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Bettina Stracke

Inspiration

Eine spirituelle Reise zur Glückseligkeit

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© 2017 Bettina Stracke

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-4396-4

Hardcover: 978-3-7439-4397-1

e-Book: 978-3-7439-4398-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1. Neue Perspektiven

2. Begegnungen

3. Mahatma Gandhi - Die große Seele

4. Verpasste Chance

5. Auf dem Weg

6. Sri Sathya Sai Baba - Der Avatar unseres Zeitalters

7. Ankunft in Puttaparthi

8. OM. Shanti - Shanti - Shanti!

9. Ashramalltag

10. Aufgeflogen

11. Freunde

12. Stummes Leiden

13. Beobachtungen

14. Begrüßung auf indisch

15. Hotelalltag

16. Frohe Weihnachten!

17. Happy New Year!

18. Zuerst ´ne Runde beten und dann ´ne Cola

19. Silvio - Ein Bild von einem Mann

20. Neue Reisepläne

21. Ramana Maharshi - Der Heilige vom Berg Arunachala

22. Glückliche Tage

23. Arrivederci Amore

24. In letzter Minute

25. Tage am Meer

26. Zurück aus dem Paradies

Epilog

1. Neue Perspektiven

Endlich Wochenende! Nachdem ich den Freitagabend auf meiner Couch vor dem Fernseher und den Samstag mit einem spannenden Roman verbracht hatte, stand ich nun im Badezimmer und bereitete mich auf die Geburtstagsparty von Lars vor. Nach einer ausgiebigen Dusche schminkte ich mich und schlüpfte ins kurze Schwarze.

Um zwanzig Uhr stand ich nun vor Lars Wohnung und klingelte. Als er die Tür öffnete, begrüßte er mich überschwänglich. Nachdem ich ihm herzlich zu seinem Geburtstag gratuliert und ihm sein Geschenk überreicht hatte, schob er mich in seine Wohnung und stellte mich allen möglichen Freunden von ihm vor. Die Party war schon in vollem Gange. Typisch für mich, dass ich zu privaten Terminen immer später kam als alle anderen. Irgendwann, nachdem wir an dem herrlichen Buffet im Wohnzimmer vorbei kamen, begrüßte er eine große blonde Frau und stellte uns beide mit den Worten vor: „Das ist Michaela, eine langjährige Freundin von mir. Und das ist Bettina – wir kennen uns schon seit unserer gemeinsamen Studienzeit in Bonn. Ihr zwei müsst euch unbedingt kennen lernen. Ela plant eine Reise nach Indien und Du, Bettina, wolltest doch auch mal wieder nach Indien. Vielleicht unternehmt ihr diese Reise einfach gemeinsam!“ Dann verschwand er zu seinen anderen Gästen und Ela und ich schauten uns verdutzt an.

Verschmitzt sagte ich: „Also Ela, wenn Lars meint, wir müssten zusammen nach Indien reisen, dann haben wir heute Abend wohl ein gemeinsames Thema. Was planst Du denn für eine Reise? Strandurlaub oder eine Rundreise oder beides kombiniert? Ich bin neugierig, davon zu hören.“ Ela entgegnete: „Das ist nicht so einfach zu erklären. Vielleicht suchen wir uns ein ruhigeres Plätzchen in der Küche.“ Mit zwei Gläsern Wein und den Leckereien vom Buffet versorgt, setzten wir uns an den Holztisch in der kleinen, gemütlichen Küche von Lars und sie erzählte mir, dass sie im Dezember zu Sai Baba, einem indischen spirituellen Lehrer und Heiligen in dessen Ashram nach Puttaparthi fahren wolle und sie schloss mit dem Satz: „Ich bin gespannt, wie es in einem indischen Kloster sein wird.“

Lachend entgegnete ich: „Ach mit dem Klosterleben bin ich sehr vertraut, denn meine Zeit auf dem Gymnasium habe ich in einem Mädcheninternat mit katholischen Nonnen verbracht. Wie es in einem indischen Kloster ist, weiß ich auch nicht, aber ich würde es gerne kennen lernen. Schon als ich ein Kind war, träumte ich von Indien. Ich bin nach meinem Studium dorthin gereist. Ich liebe dieses Land mit seinen herzlichen Menschen, deren Kultur, Musik und Tanz.“

„Na, das hört sich doch gut an. Und wenn ich ehrlich bin, wäre ich lieber zu zweit unterwegs. Aber bislang hat sich noch niemand für diese Reise interessiert.“

Und so erzählte mir Ela von Sai Baba und seinem Ashram, und ich hörte ihr gebannt zu und träumte dabei von Indien. Zwar saß ich körperlich mit ihr in Lars Küche, aber mit meiner Seele war ich schon weit weg. Indien, das Land der Spiritualität, der Gurus und Ashrams war vielleicht die Gelegenheit, Antworten auf meine Fragen zu finden, worin der Sinn des Lebens bestand. Ich empfand das Zusammentreffen mit Ela als eine glückliche, schicksalhafte Fügung.

Als wir uns an diesem Abend voneinander verabschiedeten, hatten wir unsere Adressen ausgetauscht und waren schon für das nächste Wochenende verabredet, um unsere gemeinsame Reise zu planen. Und so trafen wir uns und telefonierten in den nächsten Wochen und hatten bald alle Reisevorbereitungen wie ein schon seit Jahren eingespieltes Team abgeschlossen.

Unsere Vorfreude wuchs von Woche zu Woche, da unser gemeinsames Abenteuer immer konkreter und greifbarer wurde.

2. Begegnungen

Wir landeten in Goa. Ein Paradies für Aussteiger- jedenfalls in den siebziger Jahren. Das passte doch. Denn Ela und ich wollten auch aussteigen, um in das Ashramleben in Puttaparthi einzusteigen.

Und so war Goa genau der richtige Auftakt für unsere Reise.

Das Flugzeug donnerte auf das Rollfeld.

Als wir ausstiegen, hatten wir den feuchten und eigentümlichen Geruch von Indien in der Nase, den tropischen heißen Wind in den Haaren und die bitzelnde Sonne schien uns ins Gesicht. Eine ganze Bandbreite von Sinneseindrücken empfing uns.

In der für uns noch ungewohnten Hitze holten wir unser Gepäck und ließen die lange, bürokratische Einreiseprozedur über uns ergehen. Wir organisierten uns ein Taxi und fuhren in Elas Stammhotel nach Colva. Es befand sich abseits des touristischen Rummels direkt am Strand und hatte einen herrlichen tropischen Garten. Die rührige Chefin, eine Goanesin im dunklen Hosenanzug, empfing uns freundlich an der Rezeption und bereitete routiniert unsere Zimmeranmeldung vor. Dann zeigte sie uns das nette und gemütliche Restaurant und beschrieb uns den Weg zu unserem Zimmer. Müde und verschwitzt trugen wir unser Gepäck dorthin.

Als ich unsere Zimmertür öffnete und eintrat, warf ich schwungvoll vor Erleichterung, unsere erste Reiseetappe geschafft zu haben, meinen Rucksack in die dunkle Ecke des Kofferständers. Eine Wolke von Moskitos flog aufgeschreckt aus ihrem ruhigen Versteck und schaltete auf Vampirmodus um. Ela und ich schauten uns vielsagend an und es war klar, dass wir ohne das mitgebrachte Moskitonetz keine ruhige Minute in der Nacht haben würden. Die beiden Baumwollschlafsäcke brauchten wir allerdings nach Durchsicht der Matratzen und des Bettzeugs nicht auszupacken. Alles war sauber und frei von Ungeziefer. Wir duschten, cremten uns gegen die Moskitos ein und zogen leichte, langärmlige Blusen mit langen Hosen an, um beim Abendessen nicht als Sundowner für die kleinen Vampire zu enden.

Wir erfreuten uns im Gartenrestaurant an unserem ersten gemeinsamen, raffiniert gewürzten, indischen Essen und tranken erfrischendes, kühles Bier dazu.

Mit der Zeit wich unsere aufgekratzte Freude immer mehr einer stillen Müdigkeit und so beschlossen wir kurzerhand: Die Damen ziehen sich in ihre Gemächer zurück und schlafen erst mal richtig aus.

Am nächsten Morgen frühstückten wir ausgiebig im Garten und genossen danach die frische Brise des Meeres bei einem ausgedehnten Strandspaziergang. Der feine Sand knirschte unter meinen Füssen und dann und wann erfrischte ich mich im warmen Meer. Ela und ich waren völlig entspannt und gelöst. Unsere Leben in Deutschland waren für uns schon weit entfernt und fühlten sich irgendwie unwirklich an.

Gegen Mittag beschlossen wir, die Stadt Colva zu erkunden und so machten wir uns zu Fuß auf den Weg dorthin. Bald schon wurde ich von einem jungen Kashmiri ins Visier genommen, der lässig an der Hauswand eines Kleiderladens angelehnt stand.

Seine Augen glänzten wie zwei Monde in seinem fein geschnittenen Gesicht.

Als wir näher kamen zeichnete sich ein warmes Lächeln ab.

Er war bildschön mit seinen schwarzseidenen Haaren und seinen weißen Zähnen, die wie Perlen in der Sonne glänzten.

Seine grauen, leuchtenden Augen, die wie eine eigene Landschaft waren, zogen mich wie Magnete an.

Sie strahlten eine Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit aus, die mich in ihren Bann zogen und so grüßte ich ihn mit einem scheuen “Hello!“ und ging mit Ela auf ihn zu. Er erwiderte freundlich: “Hello! Please come in and visit my shop.“

Und schon standen wir in seinem Laden und schauten uns seine Waren an, als er mich schon in ein Gespräch verwickelte und sich keck vorstellte: “My name is Rasheed. I come from Kashmir and this is my shop. What is your name?“

Also stellte auch ich mich und Ela vor und so entstand nach und nach eine angeregte Unterhaltung mit Rasheed, der sich unbedingt mit mir abends verabreden wollte.

Doch mit ihm allein wollte ich mich nicht treffen. Kurzerhand machte er den vertrauensbildenden Vorschlag, dass er seinen Freund Sunil mitbringen würde und Ela und ich mit ihnen zusammen an der Strandbar, die nicht weit von unserem Hotel entfernt war, etwas trinken könnten.

Als ich Ela erleichtert den Vorschlag machte, heute Abend zu viert in der Strandbar zu sitzen, war sie nur mäßig begeistert. Nach langem hin und her willigte sie dann schicksalsergeben ein und so hatten wir eine Verabredung für sieben Uhr abends.

Schon von weitem sahen wir den schönen Rasheed mit seinem Freund Sunil uns erwartungsvoll entgegensehen. Als wir an ihrem Tisch ankamen bemerkte ich, dass Rasheed den Korbstuhl dicht neben seinem für mich frei gehalten hatte. Er begrüßte mich zunächst etwas verlegen und stellte Ela und mir seinen Freund Sunil vor, der zugleich anfing Ela anzugraben. Wir bestellten uns Bier und nachdem wir alle auf unser Wohl und einen schönen Abend angestoßen hatten, wurde Rasheed immer zutraulicher und schaute mir mit seinen schönen grauen Mondaugen tief in meine blauen Augen.

Er sprach eindringlich auf mich ein und erklärte mir theatralisch, dass ich die Liebe seines Lebens sei. Wenn ich seine Liebe nicht erwidern und ihn nicht heiraten würde, wolle er sich beide Hände abhacken.

Mir wurde mulmig.

Für mich war es nun eindeutig zu viel Drama. So hatte ich mir das nicht vorgestellt!

Ela hingegen langweilte sich immer mehr mit Sunil, der sich plump und erfolglos um sie bemühte. Da sie ihm schon gar nicht mehr zuhörte, sondern dem eindringlichen Werben von Rasheed lauschte, schaute sie mich irritiert an.

Mit meinem Blick machte ich ihr deutlich, dass mir die ganze Situation sichtlich unangenehm war und so versuchten wir mit belanglosen Themen über das schöne Wetter und das tolle Meer, die heißblütigen Gemüter der Herren wieder abzukühlen. Leider ohne Erfolg. Und so brachten wir das Thema auf den Grund unserer Reise. Wir betonten nachhaltig, dass wir auf dem Weg zum Ashram von Sai Baba seien, um dort spirituelle Erfahrungen zu machen. Das war ein Volltreffer und die Gemüter der beiden Herren waren nun merklich abgekühlt. Es schien, als hätten sie eine kalte Dusche verabreicht bekommen. Ela und ich nutzten unsere Chance und riefen den Kellner, um unsere Getränke zu zahlen.

Danach verabschiedeten wir uns kurz und distanziert von den beiden Herren, die uns wie zwei begossene Pudel anschauten.

Ela und ich hingegen gingen, befreit von der Last der Verehrer, allein und glücklich in unser Hotel zurück und fielen erleichtert in unsere Kojen.

Am nächsten Morgen schmiedeten wir schon am Kaffeetisch Pläne für den neuen Tag. Wir waren uns schnell einig, heute den Nachbarort Mapusa zu erkunden.

Als wir gerade fröhlich und unbeschwert über die Schwelle unseres Hotels traten, sahen wir am nur wenige Meter entfernten Eingangstor unsere brüskierten Begleiter vom Vorabend wie aufdringliche Schatten stehen.

Sie fixierten den Hoteleingang und sahen uns eindringlich an, als wir hinaus traten. Damit hatten wir nicht gerechnet und wie vom Donner gerührt wechselten Ela und ich vielsagende Blicke. Hatten sie es denn immer noch nicht verstanden? Wieso standen sie jetzt nach der gestrigen Abfuhr wieder wie Stehaufmännchen am Hotel?

Ohne Worte zu verlieren war uns beiden klar, dass wir auf die Gesellschaft des Duos verzichten wollten.

Kurzerhand winkte ich nach indischer Manier den in der Hoteleinfahrt in Schlange stehenden Tuk-Tuk Fahrern zu, indem ich die Hand mehrfach nach unten zeigte. Ich vermied dabei, wie es auch die Inder tun, meine Handinnenfläche zu präsentieren, da dies als unhöflich gilt. Der erste Fahrer aus der Schlange startete blitzschnell seine knatternde Motorradrikscha und hielt direkt vor uns am Hoteleingang.

Flink krabbelten wir in das für europäische Körpergrößen nicht gerade ausgelegte Gefährt auf die schmale Rückbank hinter den Fahrer und ab ging die Post nach Mapusa.

Spätestens jetzt war allen Beteiligten klar, es würde kein weiteres Rendezvous mehr geben. Die Gesichter der Verehrer verdüsterten sich, als wir sie passierten. Nachdem wir aus ihren Blicken verschwunden waren, atmeten wir erleichtert auf.

Schon nach kurzer Zeit erreichten wir Mapusa. Auf dem Straßenmarkt des hübschen Städtchens verkaufte jeder, was er gerade anzubieten hatte. Das Warensortiment zog sich von exotischem Obst, Gemüse und Gewürzen über Kleidung sowie Kurz- und Haushaltswaren bis hin zu Lotterielosen, Gebissen und Brillen. Beeindruckt von der Menschenmenge und dem geschäftigen Treiben schlenderten wir gemütlich durch die engen Gässchen.

Plötzlich stand ein zierliches, etwa achtjähriges Mädchen in einem bunten Kleid mit einem kleinen Jungen an der Hand barfüßig vor uns.

Beide waren von Kopf bis Fuß mit Straßenstaub eingepudert. Sie sahen uns eindringlich mit ihren schwarzbraunen, riesigen Haselnussaugen an.

Wir kamen sprichwörtlich nicht an ihnen vorbei. Wir gingen aufeinander zu und schon verwickelte mich dieses kleine Mädchen mit dem Geschäftssinn einer ausgebufften Alten in ein Gespräch und stellte in einem gebrochenen Englisch allerlei Fragen: “Woher kommt ihr? Was macht ihr hier? Wo sind eure Ehemänner? Habt ihr Kinder?”

Artig beantworteten wir ihre Fragen. Sie ließ keine Zweifel aufkommen, dass sie das Gespräch jederzeit bestimmte und das Heft in der Hand hielt. Sie trug mehrere bunte Ketten um den Hals und ihre Ärmchen waren mit silber- und bronzefarbenen Armreifen geschmückt. In der Hand hielt sie ein rotes, besticktes Beutelchen. Sie öffnete es und zog ein Paar goldfarbene Kreolen heraus.

Das fein ziselierte Metall und die von den Kreolen herabbaumelnden Kügelchen glitzerten im Sonnenlicht um die Wette. Sie erzählte mir, dass ihre Mutter den Schmuck herstellen und sie diesen zusammen mit ihrem kleinen Bruder verkaufen würde. Sie sagte, diese Kreolen würden genau zu mir passen. Ja, dass ich ohne die Kreolen nur ein halber Mensch sei und ich genau diese für mein Leben brauchen würde. Umgerechnet fünf Mark sollten diese zierlichen Kreolen kosten.

Das Mädchen und die Kreolen in ihren kleinen Händen ließen mich nicht mehr los. Ihre Kinderaugen hatten etwas Wissendes und Absolutes und ihr kleiner Bruder war sicher gut bei ihr aufgehoben.

Sie gab mir die Ohrringe in die Hand und drängte mich, diese doch anzuprobieren. Sie hielt mir einen abgenutzten kleinen Spiegel vor mein Gesicht und verzückt schaute ich hinein.

Das kleine Mädchen hatte recht. Diese Kreolen mussten es sein und ich schlug voller Überzeugung und Glück in den Handel ein.

Als ich ihr das Geld für die Ohrringe überreichte, verschwand es blitzschnell in dem Ausschnitt ihres Kleides. Nun zeigte sie mir noch ihre übrigen Schmuckstücke und es dauerte eine ganze Weile, bis ich alles gesehen hatte. Aber etwas so schönes wie diese Ohrringe entdeckte ich nicht mehr und so wollte ich mich schon verabschieden. Geschickt streifte sie eine ihrer bunten Ketten über ihren Kopf. Es waren türkis-, honigfarbene und dunkelrote Steinperlen. Sie überreichte mir die Kette und sagte: “Das ist mein Geschenk für dich.”