. Ihr Wettstreit war natürlich das Gesprächsthema im ganzen Ort. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht noch am Abend verbreitet, schneller als eine Zeitung das hätte tun können.

Jetzt standen die beiden Burschen vor der ersten selbstgestellten Aufgabe, einen Baum umzusägen. Wie der Zufall es wollte, arbeitete der Vater von Stefan bei der Forstbehörde. Von dort wurde bestimmt, welche Bäume geschlagen werden sollten, um den Wald zu lichten oder auch für die wirtschaftliche Nutzung. Seinen Vater hatte er besser nicht gefragt, doch ein Kollege hatte Auskunft gegeben, und so war es kein Problem gewesen, zwei Bäume zu finden, die in etwa gleich stark waren, damit die Burschen ihre sicherlich überschüssigen Energien daran messen konnten. Allein mit der langen Säge, ohne technische Hilfsmittel, würde es ein hartes Stück Arbeit werden. Aber sie hatten es ja wohl nicht anders gewollt.

Weil die übrigen Burschen aus der Gruppe befürchtet hatten, dass die zwei sich nicht gut vertragen könnten, waren alle gemeinsam zu der Ansicht gekommen, dass man eine Art Schiedsrichter brauchte. Und wer würde da besser passen als der Dernbacher, der Wirt vom Kreuzkrug? Natürlich hatte der abgelehnt, er hätte keine Zeit, und außerdem ginge ihn das alles gar nichts an, und was der Einwände mehr waren. Doch die jungen Kerle hatten nicht locker gelassen, bis er nachgegeben hatte.

So stand er nun da und schaute die beiden Rivalen noch einmal an. „Wollt ihr euch das net noch mal überlegen? Ist doch eigentlich net sehr klug, was ihr da tun wollt. Ihr solltet vielleicht vorher mal die Kathrin fragen, wie’s darüber denkt.“

Energisches Kopfschütteln von den beiden.

„Die Kathrin kann ja dann stolz sein, wenn’s einen Burschen kriegt, der schon bewiesen hat, dass er was kann. Und außerdem hast ja selbst gesagt, dass es besser wär’, wir täten erst mal entscheiden, wer von uns der Bessere ist. Also – magst jetzt endlich ein Zeichen geben zum anfangen?“

Franz sah ein, dass er hier nichts würde ausrichten können. Die zwei hatten sich in diese verrückte Idee verrannt, und nur der Herr Pfarrer oder der Herr Doktor würden vielleicht noch was dagegen ausrichten können.

Auf ein Zeichen hin begannen Stefan und Matthias zu sägen. Zu Anfang ging das ja noch recht gut, die Sägen fraßen sich förmlich in die Stämme hinein. Lauernd warfen die Burschen von Zeit zu Zeit Blicke zu dem jeweils anderen hinüber, nur um dann wieder schneller zu arbeiten. Längst lief der Schweiß in Strömen über den ganzen Körper, doch keiner von ihnen nahm sich die Zeit, um nach einer Flasche mit Wasser zu greifen, in dem Augenblick hätte der andere ja vielleicht einen kleinen Vorteil haben können.

Doch nach mehr als einer Stunde wurden die Bewegungen immer langsamer, die Geräusche der Sägen kamen nicht mehr so gleichmäßig, und die Blicke zum anderen wurden auch seltener.

Nach mehr als zwei Stunden gab es nur noch drei oder vier, die vor Ort ausharrten, es war einfach nur langweilig, denn bis es zur Entscheidung kommen musste, würde es sicher noch über eine Stunde dauern.

Schließlich blieb ein einziger Bursche hier sitzen, im Schatten unter einer großen Föhre, und warf von Zeit zu Zeit einen Blick zu Matthias und Stefan hinüber. Die kämpften mittlerweile mehr gegen sich selbst und die Erschöpfung ihrer Körper, als gegen den Baum. Nur noch wenig fraß sich die Säge im Stamm weiter, und beide Männer schwankten. Doch noch immer gab keiner nach, um eine noch so kleine Pause einzulegen.

„Tätst net besser erst mal was trinken?“, fragte Rudi von seinem Baum aus und meinte keinen der beiden im Besonderen.

„Soll ich – vielleicht – noch – eine Brotzeit – einlegen?“, keuchte Stefan.

„Ich – tät’ doch – jetzt net – einfach aufhören“, kam es auch von Matthias.

„Wenn ihr das net wollt, wird’s wohl keiner von euch schaffen den Baum zu fällen. Ist ganz schön deppert immer nur dranzubleiben.“

„Schweig still – hast ja eh – keine Ahnung.“ Stefan schwankte immer mehr als er stand, und auch der Matthias war nicht mehr fest auf den Beinen.

„Ist die Kathrin das überhaupt wert, was ihr da tut?“, erkundigte sich Rudi mit gutmütigem Spott. Er bekam keine Antwort darauf, doch seine Worte schienen die beiden Rivalen noch einmal anzuspornen, jedenfalls wurden die Bewegungen noch einmal kräftiger.

Dann aber brach Matthias in die Knie. Seine Hand streifte dabei über das Sägeblatt und riss eine hässliche Wunde, die sofort stark blutete.

Stefan hielt erschreckt inne. Soweit hatte ihre Wette bei aller Rivalität natürlich nicht gehen sollen.

„Geh, lauf und hol’ den Doktor“, brüllte der Bursche zu Rudi hinüber.

„Ach geh, das ist doch sicher bloß ein Kratzer.“

Aber Matthias lag am Boden und rührte sich nicht mehr. Nun bekam Rudi es plötzlich doch mit der Angst zu tun und rannte los.

Stefan ging zu dem anderen Burschen in die Knie und schüttelte ihn, aber der Matthias rührte sich nicht. Das Blut floss weiterhin aus der Wunde.

Was sollte er tun? Wie lange mochte es dauern, bis der Doktor kam? Der Bursche tat instinktiv das einzig richtige, er sorgte erst einmal dafür, dass der andere in den Schatten kam, dann riss er ein paar Streifen Stoff von seinem Hemd und legte einen provisorischen Verband an. Schließlich trank er selbst ausgiebig und machte Matthias nasse Umschläge. Das alles war aber längst nicht genug, wie er sah. Denn das Blut lief einfach immer weiter aus der Wunde, und das Gesicht seines Freundes war schneeweiß.

Angstvoll schaute Stefan den Weg entlang, der zum Ort führte. Wie lang konnte es denn noch dauern, bis der Doktor kam?

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Maria Schwetzinger ignorierte die Anzeige auf dem Computer-Bildschirm, die ihr gerade erklärte, dass sich das Programm selbst schloss. Sie seufzte auf und drückte den Knopf zum Neustart. Dabei starrte sie noch versonnen auf die Tür, durch die Daniel Ingold gleich kommen musste. Sie schwärmte für den Doktor, und eigentlich konnte das ein jeder sehen, Hermine war es jedenfalls nicht entgangen. Doch da die ältere erfahrene Frau in ihrer Jugend selbst für den alten Huber geschwärmt hatte, konnte sie das verstehen und machte keine Bemerkung darüber.

Die Schwester von Matthias hatte vor kurzem erst ihre neue Arbeit hier am Ort angefangen – als Sprechstundenhilfe bei Daniel Ingold. Von vornherein war ihr klar gewesen, dass es nicht leicht sein würde, denn Hermine Walther herrschte in dieser Praxis uneingeschränkt. Allerdings hatte die ältere Frau ihr eigenes System der Abrechnung und Ablage, das in der heutigen Zeit längst nicht mehr so angebracht war – ganz im Gegenteil. Mittlerweile wurde überall mit dem Computer gearbeitet; eine so antiquierte Art, wie Minchen sie immer noch pflegte, war nicht nur viel zu aufwendig, sondern auch zu umständlich und damit zu teuer. Alle Ärzte rechneten über den Computer ab, was Hermine jedoch strikt ablehnte.

Und doch war die resolute, herzensgute Frau fast unersetzlich, wie besonders der Doktor zugeben musste. Sie kannte jeden hier am Ort, war informiert von der Kinderkrankheit bis hin zu Altersbeschwerden, ohne jemals ein Wort zu einem Außenstehenden zu verlieren.

Daniel hatte es für eine gute Idee gehalten, die unglaubliche Erfahrung von Hermine und das neue praktische Wissen von Maria zu kombinieren. Woran er nicht gedacht hatte, war die Tatsache, dass Hermine die Anschaffung eines Computers als etwas Ungeheuerliches ansehen könnte. Die Maschine war ihr persönlicher Feind. Sie schenkte dem „Nummernkasten“ keine Beachtung und spottete über die Zeitverschwendung, mit der Maria mühselig alle Daten über die Patienten eingeben musste, schließlich musste der komplette Patientenbestand erst einmal eingetragen werden. Und wenn das Programm dann oft aus nicht verständlichen Gründen die Arbeit abbrach, schickte Hermine ein triumphierendes Lächeln zu Maria hinüber, die sich dann bemühte nicht gleich ärgerlich zu werden.

So auch jetzt.

„Sollst es vielleicht besser aufgeben“, erklärte Minchen spöttisch, als Maria mit einem entsagungsvollen Blick auf den Bildschirm starrte.

„Und wer tät’ dann die Abrechnung machen?“, seufzte die junge Frau.

„Schmarrn, es hat immer so geklappt, wie ich’s gemacht hab. Diese neumodischen Ideen taugen alle nix“, erklärte Hermine resolut.

„Die Zeit bleibt aber net stehen“, erklärte Maria und erntete einen bitterbösen Blick.

„Willst am End’ gar sagen, ich wär’ ein überholtes Modell?“

„Aber nein, ganz sicher net. Lass uns einfach beides zusammen machen“, schlug Maria vorsichtig vor.

„Dann tät’s das Ding erst mal ausmachen und was anständiges tun“, erklärte Minchen und drückte den Knopf zum Ausschalten. Allein das Geräusch des Computers ging ihr auf die Nerven.

Die Maria lachte auf. „Das tät’ uns wahrscheinlich net viel helfen, aber vielleicht hast ja recht, und was anderes zu tun ist sinnvoller. Die Krankenkassen erwarten aber eine Abrechnung über diesen Nummernkasten, also muss eine von uns schon drangehen. Doch wennst magst, wird’ ich dir jetzt erst mal helfen. Was soll ich denn tun?“

„Ach, schau an, bist ja doch lernfähig“, scherzte Hermine. Sie mochte das Madl, das sich so sehr bemühte, aber dieser „Nummernkasten“ war und blieb ihr Feind.

Doch beide Frauen hatten jetzt keine Zeit mehr für die übliche Diskussion, denn Rudi Berger kam hereingestürmt.

„Der Matthias liegt verletzt im Wald“, verkündete er ohne Rücksicht auf andere Patienten oder gar auf Maria, die ja nix davon wusste, dass ihr jüngerer Bruder in ein regelrechtes Duell verwickelt war.

So wurde sie denn auch leichenblass. Minchen behielt allerdings die Ruhe, es war nicht die erste Krise in ihrem langen Leben. Sie hatte gelernt, dass man mit Ruhe viel weiterkam.

„Jetzt redst mal anständig, Rudi. Kannst doch net herkommen und die Leut’ einfach so aufschrecken.“

„Wenn’s aber doch wahr ist“, maulte der Bursche. „Der Stefan und der Matthias haben eine Wette abgeschlossen, wer als erster einen Baum umsägen kann, und der Matthias hat schlapp gemacht und sich dann bös an der Hand verletzt. Nun liegt er da und rührt sich nimmer.“

„Ich muss sofort zu ihm“, stieß Maria hervor, aber Hermine drückte sie resolut zurück auf einen Stuhl.

„Du bleibst hier. Glaubst am End gar, könntst deinem Bruder helfen, wennst wie ein kopfloses Huhn herumlaufen tätst? Nein, nein, das muss der Herr Doktor schon tun. Der weiß, wie er helfen kann. Du wärst da nur im Weg. Rudi, du wartest hier und bringst den Doktor gleich zum Matthias.“

Ihre energische Art verfehlte die Wirkung nicht, und mit einem letzten Blick überzeugte sie sich, dass sich Maria beherrschte. Dann betrat sie nach kurzem Anklopfen das Sprechzimmer.

Drinnen saß Sepp Altenberger, wie fast jede Woche einmal, und jammerte über seine vielfachen und meist eingebildeten Krankheiten. Daniel bewies immer wieder eine Engelsgeduld, auch wenn er im Grunde der Meinung war, dass solche Leute häufig dem Arzt die Zeit stahlen. Aber niemand konnte vorhersagen, wann er denn wirklich Hilfe brauchte, so war eben jedes Gespräch wichtig.

Hermine hatte jetzt aber wenig Einsehen mit Sepp, sie unterbrach das Lamento.

„Herr Doktor, ein Notfall. Da liegt ein Bursche im Wald und blutet. Machen S’ sich schnell auf den Weg, der Sepp versteht schon, dass das wichtiger ist, net wahr?“ Sie blickte den Mann, der wohl zwanzig Jahre jünger sein mochte als sie selbst, sehr eindringlich an, und der stand auf.

„Ich komm dann ein anders mal wieder, Herr Doktor. Da scheint’s einem ja wohl noch schlechter zu gehen als mir selbst.“

„Kannst dich daheim noch ein bisserl selbst bemitleiden“, erklärte Hermine resolut, und Sepp nickte düster.

„Du weißt ja, dass ich leide. Aber das ist ja selbstverständlich, dass der Doktor in so einem Fall gehen muss.“

Als er aus der Tür verschwand, schickte Hermine einen ergebenen Blick zum Himmel. „Dieser Sepp bringt mich eines Tages noch ins Grab“, seufzte sie. „Aber nun packen S’ schon Ihre Tasche, Herr Doktor, ich denk’, es ist dringend.“

Daniel wusste aus Erfahrung, dass es wenig Zweck hatte, sich gegen Hermine aufzulehnen, wenn sie in dieser Art Anweisungen gab. Er griff nach seiner Tasche und folgte Rudi nach draußen zum Auto. Das war wohl besser als zu laufen.

Auf der Fahrt berichtete Berger dann Einzelheiten, und Daniel schüttelte den Kopf. „Habt’s ihr nix besseres zu tun als euch gegenseitig das Leben schwer zu machen? Das ist doch deppert. Eine Wette um ein Madl, und die weiß net einmal davon? Und was haben die beiden Narren jetzt angestellt? Nix Gescheites, tät’ ich mal sagen.“

Rudi grinste etwas unglücklich, schwieg aber besser.

Daniel Ingold fuhr seit einiger Zeit einen Geländewagen, der ihm hier in der manchmal doch unebenen Gegend im Wald und am Berge gute Dienste leistete. So konnte er auch jetzt fast bis zum Ort des Geschehens fahren, wo ihm Stefan mit beiden Armen winkend entgegenlief.

„Dem Herrgott sei Dank, Herr Doktor, ich weiß nimmer, was ich noch tun sollt’. Der Matthias liegt immer noch da und hört net auf zu bluten.“

Der junge Mann war leichenblass, und aus seinen Worten sprach die Angst. Seine Kleidung war mit Blut verschmiert, und er wirkte vollkommen erschöpft.

Der Arzt nahm sich vor, nach der Versorgung von Matthias auch Stefan zu untersuchen. Die beiden Burschen hatten sich da offensichtlich nicht gerade geschont. Aus der Wunde am Arm von Matthias sickerte noch immer Blut, doch es kam nicht stoßweise, also war die Schlagader wohl nicht verletzt. Dann hätte vermutlich auch Daniel nicht mehr helfen können.

Doch auch so schien der Blutverlust bedrohlich.

„Wie lang hat der Matthias schon nix mehr getrunken?“ erkundigte sich Daniel, während er die hässlich aussehende Wunde fachgerecht versorgte.

„Na, ich denk’, seit wir angefangen sind“, meinte Stefan.

„Was Besseres ist euch net eingefallen, nein? Es gäb’ andere Möglichkeiten, wenn ihr unbedingt einen Wettstreit austragen wollt. Ihr habt’s beide viel Flüssigkeit verloren. Der Bursche hier muss jetzt erst mal ins Krankenhaus, und dir geht’s auch net grad gut, kannst dich eigentlich gleich dazu legen. War’s das wirklich wert?“

Stefan schaute den Doktor ziemlich kleinlaut an. „Es hat doch keiner von uns gedacht, dass...“

„Da stimme ich zu, da hat keiner von euch gedacht“, unterbrach Daniel, der sich ernsthaft Sorgen um den Verletzten machte. Aber der Bursche war gesund und kräftig, er würde hoffentlich bald wieder auf den Beinen sein.

Der Doktor schickte Rudi zu dem kleinen Bach in der Nähe, um mehr Wasser zu holen.

Jetzt kam Matthias so langsam wieder zu sich, doch er wirkte verwirrt und desorientiert. Aber er stand doch wieder ein auf den Beinen und konnte mit der Hilfe der anderen bis zum Auto laufen. Dann ging es rasch bis ins Krankenhaus der Nachbarstadt.

Eigentlich hatte Daniel keine Zeit, denn er wusste ja, dass in der Praxis noch eine Menge Patienten auf ihn warteten. Doch er wollte die Gelegenheit nutzen und mit einem Kollegen über die rätselhafte Krankheit sprechen, die die beiden Kinder befallen hatte. Aber der Allergologe und der Internist des kleinen Krankenhauses waren beide in einer wichtigen Besprechung, sie konnten jetzt nicht mit dem Kollegen reden. Daniel verschob also das Gespräch noch einmal.

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Der Ort Hindelfingen erstreckte sich malerisch in einem Tal, durchbrochen von dem kleinen Fluss Theine, der jetzt im Sommer fast nur ein Rinnsal war, in der Zeit nach der Schneeschmelze oder nach starken Regenfällen aber durchaus heftig anschwellen konnte. Wenige Kilometer weiter wurde aus dem beschaulichen Flüsschen sogar ein reißender Wildwasserbach, der sich durch enge Schluchten drückte und ein beliebtes Ziel für Boots- und Floßfahrer war.

Am südlichen Ende des Tales ging es zur Hauptstraße, im Norden würde es irgendwann einen Anschluss an die Autobahn geben, jedenfalls sollte der mal gebaut werden – niemals, wie die Einwohner von Hindelfingen hofften.

Der westliche Hang, Grimsteig genannt, war dicht mit Tannen bewachsen, die sich hoch an den Berg hinauf erstreckten, bis zur Baumgrenze eben. Darüber gab es nur noch Trampelpfade und Felsen, die oft Touristen anzogen, um dort ihr Können als Bergsteiger zu beweisen. Die Wand war anspruchsvoll, aber dennoch nicht übermäßig schwierig.

Der östliche Hang jedoch war noch ein gutes Stück in den Berg hinauf mit Häusern bebaut, darüber gab es einige Wiesen bis hinauf zur Grundler-Alm, einem beliebten Treffpunkt nicht nur für Touristen. Hier am Hang stand auch das Haus von Daniel Ingold. Er hatte es, mitsamt der Praxis von seinem Vorgänger Alois Huber übernommen. Der alte Arzt bewohnte jetzt ein kleines Häuschen unten an der Theine und fühlte sich dort offensichtlich wohl.

Oft genug kam es jedoch vor, dass Daniel auch in der Nacht nicht viel von seinem schönen Haus und seinem gemütlichen Bett hatte. Bei einem Notfall gab es nun mal keine Nachtruhe.

So auch in dieser Nacht.

Gegen drei Uhr in der Früh hatte den Arzt ein Anruf erreicht, und er hatte eine gute Stunde damit verbracht, eine Gallenkolik zu behandeln. Jetzt ging er zu Fuß nach Hause, er hatte auch vorher den Wagen nicht benutzt, denn der Weg war nicht weit.

Hoch oben am Berge trafen die ersten blutroten Sonnenstrahlen einige helle Felsen und tauchten sie in leuchtende Farben. Ein neuer Morgen brach an. Die Luft war frisch und kühl und roch würzig, Vögel erwachten, sangen um die Wette und begannen mit der täglichen Futtersuche.

Eine kleine Katze lief Daniel über den Weg, hielt inne und kam dann etwas zögernd auf den Mann zu. Er beugte sich nieder und streichelte durch das weiche seidige Fell. Flüchtig dachte er an Bernhardine, die Tierärztin.

Daniel hätte wirklich nichts dagegen gehabt, eine Beziehung zu der reizvollen jungen Frau aufzubauen, doch Bernie, wie sie allgemein genannt wurde, ließ es aus irgendeinem Grund nicht zu, dass ein Mannsbild sich ihr näherte. Vielleicht hatte sie früher mal schlechte Erfahrungen gemacht und hatte jetzt Angst davor, ihren Gefühlen zu folgen. Nun, vielleicht würde sich im Laufe der Zeit doch noch etwas ergeben. Daniel hatte Geduld, und Bernie ging es wahrscheinlich nicht anders. Sie beide waren Freunde, eine seltsame Freundschaft, zugegeben, denn oft stritten sie; aber dennoch war es eine Freundschaft, die durch dick und dünn ging.

Bernie jedenfalls würde diese kleine Katze ebenfalls niedlich gefunden haben. Das Tier schnurrte jetzt und genoss die Liebkosung des Mannes, und der wiederum genoss das Geschenk dieses neu erwachten Tages und die Zuneigung des Tieres. Obwohl er die Müdigkeit in sich spürte, gab dieser wundervolle Morgen ihm neue Kraft.

Daniel schritt jetzt zügig aus, er freute sich auf ein kräftiges Frühstück. Dazu wollte er zunächst ein paar Semmeln holen, dann würde er einen starken Kaffee kochen.

Mit der Tüte in der Hand ging er auf sein Haus zu, wo jedoch schon jemand auf ihn wartete.

Mit Bedauern legte er in Gedanken das Frühstück beiseite.

„Herr Doktor, verzeihen S’ die Störung so früh am Morgen, aber die Dorothee hat so komische rote Flecken am ganzen Körper. Und Fieber hätt’s auch. Ich glaub’, die ist schwer krank.“

Daniel fluchte lautlos in sich hinein. Was war das nur, was hier in seinem Ort die Kinder, und offenbar nur die Kinder, befallen hatte?

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Ich fühl’ mich wieder gut und will nix weiter als heim.“ Matthias Schwetzinger starrte die hübsche Krankenschwester an, die ihm gerade einen neuen Verband auf die Wunde gemacht hatte. Noch immer sah die Verletzung grässlich aus, und es würde wohl auch eine ziemlich große Narbe bleiben. Doch der Bursche war kräftig und hatte auch rasch die Erschöpfung überstanden, die durch die Austrocknung entstanden war.

Stefan war nur ambulant behandelt worden, und er hatte mit einer Reihe von guten Ratschlägen wieder nach Hause gehen können.

Matthias hingegen war erst genäht und dann ins Bett gepackt worden. Das hatte ihm gar nicht gefallen; vor allem auch weswegen, weil seine Eltern und seine Schwester ihm anschließend gründlich den Kopf gewaschen hatten. Aber was machte das schon? Die Wette zwischen ihm und Stefan war noch längst nicht entschieden. Einmütig hatten sich beide darauf verständigt, die erste Aufgabe als Unentschieden zu bewerten. Sobald die Wunde besser verheilt war, würde der nächste Wettstreit folgen, da waren die Burschen sich einig. Und sie hatten sich vorgenommen, keinem anderen etwas davon zu erzählen. So konnten sie vermeiden, dass sich andere einmischen würden.

Aber erst einmal wollte Matthias heim. Das Krankenhaus fand er schrecklich, auch wenn diese Schwester ausgesprochen nett war. Sie lächelte ihm nun zu.

„Das müssen S’ mit dem Doktor ausmachen“, erklärte sie freundlich. „Ich kann und darf nix dazu sagen. Könnt’ ich auch gar net entscheiden.“

Der Bursche seufzte. „Der Doktor kommt doch erst morgen früh wieder. Gibt’s hier denn sonst niemanden, der darüber bestimmen kann?“

„Bestimmen können S’ das im Prinzip auch selbst, schließlich können S’ ja auf eigene Verantwortung gehen. Aber ich tät’s net an Ihrer Stelle. Wenn dann was passiert, schaut’s net gut aus – wegen der Kosten, mein ich schon. Das zahlt die Kasse dann nimmer.“

„Aber ich glaub’, ich krieg’s hier mit der Angst zu tun“, maulte Matthias. „Überall sind hier kranke Leut’.“

„Ach, Kopf hoch, so schlimm kann’s doch gar net sein. Und krank sind S’ ja selbst auch, wo ist da der Unterschied? Die Wunde wird gut verheilen, und die paar Tag hier gehen rasch vorbei. Oder ist’s denn gar so garstig? Machen S’ das Beste daraus“, riet die Schwester.

Matthias schaute ihr hinterher und verglich sie in Gedanken mit der Kathrin. Ja, da mochte diese Krankenschwester noch so fesch sein, die Kathrin war doch noch ganz was Besonderes. Ob sie ihn wohl hier besuchen kam? In ganz Hindelfingen war es doch sicher das Tagesgespräch, was Stefan und er getan hatten. Da musste es auch Kathrin zu Ohren gekommen sein. Ob sie ihn wohl mochte – wenigstens ein kleines Bisschen? Er würde ja alles tun, um sie zu erobern.

Was sollte er nur tun, wenn sie am Ende doch nichts für ihn übrig hatte? Sollte er sie vielleicht erst mal fragen, bevor er sich auf das nächste Abenteuer einließ?

Ach nein, wohl besser doch nicht. Erst wollte er Stefan besiegen, dann konnte er vor das Madl hintreten und um sie werben.

Aber dazu musste er hier heraus.

Als der Bursche aufstand, merkte er, dass er doch noch reichlich wackelig auf den Beinen war. Doktor Ingold hatte wohl recht daran getan, ihn hierher einzuweisen, denn daheim wäre er sicher nicht liegenbleiben. Vielleicht war es wirklich besser, noch bis morgen zu warten. Doch dann musste es genug sein.

Junge Burschen hatten wenig Geduld, und Matthias machte da keine Ausnahme. Es drängte ihn, den Wettstreit gegen den vermeintlichen Nebenbuhler weiterzuführen. Sonst käme womöglich noch ein anderer daher, der ihm Kathrin vor der Nase wegschnappen könnte.

Auf die Idee, dass Kathrin wirklich kein Interesse an einem von ihnen haben könnte, kam Matthias einfach nicht.

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Ein halbes Dutzend Kinder standen in einem Kreis beisammen und diskutierten lautstark.

„Die tun doch nur so“, behauptete einer der Jungen und meinte damit die drei Kinder, die von der rätselhaften „Punktekrankheit“ befallen waren.

„Glaub’ ich nimmer“, warf ein Mädchen ein. „Meine Mama hat gesagt, die haben entweder was Verkehrtes gegessen, oder es gibt hier irgendwo einen Virus. Eigentlich sollt’ ich mich von euch allen fernhalten, damit ich mir net auch was hol’. Was ist denn eigentlich ein Virus? Mein Papa sagt, der ist so klein, dass man ihn nimmer sehen kann. Aber wie kann er dann von einem zum anderen springen?“

„Wenn das ansteckend ist, dann kriegen wir’s noch alle. Und dann wird die Schule eh geschlossen.“

„Freilich, und die Lehrer gehen dann von einem zum anderen zum Unterrichten, damit wir nix verpassen“, ließ sich ein anderer Junge spöttisch vernehmen.

„Du bist ja deppert, da geht nix und nimmer, schon gar keine Lehrer. Wenn das ansteckend ist, dann wird der ganze Ort geschlossen, und wir alle müssen hier verhungern, weil auch keine Autos hereindürfen, um Lebensmittel zu bringen“, widersprach ein anderer.

„Ich hab gestern mit dem Michi durch das Fenster gered’“, erzählte Dietmar Bernauer. „Und der hat gesagt, es wär’ alles gar net so schlimm. Seine Mutter tät’ ihm tolle Sachen kochen, weil der Herr Doktor selbst net genau weiß, was es ist.“

„Quatsch, der Doktor muss das doch wissen, der hat’ solche Sachen doch studiert. Der Michi tät’ Märchen erzählen, der will sich nur wichtigmachen.“

„Aber wenn’s doch wahr ist. Keiner hat schon mal so komische Punkte und Flecken gesehen, und Fieber gibt’s auch dabei. Vielleicht wird man gar nimmer gesund.“

Alle verstummten. Das klang denn doch zu unwahrscheinlich, und ganz bestimmt war das auch gar nicht möglich. Aber immerhin war Bastian schon vier Tage krank, und nichts schien zu helfen, was der Arzt bisher verschrieben hatte. Wusste er wirklich nichts Genaues, oder war es doch eine schlimme Krankheit?

Die Kinder verspürten plötzlich keine Lust mehr, sich an diesem Nachmittag zum Spielen zu treffen, wie sie es sonst nach den Schularbeiten taten. Aber allein daheim war es denn doch auch zu langweilig, da war es doch besser, sich wie immer am Hang zu treffen und dort etwas zu spielen, oder den alten Horngruber zu ärgern, der Kinder einfach nicht ausstehen konnte. Jedes Mal, wenn er Kinder nur von Ferne sah, kam er mit seinem Gehstock aus dem Haus gelaufen und fuchtelte damit herum, während er Verwünschungen und Drohungen ausstieß, um auch ja jeden zu vertreiben, der seinem Garten zu nahe kommen konnte. Dort züchtete der alte Mann wunderschöne Rosen, die sein ganzer Stolz waren.

Dieses Verhalten reizte die Kinder natürlich dazu, ihn aus dem Haus zu locken. Schließlich konnten sie allemal davonlaufen.

Bevor die Kinder sich trennten, um erst einmal nach Hause zu gehen, schauten sie sich gegenseitig an. Zeigte einer von ihnen Anzeichen der „Punktekrankheit“? Das Misstrauen begann umzugehen in Hindelfingen, auch wenn es erst einmal noch scherzhaft gemeint war.

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Brauchst mich gar nimmer zu fragen, ich hätt’ auch keine neue Idee“, erklärte der alte Huber, als Daniel ein wenig müde an die Tür des kleinen Häuschens klopfte. Der ältere Arzt bot seinem Nachfolger einen Kaffee an und deutete selbst ein wenig ratlos auf die langen Reihen von Büchern, die sich hier im Zimmer befanden.

„Die Symptome sind eigentlich klar und deuten auf eine Allergie hin. Doch das Fieber tät’ so nicht passen. Ich würd’ mittlerweile, ganz genau wie du, eher auf eine Vergiftung tippen, und ich glaub’, in der Richtung solltest weiter nachhaken. Aber, wie sollten sich ausgerechnet nur die Kinder vergiften? Müssten dann net auch die Eltern was haben? Ich tät’ das genauso merkwürdig finden wie du. Aber was sagen denn die Kollegen im Krankenhaus? Die täten ja immer so unheimlich schlau.“

Es war hinlänglich bekannt, dass zwischen den niedergelassenen Ärzten und denen im Krankenhaus eine freundschaftliche Rivalität bestand, die häufig darin gipfelte, dass die niedergelassenen Ärzte angesehen wurden, als hätten sie in ihren Leben noch nie ein Stethoskop oder ein Röntgenbild gesehen. Nach Ansicht der Kollegen im Hospital waren die Landärzte alle ein wenig zurückgeblieben, hatten ohnehin nichts anderes zu tun als Triefnasen und Bauchweh zu behandeln und ihren erfahrenen Kollegen die ganze Arbeit aufzubürden.

Das stimmte so natürlich nicht, doch für einen Scherz war es allemal gut.

Dabei besaß ein Mediziner wie Daniel Ingold sogar zwei komplette Ausbildungen in verschiedenen Fachrichtungen, nämlich die Allgemeine und zusätzlich eine Internistische, die es ihm ermöglichte, seinen Patienten besser zu helfen.

Und doch stand er bisher vor einem Rätsel, auch wenn sich der Verdacht auf eine Vergiftung längst in ihm festgesetzt hatte. Aber auch die angeblich besseren Kollegen hatten keine eindeutige Erklärung, wie er nach einem längeren Gespräch mittlerweile wusste.

„Eine Vergiftung, ja, daran denke ich schon eine Weile.“ Daniel runzelte die Stirn, und Huber zuckte mit den Schultern.

„Nur so eine Idee, aber ich sehe, denkst ebenso. Es gab früher einmal Pflanzenschutzmittel, die ähnliche Symptome hervorgerufen haben, DDT, E 605 und andere. Aber das Zeugs ist seit mehr als zwanzig Jahren verboten. Und sicher hat keiner so lang was aufgehoben.“

Bei diesen Thema kamen sie im Augenblick nicht weiter, und die beiden Ärzte hatten auch noch was anderes zu bereden, denn Huber legte noch immer Wert darauf, über seine Leute auf dem laufenden gehalten zu werden, obwohl er längst nicht mehr praktizierte.

Aber Daniel war auch immer dankbar für einen Ratschlag des Älteren, obwohl er selbst über genug Wissen und Erfahrung verfügte. Er mochte den alten Herrn und wollte auf diese Weise auch vermeiden, dass Huber sich zu sehr aus dem Leben zurückzog. Einmal die Woche mit dem Herrn Pfarrer Doppelkopf zu spielen war doch ein bisschen wenig an öffentlichem Leben. Da war es besser, den Huber immer wieder mit einzubeziehen, selbst dann, wenn Daniel nicht unbedingt einen Rat brauchte.

„Solltest dich vielleicht noch mal um den Matthias und den Stefan kümmern“, meinte der alte Doktor zum Abschied.

Daniel horchte auf. „Meinen S’ am End gar, da käm’ noch was hinterher? Ich tät’ doch denken, dass die Burschen eine Lehre daraus gezogen hätten.“