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Über dieses Buch:

Wenn die Schatten nach dir greifen … Nach dem tragischen Tod seines Vaters führt Jack Deveraux dessen alten, staubigen Buchladen weiter. Es ist ein ruhiges Leben ohne jede Aufregung – bis zu dem Tag, als ihn das Böse aufsucht. Immer wieder wird er von gefährliche Kreaturen angegriffen – und sie alle wollen Jacks Tod. Von der geheimnisvollen Emma erfährt er von der Bestimmung, die von seinem Vater auf ihn übergegangen ist: Er ist ein Dämonenjäger und nur er hat die Macht, gegen die dunkle Bedrohung zu bestehen …

Er ist jung. Er ist mutig. Und er ist auf der Jagd: Jack Deveraux – der Dämonenjäger. Begleiten Sie ihn und seine Freundin Emma im Kampf gegen die Kreaturen der Finsternis!

Über die Autorin:

Xenia Jungwirth, geboren 1978 in Straubing, ist gelernte Mediendesignerin und war schon als Kind von Märchen und Mythen fasziniert. Während ihres Studiums der Kunstgeschichte entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben. Reale und fantastische Elemente bilden die perfekte Mischung für ihre Geschichten: Der Leser soll in eine Welt eintauchen, die ihm vertraut ist – und doch ganz anders. Xenia Jungwirth arbeitet als freie Autorin. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von München.

Die Reihe Jack Deveraux – Der Dämonenjäger umfasst folgende Einzelbände:

JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Erster Roman: Pforte der Finsternis
JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Zweiter Roman: Nachtalb
JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Dritter Roman: Ravanas Herz
JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Vierter Roman: Sirenengesang
JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Fünfter Roman: Dunkle Flut
JACK DEVERAUX – DER DÄMONENJÄGER. Sechster Roman: Dämonendämmerung

Entdecken Sie spannende Abenteuer mit Jack Deveraux im Internet auf http://jackdeveraux.com/ und https://de-de.facebook.com/DerDaemonenjaeger

Bei dotbooks erschien bereits die siebenbändige Reihe Mystery Diaries.

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Sammelband-Originalausgabe Oktober 2017

Copyright © der Einzelausgaben 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Haus der Sprache, Halle/Saale

Titelbildgestaltung: HildenDesign, München

Titelbildabbildung: © HildenDesign unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mh)

ISBN 978-3-96148-126-2

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Xenia Jungwirth

JACK DEVERAUX

Der Dämonenjäger

dotbooks.

Pforte der Finsternis

Kapitel 1

Ich stand vor dem Antiquariat und konnte es immer noch kaum glauben. »Deveraux’s Antique Books« stand da, in goldenen Buchstaben. Deveraux – der Nachname meines Vaters. Und auch meiner. So wie der Buchladen, den ich von ihm geerbt hatte.

Mein Vater war vor knapp sechs Wochen bei einem Unfall ums Leben gekommen, und ich war nach Cumberland gefahren, ein kleines verschlafenes Städtchen ein paar Meilen nördlich von Providence, Rhode Island. Jemand musste sich schließlich um den Nachlass kümmern.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ich einmal einen Buchladen erben würde? Ich, Jack Deveraux, der mit Büchern überhaupt nichts am Hut hatte!

Mein Vater und ich waren schon immer recht unterschiedlich gewesen. Das heißt, soweit ich mich an ihn erinnern konnte. Er hatte uns verlassen, als ich elf Jahre alt war. Es hatte mein Mutter das Herz gebrochen. »Seine Arbeit war ihm wohl wichtiger als seine Familie«, hatte sie mir damals erklärt. Ich hatte das nicht verstanden, und um ehrlich zu sein, verstand ich es heute immer noch nicht. Aber vielleicht war das der Grund warum meine berufliche Karriere ein wenig … sagen wir mal, holprig verlief. Und dass ich jetzt vor diesem Buchladen stand, passte irgendwie dazu.

Ich schüttelte noch einmal den Kopf und betrat den Laden. Ein altes Glockenspiel kündigte mein Eintreten an, und keine zwei Sekunden später kam Emma aus dem Büro geeilt. Als sie sah, dass ich kein Kunde war, verfinsterte sich ihr Blick.

Ich seufzte und wusste, was jetzt gleich kam.

»Jack Deveraux!«, sagte sie empört und stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist zu spät! Es ist zehn Uhr siebenunddreißig, und wir haben seit einer Stunde und siebenunddreißig Minuten geöffnet.«

Ihre braunen Augen funkelten wütend hinter ihrer Brille.

Emma war meine Angestellte, ich hatte sie sozusagen »mitgeerbt« und für das Antiquariat war sie wirklich ein Glücksgriff. Sie war ausgesprochen kompetent, konnte hervorragend mit den Kunden umgehen und machte mich eigentlich überflüssig. Ihr Alter war schwer zu schätzen, irgendetwas zwischen Zwanzig und Vierzig, und rein optisch passte sie um einiges besser in den verstaubten Laden als ich. Emmas Bibliothekarinnen-Styling, bestehend aus wahlweise Kostüm oder Hosenanzug, Brille und einer schrecklich seriösen Hochsteckfrisur, schrie förmlich »Bücherwurm«. Oder Gouvernante. Das war gar nicht so weit hergeholt, denn sobald ich auch nur eine Minute zu spät kam, machte sie mich darauf aufmerksam. Mit aller Deutlichkeit. Zugegeben, meistens war es nicht nur eine Minute, aber da ich nun mal der neue Besitzer des Ladens war, hatte ich eigentlich gedacht, es wäre mir überlassen, wann ich morgens hereinspazierte.

»Guten Morgen, Emma«, seufzte ich.

»Guten Morgen? Es ist fast Mittag!«

Ich konnte förmlich spüren, wie sich ihr wütender Blick in meinen Hinterkopf bohrte, als ich ohne weiteres Wort an ihr vorbeiging und das Büro meines Vaters – nein, mein Büro betrat.

Ich schloss die Tür hinter mir und atmete tief durch. Dann fiel mein Blick auf den Schreibtisch. Ein riesiger Stapel Bücher stand darauf, daneben lagen die Zeitung und ein paar Briefe. Und neben den Briefen eine Tasse mit Kaffee. Schwarz, mit zwei Löffeln Zucker. Ich schmunzelte. Emma war wirklich nicht so übel, wenn sie ihren allmorgendlichen Wutanfall erst mal hinter sich hatte.

Ich nahm die Tasse und trank. Der Kaffee war sogar noch warm. Ich sah die Briefe durch, und da mich keiner interessierte, nahm ich mir die Zeitung vor. Ich überflog die Schlagzeilen und wollte schon zum Sportteil blättern, als mich irgendetwas irritierte. Es war ein Artikel über eine Serie von Mordfällen, die vor ein paar Wochen in Rhode Island begonnen hatte. Drei Männer waren getötet worden. Das war zwar tragisch, aber nichts Ungewöhnliches. Was aber mein Interesse geweckt hatte, war die Tatsache, dass alle Opfer etwas mit Büchern zu tun gehabt hatten. Ein Bibliothekar, ein Historiker und Spezialist für alte Handschriften und der Besitzer eines Buchladens. Letzterer war sogar ungefähr in meinem Alter. »Was für ein merkwürdiger Zufall«, dachte ich und suchte dann die Ergebnisse des letzten Baseball-Spiels. Die Red Sox hatten schon wieder gewonnen. So ein Mist.

Es klopfte an der Tür. Durch die Milchglasscheibe konnte ich Emmas Umriss erkennen. »Jack?«, fragte sie und trat ein ohne mein Antwort abzuwarten.

»Die Red Sox haben schon wieder gewonnen«, sagte ich vorwurfsvoll.

»Eh … ja, das ist sehr schön. Aber hast du dich schon um die Bücher gekümmert?«

Sie sah auf den Schreibtisch.

»Offensichtlich nicht.«

Ich machte mich schon auf das nächste Donnerwetter gefasst, als das Glockenspiel der Eingangstür ertönte.

»Kundschaft«, flötete ich und grinste.

Emma warf mir einen wütenden Blick zu und verschwand in den Laden.

Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. Sie hatte es nicht ganz leicht mit mir, das musste ich zugeben.

Ich nahm das oberste Buch vom Stapel und verdrehte die Augen. Eine Art Handbuch für Orchideenzüchter. Kein Wunder, dass der Besitzer es loswerden wollte. Es folgten ein Gedichtband in durchaus brauchbarem Zustand, ein philosophischer Schinken und ein Lexikon. Ich stutzte. Dieses Buch kam mir bekannt vor. Hatte ich es nicht schon einmal in der Hand gehabt? Es war recht klein und nicht besonders dick. Der Einband aus altem, braunem Leder roch ein bisschen modrig. Darauf stand in verblichenen Buchstaben »Enzyklopädie der Fauna und Flora der Neuen Welt«. Klang nicht gerade nach einem Bestseller.

Trotzdem öffnete ich es. Es schien wirklich sehr alt zu sein, ein paar der Seiten waren beschädigt und zerknittert. Die Schrift war sehr klein und schwer zu lesen. Ich strich mit der Hand über die Seite und plötzlich passierte irgendetwas. Das Buch wurde warm und vibrierte leicht! Gleichzeitig verblasste die Schrift und verschwand schließlich ganz. Stattdessen tauchten neue Buchstaben auf. Handgeschrieben. Dazu Zeichnungen und Skizzen. Mir stockte der Atem. Was zum …

»Jack? Kommst du bitte mal?«

Ich erschrak und klappte das Buch wieder zu. Das Vibrieren hörte auf, und der Einband wurde merklich kühler. Nur einen Augenblick später lag in meinen Händen ein ganz gewöhnliches, altes Buch. Hatte ich mir das gerade nur eingebildet?

»Eh … ja … ich komme!«, rief ich nach vorn und stand auf. Ich betrachtete noch einmal das Buch. Es sah ganz normal aus.

Dann verließ ich das Büro. Emma stand hinter dem Verkaufstresen und wirkte angespannt. Als ich den Kunden sah, wusste ich auch warum. Das war der merkwürdigste Mann, den ich je gesehen hatte. Er war groß und dünn, trug einen altmodischen Trenchcoat und einen Hut, wie sie in den 40er oder 50er Jahren modern gewesen waren. Die untere Hälfte seines Gesichtes war unter einem dicken Schal verborgen – und das bei mindestens 20 Grad Außentemperatur.

Na ja, vielleicht hatte er eine Erkältung.

Das bisschen Gesicht, das zwischen Hutkrempe und Schal hervorlugte, wirkte auch nicht gerade vertrauenserweckend: Kleine Augen, spitze Nase – er erinnerte mich an ein Nagetier. Eine … genau: Das Gesicht des Mannes erinnerte mich an der einer Ratte. Seine Haut war grobporig und vernarbt, und ich bildete mir ein, dass er nicht besonders gut roch. Jetzt sah er mich mit seinen Nageraugen an und verengte sie zu Schlitzen.

»Mr. Deveraux?«

Seine Stimme klang rau und heiser und machte ihn auch nicht sympathischer.

»Ja, ich bin Jack Deveraux. Wie kann ich Ihnen helfen?«

Ehrlich gesagt hatte ich überhaupt keine Lust ihm zu helfen, aber das konnte ich ihm ja schlecht ins Gesicht sagen.

»Der Gentleman sucht alte, seltene Bücher«, meldete sich Emma zu Wort und wandte sich dann wieder an den Vermummten: »Ich kann ja mal hinten im Büro schauen, ob dort etwas für Sie dabei ist.« Und schon drehte sie sich um und ging.

Danke Emma! Lass nur mich mit dem widerlichen Typen reden!, dachte ich und versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. »Für welche Bücher interessieren Sie sich denn genau?«, fragte ich und beschloss, diesen komischen Kerl so schnell wie möglich loszuwerden. Entweder mit oder ohne Buch!

»Wissen, Sie, Ihr Vater, er hatte immer ganz besondere Bücher«, setzte der Fremde an.

»Mein Vater ist tot«, unterbrach ich ihn.

»Jaja, sehr tragisch, ich habe davon gehört … jedenfalls: Ich suche etwas … ganz Besonderes

»Ein bisschen mehr Informationen wären schon hilfreich«, sagte ich kühl. Langsam ging er mir auf die Nerven. Ständig schaute er sich mit seinen Rattenaugen um, und diese vage Beschreibung von dem, was er suchte, brachte uns kein bisschen weiter.

Plötzlich drehte er sich zu mir um, beugte sich über den Tresen und sah mir direkt in die Augen. »Sie wissen doch, welches Buch ich meine, nicht wahr, Mr. Deveraux?«

Ich musste schlucken. Natürlich war mir das merkwürdige Buch, das ich vorhin entdeckt hatte, eingefallen. Aber das konnte dieser komische Kauz doch unmöglich wissen!

Er ließ mich nicht aus den Augen. Sein Blick bohrte sich förmlich in mein Hirn. Aber ich hielt ihm stand.

»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, entgegnete ich kühl. Mit seiner Psycho-Nummer konnte er vielleicht kleine Schulmädchen beindrucken!

»Sie können ja ein anderes Mal vorbei kommen, vielleicht haben wir dann, was Sie suchen.«

Er zögerte noch einen kurzen Augenblick, dann richtete er sich wieder auf. »Na schön, Mr. Deveraux. Ganz wie Sie meinen. Ich komme wieder.«

Ohne ein weiteres Wort verließ er den Laden.

Unwillkürlich atmete ich tief durch. Der Kerl hatte wirklich übel gerochen. Gottseidank war er weg.

Ich ging in mein Büro. Dort war Emma gerade dabei, das letzte der Bücher, die auf meinem Schreibtisch gelegen hatten, in eines der Regale einzusortieren. »Ist das stinkende Frettchen weg?«, fragte sie.

Ich musste grinsen. Offensichtlich hatten wir beiden genau den gleichen Gedanken gehabt.

»Aber Miss Lancaster, wie reden Sie denn von unseren Kunden?«, antwortete ich mit gespieltem Ernst und wedelte mit dem Zeigefinger.

Sie ging nicht auf den Scherz ein. »Das war kein … Kunde«, sagte sie nachdenklich. Sie war ein wenig blass.

»Emma, ist alles ok?«, fragte ich.

»Jaja, alles in Ordnung. Ich … ich hab noch zu tun.« Sie ging an mir vorbei und verließ das Büro.

Ich zuckte mit den Schultern. Naja, wenigstens hatte sie die Bücher weggeräumt. Hmm … allerdings auch das seltsame kleine Buch. Ich ging zu dem Regal, in dem die Lexika aufbewahrt wurden, und dank Emmas Ordnungssystem hatte ich es nach kurzem Suchen gefunden. Ich zog es aus dem Regal und steckte es in meine Jackentasche. Ich würde mich später damit beschäftigen. Jetzt brauchte ich erst mal eine frische Tasse Kaffee.

***

Der Rest des Tages verlief ziemlich unspektakulär. Bücherlieferungen, ein paar langweilige Kunden, noch mehr Bücher, noch mehr Kunden. Emma verabschiedete sich um acht, und auch ich packte meine Sachen zusammen. Mir rauchte der Schädel. Diese ganzen Listen und Regale und Bücher … Ich machte den Job jetzt gerade mal sechs Wochen und hatte eigentlich schon genug davon. Ach, zum Teufel! Arbeit machte nun mal keinen Spaß. Aber wenigstens war ich mein eigener Chef.

Ich schloss den Laden ab und war schon auf dem Heimweg, als mein Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite fiel. In der kleinen Bar war ganz schön was los. Hörte sich an, als ob irgendeine Band spielte. Die Musik dröhnte nach draußen, begleitet vom Lachen der Gäste. Warum eigentlich nicht? Ich verschob meine Pläne, heute mal früher ins Bett zu gehen, um am nächsten Morgen Emmas Standpauke zu entgehen, und ging über die Straße.

Die Bar war gerammelt voll. Ich kämpfte mich zum Tresen vor und bestellte ein Bier. Lauter fröhliche Gesichter um mich herum. Die Band spielte nicht schlecht, aber trotzdem wollte bei mir nicht so recht gute Laune aufkommen. Ich dachte an meinen Vater. Schon merkwürdig, den ganzen Tag hatte ich nicht an ihn gedacht, und jetzt, wo ich mich entspannen wollte, fiel er mir plötzlich ein.

Ich erinnerte mich an die letzte Begegnung mit ihm. Es war vor ungefähr vier Jahren gewesen. Er hatte einfach vor meiner Tür gestanden. Ohne Ankündigung. Zehn Jahre lang hatte er sich nicht blicken lassen, und gerade einmal die obligatorischen Karten zu Weihnachten und zum Geburtstag geschickt – und dann war er plötzlich wieder aufgetaucht. Ich hatte ihn sofort erkannt. Trotz der langen Zeit, die wir uns nicht gesehen hatten. Er hatte müde ausgesehen – und natürlich älter.

»Hallo Jack. Ich muss mit dir reden.«

Was für eine Begrüßung. Unser Gespräch damals war nicht besonders gut gelaufen. Ich hatte ihm natürlich Vorwürfe gemacht, und er hatte mir keine der Fragen beantwortet, auf die ich wirklich gern eine Antwort gehabt hätte. Stattdessen hatte er mir nur irgendetwas von Pflicht und Tradition und weiß der Teufel nicht alles erzählt. Nichts davon hatte mich interessiert, ich wollte nur eines wissen: Warum verdammt nochmal hatte er Mom und mich verlassen?

Ich seufzte. Jetzt war er tot, und ich würde es nie erfahren.

Ich bestellte ein zweites Bier und wünschte, wir wären damals nicht im Streit auseinander gegangen. Wir hätten doch noch einmal miteinander reden können. Aber dafür war es nun zu spät. Stattdessen hatte ich nun diesen alten Buchladen am Hals … inklusive Emma.

Ich musste grinsen. Sie war eigentlich ganz okay. Ohne sie wäre ich im Laden aufgeschmissen, und die gelegentlichen Wutausbrüche waren auch eher unterhaltsam, als dass sie mich wirklich störten. Gut, sie könnte ein wenig entspannter sein, sehr viel entspannter sogar, und nicht so schrecklich pingelig. Vielleicht war sie sogar ganz lustig, wenn sie erst einmal ein wenig auftaute. »Stinkendes Frettchen« – das war doch ein Anfang. Hehe. Die gute Miss Lancaster … Es war das erste Mal, dass ich mir über sie Gedanken machte. Das lag bestimmt am Bier. Und an meinem Vater. Emma hatte die letzten Jahre für ihn gearbeitet, sie kannte ihn also besser als ich. Ich hatte sogar das Gefühl, dass sie vielleicht mehr gewesen war, als nur seine Angestellte. Immerhin hatte sie schwarz getragen, als ich sie vor anderthalb Monaten kennengelernt hatte. Trug man Trauer, wenn der Chef starb? Oder waren Emma und mein Vater womöglich mehr gewesen – ein Paar? Ich schüttelte mich, um die Bilder, die unweigerlich vor meinem geistigen Auge aufgetaucht waren, zu vertreiben und schaute mich in der Bar um.

Am anderen Ende des Raumes saß ein junger Mann, etwa in meinem Alter. Aber das war’s dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Der Typ war ein Nerd wie er im Buche stand. Dünn, schlaksig, und die Klamotten waren so uncool, dass es fast so wirkte, als hätte er sich verkleidet. Hornbrille inklusive. Er wirkte richtig fehl am Platz. Eine langbeinige Blondine ging an seinem Tisch vorbei, dann blieb sie stehen und setzte sich tatsächlich zu ihm. Ich war überrascht, die beiden spielten eindeutig nicht in derselben Liga. Vermutlich nicht einmal dieselbe Sportart. Warum interessierte sich eine so attraktive Frau für einen Streber wie den da?

Sie redete kurz mit ihm, und der arme Kerl schien vor lauter Nervosität nicht zu wissen, was er machen sollte. Er nickte nur heftig, und schob sich die rutschende Brille gerade. Die Blondine zog wieder ab und ging in Richtung Ausgang. Als sie an mir vorbei kam, streifte mich ihr Blick. Sie war wirklich attraktiv, nicht schlecht für ein so kleines Kaff. Ich lächelte kurz.

Sie verlangsamte ihren Schritt und musterte mich, den Kopf leicht zur Seite geneigt als ob sie überlegte. Dann lächelte sie mich an und verschwand nach draußen. Ich überlegte kurz, ob ich ihr folgen sollte, doch dann sah ich, dass der Nerd aufgestanden war und sich durch die Menschen zum Ausgang zwängte. Alles klar, Kumpel. Viel Glück, du wirst es brauchen. Ich schüttelte grinsend den Kopf und bestellte mir Bier Nummer drei.

Als ich die Bar verließ, war es schon nach Mitternacht. Ich war müde, und die fünf Bier machten sich langsam bemerkbar. Ich gähnte ausgiebig und schaute zum Buchladen hinüber. Was war das denn? Hatte ich mir das gerade eingebildet? Ich blinzelte und rieb mir die Augen. Nein, da war es wieder! Ein schwacher Lichtstrahl tastete sich durch den Laden. Eine Taschenlampe?

Mit einem Mal war ich hellwach. Einbrecher!

Ich suchte nach meinem Handy, fand es nicht, da es in meinem Büro lag und ging über die Straße. Dann eben ohne die Bullen. Vorsichtig sperrte ich die Tür auf und öffnete sie. Ein leises Klingen war zu hören, und ich schnappte mir gerade noch rechtzeitig die Metallzylinder des Glockenspiels um nicht mein Eintreten mit lautem Klingeling anzukündigen. Das war knapp.

Nun sah ich wieder den Schein der Taschenlampe. Der Einbrecher war also im Büro. Verdammt, was wenn er nicht allein war? Warum hatte ich ausgerechnet heute das blöde Handy liegen gelassen? Egal, ich würde das auch allein hinkriegen.

Vorsichtig näherte ich mich der Bürotür. Durch die Scheibe konnte ich einen Schatten erkennen. Okay, es war anscheinend wirklich nur einer. Ich beschloss, es mit einem Überraschungsangriff zu versuchen. Ich legte die Hand auf die Klinke, spannte alle Muskeln, und mit einem schnellen Ruck riss ich die Tür auf und machte das Licht an.

»He, was zum Teufel …«, brüllte ich.

Der Einbrecher fuhr herum und sah mich erschrocken an. Die Taschenlampe fiel zu Boden und rollte vor meine Füße.

Ich konnte kaum glauben, wer da vor mir stand.

»Du?«

Kapitel 2

Emma stand nur da und sah mich mit großen Augen an.

»Emma, was machst du denn hier?«, fragte ich und war nicht weniger überrascht als sie.

»Eh … ich hatte etwas vergessen, und das Licht ging nicht …«, log sie nicht gerade überzeugend. Mein plötzliches Erscheinen hatte sie offensichtlich ziemlich durcheinander gebracht, sonst hätte sie sich sicher nicht so eine lahme Ausrede ausgedacht.

Ich deutete auf die voll funktionstüchtige Glühbirne über unseren Köpfen. »Das Licht geht einwandfrei.«

Sie wurde rot und blickte zu Boden.

»Nächster Versuch.« Ich verschränkte die Arme und sah sie auffordernd an. Mal sehen, was ihr jetzt einfiel.

Emma seufzte und schüttelte den Kopf. »Na schön … du wirst es ja sowieso irgendwann erfahren.«

»Was werde ich erfahren?« Jetzt war ich nicht nur verwirrt sondern auch noch neugierig.

Sie atmete tief durch und sah mich ernst an. »Ich suche das Buch, Jack.«

»Welches Buch? Fängst du jetzt auch noch damit an? Zuerst dieser rattengesichtige Typ, und jetzt du?«

Unbewusst tastete ich nach meiner Jackentasche, in der das merkwürdige Lexikon steckte. Ich hatte es total vergessen.

Emma sah mich prüfend an. »Du weißt genau, von welchem Buch ich spreche, nicht wahr? Du hast es bereits gefunden …« Ihr Blick wanderte zu meiner Hand, die immer noch auf der Tasche lag. Ihr entging aber auch wirklich gar nichts.

»Falls du das komische Lexikon meinst, ja«, sagte ich knapp. Langsam wurde mir die ganze Sache suspekt. Dieses merkwürdige Zauberlexikon, der stinkende Typ, der offensichtlich danach suchte und jetzt auch noch Emma! Was zum Teufel ging hier vor sich?

Emma fixierte immer noch meine Jackentasche.

»Was ist hier los, Emma?«, fragte ich, und sie hob den Kopf. »Das Buch gehörte deinem Vater. Es ist etwas ganz Besonderes. Du musst gut darauf aufpassen, es darf auf gar keinen Fall in die falschen Hände geraten!«

»Und die falschen Hände gehören zu dem widerlichen Typen, der heute im Laden war …«

Emma nickte.

»Was ist das für ein Buch?« Ich zog es aus der Tasche und betrachtete es. Es sah ganz gewöhnlich aus. Alt, aber gewöhnlich.

»Ist … ist es das?«, flüsterte Emma ehrfürchtig.

»Du kennst es gar nicht?«, fragte ich erstaunt.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Dein Vater hat es mir nie gezeigt …«

Ich hielt es ihr hin. Sie nahm es und strich sanft über den Einband. Dann schlug sie es auf. Sie fuhr mit der Hand über die Seiten und las ein paar Zeilen.

Ich war gespannt. Gleich würde sich die Schrift verändern!

Doch nichts geschah.

Emma blätterte noch ein bisschen herum, dann schloss sie das Buch wieder und hielt es mir mit einem vorwurfsvollen Blick unter die Nase. »Du nimmst mich auf den Arm, oder? Das ist ein ganz normales Lexikon! Und nicht mal ein besonders gutes …«

»Was? Das kann nicht sein!« Ich nahm das Buch zurück. Hatte ich mir das heute Morgen nur eigebildet? Nein, das war unmöglich! Ich wusste doch, was ich gesehen hatte!

Ich schlug das Buch auf – nichts. Die Schrift veränderte sich nicht.

Ich machte es wieder zu und schlug es erneut auf.

Zu.

Auf.

Nichts!

»Verdammt! Wieso geht das denn nicht mehr!« Ich schlug mit der flachen Hand auf die Seiten.

Kaum hatte ich das Papier berührt, fing das Buch an zu vibrieren. Es erwärmte sich, und die Schrift begann zu verblassen.

Ich hörte, wie Emma tief Luft holte und sah gebannt zu, wie sich die Seiten mit geschwungenen Buchstaben füllten.

»Das ist … beindruckend …«, flüsterte Emma. Sie war neben mich getreten und starrte auf das Buch.

Beeindruckend, das war es wirklich. Es sah aus, als würde jemand mit unsichtbarer Hand in das Buch schreiben – nur sehr schnell. Es folgten Zeichnungen und Skizzen bizarrer Gestalten, die perfekt in einen Horrorstreifen gepasst hätten.

»Darf ich es nochmal sehen?«, fragte Emma.

Ich gab ihr das Buch, und Emma blätterte vorsichtig die Seiten um.

Mein Blick fiel auf den Einband. Auch er hatte sich verändert. Die verblichenen goldenen Buchstaben leuchteten nun rot. Blutrot. »Enzyklopädie der Flora und Fauna der UnterWelt« stand nun da. Unterwelt – wie Hölle? Nein, das konnte doch gar nicht sein! Aber andererseits hatte ich gerade mit eigenen Augen gesehen, wie sich das Buch verwandelt hatte. Warum also nicht auch noch das?

»Das ist … faszinierend …« Emma war hin und weg.

»Uraltes Wissen, zusammengetragen aus verschiedensten Kulturen und Epochen …«

»Du hältst das also für echt?«

Sie sah mich an und klappte das Buch zu. Es wurde wieder zu dem kleinen unscheinbaren Lexikon.

»Dein Vater hat dir nie etwas davon erzählt, oder?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Mein Vater hat mir vieles nicht erzählt … aber offensichtlich dir«, sagte ich in einem schärferen Ton als beabsichtigt. Emma konnte schließlich nichts dafür, dass mein Vater und ich kein gutes Verhältnis gehabt hatten. Oder eigentlich gar keines. Aber es verletzte mich, dass er mit seiner Angestellten über solche … Dinge gesprochen hatte, und nicht mit seinem Sohn.

Emma sah mich traurig an. »Es tut mir sehr leid, Jack. Das mit deinem Vater.«

»Ja, mir auch«, sagte ich knapp. Ich hatte keine Lust darüber zu reden. Nicht jetzt, und nicht mit Emma.

»Was genau weißt du?«, wechselte ich das Thema.

Emma schluckte und begann zu erzählen. Mein Vater hatte also ein Doppelleben geführt. Neben seinem »normalen« Beruf als Buchhändler hatte er noch eine andere Aufgabe gehabt: Die Jagd auf Dämonen und andere Wesen aus der Unterwelt. Wie er dazu gekommen war, hatte er Emma nie erzählt. Auch nicht, wie seine »Tätigkeit« genau aussah. Je weniger sie wusste, desto sicherer wäre es für sie, hatte er behauptet. Das war wohl auch der Grund gewesen, warum er seine Familie vor fast 15 Jahren verlassen hatte. Um meine Mutter und mich zu schützen.

»Er hat euch so geliebt, Jack. Aber er wollte nicht, dass euch etwas passiert …«

»Aber warum hat er uns das alles nicht einfach gesagt? Stattdessen ist er einfach abgehauen. Ohne ein einziges Wort!« Ich war laut geworden, hatten den letzten Satz fast geschrien.

»Er hat es versucht …«, sagte Emma leise.

»Einmal, vor vier Jahren …«

Ich erstarrte. Das letzte Gespräch mit einem Vater. Das war es also, was er mir hatte sagen wollen. Und ich hatte ihn so mit Vorwürfen bombardiert, dass er schließlich aufgegeben hatte. Das musste ich erst einmal verdauen.

»Und warum hat er dann dich eingeweiht?«

Emma wurde rot und senkte den Blick. »Ich … ich habe ihn mal dabei erwischt, wie er mit einem Stück von einem … Dämon von seinem Nebenjob zurückkam. Da habe ich ihn vor die Wahl gestellt. Entweder er erklärt mir alles plausibel, oder ich ruf die Polizei.«

Ich blinzelte ungläubig. »Du hast ihn erpresst

»Was heißt erpresst … naja … rein technisch ist das wohl die korrekte Bezeichnung dafür«, gab sie zu, und fuhr fort: »Ich bin eben furchtbar neugierig. Wenn dein Chef mit einem blutigen Tentakel im Büro steht, würdest du doch auch wissen wollen, was da vor sich geht!«

Sie war jetzt rot wie eine Tomate.

Ich musste lachen. Das Ganze war einfach absurd.

Auch Emma schmunzelte und bekam langsam wieder ihre normale Gesichtsfarbe zurück.

»Aber das war nicht der Grund, warum du nach der Enzyklopädie gesucht hast, oder?«, fragte ich und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es reine Neugier gewesen war.

Emmas Lächeln verschwand. Sie biss sich auf die Lippen. »Dein Vater hat mir nicht allzu viel über seinen Job erzählt, Jack. Er wollte nicht, dass ich ihm helfe und mich in Gefahr begebe. Das hätte er nicht zugelassen. Aber kurz bevor er … bevor er den Unfall hatte, ist er zu mir gekommen und hat gesagt, dass sie das Buch auf keinen Fall in die Finger bekommen dürften.«

»Und mit sie meinte er die Dämonen.«

Emma nickte.

»Was hattest du mit dem Buch vor?«

Sie sah mich ernst an. »Ich wollte es vernichten.«

»Vernichten? Das Buch meines Vaters?« Mit dieser Antwort hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

»Nun ja, ich dachte, du hättest kein Interesse daran, die Arbeit deines Vaters fortzuführen. Und bevor es dieser übelriechende Rattenmann bekäme, wäre es besser, es zu verbrennen.«

»Du hast ja keine besonders hohe Meinung von mir«, stellte ich fest und war fast ein wenig beleidigt.

Emma blinzelte heftig. »Naja, so wie du dich um den Laden kümmerst – oder eben nicht – kann man schon den Eindruck gewinnen, du nimmst die dir übertragenen Aufgaben nicht besonders ernst.«

Das hatte gesessen. Und leider hatte Emma damit nicht ganz Unrecht. Dieser Satz hatte so fast wörtlich in einem Brief an meine Mutter gestanden, Absender: mein College.

»Und das ist alles?«, fragte ich ein wenig kühler als beabsichtigt. Aber Emma hatte einen wunden Punkt getroffen. Es verletzte mich, dass mein Vater mich offensichtlich aufgegeben hatte. Dass er nicht doch noch einen Versuch unternommen hatte, mit mir zu sprechen. Aber hätte ich ihm zugehört? Ich wusste es nicht.

Emma schüttelte den Kopf. »Nein, ich fürchte nicht. Dein Vater … Er … ich meine … sein Tod …«

Ich sah sie betroffen an. Mein Vater war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Wagen war nachts von der Straße abgekommen und von einer Klippe ins Meer gestürzt. Seine Leiche war erst Tage später gefunden worden – oder das was davon übrig war. »Worauf willst du hinaus?«

»Vielleicht war es gar kein Unfall, Jack.«

***

Am nächsten Morgen kam ich wieder zu spät. Eine Stunde und achtundvierzig Minuten, um genau zu sein. Aber Emma empfing mich diesmal nicht mit einer Standpauke. Sie sah müde aus und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Vermutlich hatte sie ähnlich schlecht geschlafen wie ich. Und dann noch der Tod meines Vaters. »Vielleicht war es gar kein Unfall, Jack«, hatte Emma gesagt. Wenn sie mit ihrer Vermutung Recht hatte, würde ich denjenigen finden, der meinen Vater getötet hatte. Und er würde dafür bezahlen.

Ich nahm einen Schluck Kaffee und schnappte mir die Zeitung, um mich von meinen düsteren Gedanken abzulenken. Auf der ersten Seite sprang mir eine Schlagzeile ins Auge. »Mord in Cumberland« verkündeten große Buchstaben. In der Nacht war die Leiche eines jungen Mannes gefunden worden. Die Polizei gab keine Einzelheiten bekannt, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden, aber es handelte sich eindeutig um Mord. Ich schaute mir das Foto des Opfers an und hätte beinahe meine Tasse fallengelassen. Ich kannte den Mann. Es war der Nerd, der unbeholfene Typ aus der Bar gestern!

Ich las den Rest des Artikels. Das Opfer hieß Gregory Stevens und war zweiundzwanzig. Er war Student an der Brown University in Providence. Seine Leiche war gegen vier Uhr morgens gefunden worden, am Ufer des Blackstone River. Es folgten kurze Statements von Freunden und Verwandten des Opfers, was für ein netter Kerl er gewesen war und dass sie es gar nicht fassen konnten, dass er tot war. Und dann las ich etwas, was mir die Nackenhaare aufstellte: »Gregory Stevens war ein mustergültiger Student. Sogar in seiner Freizeit konnte er sich kaum von seinen Büchern trennen. Die Bibliothek war praktisch sein zweites Zuhause.«

Schon wieder Bücher. Langsam wurde mir das Ganze unheimlich.

»Emma? Hast du kurz Zeit?«

»Worum geht’s denn?«, fragte sie, als sie wenige Augenblicke später mein Büro betrat.

»Hier. Lies das.« Ich schob ihr den Zeitungsartikel hin.

»Das ist schon der vierte Mord in drei Monaten«, sagte sie, als sie zu Ende gelesen hatte.

»Ja, und alle diese Typen hatten irgendetwas mit Büchern zu tun. Und den hier …« Ich tippte auf Gregory Stevens’ Foto. » … habe ich gestern Abend noch gesehen. Gesund und munter. In der Bar.«

Emmas Augen wurden groß. »Meinst du, das hat etwas mit deinem Vater und seinem Buch zu tun?«

»Schon möglich. Dummerweise gibt die Polizei keine Einzelheiten zu den Morden bekannt, dann wären wir vielleicht schlauer«, seufzte ich.

Emma nickte und griff nach dem Telefon. »Mir fällt da grade etwas ein. Ich habe einen Freund bei der Polizei, der schuldet mir noch einen Gefallen. Ich ruf ihn an, vielleicht kann er mir ja irgendwas zu den Morden sagen.«

Sie wählte die Nummer.

»Einen Gefallen wofür?«, fragte ich.

»Das geht dich überhaupt nichts an, Jack Deveraux!« Sie sah mich amüsiert an und verließ samt Telefon mein Büro.

***

Leider war Emmas Polizistenfreund unterwegs, er würde sich aber am Nachmittag bei ihr melden. Also beschloss ich, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Ich holte mir was zu essen. Ums Eck gab es einen kleinen Coffeeshop, der um diese Uhrzeit natürlich gerammelt voll war. Die Schlange reichte gefühlt bis einmal um den Erdball, aber woanders hinzugehen hatte ich jetzt auch keine Lust. Und so stand ich brav hinter meinem Vordermann und wartete. Ich hasse warten. Warten ist tote Zeit. Vor lauter Langeweile schaute ich mich um und sah an einem der hinteren Tische eine junge Frau sitzen. Sie kam mir bekannt vor. Ich überlegte. Ja, genau! Das war die hübsche Blonde aus der Bar! Die, mit der der Nerd gesprochen hatte!

In dem Moment hob sie ihren hübschen Kopf und sah mich an. Sie schien kurz zu überlegen, dann lächelte sie. Anscheinend hatte sie sich auch an mich erinnert. Hehe. Ich grinste. Wir beäugten uns noch eine Weile, und als ich meinen Bagel bezahlte, stand sie auf und kam zu mir herüber.

»Warum setzt du dich nicht zu mir und leistest mir ein bisschen Gesellschaft?«, fragte sie und deutete mit einer Kopfwendung auf ihren Tisch.

Aus nächster Nähe sah sie noch umwerfender aus. Da musste ich natürlich nicht lange überlegen. Ich folgte ihr an den Tisch, und wir setzten uns.

»Selina«, stellte sie sich vor. Sie hatte eine weiche, angenehme Stimme. Ein bisschen tiefer als ihr Aussehen vermuten ließ.

»Ich bin Jack.«

»Wir haben uns schon mal gesehen … in der Bar, richtig?«

Ich nickte. Selina war wirklich unglaublich attraktiv. Normalerweise zog mich eine Frau nicht sofort in den Bann, aber die hier … Ich musterte sie. Sie hatte große blaue Augen, einen vollen Mund, und soweit ich sehen konnte, eine perfekte Figur. Sie war bestimmt Model. Ich konnte meinen Blick gar nicht von ihr lösen.

Selina lachte leise. »Gefällt dir, was du siehst?«

Ich bemerkte, wie meine Ohren rot wurden. Was war denn nur los mit mir? Normalweise verstand ich mich ganz gut aufs Flirten. Und ausgerechnet bei ihr musste ich mich anstellen wie der letzte Idiot!

»Ich … was machst du denn so … beruflich, meine ich?«, wechselte ich stotternd das Thema. Superoriginell, Jack! Du bist echt ein Held!

Selina lächelte. »Ach, mal dies, mal das. Zurzeit modele ich ein bisschen. Und du? Was machst du so beruflich

Wie sie mich ansah …

»Eh … mir gehört der Buchladen, da hinten gleich um die Ecke.« Ich hatte wirklich Mühe mich zu konzentrieren.

»Bücher … wie interessant. Ich liebe Bücher.« Selina neigte den Kopf leicht zur Seite und spielte mit einer Haarsträhne. Ich musste schlucken und zerrte am Kragen meines T-Shirts. Sie fing an mich … eh … nervös zu machen.

»Vielleicht schau ich ja mal bei dir im Laden vorbei«, sagte Selina lächelnd.

»Ja klar, sicher … wann immer du willst … Deveraux’s Antique Books, gleich um die Ecke.«

Sie sah auf die Uhr. »Schade. Ich muss leider gehen. Die Arbeit ruft.«

Sie erhob sich und ich beeilte mich ebenfalls aufzustehen.

»Hat mich sehr gefreut dich kennen zu lernen … Jack Deveraux.« Sie winkte noch einmal und verließ den Coffeeshop.

Ich stand nur da und sah ihr nach. Sie hat sich sehr gefreut mich kennen zu lernen, dachte ich und grinste breit.

Zwei Mädchen, die am Nebentisch saßen, schauten mich an und kicherten.

»Was?!«, fragte ich und zuckte mit den Schultern.

***

»Wo warst du so lange?«, begrüßte mich Emma stirnrunzelnd, als ich den Buchladen betrat.

»Mittagessen«, antwortete ich und war wie benebelt. Selina … ich konnte gar nicht aufhören an sie denken.

»So lange? Was hast du gegessen, ein Zwölf-Gänge-Menü?«

»Nein … einen Bagel … glaube ich.« Ich war vollkommen durcheinander. Hatte ich das Ding jetzt eigentlich gegessen oder lag es noch auf dem Tisch?

»Jack, was ist denn los?«

»Ich habe eine Frau im Coffeeshop kennengelernt. Sie heißt Selina und ist …«

Emma verdrehte genervt die Augen. »Schon gut, erspar mir die Einzelheiten. In deinem Büro wartet Arbeit auf dich. Ich muss ins Lager.« Und weg war sie.

»… wunderschön«, sagte ich in den leeren Laden. Dann schüttelte ich verwirrt den Kopf und ging ins Büro.

***

Den ganzen restlichen Nachmittag ging mir Selina nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte sie unbedingt wiedersehen. Vielleicht hatte ich Glück, und sie war heute Abend wieder in der Bar.

Das Glockenspiel klingelte.

»Jack? Da will dich jemand sprechen«, ertönte wenig später Emmas Stimme.

Ich verließ das Büro und blieb wie angewurzelt stehen. Es war Selina. Sie sah noch viel besser aus als im Coffeeshop. Keine Ahnung was sie vorhin angehabt hatte, aber mit Sicherheit nicht das kurze enge Kleid, das die perfekten Rundungen ihres Körpers nachzeichnete.

»Oh, eh … Selina …«

»Hallo Jack«, sagte sie mit ihrer weichen Stimme und lächelte mich an. »Ich habe doch gesagt, dass ich mal vorbeikomme.« Sie sah sich um. »Das ist also dein Buchladen …«

Ich nickte und grinste.

»Nein, wir verkaufen hier Käse«, murmelte Emma in genervtem Ton und verzog sich, da das Telefon klingelte.

»Weißt du, Jack …« Selina kam auf mich zu, bis sie direkt vor mir stand, und sah mich mit ihren unglaublich blauen Augen an. Dann fuhr sie mit dem Zeigefinger an meinem Schlüsselbein entlang, hinunter bis zur Brust. »Ich … ich suche da ein ganz bestimmtes Buch … meinst du, du kannst mir da weiterhelfen?«

»B-bestimmt.« Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Selina hatte mich völlig in ihrem Bann. Das einzige, was zählte, war sie. Ich würde alles für sie tun. Alles.

»Ich will die Enzyklopädie«, sagte sie herrisch. »Jetzt sofort.«

»Natürlich«, antwortete ich automatisch und ging ins Büro. Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte etwas … aber ich konnte sie nicht verstehen.

Emma hatte gerade das Telefonat beendet und sah mich überrascht an. »Ist deine Freundin schon weg?«

»Nein, sie braucht das Buch.« Ich suchte in meiner Schreibtischschublade, bis ich das kleine Lexikon gefunden hatte.

»Dieses Buch? Jack, bist du verrückt? Was tust du …«

»Geh aus dem Weg.«

Ich schob sie unsanft zur Seite und ging zurück in den Laden.

Selina wartete auf mich. Als sie sah, dass ich das Buch hatte, strahlte sie mich an. »Gut gemacht, Jack.«

Ich ging zu ihr und gab es ihr.

Sie öffnete es mit einem triumphierenden Lächeln, doch kaum hatte sie ein paar Zeilen gelesen, verfinsterte sich ihr Blick. »Das ist nicht das richtig Buch!«

Sie warf es mir vor die Füße. Dann packte sie mich am Kragen. »Ich will das Buch, Jack!«

Ich verstand nicht, warum sie so wütend auf mich war. Ich tat doch alles was sie wollte! Verwirrt befreite ich mich aus ihrem Griff und hob das Buch auf. »Einen Moment, ich muss erst …«

In diesem Augenblick kam Emma aus dem Büro gestürzt. Sie hatte irgendetwas in der Hand … ein Glas? »Verzieh dich, du Schlampe!«, brüllte sie und schüttete Selina den Inhalt des Glases ins Gesicht.

Selina schrie auf. Ein unmenschlicher Schrei, der mir durch Mark und Bein ging. Reflexartig hielt ich mir die Ohren zu.

Plötzlich begann sich der Nebel in meinem Kopf zu lichten. Was … was war passiert? Ich war total verwirrt. Meine Arme und Beine, alles fühlte sich bleischwer an und mir war entsetzlich schwindelig. Reiß dich zusammen, Jack! Ich schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Auf dem Boden lag das Buch … das Buch meines Vaters! Ich konnte es gerade noch aufheben, bevor Selina danach griff. Ich erschrak als ich sie sah. Sie war auf einmal gar nicht mehr so attraktiv. Ihre Augen waren trüb und milchig, das lange blonde Haar, glich jetzt mehr einem Büschel Seetang, der nass und grün an ihrem Kopf klebte. Ihre Haut war bläulich-weiß und … schuppig. Und ihre Hände – das waren keine Hände! Es waren Klauen! Was zum Teufel …? Ich war wie gelähmt, und in meinem Kopf dröhnte es.

Sie versuchte mich zu packen, doch Emma war schneller. Mit einem großen Buch schlug sie dem Wesen, das einmal Selina gewesen war, ins Gesicht. Selina taumelte rückwärts und hielt sich die Nase. Schwarzes Blut rann unter ihren Fingern hervor. Sie blitzte Emma wütend an.

»Das wird dir noch leidtun«, zischte sie mit einer Stimme, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ und stürmte aus dem Laden.

***

»Jack? Alles wieder ok?« Emma schaute mich prüfend an.

»Was … was war das?«, fragte ich. Mir war immer noch ein bisschen schwindelig, aber langsam wurde es besser. Ich konnte wieder einigermaßen klar denken.

»Das war eine Sirene«, erklärte Emma und begutachtete das Buch.

»Eine was

»Sirene. Ein weibliches Wesen, das Männer mit dem Klang ihrer Stimme in ihren Bann zieht und sie zwingt, idiotische Dinge zu tun.« Sie deutete auf das Lexikon in meinen Händen.

»Oh … ich …«

»Schon gut, du kannst ja nichts dafür. Kein Mann kann ihnen widerstehen.«

»Aha.« Wenigstens erklärte das, warum ich mich in den letzten Stunden so bescheuert verhalten hatte. Und ich war nicht mal schuld. Ich musste grinsen.

»Was ist denn daran so witzig?«, fragte Emma.

»Verzieh dich, du Schlampe?«, zitierte ich sie.

Emma wurde rot.

»Was hätte ich denn sagen sollen: Entschuldigung, könnten Sie bitte freundlichst meinen Chef in Ruhe lassen?«

»Was hast du ihr eigentlich ins Gesicht geschüttet? Eine Art Zaubertrank?« Ich wischte mir einen Tropfen von der Wange.

»Salzwasser. Das bricht den Bann. Sie nimmt dann ihre wahre Gestalt an und kann dir nicht das komplette Wasser aus dem Körper saugen.«

Ich sah sie erstaunt an.

»Ich habe mit Bob gesprochen, dem Cop, von dem ich dir erzählt habe. Er sagte, allen Mordopfern wurde das Wasser entzogen. Bis auf den letzten Tropfen.«

Ich musste schlucken. Die Vorstellung gefiel mir gar nicht.

»Danke, Emma. Ich glaube, du hast mir das Leben gerettet.«

Sie lächelte mich an. »Jaja, schon gut. Und wie gesagt, du konntest schließlich nichts dafür.«

Sie schaute auf den Boden und seufzte.

»Ich hol mal was zum aufwischen.« Sie verwand in meinem Büro.

Ich konnte nicht glauben, was da gerade passiert war. Selina und diese ganze Sirenen-Geschichte, das war einfach unfassbar. Gut, das Buch und wie es ich verwandelte, das war zwar seltsam, aber ich hatte inzwischen kein Problem, mehr, daran zu glauben. Schließlich hatte ich es mit eigenen Augen gesehen, und bisher hatte ich mich auf meine Sinne immer ganz gut verlassen können. Aber einem leibhaftigen Dämon gegenüber zu stehen – das war ein ganz anderes Kaliber. Ich schüttelte den Kopf. Konnte das wirklich sein? Gab es tatsächlich all diese Wesen, die in der Enzyklopädie beschrieben wurden? Und mein Vater hatte sie gejagt? Ich schüttelte den Kopf. Nun ja, wenigstens hatte ich Emma als Zeugin, und im Gegensatz zu mir, hatte sie offensichtlich kein Problem damit zu glauben, dass in Cumberland blutrünstige Sirenen und wer weiß was noch alles herumlief. Und sie wusste sogar, wie man sie auf Abstand hielt. Zumindest was die Sirene betraf. »He Emma, woher weißt du so etwas eigentlich? Steht das alles in dem Buch?«

Sie antwortete nicht.

»Emma?«

Hmm. Sie brauchte ziemlich lange, um einen Lumpen zu holen.

Ich ging ins Büro.

Sie stand vor dem Schrank mit den Putzutensilien und rührte sich nicht.

»Emma? Ist alles okay?«, fragte ich leise.

Keine Antwort.

Ich bekam eine Gänsehaut. Es war nicht alles okay. Im Gegenteil. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Langsam ging ich zu ihr. Sie bewegte sich keinen Millimeter.

Ich ging um sie herum, und mir stockte der Atem. Emma sah mich mit vor Angst geweiteten Augen an. Sie konnte sich nicht bewegen, weil ihre Arme und Beine und fast ihr ganzer Unterkörper versteinert waren. Genau wie ihr Mund.

Kapitel 3

»Ich habe doch gesagt, dass ich wiederkomme, Mr. Deveraux.«

Ich fuhr herum. In der Tür stand der rattengesichtige Mann. Er trug wieder seinen Trenchcoat, doch hatte er diesmal auf seinen Hut verzichtet. Sein Kopf war kahl und mit Schuppen und Blasen bedeckt. Der Typ stank schlimmer denn je. Jetzt griff er nach dem Schal, den er um den Mund gewickelt hatte und löste ihn langsam. Als der Stoff zu Boden fiel, wich ich unwillkürlich einen Schritt zurück.

Der obere Teil seines Gesichtes mochte ja noch einigermaßen menschlich aussehen, aber sein Mund – nein, Maul – eindeutig nicht. Er hatte eine Reihe messerscharfer Zähne, viel zu viele für meinen Geschmack. Sie standen nach vorne aus seinem Schlund, als wäre im Inneren nicht genug Platz dafür.

»Vielleicht wären Sie ja jetzt so freundlich, mir das Buch zu überlassen?« Er neigte seinen hässlichen Kopf und sah mich mit seinen Rattenaugen an.

Ich rührte mich nicht. Dämon hin oder her, so schnell kriegte er das Buch nicht.

Er seufzte. »Ich sehe schon, Sie brauchen ein bisschen mehr Motivation.« Mit einer Kopfwendung deutete er hinter mich.

Mein Gott, Emma! Ich hatte sie total vergessen! Sie stand immer noch halb versteinert da und fürchtete sich bestimmt fast zu Tode!

»Lassen Sie sie gehen, sofort!«

»Aber nicht doch, Mr. Deveraux. Sie sind nicht in der Position, Forderungen zu stellen.« Der Dämon lächelte und genoss seinen Auftritt offensichtlich in vollen Zügen.

»Ich dagegen …« Er hob kurz die Hand, und ich hörte, wie Emma scharf die Luft einsog. Die Versteinerung breitete sich aus und hinderte sie am Atmen.

»Hören Sie auf!«

Emmas Augen füllten sich mit Tränen, sie bekam keine Luft mehr …

»Das Buch, Mr. Deveraux«, sagte der Dämon.

»Okay, okay! Ich gebe es Ihnen! Aber lassen Sie sie gehen … bitte!« Ich nahm das Buch aus meiner Jackentasche und hielt es dem Dämon hin. Das war vermutlich das Dümmste, was ich in dieser Situation tun konnte, aber Emma würde sterben, wenn ich dem Dämon nicht gab, was er wollte. Vielleicht konnte ich so etwas Zeit gewinnen.

»Sehr vernünftig.« Ein weiterer Wink des Dämons und Emma war frei.

Sie fiel auf die Knie und rang nach Luft.

»Alles okay?« fragte ich und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Sie keuchte und nickte. »Es … geht schon«, sagte sie heiser.

Ich half ihr auf. Sie zitterte und wischte sich über die Augen.

Der Dämon betrachtete das Buch interessiert. Offensichtlich wusste er, dass es das richtige war, obwohl es nicht »aktiv« war. »Ihr Vater war ein kluger Mann, Mr. Deveraux. Wo könnte man ein wertvolles Buch besser verstecken, als in einem Buchladen voller Bücher?«

Er öffnete es und strich über die Seiten.

Nichts passierte.

»Jaja, es braucht einen Deveraux, um es lesen zu können«, stellte er beinahe amüsiert fest und wandte sich an mich. »Wenn Sie also so freundlich wären …«

»Tu es nicht, Jack!«, rief Emma und hielt mich am Arm fest.

Der Dämon schüttelte den Kopf. »Nicht doch, Miss Lancaster. Mischen Sie sich bitte nicht in Dinge ein, die Sie nichts angehen.« Er fixierte sie mit seinen kleinen Augen, und Emma ließ meinen Arm los.

»Ich werde gar nichts tun«, sagte ich und stellte mich vor Emma.

Der Dämon seufzte. »Jack, Jack, Jack. Wie der Vater so der Sohn. So unvernünftig … und Sie wissen ja, wohin das geführt hat …« Er lächelte böse. »Es ist ziemlich schwierig, einen Wagen zu steuern, wenn man sich nicht richtig bewegen kann …«

Ich presste die Lippen zusammen. Es war also wirklich kein Unfall gewesen. Dieser Abschaum aus der Hölle hatte meinen Vater getötet!

Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg. Wut und Hass. Er würde dafür bezahlen, und wenn es das letzte war, das ich im Leben tun würde! »Du verdammter Mistkerl!«, schrie ich und stürzte mich auf ihn.

Der Dämon lachte und wich mir mit einer katzenhaften Bewegung aus. Er verpasste mir einen Schlag, der mich zu Boden schickte. »Netter Versuch, Jack.«

Dann packte er mich am Kragen und hob mich in die Luft, bis unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Sein übler Geruch verschlug mir fast den Atem.

»Du solltest lieber tun, was ich dir sage. Sonst töte ich alle, die dir etwas bedeuten. Deine Mutter, deine Großeltern – und die liebe Miss Lancaster hier. Hörst du? Alle. Und ich lasse dich dabei zusehen.«

Er ließ mich fallen, und ich knallte auf den Boden. Mir war schlecht. Aber nicht nur von dem Gestank , den der Dämon verströmte. Seine Worte machten mir Angst. Riesige Angst.

»Okay«, presste ich mühsam hervor.