Wichtiger Hinweis für den Leser

Die Erkenntnisse der Sportwissenschaft und Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und Erfahrung. Alle in diesem Buch getroffenen Empfehlungen wurden vom Autor mit großer Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Das entbindet den Nutzer dieses Werkes jedoch nicht von der Verpflichtung, präventive und therapeutische Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen.

ISBN 13: 978-3-947169-02-3

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

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Christian Zippel:

Der Wille zur Kraft: Die 10 Gebote kompromissloser Leistungssteigerung in Bodybuilding & Kraftsport

1. Auflage Novagenics-Verlag 2011

Titelfoto: Victor Terra (© Alex McKenna 1988), Courtesy Wayne R. Gallasch

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017

Copyright © 2010  2017 Christian Zippel

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Zitat

1. Einleitung – Der Wille zur Kraft

2. Die Stärken und Schwächen Deines Willens

3. Die zehn Gebote kompromissloser Leistungssteigerung

3.1. Sei holistisch

3.1.1 Die Gesamtheit Deines Körpers

3.1.2 Holistisches Muskeltraining

3.1.3.1 Die Rolle Deines Nervensystems

3.1.3.2 Die Programme Deines Nervensystems

3.1.4 Dein passiver Bewegungsapparat

3.1.5 Die Macht Deiner Muskelrezeptoren

3.1.6 Just Raw – keine Hilfsmittel

3.1.7 Der Schwerpunkt Deines Trainings

3.2 Sei beharrlich

3.2.1 Der Wert des Widerstandes

3.2.2 Die Rolltreppe zur Schwäche

3.2.3 Unter allen Umständen

3.2.4 Die Chance Deines Lebens

3.3 Sei progressiv

3.3.1 Die Effizienz Deines Trainingstagebuches

3.3.2 Maximale Gewichte

3.4 Sei konzentriert

3.4.1 Die Verbindung zwischen Muskel und Geist

3.4.2 Die Kunst der Konzentration

3.4.3.1 Koordination

3.4.3.2 Koordinationstraining

3.5 Sei evolutionär

3.5.1 Die besten Systeme der Welt

3.5.2 Die Basis

3.5.3 Deine Intuition

3.5.4 Dein Körperlabor

3.5.5 Intuitives Training

3.6 Sei aggressiv

3.6.1 Auf Leben und Tod

3.6.2 Auf der anderen Seite der Hantel

3.6.3 Der generelle Umgang und die Wahl des Studios

3.7 Sei ernährungsbewusst

3.7.1 Masseaufbau

3.7.2 Von nichts kommt nichts

3.7.3 Das Anlegen eines funktionell hochwertigen Energievorrats

3.7.4 Neue Maßstäbe setzen

3.8 Sei nachhaltig

3.8.1 Auf zu viel Stress folgt der Regress

3.8.2 Nachhaltiges Training

3.8.3 Beweglichkeit und Bewegungsumfang

3.9 Sei wissbegierig

3.9.1 Wissen ist Kraft

3.9.2 Fragen, Lesen und Beobachten

3.10 Sei charakterstark

3.10.1 Die Würde Deines Charakters

3.10.2 Die Notwendigkeit zur Härte gegen Dich selbst

3.10.3 Die Beherrschung Deines Selbst

4. Die Stärke des Seins

4.1 Die Schwäche des Habens

4.2 Das Potential des Seins

5. Schlussworte – Die Philosophie des Werdens

5.1 Der Wille zur Kraft

5.2 Die Herausforderung Deines Lebens

5.3 Der Glaube an das eigene Potential

Abbildungsverzeichnis

1. Der Kampf zwischen Stärken und Schwächen

2. Das Zentrum des Körpers

3. Das Wesen der Konzentration

Quellen

»Alle Schwäche ist Willensschwäche.«

Friedrich Nietzsche [1]

1. Einleitung: Der Wille zur Kraft

Die Geschichte der modernen Körperkultur ist noch sehr jung. Erst seit knapp 100 Jahren ist es erklärtes Ziel vieler Menschen nicht nur sportlich fit zu sein, sondern auch einen möglichst muskulösen und starken Körper zu entwickeln.

Wir glauben, dass wir mit unserer Kultur insgesamt bereits sehr fortgeschritten wären und deshalb glauben wir dies auch über den derzeitigen Stand der Kultivierung des Körpers im Sinne des heutigen Bodybuildings. Doch das hat jede Kultur von sich behauptet und bisher unterlag sie damit auch immer einem Trugschluss.

Die wissenschaftlichen, theoretischen und praktischen Auseinandersetzungen zum Thema Körperentwicklung sowie Muskel- und Kraftaufbau sind in den letzten 100 Jahren bereits weit voran geschritten, doch ihr Verständnis insgesamt befindet sich immer noch in den Kinderschuhen und allzu oft bewegen sich diese auf einem Irrweg.

Die Ziele, die bereits Eugen Sandow 1904 in seinem Buch Kraft und wie man sie erlangt festgehalten hat, sind dabei immer noch die gleichen, drohen aber vergessen zu werden: »Den ganzen Körper beharrlich und fortwährend erziehen, so dass er zuletzt zu allem fähig ist, was gesunde Organe und vollkommen entwickelte Muskeln leisten können, das ist Körperkultur. Die Erziehung, kurz gesagt, eines absolut vollkommenen Körpers, das ist Körperkultur. Die Schäden auszumerzen, für die die Civilisation und all die Anhängsel, die sie in ihrer Begleitung mit sich gebracht hat, verantwortlich gewesen sind, indem sie die Menschen ihre Körper leicht vernachlässigen liess, das ist das Ziel der Körperkultur.«[2]

Worauf es bei der Erreichung dieser Ziele wirklich ankommt, wird jedoch bis heute sträflichst verkannt. Dabei hatte doch schon Eugen Sandow vor über 100 Jahren bereits zu Beginn des modernen Bodybuildings eine erste Ahnung: »Willenskraft ist ein mächtiger Faktor, vielleicht der mächtigste in all dem, was die Summe menschlichen Erfolges oder Missgeschickes ausmacht.« [3]

Weder Training noch Ernährung haben ihn zu seinem vorbildhaften Körperbau geführt. Es war die hingebungsvolle Leidenschaft für sein Unterfangen, die so tief in ihm brannte, dass er sein gesamtes Leben mit all seinem Denken und Handeln auf die Ziele der Körperkultur hin ausgerichtet hat. Er warf sein Studium hin, zerstritt sich deswegen mit seinem Vater und lebte nur noch für sein Training und von dessen Erfolg. Sein Wille war stark und fokussiert. Doch alles, was man heutzutage bespricht und thematisiert, bezieht sich primär auf Training und Ernährung. Seit Generationen beschäftigen sich emsige Geister mit diesen beiden Säulen des produktiven Körperbaus. Und welche Fortschritte wurden in dieser langen Zeit errungen? Ich will es Ihnen sagen: Die Entwicklung eines engagierten Natural-Athleten – also eines ungedopten Sportlers – hat sich kaum verbessert.

Seit über 100 Jahren treten wir fast gänzlich auf der Stelle, da wir mit unseren Ambitionen in die falsche Richtung laufen. Seit Jahrzehnten suchen wir und unsere Vorgänger den Grund für die Trägheit unserer Entwicklung in der Art und Weise, wie wir trainieren und uns ernähren. Immer komplexere Trainingssysteme und Ernährungsweisen eignen wir uns an und immer weiter entwickelte Supplements ergänzen unsere Ernährung, bis sie schlussendlich selbst zum Schwerpunkt dieser geworden sind. Doch wir rennen immer noch mit dem Kopf gegen die Wand, ohne dass wir in unserer Entwicklung zufriedenstellend vorankommen würden.

Die unerträgliche Langsamkeit unseres Voranschreitens liegt vor allem darin begründet, dass wir falsche Prioritäten setzen. Schließlich gab es schon vor Jahrzehnten nennenswerte Bodybuilder und Schwerathleten, die auch zu damaligen Zeiten bereits so erfolgreich in der Kultivierung ihres Körpers waren, dass sie selbst nach heutigen Maßstäben zur naturalen Weltspitze ihrer Disziplin gehören würden und das ohne entsprechende wissenschaftliche und industrielle Unterstützung. Nichtsdestotrotz greifen heutzutage immer mehr Athleten zur biochemischen Brechstange und versuchen ihre Schwächen durch hormonelle Unterstützung zu kompensieren. Doch derartig riskante Schritte beheben nicht die Ursachen des Problems, sondern nur seine Symptome. Dies alles läuft deswegen so gewaltig aus dem Ruder, weil viele das klassische Verständnis von wahrem Bodybuilding aus den Augen verloren haben. Unser Ziel hat sich von der Perfektionierung des eigenen Körpers im Sinne von Eugen Sandow hin zur Ausbeutung des eigenen Körpers gewandelt. Maximale Muskulösität und Stärke um jeden Preis, auf Kosten der eigenen Gesundheit. Das einst so honorige Ansinnen ist pervertiert und entsprechend stigmatisiert ist das Thema »Bodybuilding« auch in der Gesellschaft.

Es ist an der Zeit, das wahre Bodybuilding wieder aufleben zu lassen. Ein Bodybuilding, bei dem der Körper im Mittelpunkt steht und nicht auf dem Spiel.

Um dies jedoch zu schaffen, müssen wir lernen, die richtigen Prioritäten zu setzen. Wir müssen erkennen, wie wir unser Potential nutzen können, anstatt es zu gefährden. Ein weit verbreiteter Irrglaube steht uns dabei jedoch noch im Weg. Die meisten sind nämlich der Ansicht, Bodybuilding sei einzig und allein eine Angelegenheit des Körpers. Nur ihm widmen sie ihre Aufmerksamkeit. Aber da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Geist ist es, der den Körper zu beherrschen vermag. Nur wenn sein Wille stark ist, wird ihm auch der Körper folgen. Unzählige bemühen sich tagtäglich mit allen nur möglichen Mittel ihren Körper zur Weiterentwicklung zu bewegen. Der Grund ihres Scheiterns liegt jedoch viel tiefer: Sie sind von schwachem Charakter und haben einen unsteten Willen.

Bodybuilding ohne den entsprechenden Willen – den Willen zur Kraft – ist wie das Bauen eines Hause ohne Architekten.

Es ist der Wille des Architekten, der den Bau eines imposanten Gebäudes plant, organisiert und leitet. Die Bauarbeiter bauen dann für ihn das Haus gemäß der Vorstellung seines Willens sowie der Möglichkeiten der Physik und der Baustoffe. Wer sich nun jedoch nur mit Training und Ernährung oder sogar hormoneller Unterstützung beschäftigt, der befasst sich auch nur mit bestimmten Bauarbeitern und Baustoffen oder bringt ein paar zusätzliche Schwarzarbeiter mit ins Spiel. Das kann den Bau des Hauses zwar effizienter und schneller werden lassen, aber sind das nicht alles nur Marginalien? Ich frage Sie: Wie viel Einfluss hat wohl ein Bauarbeiter wirklich auf die Konzeption und den Bau eines Gebäudes? Keinen besonderen. Er ist ebenso austauschbar wie all die akzeptablen Trainingssysteme, Ernährungsweisen und Supplements, die es bereits auf dem Markt gibt.

Ich möchte Sie hier und jetzt darum bitten, sich einmal auf die wahren Ursachen zu besinnen. Ich möchte Ihren Blick für das Wesentliche schärfen, Ihnen ein neues Verständnis vermitteln: Hören Sie auf, Bauarbeiter zu spielen und werden Sie stattdessen der Architekt Ihres Körperbaus. Die Entscheidung eines einzelnen Bauarbeiters hat kaum Gewicht. Höchstens ein paar andere Bauarbeiter, die mit ihm in Kontakt stehen, werden geringfügig von ihm beeinflusst. Doch alle Bauarbeiter tanzen nach der Pfeife des Architekten. Sein Wille geschehe. Er ist der unsichtbare Strippenzieher, nach dessen Vorstellung das Haus gebaut wird. Dieser Architekt ist Ihr Wille. In den folgenden Kapiteln werden Sie nun lernen, wie Sie mit ihm arbeiten und nicht gegen ihn. Er bestimmt, was Sie erreichen und wie schnell Sie es erreichen. Ihm sollte der größte Teil Ihrer Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn von ihm hängt alles ab. Machen Sie Sich von nun an Folgendes so oft wie möglich bewusst: Erfolg ist nichts anderes als eine Konsequenz der richtigen mentalen Einstellung!

In der gesamten Menschheitsgeschichte ist noch nie etwas wahrhaft Großes ohne den entsprechenden Willen dazu vollbracht worden und wird es auch nie werden. Das Geheimnis des Könnens liegt nämlich im Wollen, wie bereits Guiseppe Mazzini überaus trefflich festhielt.

Auch für Georg Hackenschmidt lag der Schlüssel zu Stärke und Muskulösität vor allem in der kompromisslosen Entschlossenheit des Geistes. In seinem 1935 erschienenen Buch The Way to Live in Health and Physical Fitness wird eindringlich darauf hingewiesen, dass harte Arbeit und schweres Training allein nicht in der Lage sind, den menschlichen Körper zu formen und zu stärken. Bevor man nämlich den eigenen Körper kultivieren möchte, muss erst der eigene Wille und seine Stärke kultiviert werden. Erst dann wird man auch große Fortschritte in der körperlichen Entwicklung machen können: »Alle berühmten starken Männer haben ihre Stärke mit Hilfe einer starken Willenskraft entwickelt; sie wollten stark werden und hatten damit konsequent Erfolg.« [4]

In seinem Leben hat er gelernt, dass nur diejenigen Menschen wirklich Erfolg in ihrem Training haben, die durch eine überaus starke Willenskraft aus der Masse hervorstechen. Es gibt unzählige, die von Natur aus eine schwächliche Veranlagung haben, durch eine entsprechend starke Leidenschaft und Hingabe jedoch einen überaus starken und muskulösen Körper aufbauen können. Diejenigen hingegen, die trotz günstiger Veranlagung keinen starken Willen haben, werden auch nie wirklich stark und muskulös; selbst dann nicht, wenn sie vergleichbare Trainingsweisen verfolgen. Es bedarf mehr als nur guter Gene, um wirklich erfolgreich zu sein!

Brooks Kubik hebt in seinem Buch Dinosaur Training diese Vorrangstellung des Geistes über den Körper ebenfalls klar hervor: »Die meisten Leuten denken, dass Krafttraining ein rein körperliches Bestreben ist. Nichts könnte ferner der Wahrheit liegen. Training um maximale Größe und Stärke zu entwickeln, hängt viel mehr vom Geist und Willen ab, als vom Körper. In der Tat ist von beidem – der Wille oder der Körper – der Wille bei weitem das Wichtigste.« [5]

Auch Ian King geht im zweiten Teil von Get Buffed explizit auf die Macht des Willens über die Entwicklung des Körpers ein: »Ich respektiere und befürworte den Glauben, dass der Wille kraftvoller als der Körper ist. Dass der Wille physische Resultate erzeugt, ermöglicht und verhindert. Deshalb wird der Einfluss von Training und Ernährung von der Kraft des Willens untergraben oder in den Schatten gestellt. Du kannst trainieren und essen, um gewisse Resultate zu erzielen, Dein Erfolg oder Versagen wird jedoch meiner Meinung nach mehr von Deinen bewussten und unbewussten Entscheidungen beeinflusst als von Training oder Ernährung.« [6]

King möchte seinem Leser klar machen, dass die mentale Einstellung mehr Macht hat, als die Handlung selbst, und dass das Ergebnis immer dann am besten sein wird, wenn der Wille und die Handlung übereinstimmen.

Selbst Arnold Schwarzenegger weist in seinem autobiographischen Werk Arnold: The Education of a Bodybuilder darauf hin, dass der Wille die Grundlage allen Schaffens ist: »Der Wille ist unglaublich. Wenn Du erst einmal die Herrschaft über ihn erlangt und seine Macht produktiv für Deine Absichten kanalisiert hast, dann kannst Du alles schaffen. Ich meine alles. Das Geheimnis liegt darin, Deinen Willen für Dich arbeiten zu lassen und nicht gegen Dich.« [7]

In den folgenden Kapiteln werden wir uns nun mit diesem Geheimnis auseinandersetzen und lernen, wie wir es in unserem gesamten Leben umsetzen können, um unser Denken und Handeln vollständig auf unser Ziel auszurichten. Es soll uns um nichts anderes gehen, als all das zu erreichen, was mit dem eigenen Körper möglich ist. Der Schlüssel zu diesem Unterfangen liegt in unserem Willen, dem Architekten unserer psychischen und physischen Entwicklung. Krafttraining und Körperkultur sind somit keine Wissenschaften. Vielmehr sind es Denkweisen und Lebenseinstellungen. Es sind Philosophien der Lebensführung, gebunden an einen freien und starken Willen, der immer mächtiger wird, indem er sich alles andere unterwirft, sich selbst aber nichts und niemandem. In exakt diesem Willen schlummert das Potential zu einem unermesslich starken und muskulösen Körper.

Von hier an ist es sinnvoller, wenn wir uns auf einer etwas direkteren Ebene miteinander unterhalten und vom förmlichen »Sie« zum persönlicheren »Du« wechseln. Ich nehme für mich nämlich keineswegs in Anspruch, eine wissenschaftliche Autorität zu sein, die versucht, Dir von oben herab irgendwelche angeblich »objektiven« Richtlinien aufzuzwängen. Ich bin mir meines subjektiven Standpunktes durchaus bewusst und vertrete meine Ansichten hier nach bestem Wissen und Gewissen und das einzig und allein mit dem Ziel Dir bei Deiner Entwicklung behilflich zu sein. Sieh mich also lieber als erfahrenen Trainingspartner, der Dir auf gleicher Augenhöhe gegenübersteht, und Dir ein paar grundlegende Gebote aus seinem Weltbild anvertraut. Im Studio gibt es nämlich keine Rangunterschiede. Wir haben alle ähnliche Ziele und jeder, der ernsthaft darin bestrebt ist, diese zu erreichen, verdient es auch, entsprechend korrekt behandelt zu werden. Nur so können Anfänger davon überzeugt werden, dass sie hier richtig sind, Routinierte bei der Stange gehalten werden und Profis nicht nur durch ihre Leistungen motivieren, sondern auch ihre Erfahrung sinnvoll anbringen. Wir trainieren alle am gleichen Eisen und das Bild, das wir der Gesellschaft vom Bodybuilding vermitteln, liegt einzig und allein in unserer Verantwortung.

Im Gegensatz zu all den anderen Büchern soll es hier nicht ausschließlich um das gehen, was man auf der Bank drückt oder auf der Bühne präsentiert. Es geht um viel mehr: Es geht um den Menschen hinter der Hantel, hinter der Erscheinung. Es geht um sein Leben, Denken, Fühlen, Glauben und Handeln insgesamt. Es geht um die Erkenntnis, die Nutzung und die Bewahrung seines Potentials.

Wahres Bodybuilding besteht nicht nur aus ein paar Trainingseinheiten in der Woche und einer geregelten Ernährung. Es ist eine Lebenseinstellung und somit eine Vollzeitbeschäftigung. Der Tag hat 24 Stunden und auch die Zeit außerhalb von Studio und Küche sind von enormer Bedeutung für Deine Entwicklung. Je fester Du Dein erwünschtes Ziel in Deinem Geist verankerst und Dein Leben daran orientierst, desto größer werden auch Deine Fortschritte sein.

Ich habe eine begründete Vorstellung davon, wie man ein derartiges Leben führen kann und möchte Dich ganz herzlich dazu einladen, mit mir gemeinsam die entsprechenden Gedankengänge zu verfolgen, die ich in das Gewand zehn simpler Gebote gekleidet habe. In der Hoffnung darauf, dass Du viele hilfreiche Gedanken finden wirst und verinnerlichen kannst, wünsche ich Dir eine motivierende Lektüre der nun folgenden Seiten.

*

2. Die Stärken und Schwächen Deines Willens

Deine gesamte bisherige Entwicklung von Deiner Geburt an bis zum heutigen Tag, dieser Stunde, dieser Minute, dieser Sekunde und diesem Satz, den Du gerade liest, verlief weit unterhalb der Möglichkeiten Deines Potentials.

Wir Menschen benutzen nur einen Bruchteil unseres Gehirns. Für unsere Muskeln und ihr Potential gilt exakt das Gleiche. Diese Verschwendung der eigenen Möglichkeiten liegt jedoch nicht in einer Begrenzung des eigenen Könnens begründet, sondern vor allem in der Schwäche unseres Willens. Dies wusste bereits der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca: »Die Natur hat dem Menschen Stärke genug gegeben; nur müssen wir sie gebrauchen, müssen unsere Kräfte sammeln und sie sämtlich für uns, nicht gegen uns in Bewegung setzen. In dem Nichtwollen liegt der Grund, das Nichtkönnen ist nur ein Vorwand.« [8]

Dieses Nichtwollen steht für die Schwächen des Willens. Die meisten Menschen verkennen jedoch den destruktiven Charakter einer Schwäche. Sie halten Schwächen einfach nur für die Abwesenheit von Stärke. Dies ist jedoch eine gnadenlose Verharmlosung der wirklichen Verhältnismäßigkeiten.

Schwächen sind Dein größter Feind. Sie werden alleine dadurch immer stärker, dass Du nichts gegen sie unternimmst. Wenn sie einmal Fuß gefasst haben, fressen sie all Deine Stärken auf wie der Rost die Karosserie eines rastenden Wagens. Schwäche gleicht in diesem Sinne einer Krankheit. Wenn Du sie nicht bekämpfst, wird sie Deinen gesamten Körper befallen und im Extremfall Dein gesamtes Leben zum Stillstand zwingen.

Solange Du Dich tagein, tagaus mit den Widerständen des Lebens konfrontierst, kannst Du Dich noch am Leben halten. Je älter Du jedoch wirst, umso geringer werden die Widerstände, mit denen Du Dich konfrontieren wirst. Dann wirst Du immer schwächer, Dich noch mehr schonen, wodurch du noch schwächer wirst und Dich schlussendlich zu Tode schonst. Dann hat die Schwäche ihr Leichenhemd über Dich ausgebreitet und vollends gesiegt. Nun ist sie wie das Unkraut, das Dein Grab überwuchert und jeglichen Lebenstrieb bereits im Keime erstickt.

Dein gesamtes Leben ist somit nichts anderes, als ein beständiger Kampf gegen Schwächen. Je größer die Widerstände sind, mit denen Du Dich konfrontierst, umso stärker wirst Du werden und umso länger und besser wirst Du auch leben. Schlussendlich hört man nicht auf, sich mit hohen Widerständen zu konfrontieren, weil man alt wird. Man wird alt, weil man aufgehört hat, sich mit hohen Widerständen zu konfrontieren. Dann weicht der Zug des eigenen Lebens vom Gleis des Wachstums ab und kehrt auf der Endstation der Altersschwäche ein. So als ob es gar keine Wahl gäbe, nur weil der Begriff »Altersstärke« in unserem Sprachgebrauch bisher nicht verwendet wird. Aber die meisten Menschen denken und leben nunmal nur in den Grenzen ihrer Sprache, die zugleich auch die Grenzen ihrer Welt markieren.

All diese Entwicklungen sind von schleichender Natur. Nichtsdestotrotz finden sie beständig statt, in jedem Moment Deines gesamten Lebens. Just in diesem Augenblick sterben und wachsen Tausende von Zellen in Deinem Körper. Kannst Du es etwa nicht spüren, den Kampf zwischen Leben und Tod? Er tobt jetzt, in diesem Moment in Deinem Körper. Doch was überwiegt? Wachstum oder Abbau? Bist Du ein Mensch der Schwäche oder einer der Stärke? Was für ein Mensch willst Du sein?

Du musst verstehen, dass der Krieg zwischen Leben und Tod im Kosmos der biologischen Zellen Deines Körpers Deine Entwicklung bestimmt. Du musst beständig an Dir arbeiten und jede auch noch so kleine Möglichkeit für Dich nutzen, um Deine Entwicklung zu fördern, indem Du sie forderst. Denn nur das, was Dein Wille vom Leben fordert, wird er auch von diesem bekommen. In diesem Punkt ist die Natur nämlich sehr sparsam. Sie hat Dir ein enormes Potential mit auf den Weg gegeben. Sie hat ihren Teil der Abmachung eingehalten. Sie hat Dir den Vorschlag gemacht, etwas wirklich Großes aus Deinem Leben zu machen. Nun liegt es an Dir, dieses Potential auch zu nutzen. Du musst dafür kämpfen und es wirklich wollen; nur dann wird es Dir auch gelingen. Wenn Dein Wille jedoch nichts mehr will und seine Kraft erlahmt, dann wird die Entwicklung Deines Körpers stillstehen. Doch Stillstand ist Rückschritt. Denn wer rastet, der rostet. Dabei gleicht mir das Verschwenden des eigenen Potentials einer Todsünde. Es wäre ein Verbrechen an der Natur. Der Natur, die Deine Natur ist. Somit wäre es auch ein Verbrechen an Dir selbst. Ein Selbstmord auf Raten.

Leben ist Wachstum und Wachstum ist die Nutzung des eigenen Potentials. Wer somit nicht lebt, um sein Potential zu nutzen, der lebt nicht wirklich. Er ist schwach, vergeudet sein Potential und handelt wider seine Natur. Er ist schon lange tot, obwohl er noch lebt. Hat solch ein Leben überhaupt einen Sinn?

Schwächen sind somit nicht einfach nur Schwächen und vor allem sind sie eines nicht: schwach. Sie sind sogar sehr stark und in gewissem Sinne Anti-Stärken. Sie besitzen ein enormes Potential und streben beständig danach, Deinen Stärken entgegen zu wirken. Sie wollen Deinen Willen brechen. Sie wollen jegliches Wachstum in Dir zum Stillstand bringen. Sie wollen Deinen Tod. Die Abbildung 1 soll Dir verdeutlichen, wie Deine Schwächen ganz real gegen Dich arbeiten, obwohl Dir dies wahrscheinlich nicht einmal bewusst ist.

Es sind unsere Schwächen, die verhindern, dass wir stark sind. Sie hemmen unsere Leistungsfähigkeit. Sie bremsen unsere Entwicklung. Alle reden immer nur davon Stärken aufzubauen. Das allein nützt jedoch gar nichts. Ein Mensch ist immer nur so stark, wie seine größte Schwäche es zulässt. Es ist völlig egal, welche Stärken er hat. Solange er auch große Schwächen hat, wird er insgesamt nie stark werden, sondern immer schwach bleiben. Auf das Gesamtbild kommt es nämlich an und nicht auf partikuläre Fähigkeiten. Hier in diesem Buch werden wir uns nun endlich auch einmal schonungslos mit all unseren Schwächen auseinandersetzen. In ihrer Eliminierung liegt der Quell vollkommener Stärke, sprich Leistungsfähigkeit, Entwicklung und Gesundheit, verborgen.

Abb. 1 Der Kampf zwischen Stärken und Schwächen

Abbildung entnommen: Pavel Tsatsouline »Power To The People«. Illustration von Derek Brigham. ©Power by Pavel, Inc. Veröffentlicht mit Genehmigung. Courtesy www.DragonDoor.com. Modifizierung durch den Autor.

Dass Du so schwach bist und viel weniger Gewicht bewegen kannst, als Dir eigentlich möglich wäre, liegt somit nicht an Deiner Veranlagung oder sonstigen Umständen, sondern an Deinen mannigfaltigen Schwächen. Sie alle sind Schwächen Deines Willens; doch alle von ihnen kannst Du zu Stärken machen, wenn Du Deine Einstellung sowie Deine Denk- und Handlungsweisen gemäß den zehn Geboten dieses Buches optimierst. Nur so werden alle Aspekte Deines Willens an einem Strang ziehen und endlich damit aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen. Erst dann wird Dein Wille sich nicht mehr selbst im Wege stehen, sondern ein einziges Ziel haben, nach dem er all sein Potential ausrichten wird. Erst dann kannst Du Dich wirklich schweren Gewichten und Aufgaben widmen. Es gilt nämlich immer folgender Gedanke von Seneca: »Eine Handlung wird nicht fehlerfrei sein, wenn der Wille nicht fehlerfrei ist; denn von ihm geht die Handlung aus.« [9]

Dein Wille kann Dich stärker machen, besser und schneller. Aber nur, wenn Du ihn auch im Griff und von allen Schwächen bereinigt hast. Dein Verhalten während des Trainings und der Nahrungsaufnahme umfasst jedoch nur einen Bruchteil dieser Aspekte. Somit wird auch klar, weshalb so viele keine nennenswerte Körperentwicklung vorweisen können, obwohl sie im Training und in der Ernährung alles richtig zu machen scheinen. Das Leben besteht nun mal nicht nur aus Training und Ernährung. Es ist viel umfassender, viel komplexer. Erst wenn Du bereit bist, Dich umfassend zu verändern, erst dann wirst Du auch wirklich stark werden.

Körperliche Entwicklungen benötigen Zeit, doch hier geht es um geistige Entschlüsse. Diese kannst Du innerhalb eines einzigen Augenblickes treffen. In diesem Buch geht es vor allem darum, Entschlüsse zu treffen. Entschlüsse, die Dein gesamte Leben auf Wachstum programmieren sollen. Wenn Du diese Entschlüsse einmal gefasst hast, musst Du unbedingt auf ihnen beharren und sie um jeden Preis beibehalten. Nur so werden sie auch wirklich zu Deinen Handlungen und nach gewisser Zeit auch zu Gewohnheiten. Wenn Du es erstmal geschafft hast, all Deine negativen Gewohnheiten durch produktive zu ersetzen, dann wird sich auch Dein Charakter insgesamt und somit Dein gesamtes Leben »auf der Überholspur« befinden, optimieren und verbessern. Dann werden Schwächen zu einem Fremdwort für Dich. Nichts darf Deiner Entwicklung dann mehr im Wege stehen. Und wenn irgendwelche Schwächen Deinen Stärken entgegenwirken, dann müssen diese Schwächen überwunden werden. Je stärker Dein Wille dabei wird, umso einfacher wird Dir auch das Überwinden von Schwächen fallen. Die Stärkung des Willens ist nämlich ein sich selbst verstärkender Prozess, der Dich zusehends immuner gegen Schwächen werden lässt.

Doch noch befinden wir uns am Anfang unserer Reise. Und auch in der Bekämpfung mentaler Schwächen gehen wir genauso vor, wie wir es bereits vom Training her kennen: Schritt für Schritt und einer Vision folgend. Alles andere ist illusorisch und Illusionen sind Schwächen, Visionen hingegen sind Stärken. Erkenne den Unterschied.

Grundlegend geht es doch nur um eine einfache Frage: Wer oder was schwächt Dich und wer oder was stärkt Dich? Das weitere Vorgehen kann dabei klar umrissen werden: Du musst alles aus Deinem Leben verbannen, was Dich schwächt und Dein gesamtes Leben auf Stärkendes ausrichten. Dabei geht es vor allem erst einmal darum, bestehende Widersprüchlichkeiten aufzulösen. Bestimmte Aspekte Deines Willens treiben Dich nämlich dazu an, ernsthaft zu trainieren, aber viele andere Aspekte, Gedanken und Verhaltensweisen Deines Willens, die zum Großteil sicherlich auch unbewusst sind, hemmen Deine Entwicklung. Das ist nur allzu menschlich. Wer jedoch Überdurchschnittliches erreichen will, muss das Durchschnittliche überwinden.

Einen starken und einheitlichen Willen hat man nicht einfach so. Man muss hart an seiner Realisierung arbeiten und auf vieles verzichten, was einem angenehm erscheint, in Wirklichkeit jedoch eine Schwäche ist. Menschen ohne Ziel und ohne Leidenschaft verbringen ihr ganzes Leben in derartigen Täuschungen. Sie werden ausschließlich von ihren Schwächen bestimmt und haben nichts wirklich im Griff. Schwächen neigen nämlich, wie bereits erwähnt, dazu, die Oberhand zu gewinnen. Aus diesem Grund solltest Du Dir folgenden Gedanken ganz fest einprägen: Alles in Deinem Leben, was Du nicht im Griff hast, kann und wird Dich im Griff haben. Anhand des Verhältnisses, wie viele Aspekte Deines Lebens Du wirklich im Griff hast und wie viele Dich, entscheidet sich die Frage, ob Du Dein Leben auch wirklich selbst lebst oder ob Du nur von den Umständen desselben gelebt wirst, ob Du ein willensstarker Mensch bist oder nur ein Zombie.

Viele der in Dir wirkenden Hemmungen und Schwächen sind auch ein direktes Produkt Deiner Umgebung und der Gesellschaft, in der Du Dich befindest. Aus all diesen Sperrgebieten und negativ behafteten Ordnungsprinzipien musst Du ausbrechen. Vieles davon wird Dich sicherlich Überwindung kosten. Einmal angenommene Gewohnheiten zu verändern, ist sehr schwer. Schlechte Gewohnheiten sind nämlich wie ein warmes Bett. Es ist sehr angenehm hineinzugehen. Das Aufstehen und Verlassen hingegen fällt bedeutend schwerer. Aber eines kann ich Dir versichern: Es ist die Mühe wert. Du hast nur ein Leben und Du solltest es für etwas wirklich Großes nutzen!

Wahre Größe erwächst jedoch nur aus Mühe, Schmerz und Überwindung und nicht aus einfacher Lust und niederem Genuss. Da dies jedoch kein leichter Weg ist, bleiben die meisten Menschen ihr Leben lang einfach nur dort, wo sie sich bereits befinden. Sie lassen ihr Potential verdorren wie eine Topfpflanze in der Sahara. Dies ist der Grund dafür, dass so viele Menschen so klein sind und bleiben. Sie verschwenden ihr Potential und sind völlig orientierungslos. Sie können absolut nichts in ihrem Leben und in ihrer Gesellschaft bewegen, da ihnen der Wille dazu fehlt. Doch wo ein Ziel ist, da wird der Wille auch immer einen Weg finden.

Aller Anfang ist klein. Im Kleinen liegt jedoch wahrhaft Großes verborgen. Selbst unser schier unermessliches Universum war zu seinem Beginn kleiner als ein Sandkorn und nun enthält das, was vormals in eine Nussschale gepasst hätte, ganze Planeten, Sterne, Sonnensysteme und Galaxien. Das Universum verkörpert in und durch sich den Willen zu Entwicklung und Wachstum. Du selbst bist Teil dieses Universums und in Dir selbst walten die gleichen Prinzipien, der gleiche Wille: der Wille zur Kraft.

Unzählige Vorbilder haben bewiesen, dass durch einen starken Willen jedes Hindernis überwunden werden kann und dass nichts schwer ist, zu dessen Überwindung der eigene Wille sich selbst antreibt. Das daraus resultierende Gefühl des hart erkämpften Erfolges ist dabei von viel erhabenerer Qualität, als ein solches niederer Gelüste. Es zeugt von wahrer Selbstüberwindung und liegt weit über dem Horizont des Tieres. Ein wirklicher Mensch ist man nämlich nicht nur durch Geburt. Erst wahrhaft großes Denken und Verhalten sowie die gezielte Nutzung des eigenen Potentials unterscheiden ihn von den Tieren.

Also gehen wir es an. Die nun folgenden Gebote werden Dich in Deinem Bestreben unterstützen, Dein gesamtes Leben auf ein einziges Ziel zu programmieren: maximale Fortschritte in Deiner körperlichen Entwicklung. Mein Ansinnen erlaube ich mir dabei, in die Worte Friedrich Nietzsches zu kleiden: »Ich lehre das Nein zu Allem, was schwach macht, – was erschöpft. Ich lehre das Ja zu Allem, was stärkt, was Kraft aufspeichert, was das Gefühl der Kraft rechtfertigt.« [10]

*

3. Die zehn Gebote kompromissloser Leistungssteigerung

3.1 Sei holistisch

»Alles in Deinem Körper ist miteinander verbunden und Isolation ist ein Mythos.« Pavel Tsatsouline [11]

Dein Körper ist eine Einheit. Jedes Mal, wenn Du etwas an ihm veränderst, veränderst Du ihn zugleich auch im Ganzen. Das ist Holismus. Das ist das Prinzip der Ganzheitlichkeit. Selbst Dein Geist ist Teil dieser Einheit.

Mit jedem Gedanken, jedem Atemzug und jeder einzelnen Bewegung übst Du Einfluss auf den Zustand Deines Körpers und somit auch auf Deine Entwicklung aus. Alles, was Du fühlst, denkst, machst und isst, hat eine bestimmte Reaktion zur Folge. Diese Reaktion beeinflusst wiederum viele verschiedene Prozesse, die sich wiederum auf Deine Gefühle, Gedanken und Handlungen auswirken, usw. Du bist somit ein äußerst komplexes Prozessnetzwerk, das beständig mit sich selbst in Rückkoppelung steht.

Nur solange diese Mechanismen reibungslos funktionieren, kann Dein Körper seine Existenz aufrecht erhalten. Du willst jedoch nicht einfach nur leben, Du willst viel mehr. Du willst wachsen. Du willst mehr Muskelmasse und Du willst stärker werden. Dies wird Dir jedoch nur gelingen, wenn Du verstehst, wie Dein Körper funktioniert, denn nur dann kannst Du ihn auch beeinflussen.

Ich meine damit jedoch nicht all das anatomische und biochemische Fachwissen, dass man normalerweise in trainingswissenschaftlichen Büchern vorgesetzt bekommt. Wenn es Dir nur um Muskelmasse und -stärke geht, dann kannst Du dieses Wissen getrost vergessen. Für Deine Zwecke ist es nur Ballast. Es zeugt von nichts anderem, als der immer noch zu stark befahrenen Einbahnstraße der rein analytischen, wissenschaftlichen Vorgehensweise. Begehe nicht den gleichen Fehler. Vermeide es, Dich im Detail zu verrennen.

Worauf es wirklich ankommt, sind die komplexen Zusammenhänge, die Leben und Wachstum überhaupt erst entstehen lassen. Du musst wissen, wie Du diese Prozesse beeinflussen kannst und nicht wie ihre Bestandteile zusammengesetzt sind. Wenn Du ein Bild malen möchtest, musst Du nicht wissen, wie Farbmoleküle aufgebaut sind. Du musst wissen, wie Du durch die gezielte Komposition der richtigen Farbtöne ein Meisterwerk erschaffen kannst. Wenn Du eine Pflanze zur Blüte treiben willst, musst Du nicht wissen wie Photosynthese funktioniert. Du musst sie den Bedingungen aussetzen, unter denen sie am besten gedeiht. Wenn Du Dir dabei jedoch zu viele Gedanken über unwichtige Details machst und versuchst, sie alle mit in Deine Vorgehensweisen einzuplanen, dann wird Deine Pflanze verkümmern, weil Du sie bei dem ganzen hin und her der Gedanken vollständig aus den Augen verlieren wirst. Nicht ohne Grund haben die dümmsten Bauern auch die dicksten Kartoffeln. Es geht somit weniger um reines Wissen.

Es geht vielmehr um Weisheit: um Erfahrung, Pragmatik und Intuition. Der Weise ist nämlich nicht der, der einfach nur alles weiß, sondern der, der zum richtigen Zeitpunkt auch richtig zu handeln weiß. Und dies ist nur möglich, wenn man erkannt hat, was wichtig ist und was nicht.