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Beate Thieswald-Schechter

Sophie, die Traumspezialistin

mit Bildern von Sabine Rach

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© 2017 Beate Thieswald-Schechter

Illustration: Sabine Rach

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:978-3-7345-9397-0
Hardcover:978-3-7345-9398-7
e-Book:978-3-7345-9399-4

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Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für meine Kinder Marlene und Annemarie

Fantasie zu haben heißt nicht nur, sich etwas auszudenken,

es heißt viel mehr noch, sich aus den Dingen etwas zu machen.

Theodor Storm

Inhaltsverzeichnis

Der wandernde Blumenstrauß

Nicht irgendein Pony

Die Neue

Von Hexen und Zauberstäben

Was soll das?

Süße Monster

Tricks über Tricks

Gemeinheiten, aber auch Lara

Teufel und Engel

Der Unfall

Der Dieb

Von wirklicher und unwirklicher Gefahr

Verloren

Die Mädchenclique

Beste Freundinnen für immer

Die Ausreißerin

Ende gut, alles gut, sogar in der Zeitung

Dank

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Der wandernde Blumenstrauß

Die Sonne scheint und es ist warm. Alles duftet. Sophie läuft über eine Wiese mit den allerschönsten Blumen. Sie pflückt einen großen Strauß. Diesen Blumenstrauß möchte ich neben mein Bett stellen, denkt sie -und wacht auf. Doch auf dem Nachttisch steht natürlich kein Blumenstrauß. Er sieht aus wie gestern Abend. Sie überlegt, wie toll es wäre, wenn so etwas funktionieren könnte: etwas, von dem man geträumt hat, mit ins richtige Leben zu nehmen. Den ganzen Tag denkt sie darüber nach, sogar in der Schule, denn dort gefällt es ihr zur Zeit nicht. Zum Glück ist heute Freitag. Auf dem Nachhauseweg überlegt sie, dass es außerdem praktisch wäre, wenn sie sich eine oder zwei gute Freundinnen erträumen könnte, die sie dann wirklich hätte.

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Während ihre Mutter zu Hause ihren Kaffee trinkt und Sophie einen Joghurt löffelt, sagt Mama:

„Sophie, du träumst mit offenen Augen.“

Als Sophie über ihren Hausaufgaben sitzt, sagt sie es noch einmal und legt ihr die Hand auf die Schulter.

„Wie geht es dir, Sophie? In letzter Zeit bist du so ruhig. Auf Mamas Stirn sind Sorgenfalten zu sehen. Sophie zuckt mit den Schultern.

„Ich bin fertig“, sagt sie, weil sie nicht richtig weiß, wie es ihr geht. Sie klappt ihr Heft zu.

„Komm, sammele draußen ein bisschen Kaninchenfutter, nachher kann es regnen, dann ist alles nass.“

„Okay.“ Sophie hat sowieso nichts Besseres zu tun. Sie läuft zur Wiese, die nicht weit vom Garten entfernt liegt. Plötzlich bleibt sie stehen: Da stehen sie ja, die Blumen aus ihrem Traum! Nur noch pflücken muss sie den Strauß. Sofort tut sie das und staunt: Er ist es! Sie läuft nach Hause zu ihrer Mutter:

„Mama, Mama, guck doch mal, was ich für schöne Blumen habe!“

„Ja Sophie“, lächelt die Mutter, „die hast du wunderschön gepflückt. Willst du die wirklich den Kaninchen geben? Sind sie nicht eher etwas für eine Vase?“

„Die Kaninchen! Ach, die habe ich ja ganz vergessen!“ Mama zieht einen breiten Mund.

„Na, dann mal los. Ich stelle sie dir inzwischen ins Wasser.“

„Danke Mama. Aber ich möchte sie in meinem Zimmer haben.“ Mama nickt und wäscht den Kuchenteig von ihren Fingern. Sophie schielt in die Schüssel. Schnell klaut sie sich einen Finger voll Teig.

„Keine Sorge Max und Moritz, ihr bekommt auch ein paar Blumen, bin gleich wieder da!“, ruft Sophie ihren Kaninchen zu, als sie wieder zum Garten hinausstürmt.

Dann trägt sie ihren Strauß in ihr Zimmer und stellt ihn auf den Nachttisch. Irgendwie ist das komisch, denkt sie, ich wünsche mir etwas aus meinem Traum, und dann habe ich es auf einmal - selbst gesammelt, und trotzdem fast wie gezaubert!

Beim Einschlafen abends betrachtet sie noch einmal die wunderhübschen Wiesenblumen. Was wäre, überlegt sie, wenn ich mit ihnen wieder zurück auf die schöne Sonnenwiese könnte? Ich hätte Lust, noch einmal dort zu sein. Sie guckt auch das Playmobilpferdchen an, das sie mit ins Bett genommen hat, weil es ihr liebstes ist.

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„Wohnst du auch dort auf der Sonnenwiese?“, fragt sie es und streichelt es ein bisschen. Mit diesem Gedanken schläft sie ein.

Und schon ist sie dort. Sie hält ihren Strauß in der Hand. Dort hinten grasen ein paar Ponys auf einer Weide. Die hat sie beim letzten Mal gar nicht gesehen. Das eine sieht besonders süß aus, genau wie ihr Playmobilpferdchen. Schnell läuft und hüpft sie über die Wiese bis zur Koppel. Das weiß-braun gescheckte Pony sieht ihr entgegen und schnaubt zur Begrüßung. Sophie streckt ihre Hand aus und berührt seine weichen Nüstern. Das Pony schnuppert an ihr, auch an ihrem Blumenstrauß. Den scheint es aber vor allem lecker zu finden, denn plötzlich beißt es einfach hinein. Also sowas! Doch Sophie muss lachen. Dafür lässt es sich jetzt den Kopf und den Hals streicheln. Sophie redet leise mit ihm dabei. Ach, dich möchte ich mitnehmen, denkt sie. Das Pony wiehert wie zur Bestätigung und legt seinen Kopf auf ihre Schulter. Das ist schön. Schließlich klettert Sophie durch den Zaun in die Koppel hinein. Mein Pony und ich sind Freunde, denkt sie und umarmt seinen Hals.

„Wie heißt du eigentlich?“ fragt sie. Das Pony schüttelt den Kopf. „Was, du weißt es nicht? Na gut, dann nenne ich dich Rosalie. Findest du das gut?“ Das Pony nickt.

„Wollen wir ein bisschen reiten?“, fragt Sophie. Rosalie scheint nichts dagegen zu haben, denn sie hält ganz still, als Sophie vom Zaun aus auf sie steigt. Gemütlich reiten sie auf der Weide herum. Dann plötzlich wird Rosalie schneller. Sie galoppiert und - springt über den Zaun. Sophie lacht. Sie hält sich in Rosalies Mähne fest und fliegt mit ihr über die schöne Wiese. Das müsste Wirklichkeit sein!“, denkt sie noch im Traum und -wacht auf.

Es ist heller Morgen. Sie reibt sich die Wange, mit der sie auf Playmobilpferdchen gelegen hat. Da ist jetzt ein Abdruck. Sophie springt aus ihrem Bett und saust hinüber ins Elternschlafzimmer. Mist, die sind schon aufgestanden, obwohl doch Wochenende ist.

„Hallo du Langschläfer“, begrüßt Papa sie unten in der Küche. Er hat gerade Kaffee gekocht und schlürft schon genüsslich aus seiner Tasse. „Hilfst du mir, den Tisch zu decken? Mama holt gerade Brötchen.“

„Was machen wir heute eigentlich?“, fragt Sophie, während sie Teller und Marmeladen, Butter und Honig auf den Tisch räumt.

„Also, ich will die Rosen im Garten schneiden, und einkaufen müssen wir auch. Aber heute Nachmittag -keine Ahnung. Was willst du denn machen?“

„Reiten!“, ruft Sophie und reißt die Augen auf.

„Reiten? Du meinst auf einem Ponyhof oder so?“

„Ja, genau!“

„Tja, das müssen wir mal mit Mama besprechen.“

„Wisst ihr, in meinem Traum bin ich sogar richtig galoppiert, ich konnte es und es war soo toll!“, erklärt Sophie ihren Eltern, als sie alle beim Frühstück sitzen. Dann beschreibt sie ihnen genau ihr Traumpony und wie gut sie mit ihm befreundet ist.

Sophies Mutter meint, sie könne ja mal im Internet nach einem Ponyhof in der Nähe schauen.

Sie findet einen, nur eine Viertelstunde mit dem Auto von hier. „Samstag vormittag ist Pony-Spielzeit für Kinder, die noch nicht reiten können“ steht auf der Webseite.

„Also gut, dann gehen wir heute nachmittag einkaufen und in den Garten“, beschließen Sophies Eltern.

Nicht irgendein Pony

Kurz vor elf Uhr sind sie da. Vier Ponys sieht Sophie auf dem Reitplatz mit Kindern auf ihrem Rücken herumlaufen. Doch nach diesem ersten kurzen Blick fühlt sie sich etwas enttäuscht. Wo ist Rosalie? Sie betrachtet die Ponys eingehender. Natürlich sind auch sie hübsch. Aber warum… sie dachte doch wirklich… Da hört sie es hinter sich schnauben. Eine junge Frau begrüßt Sophie und ihre Eltern.

„Hallo, Guten Tag! Sie möchten sicher zu unserer offenen Spielzeit für Kinder?“ Sophies Eltern antworten der Frau, denn Sophie kann es nicht. Wen führt die Frau am Halfter? Das ist ja… naja, es ist fast Rosalie. Der Fleck am Hals ist etwas anders vielleicht, auch hinten. Aber das hat Sophie im nächsten Moment schon vergessen. Es ist natürlich Rosalie! Ihre Augen strahlen.

„Na, unser Sonnenblümchen hat es Dir wohl angetan?“ Die Frau spricht offensichtlich mit ihr, begreift Sophie erst nach ein paar Sekunden. Sie nickt der Frau zu. „Ich bin Carla", redet sie weiter. "Und wie heißt Du?“

„Sophie“, bringt Sophie gerade so heraus. Sie hat nur Augen für Rosalie, die nun in Wirklichkeit Sonnenblümchen heißt.

„Möchtest Du Sonnenblümchen eine Möhre geben?“ Carla greift in ihre Tasche. Natürlich möchte Sophie.

„Du kannst sie ruhig auch streicheln, sie mag das. Lass sie zuerst an deiner Hand schnuppern. Genau so. Jetzt legst du die Möhre auf deine flache Hand, damit Sonnenblümchen sie gut greifen kann. Siehst du, das geht prima.“

Während Carla nun ein wenig mit Sophies Eltern plaudert, redet Sophie leise mit Sonnenblümchen und streichelt sie dabei.

„Sie scheinen sich gut zu verstehen.“ Carla hat sich nach einer ganzen Weile wieder zu Sophie umgedreht und lächelt ihr und dann ihren Eltern zu.

„Tja, der Wunsch, reiten zu gehen, kam heute morgen ein wenig überraschend für uns. Sonst hat sie noch gar nicht viel von Pferden geredet.“ Papa hat seine Hand auf Sonnenblümchens Hals gelegt, doch das Pony fährt herum und vertreibt den zudringlichen Menschen.

„Stimmt ja gar nicht“, protestiert Sophie, „ich habe mir schon tausend Mal ein Pferd gewünscht.“

„Aha“, Papa ist ein wenig erschrocken über Sonnenblümchens Reaktion, „mir kommen sie immer recht groß vor.“

Carla und Mama lachen. Sophie flechtet einen kleinen Zopf in Sonnenblümchens Mähne.

"Papa, das ist nur ein Pony!", sagt Sophie und muss auch lachen.

„Wenn du möchtest, kann ich dich ein wenig auf Sonnenblümchen herumführen, dort auf dem Platz“, schlägt Carla vor. „Oder du führst sie selbst, und wir setzen ein kleineres Kind drauf, was meinst du?“ Die zweite Idee gefällt Sophie noch besser als die erste, denn so kann sie weiter ungestört mit Sonnenblümchen reden und sie kennenlernen.

„Gut, dann geh mit ihr dort hinten zu der Familie mit dem kleinen Mädchen, das schon wartet. Ich laufe neben dir. Aber führe du sie allein, immer schön neben dir, nicht zu lang den Strick lassen. Hier, das andere Ende nimmst du so in die linke Hand. Aber niemals eine Schlaufe machen mit dem Strickrest, nur knicken. Wenn sie mal losrennen würde, wärst du in einer Schlaufe sofort gefangen.“ Carla macht es ihr vor. Sophie versteht. „Gut machst du das“, lobt Carla sie. Sophie fühlt sich großartig und glücklich. Sie sagt: „Komm!“, und Sonnenblümchen folgt ihr.

Am Ende der Zeit reitet sie selbst auf Sonnenblümchen ein paar Runden. Zuerst führt Carla sie, doch in der letzten Runde darf es Sophie ein bisschen selbst versuchen. Es klappt wunderbar.

Bevor sie wieder nach Hause fahren, muss Mama bei Carla Reitstunden für Sophie buchen.

„Na gut, dein Schwimmkurs ist zu Ende, dann wäre ja Mittwoch ein guter Tag zum Reiten“, hat Mama zugestimmt. Sophie hat Glück. Nach Pfingsten in drei Wochen wird ein Platz im Unterricht im Ponyclub frei.

„Bis dahin kannst du gern auch nochmal samstags kommen und Sonnenblümchen besuchen“, sagt Carla, denn eins hat Sophie ganz klar gestellt, reiten lernen möchte sie nur auf Sonnenblümchen. „Das wird nicht immer gehen, aber oft“, hat Carla versprochen.

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Dieses Wochenende wird nun zu einem richtigen Pferdewochenende. Sophie malt Pferde, und sie spielt mit ihren Pferdefiguren. Nachts ist es nicht das kleinste Problem, sich wieder auf die Pferdekoppel zu Rosalie zu träumen, die allerdings auch hier im Traum nun Sonnenblümchen heißt und auch so aussieht. Die ganze Nacht lang spielt sie mit Sonnenblümchen und reitet durch die schönsten Landschaften. Sie reitet auf Berge hinauf, von denen sie prächtige Ausblicke hat, durch duftende Wälder, durch die die Sonne Lichtflecken malt und über blühende Wiesen. An einem flachen Bächlein am Waldrand lässt Sophie ihr Pony trinken und legt sich selbst ins Gras. Es ist herrlich. Eigentlich.

Das einzige, was sich Sophie noch wünschen würde, wäre, zusammen mit einer allerbesten Freundin hier zu sein. Ja, das wäre allerdings noch besser. Auf der Koppel steht noch ein anderes wunderschönes Pferd.

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Es ist hellbraun mit einer blonden Mähne und ebensolchem Schweif. Es hat sehr liebe dunkelbraune Augen. Dieses Pony wäre genau das richtige für ihre Freundin.

Doch welche Freundin sollte sie mitnehmen? Mia oder Trixi? Oder lieber Lena? In ihrer Klasse ist es momentan schwierig, findet Sophie. Alle drei ihrer Freundinnen wohnen im gleichen Viertel und spielen nachmittags oft zusammen. In der Schule hängen sie dann auch immerzu beieinander. Das war vor ein paar Wochen noch nicht so, aber jetzt. Plötzlich ist sie nicht mehr am Waldrand, sondern steht allein im Schulhof. Ihre Freundinnen laufen zusammen an ihr vorbei. Sie reden und lachen, aber sie sehen Sophie nicht.

Da wacht Sophie auf. Sie ist traurig. Es wird schon hell, doch es ist noch viel zu früh zum Aufstehen. In der Schule ist sie nachher bestimmt müde. Soll sie ihre Mutter rufen? Sie nimmt ihren Stoffhund und kuschelt mit ihm. Eigentlich möchte sie gerade keiner ihrer Freundinnen das schöne hellbraune Pony geben. Wahrscheinlich hätten sie nicht einmal Lust darauf. Selbst schuld!, denkt Sophie trotzig. Als sie gar nicht mehr einschlafen kann, steht sie auf und kramt aus ihrer Playmobilkiste das hellbraune Pferd heraus, das nach dem braunen Schecken ihr liebstes ist. Playmobil-Sonnenblümchen steht sowieso schon auf ihrem Nachttisch. Das hellbraune stellt sie nun daneben. Sie schaut die Pferdchen an und stellt sich vor, dass beide Freundinnen sind, die besten Freundinnen. Das braune Pferd ist etwas ängstlicher und scheuer als das gescheckte. Aber es ist auch sehr lustig. Sie stellt sich vor und spielt, wie beide zusammen davon galoppieren.

„Oh, du bist ja schon wach!“ Papa gähnt und setzt sich auf Sophies Bettkante. „Hast du was Schönes geträumt?“

„Ja, teilweise schon“, sagt Sophie. „Und ich weiß auch schon, was ich nächste Nacht träume.“ Sie lässt ihre beiden Pferde durch die Luft reiten.

„Das ist ja nicht schlecht. Find ich gut, deine blühende Fantasie, meine Kleine, die kannst du immer gebrauchen.“ Er wuschelt ihr durch die Haare und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn. „Und jetzt raus aus den Federn!“

Die Neue

„Wie war es in der Schule?“, will Sophies Mutter am Nachmittag, wie üblich, wissen. Kaffee scheint Erwachsene neugierig zu machen, denkt Sophie mal wieder und nippt an ihrem Orangensaft.

„Mittel. Wir haben eine Neue in der Klasse. Sie heißt Julia.“

„Ist sie gerade hierher gezogen?“

„Ja.“

„Und, ist sie nett?“ Sophie seufzt.

„Weiß ich nicht, sie hat ja nichts gesagt.“

„Naja, sie ist vielleicht noch etwas schüchtern. Stell dir vor, du wärst ganz neu in einer Klasse, in der die anderen sich alle schon kennen.“