Fahr hin und werd glücklich
Liebe Leser,
in dem Dorf, in dem ich wohne, gibt es keinen Tante-Emma-Laden, keinen Bäcker, keine Kneipe, keinen EC-Automaten, keinen Arzt. Nicht einmal Bürgersteige, die abends hochgeklappt werden könnten. Ob der verschrammte gelbe Briefkasten noch geleert wird, weiß ich nicht. Sicher ist nur, dass der verblasste rote Kaugummiautomat aus den 1950er-Jahren noch immer befüllt wird … Sagen jedenfalls die Kids, und die müssen es schließlich wissen.
In so einem Ort möchte man nicht „tot überm Zaun hängen“, könnte man meinen. Es müsste der Prototyp eines aussterbenden Dorfes sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Gefell, so der Name der winzigen Gemeinde zwischen den Maaren und dem Nürburgring, ist quicklebendig. Von den 112 Bewohnern ist ein Viertel unter 18 Jahren alt, und die Teenies sagen, sie wollen ihr Leben lang hier bleiben. Es gibt keinen einzigen Leerstand, aber eine Warteliste von Interessenten, falls mal etwas frei wird.
Warum? „Das hier ist die Quintessenz der Eifel“, sagt ein Paar aus Düsseldorf, „und die ganze Eifel ist ein einziger Glücksort.“ Was die Eifel zum Glücksort macht? Hier gibt es Wälder, Felder, Wiesen, Schluchten und Wildbäche satt. Doch inmitten all des Grüns wuchert menschliche Fantasie: Ateliers von bildenden Künstlern, urige Event-Locations für Avantgarde oder Kabarett, Musikstudios und, klar, auch Mundarttheater oder Blasmusik – für jeden Geschmack etwas. In der Eifel kann man auf tausenderlei Weise glücklich sein, rasant auf der Nordschleife oder dem Mountainbiketrail, animalisch beim Wandern mit Esel oder beim Anblick eines Wolfsrudels, meditativ im Kloster oder lukullisch im Sternerestaurant.
Wer die Eifel erkunden will, tut es übrigens am besten in mobiler Eigenregie, da der ÖPNV überwiegend in den Kinderschuhen steckt. Doch das steht dem Glück nicht im Wege.
Ihre Angelika Koch
1Wenn es im Städtchen duftet
In der Dauner Kaffeerösterei
2Neues Leben in alten Mauern
Kloster Steinfeld bei Kall
3Geburt eines Kellerkindes
Ahrquelle und Eifelmuseum in Blankenheim
4Zeitreise mit Fliegenfischen
Die Bertradaburg in Mürlenbach
5Eckpfeiler des Glaubens
Die Bruder-Klaus-Kapelle in Mechernich
6Das Glück von 500 Mark
Burg Eltz bei Wierschem
7Karge und reiche Landschaft
Die Ripsdorfer Heide bei Blankenheim
8Junge Kunst und alter Ort
Das Kunsthaus NRW in Aachen-Kornelimünster
9Fangfrische Forellen
Die Heidsmühle von Manderscheid
10Verbrechen bei Sahnetörtchen
Krimihotel und Kriminalhaus in Hillesheim
11Von Bullen und Landeiern
Monreal im Elztal
12Abheben vor Glück
Drive & Fly in Föhren
13Einfach mal blaumachen
Die Blaue Ecke in Adenau
14Zum Wohlsein!
Die Bitburger Marken-Erlebniswelt
15Unter den Augen des Greifen
Die Römervilla von Duppach
16Neunzig Jahre Mythos
Faszination Nürburgring
17Überschaubar unübersehbar
Das Heimat- und Erlebnismuseum in Münstermaifeld
18Drei Augen der Eifel
Die Dauner Maare
19Das Gold der Streuobstwiesen
Brennerei Bares in Trimport
20Ort der Rotweinseligkeit
Der Marktplatz in Ahrweiler
21Sauer macht lustig
Der Drees in Niederstadtfeld
22Korallenriffe der Kelten
Die Munterley in den Gerolsteiner Dolomiten
23Geschichte mit Natur heilen
Die ehemalige Ordensburg Vogelsang
24Driften, feiern, fachsimpeln
Das Wolsfelder Bergrennen
25Das doppelte Lottchen
Die Burgen von Manderscheid
26Samt und Scherben
Mode und Keramik aus Kelberg
27Die Magie des Hinkelsteins
Das Frabillenkreuz auf dem Ferschweiler Plateau
28Der Traum von Arkadien
Schloss Malberg
29Süß und gesund
Beim Eifelimker von Neroth
30Kunst irgendwo im Nirgendwo
Galerie am Pi in Weißenseifen
31Die Welt bleibt draußen
Der Vulkankrater im Arensberg
32Wo der Ritter ein Adler ist
Der Adler- und Wolfspark Kasselburg
33Mulsum, Moretum, Mosaik
Die Villa Otrang in Fließem
34Teuflische Schlucht
Naturparkzentrum Teufelsschlucht Ernzen
35Zeitmaschine für Romantiker
Der Ardenner Cultur Boulevard in Losheim
36Luftig-leichter Tanz
Schmetterlingsgarten Eifalia in Ahrhütte
37Die Eifel „all in one“
Die Genovevaburg in Mayen
38Glückliche Tiere
Auf dem Demeter-Hof Breit in Wittlich
39Grenzgänge und Kaiserbetten
Das Hohe Venn bei Mützenich
40Wo das Herz Europas schlug
Die Basilika St. Salvator in Prüm
41Wenn der Schmied spielt
Faberludens in Nohn
42Auf dem Kraterrand
Der Windsborn im Mosenberg
43Das See-Ungeheuer
Der Rursee im Nationalpark Eifel
44Mittelalter-Einkaufsparadies
Kulinarisches im City Outlet Bad Münstereifel
45900 Jahre spirituelles Leben
Die Abtei Himmerod bei Großlittgen
46Ein Städtchen in Rot
Burg und Ort Nideggen
47Die mit dem Wald sprechen
Die Waldakademie Hümmel bei Adenau
48Heilkraft aus der Erde
Die Vulkaneifel Therme in Bad Bertrich
49Das Dorf mit Ausblick
Der keltische Ringwall in Steineberg
50Die Stille nach der Explosion
Abtei und See Maria Laach
51Die Kunst der Weisheit
Arte Scienza in Monschau-Dreistegen
52Ein richtig dickes Ding
Lavabombe und Vulkanhaus in Strohn
53Beim Sachenfinder im Grünen
Der Weilcheswieserhof bei Bereborn
54Stilles Lourdes in Miniformat
Die Mariengrotte in Hohenfels-Essingen
55Brodelndes Temperament
Der Brubbel von Wallenborn
56Glück kann man backen
Brotkunst und Wirkstatt in Dockweiler
57Ein Schwan als Retter
Schwanenkirche Roes
58Pfannkuchen-Glück
Die Alte Pleiner Mühle
59Der tiefste Bierkeller
Der Lavakeller und die Vulkan Brauerei in Mendig
60Tempo runter
Eselwandern in Bongard
61Nichts zu meckern
Ziegenkäserei Vulkanhof in Gillenfeld
62Walk on the wild side
Wandern auf dem Traumsteig im Enderttal
63Schwelgen in Nostalgie
Das Puppenmuseum in Laufeld
64Hier werden Kerle gemacht
Das Seminarzentrum Beuerhof in Üxheim
65Sie nennen es Bullerbü
Das Dorf Gefell in der Vulkaneifel
66Vollkommene Geborgenheit
Die Üdersdorfer Mühle
67Perfekte Filmkulisse
Schloss Bürresheim bei Mayen
68Westfälische Totleger leben
Der Archehof Am Kisselsbach in Horperath
69Hopfen und Malz
Auf dem Hof Dick in Holsthum
70„Wenn es dir guttut, komm!“
Exerzitienhaus St. Thomas
71Zwischen den Welten
Dasburg an der Grenze zu Luxemburg
72Das kleinste Museum der Welt
Die wArtehalle in Welchenhausen
73Es ist alles Gold, was glänzt
Die Erlöserkapelle in Mirbach
74Ein Baum ohnegleichen
An der Walsdorfer Siegeseiche
75„Guck mal da, Bärchen …!“
Der Eifelpark in Gondorf
76Der sagenhafte Überblick
Der Burberg in Schutz
77Kraft von Feuer und Fantasie
Atelier Metallformen in Daun-Gemünden
78Alles Leben ist wertvoll
Das Kunstkabinett Hasenberghof in Kronenburg
79Wallfahrt zu Weinseligkeit
Auf dem Klostergut Klausen
80Drahtseilakt der Lebenslust
Die Straußenfarm Zur Klostermühle in Springiersbach
Manchmal durchzieht die Straßen von Daun so ein Geruch: etwas bitter, etwas rauchig, etwas erdig. Dann ist Hansdieter Richarz-Hilberg am Werk. Er röstet Kaffee, handwerklich und mit ganz viel Geduld. Das Endprodukt duftet noch um etliche Dimensionen besser als das Verfahren. Gemeinsam mit Ehefrau Heike, einer Marketingfachfrau, entfloh der ehemalige Lebensmitteltechnologe und EDV-Spezialist der Frankfurter Großstadt, um im Eifeler Wochenendhäuschen seines Großvaters ein anderes Leben zu führen. Ihre Passion für Kaffee machten sie zum Beruf. Doch nicht allein das: Zum guten Kaffee gehören nach ihrem Verständnis auch faire und ökologische Anbaumethoden. So gibt es in ihrer Dauner Kaffeerösterei vor allem Sorten von kleinen Familienfarmen aus Mexiko, Brasilien, Ecuador, Thailand, Indien oder Java, die das genussverliebte Paar selbst vor Ort aussucht und für deren Qualität es einsteht. Die Hilbergs wollen ihr Glück nicht auf dem Rücken anderer Menschen machen.
Am Wirichplatz mitten in Daun wird geröstet und frisch gemahlen, aber auch getrunken, gegessen und ganz entspannt geklönt. Ein Massenbetrieb kann es keinesfalls werden. Sowohl auf der Veranda mit Blick auf den Platz wie im Inneren, das mit Barhockern und schlichten Tischen nichts Plüschiges hat, ist nicht arg viel Platz. Klar ist: Der Kaffee in all seinen Variationen steht im Mittelpunkt, kein Schickimicki. Auch die Selbstbedienung trägt zum eher studentischen Flair bei. Es gibt erlesene Schokoladen, Liköre, Öle und mehr, dazu manchmal auch noch das eine oder andere Buch von Verlagen aus der Eifel, vom Kinderbuch bis zum Krimi. Man stöbert sehr gern herum, was die Kaffeerösterei außer Kaffee sonst noch zu bieten hat. Und wie gesagt, es duftet ungemein gut. Wer einen Platz ergattert hat, gibt ihn ungern wieder her, sondern holt sich lieber noch eine zweite Kaffeespezialität.
TIPP
Musiker Thomas D hat für die Dauner Kaffeerösterei seinen eigenen Espresso kreiert.
Dauner Kaffeerösterei, Wirichstraße 16 a, 54550 Daun, Tel. (0 65 92) 98 29 29
www.dauner-kaffeeroesterei.de
Beinahe stand vor wenigen Jahren das Salvatorianerkloster Steinfeld in der Nähe von Kall vor dem Aus: zu wenig Mönche, zu wenig Aktion, zu wenig Geld. Schließlich hängt auch das Glück eines geistlichen Ortes von handfesten Faktoren ab. Doch es fanden sich clevere und ideenreiche Förderer, sodass die riesige Anlage heute wieder zum kulturellen Zentrum der nördlichen Eifel wurde, das sie immer schon sein sollte. In der Abteikirche mit ihren floralen Deckengemälden, der reich verzierten Kanzel und dem barocken Altar finden Konzerte statt, vom erdigen Folk bis zur hochkarätigen Klassik auf der historischen König-Orgel. Es ist die größte dreimanualige Barockorgel des ganzen Rheinlandes, deren klangliche Erhabenheit einen – salopp gesagt – fast umhaut.
Drum herum herrscht mittlerweile ebenfalls wieder reges geistiges Leben: Seminare und Workshops zu allen Lebenslagen, in denen Spirituelles guttut, Tagungen, aber auch gymnasiale Bildung in Form des Hermann-Josef-Kollegs. Im Kloster Steinfeld treffen sich die Generationen.
Bei all dem Trubel hat es auch seine reizvoll zurückgezogenen Ecken der Glückseligkeit. Mit etwas Neugier schlängelt sich der Besucher durch ein paar Tore und entdeckt ruhige Innenhöfe, in denen Rosen blühen, und einen kleinen Park mit uralten Bäumen: den Garten der Stille, mittendrin ein Heckenlabyrinth, das hilft, sich beim Durchschreiten auf das Wesentliche zu konzentrieren. Hier und da steht eine Bank oder ein Stuhl, man kann sich hinsetzen und über Gott und die Welt sinnieren.
Letztere hat einen wieder, wenn man das Klostercafé oder die Restaurants vor den Toren der Abteianlage aufsucht. Vor allem sonntags heißt es hier auf den Terrassen „sehen und gesehen werden“, miteinander ins Gespräch kommen und Leckeres genießen. Danach kann man erfrischt auf dem Eifelsteig wandern. Nicht zufällig ist Kloster Steinfeld ein Etappenziel, zu himmlischen Freuden.
TIPP
Im Klosterladen unbedingt das berühmte Steinfelder Klosterbier für zu Hause sichern.
Kloster Steinfeld, Hermann-Josef-Straße 4, 53925 Kall-Steinfeld
www.kloster-steinfeld.de, www.kloster-steinfeld.com
Wer ein uraltes Haus erbt, sollte mal an den Fundamenten rütteln und schauen, ob da nichts hervorsprudelt. Jedenfalls in Blankenheim. Denn hier, in einer versteckten, dunklen Nische unterhalb mittelalterlicher Mauern mitten im historischen Ortskern, wird die Ahr geboren. Sie beeilt sich, flugs als munter plätscherndes Bächlein an Fahrt zu gewinnen und bald das Gassengewirr des Städtchens zu verlassen. Sie ist es ja auch gewohnt, an ihrer Wiege bauliche Romantik pur zu haben, und will raus ins Grüne. Sonntagsausflügler machen es umgekehrt, sie zieht es rein in die Kulisse aus Kopfsteinpflaster und Fachwerk. Das Ensemble will mit schmalen Durchgängen, Treppen und weiß verputzten Mauern nicht aufhören, irgendwie an griechische Inselarchitektur zu erinnern.
Im Eifelmuseum jedoch wird man darauf gestoßen, wo man ist: Wohnkultur und Volkskunst aus der Eifel holen einen auf den Boden der historischen Tatsachen zurück, angefangen von den Römern über die Grafen von Blankenheim bis zu den Bildern des großen Eifelmalers Fritz von Wille. Gegenüber dem Museum gibt es in einem bunten Lädchen allerlei hübschen Kitsch, Krempel und Krimisouvenirs, wenig weiter Leckeres im Bistro oder Eiscafé. Glücklich wähnen können sich auch die Familien und Kids, die heutigen Burgherren, die hoch über allem in der Jugendherberge residieren. Sie ist in der Burg untergebracht, die sich aus einer wehrhaften Festung später in eine schicke barocke Anlage verwandelte. Aber das ist noch nichts im Vergleich zum Narrenglück, welches jedes Jahr an Karnevalssamstag Tausende Jecken ergreift. In der Dunkelheit geht es los: Maskiert und kostümiert mit Betttüchern und Kordeln zieht der „Geisterzug“ mit Fackeln bewehrt durch die sonst finsteren Gassen. Der Ruf „Juh jah, kribbel en der Botz, wer dat net hätt, dä es nix notz!“ schallt von den Mauern und vertreibt nicht nur den Winter, sondern auch jegliche schlechte Laune. Von wegen „tote Hose“ in der Eifel: Hier steppt das Glück!
Blankenheim mit Ahrquelle und Eifelmuseum, Ahrstraße 55–57, 53945 Blankenheim, Tel. (0 24 49) 8 72 22 oder 8 72 23
www.eifelmuseum-blankenheim.de