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Ein Deutschlandcoaching

Demokratie
=
Volksherrschaft

Maria Oskar Demos

© 2017 Maria Oskar Demos

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN
Paperback978-3-7439-1077-5
Hardcover978-3-7439-1078-2
e-Book978-3-7439-1079-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1. Deutschlandcoaching – anstelle eines Vorworts

2. Parteien – wirklich ein Durchschnitt der Bevölkerung

3. Administration – was ist die Grundlage?

4. Chaotisch – wie konnte das nur passieren?

4.0. Ein paar Worte vorab

4.1. „Unser täglich Brot gib uns heute“ – Lebensmittelproduktion und Ernährung

4.2. Verkehr – Grundlage unseres Wohlstandes

4.3. Arbeitswelt – der Umgang mit dem Menschen

5. Lösung – so könnte es gehen

6. Ich fasse zusammen – wir brauchen eine zweite friedliche Revolution

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1. Deutschlandcoaching – anstelle eines Vorworts

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Endlich. Endlich ist es soweit: Am 24. September 2017 wird endlich wieder gewählt. Du und ich, wir dürfen dann den neuen Bundeskanzler wählen, vielleicht bleibt es auch die alte Bundeskanzlerin! Wählst Du eigentlich wirklich eine Person für dieses Amt? Also, nicht ganz: Es sind nur die Mitglieder des Bundestages, die Du und ich aussuchen dürfen. Und die wählen dann mit absoluter Mehrheit den Bundeskanzler oder die Kanzlerin.

Seit Wochen sind die führenden Protagonisten schon ganz aufgeregt und wetzen ihre Säbel. Während des Wahlkampfes werden wir wieder mit zahlreichen Partei-Werbespots im Radio und Fernsehen überschüttet und mit Millionen von Wahlplakaten soll unser Denken in eine Richtung gelenkt werden. Im Fernsehen können wir in unzähligen Diskussionsrunden die führenden Damen und Herren unserer politischen Parteien begutachten, die uns dann immer sagen, was in unserer Gesellschaft, in unserem Staat, in unserem Leben richtig und was falsch ist beziehungsweise falsch läuft. Und warum ich unbedingt zur Wahl gehen muss. Wir haben jetzt wieder Wahlkampf!

Wogegen wird eigentlich gekämpft? Das weiß ich auch nicht genau, aber alle nennen das Spektakel halt so. Dir und mir wird wieder einmal in den Kopf eingetrichtert: Noch nie war eine Bundestagswahl so wichtig wie diese! Du musst unbedingt wählen gehen! Jeder in diesem Land muss unbedingt wählen gehen!

Und – wirst Du wählen gehen? Und wenn ja, was wirst Du wählen und warum wirst Du genau diese Partei oder jene Person wählen?

Nun, Du könntest die Frage auch umdrehen – und mich fragen, ob ich an diesem, ach so demokratischen Vorgang teilnehmen werde. Also, ob ich wählen werde. Einfache Frage und doch so schwer zu beantworten: Ich weiß es noch nicht. Eigentlich will ich nicht. Denn: Was soll ich wählen? Bei genauerer Betrachtung haben doch alle Parteien, die bereits im „alten“ Bundestag vertreten waren, ganz ähnliche, schwammige Aussagen. Einziges klar definiertes Ziel: Diese Parteien wollen gewählt werden mit ganz vielen unserer Stimmen. Aber für unsere Stimme, wenn wir sie ihnen tatsächlich geben, erhalten wir vorab und nach einem eventuellen Wahlsieg nur sehr vage und unpräzise Versprechungen.

Bei allen Wahlprogrammen, Aussagen von Politikern jeglicher Richtung und parteipolitischen Entscheidungen geht es nämlich nur um eins: um Geld, sehr viel Geld. Und es geht um Macht, die erhalten werden muss – um jeden Preis. Denn genau so stellen sich die Parteien eine gelebte Demokratie vor, also die Volksherrschaft. Alle vier Jahre darf und soll die Mitbestimmung ausgelebt werden, doch in Wirklichkeit ist es eine Nicht-Mitbestimmung des Volkes: Ran an die Urnen, wählen gehen, dann vier Jahre warten und dazwischen brav Steuern zahlen. Und den Mund halten!

Bei der Wahl zählt jede Stimme für eine Partei. Das Kreuz an der richtigen Stelle auf dem Wahlzettel ist ganz wichtig. Spätestens am Tag nach der Wahl wirst Du, werde ich, werden wir jedoch total unwichtig sein. Im politischen Alltag stören wir nur. Es sei denn, wir verweigern das Zahlen von Steuern. Später erkläre ich Dir, warum jede gewählte Stimme für die jeweiligen Parteien so wichtig ist.

Das bedeutet: Unser Staat setzt sich aus Bürgerinnen und Bürgern zusammen, die Jahr für Jahr Milliardensummen an unseren Staat spenden – sogenannte Steuern. Im Gegenzug erhält jede deutsche Frau und jeder deutsche Mann spätestens nach 48 Monaten die große, sensationelle Chance, die deutsche Politik mitzubestimmen – allerdings: nur mit zwei Stimmen bei der Bundestagswahl. Mit der ersten Stimme darf sie oder er den direkten Kandidaten im Wahlkreis bestimmen. Die Zweit-Stimme kommt einem Kandidaten auf der Landesliste einer Partei zugute. Das ist doch total super. Oder?

Na ja, geht so. Denn das war' s dann auch schon mit der Mitbestimmung! Mehr entscheiden dürfen wir in Deutschland nicht. Außer vielleicht als Mitglied einer Partei. Aber auch dort nur ganz vielleicht und auch nur mit Beziehungen und riesigen Netzwerken. Willst Du nämlich eine Idee durchsetzen, dann benötigst Du sehr viele Parteifreunde. Diese „Freunde“ unterstützen Dich jedoch nur dann, wenn sie auch selbst einen Nutzen davon haben.

Politikerinnen und Politiker behaupten täglich und überall, dass wir in einem demokratischen Land leben dürfen. Oder mit anderen Worten: Das Volk hat die Herrschaft! Aber die Wahrheit ist – und zwar klar und deutlich: Wir dürfen alle vier Jahre wählen, doch nach der Wahl dürfen Du und ich, das Volk also, gar nichts mehr entscheiden! An unserer Stelle diktieren und entscheiden alles die Parlamente und die sind mit Technokraten und Parteisoldaten besetzt.

Ist es da verwunderlich, dass angesichts dieser Lüge von der Mitbestimmung – alle Macht geht vom Volk aus: von wegen! – immer mehr Menschen in Deutschland keine Lust mehr haben auf die derzeitige Art und Weise, wie Politik betrieben wird? Dass immer weniger Menschen bei Wahlen zu den Wahlurnen „rennen“?

Das zweite große Thema aller Wahlprogramme und parteipolitischen Entscheidungen: Geld, sehr viel Geld. Doch immer mehr Steuerzahler stellen fest, dass in ihrem Land, unserem Staat nicht im Sinne des vernünftig denkenden, pragmatischen Durchschnittsmenschen entschieden und gehandelt wird. Oder noch schlimmer: Lobbyisten bestimmen, welche Gesetze verabschiedet werden – und sorgen dafür, dass Gesetzesvorlagen, die ihren Interessen zuwiderlaufen, erst gar nicht ins Parlament kommen. Und damit der Steuerzahler möglichst nichts von diesem Gemauschel mitbekommt, wird ihm die Regel verkauft: Je komplizierter und komplexer die Verwaltungsabläufe, Vorschriften und Gesetzestexte sind, umso besser und sinnvoller sind die Entscheidungen der Parlamente.

Angeblich! Was für eine Lüge! Von wegen! Der gesunde Menschenverstand muss hier sogar weichen oder wird gar abgestempelt als sogenanntes „Stammtischgerede“. Als ob an einem Stammtisch keine vernünftigen politischen Urteile möglich wären! Dabei ist es die Gegenseite, die selbst ernannte politische Elite, die über keine Argumente mehr verfügt und deshalb versucht, uns abzuwerten.

Aus diesem Grund finden die friedlichen und besorgten Demonstranten vor dem Hauptbahnhof in Stuttgart oder am Frankfurter Flughafen oder an der Güterzugstrecke entlang des Mittelrheins mit ihren vernünftigen Forderungen auch kein Gehör. Was hilft uns da das Demonstrationsrecht – wenn keiner der Verantwortlichen etwas ändert? Stattdessen werden diese Helden von einem Teil der politischen Presse als Wutbürger abgestempelt. Bloß nicht auf die eigene Bevölkerung hören, immer nach dem Motto: KEINE Diskussion! Politisches Leben soll nur kontrolliert in Parteien stattfinden – so der Wunsch der politischen Klasse.

Vielleicht sollten wir diese Helden lieber als „Mut-Bürger“ bezeichnen: Denn allen oben aufgezählten Problemfällen gehen langwierige, komplizierte und undurchsichtige Verwaltungsprozesse voraus, die oft Monate, Jahre, ja manchmal sogar Jahrzehnte dauern. Unsummen an Steuergeldern werden verplempert. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Diese braven Mut-Bürger, wir braven Einwohner, zahlen trotzdem täglich Steuern. Dafür werden wir mit technokratischen, verantwortungslosen Verwaltungsabläufen belohnt.

Doch was passiert, wenn wir den Staat bitter benötigen? Beispielsweise in Hinblick auf unsere Lebensmittel, unsere Mobilität und zur Regelung unserer Arbeitswelt (siehe Kapitel 4). Funktionierende Verwaltungen sind Mangelware, vielmehr erzeugen unsere Behörden nur Chaos. Da versagt der Staat!

In Deutschland werden die politischen Entscheidungen diktiert, von Parteipolitikern, von Funktionären, von Lobbyisten, von Technokraten und administrativen Kräften – aber nicht vom Volk. Mit fatalen Folgen für unsere Gesellschaft! Die Bundesrepublik Deutschland ist kein demokratisches Land, denn sie hat eben keine wirkliche Volksherrschaft. In einer Demokratie würde das Volk alles entscheiden und das würde vieles besser machen.

Wie kam es dazu? Warum haben wir Angst vor gesellschaftspolitischen Veränderungen? Wie könnte die Lösung aussehen? Was kannst Du tun?

Widersprechen wir endlich den alten, eingefahrenen, zu teuren und chaotischen Strukturen! Wenn die Bevölkerung ein Mitspracherecht hätte, könnten viele Steuern sinnvoller verwendet werden. Du und ich, wir alle müssen nur den Mut haben, die Verantwortung für ein gelebtes Deutschland und für eine gemeinsame Demokratie zu übernehmen. Nehmen wir uns ruhig den Querdenker Martin Luther, der gerade im Wahljahr 2017 gefeiert werden wird, zum Vorbild. Wir brauchen endlich Reformen und Neuerungen. Haben wir den Mut und die Kraft, die Martin Luther hatte! Es kommt eine spannende Zeit auf uns zu.

In den folgenden Kapiteln möchte ich Euch, aufgeschlossenem Leser und neugieriger Mut-Bürgerin, zeigen: Es gibt interessante neue Wege für Deutschland. Erwarte keine „Doktorarbeit“, aber lass Dir die Fakten zeigen und meine Rückschlüsse daraus erklären. Dabei kann ich auf Zahlen (aus der Geschichte, aus Statistiken, aus Hochrechnungen sowie aus Schätzungen) nicht verzichten. Dennoch sind es spannende Seiten, die Dich erwarten. Und niemals nur kurzweilig. Denn es geht um Dich und mich und um unser Volk.

Es ist Zeit für eine Volksherrschaft! Wir sind reif für eine gelebte Demokratie in unserem Deutschland!

Viel Freude beim Lesen!

Maria Oskar Demos

PS: Im Sinne der Gleichbehandlung erwarten einige Menschen, dass ich beide Geschlechterformen verwende. Meiner Meinung nach macht dies einen Text allerdings unlesbar. Ein Beispiel: Wenn die Politikerin/der Politiker mit ihrer/seinem Parteikollegin/ Parteikollegen eine gemeinsame Entscheidung treffen will, so wird sie/er mit ihr/ihm vorab in ihrem/seinem Büro ein intensives Gespräch führen!

Deshalb ziehe ich es vor, alternativ die männliche oder weibliche Form zu benutzen und auf diese Weise alle meine Leser anzusprechen.

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2. Parteien – wirklich ein Durchschnitt der Bevölkerung?

Du kennst diese Situation? Gemütlich fährst Du auf der Autobahn entlang. Noch etwa ein Kilometer und dann kommt die Ausfahrt, an der Du abfahren musst. Vor Dir und hinter Dir haben sich alle ordnungsgemäß auf der rechten Spur eingeordnet. Der Sicherheitsabstand zu dem vor Dir fahrenden Fahrzeug passt. Noch 200 Meter, noch 100, noch 50, noch 20 Meter. Du ziehst in die eigens für die Ausfahrt vorgesehene Spur. Und plötzlich – aus dem Nichts heraus – kommt so ein arroganter Blödmann angebrettert, schneidet Dich und zieht von ganz links nach ganz rechts, drängelt sich vor Dir noch schnell in die Lücke. Du musst scharf abbremsen! Und dann regt sich der Typ hinter dem Lenkrad auch noch darüber auf, dass Du ihn angehupt hast. Manchmal macht so ein Mensch sogar extra eine Vollbremsung, sodass Du blitzschnell reagieren musst. Deinen Herzschlag spürst Du noch im kleinen Zeh an Deinem rechten Fuß.

Eine solche Situation kannst Du so oder ähnlich überall im Alltag erleben – ob die unverschämten Drängler auf der Autobahn oder beim Bäcker, ob beim Ausstieg aus dem Bus oder wo auch immer. Arrogante, überhebliche „Stinkstiefel“, sogenannte Alphatiere, erobern sich rücksichtslos mithilfe ihrer Ellenbogen ihren vermeintlich verdienten Platz in der Gesellschaft.

Nun, natürlich besitzen nicht alle Mitglieder einer Partei in Deutschland diese Eigenschaften, doch für zahlreiche Mandatsträger gilt dies schon. Ellenbogen-Kämpfer, die sich um jeden Preis durchsetzen. Und die dann auch den Ton angeben, sprich: sich massiv für ihre persönlichen Interessen und Belange einsetzen.

Grundsätzlich stellt sich ja die Frage: Warum sind so wenig Bundesbürger Mitglied einer Partei? Nehmen wir einmal die nackten Zahlen: Im Jahr 2014 besaßen insgesamt 1.257.456 Deutsche von ca. 82 Millionen Einwohnern ein Parteibuch (einer etablierten politischen Partei: CDU, SPD, CSU, die Linken, Bündnis90/die Grünen, FDP oder AfD). Großzügig aufgerundet sind das ca. 2% der deutschen Bevölkerung, also 2 von 100 Personen!

Allerdings sind in der Regel nicht alle Mitglieder aktiv, nur ganz wenige arbeiten mit und engagieren sich. Insgesamt kannst Du davon ausgehen, dass ca. 10% der Mitglieder aktiv Parteiarbeit leisten. Bei ca. 1,5 Millionen Parteiangehörigen sind dies, großzügig aufgerundet, 150.000 Menschen in Deutschland. Doch diese 0,18% der Bevölkerung bestimmen unser politisches Leben!

Denn aus diesen 150.000 Mitbürgern gehen dann die Mandatsträger hervor – Mitglieder von Stadträten, Kreistagen, Landesparlamenten, vom Bundestag und Europaparlament. Sie sind die Verantwortlichen und die Entscheidungsträger. Sie haben die Macht und das Sagen in Deutschland. Sicherlich: Sehr viele haben sich hochgedient, einen langen, oft hart erkämpften Weg hinter sich. Dabei ist eine rücksichtslose Mentalität jedoch von entscheidender Bedeutung, um die zahlreichen „Ellenbogen-Kämpfe“ zu gewinnen. Es geht darum, innerhalb einer Partei viele Anhänger hinter sich zu scharen und diese Macht dann zu erhalten.

Das sind die typischen Alphatiere – vor allem Männer (im Durchschnitt liegt der Männeranteil in allen Parteien bei ca. 80%). Doch die Frauen holen auf und benehmen sich in Führungspositionen mindestens genauso schlimm wie ihre männlichen Kollegen. In der Tierwelt bezeichnet es das in der Rangordnung am höchsten stehende Tier. Folglich kann man für den Menschen festhalten, dass es sich bei Alphatieren um sehr hierarchisch denkende, rücksichtslose, selbstverliebte, machthungrige und nicht kompromissbereite Zeitgenossen handelt.

Im Allgemeinen hat es das weibliche Geschlecht sehr schwer in der deutschen Politik, denn im parteipolitischen Alltag gibt es für Frauen, die sich politisch engagieren wollen, immer noch gravierende Nachteile. Wahrscheinlich passen Damen einfach nicht in die korrupte, hinterhältige Welt der Politik, um dort ihre Interessen durchzusetzen. Dies ist nichts für sozial denkende Frauen. Daher sind auch nur ca. 20% der Parteimitglieder weiblich. Das setzt sich dann bei den Ministerposten oder den Spitzenämtern in den Verwaltungen fort und gilt auch für die Wirtschaft. Und falls doch einmal eine weibliche Führungskraft auftaucht, neigt sie leider oft dazu, die schlechten Charaktereigenschaften ihrer männlichen Kollegen zu überbieten.

Natürlich, wenn Du einen solchen Zeitgenossen kurz vor Wahlen an einem Wahlstand in Deiner Fußgängerzone antriffst, da ist er super freundlich, zuvorkommend und total tolerant. Denn diese Person lechzt ja nach Deinem Kreuz auf dem Wahlzettel.

Du glaubst mir nicht? Dann probiere es einfach aus. Geh auf eine Politikerin zu und stell ihr oder ihm eine simple Frage. Tu zunächst so, als ob Du den Standpunkt der Partei unterstützt. Wenn Du Dich dann über einen zentralen Sachverhalt, den diese Partei vertritt, negativ äußerst, wird der Politiker dennoch versuchen, Dich immer noch glauben zu lassen, dass seine Partei genau die richtige für Dich ist. Also: Bitte wähle mich! Doch lass Dich nicht blenden. In Zeiten ohne Wahlkampf kannst Du den Versuch ja einmal wiederholen. Die gleiche Politikerin wird Dich einfach abbügeln.

Doch mein größter Vorwurf an die politische Klasse: Die heutigen Strukturen innerhalb der Parteien – das gegenseitige Mobben, Treten und Intrigieren – fördern das Emporkommen fieser Karrieristen, denn diese sind die größten Experten solcher Strukturen. Die unerbittlichen Parteihierarchien durchlaufend, der Parteitreue unterworfen und eingeschnürt in administrative und rechtliche Zwänge fehlt ihnen jeglicher Weitblick. Ja, sie haben gar kein Interesse an einer „großen Lösung“. Daher müssen wir in der derzeitigen Politiklandschaft auf jegliche wirkliche Staatsmänner und -frauen verzichten.

Sehr viele Politiker sind aalglatte Selbstdarsteller. Du kannst sie nicht richtig packen, denn ihre Argumentationen sind absolut perfekt. Doch statt globaler Weisheit ist ihnen das punktuelle Wohl ihrer Partei wichtiger.

Und es kommt noch schlimmer: Diese „Politik-Bestimmer“ sind nicht nur die größten Herumtaktierer, sondern sie nutzen ihre Parteikontakte gnadenlos dazu aus, um eine berufliche Karriere zu starten. Deshalb findest Du gewiefte und treue Parteisoldaten in Behörden, Verwaltungen und staatsnahen Unternehmen sowie auf allen Ebenen (auf kommunaler, Länder- und Bundesebene). Du willst Beispiele? Alle bisherigen Präsidenten der Arbeitsagentur hatten ein Parteibuch und auch unsere Bundesrichter sind entweder Parteimitglied (oder werden zumindest von einer Partei taktisch eingebracht und durchgesetzt.) Dasselbe gilt für Unternehmen, die in der Vergangenheit einmal dem Staat gehörten. Erinnere Dich nur an den Skandal um den Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn AG (Inhaber aller nennwertlosen Stückaktien ist die Bundesrepublik Deutschland, somit ist die Deutsche Bahn AG ein privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen, das uns allen gehört!), der jüngst extra für den ehemaligen Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes geschaffen wurde. Dieser ehemalige Politiker und Parteisoldat soll laut Medien ein jährliches Gehalt von 679.200 Euro Euro bekommen. Kleiner Exkurs: Ein Lokführer, etwa 50 Jahre alt, verdient etwa 37.396 Euro – wohlgemerkt im Jahr.

Ehemalige Minister, Staatssekretäre, Bundeskanzler … verspüren oft nach dem Verlassen des Amtes ein reges Interesse nach weiteren intensiven Betätigungen, zum Beispiel als Berater für was auch immer. Oft besitzen sie zudem einbringende Aufsichtsratsmandate. Erst mit der Partei eine staatliche Karriere machen, dann sich lukrativere Geldeinnahmequellen erschließen!

Doch kehren wir zurück in die Zentrale der Partei. Grundsätzlich gibt es zahlreiche, wichtige Parteiregularien, die sehr komplex und undurchsichtig sind. Ich will versuchen, sie Dir zu erklären, damit Du die Abläufe innerhalb einer Partei etwas besser verstehst. Abgesehen von minimalen Unterschieden in den einzelnen Parteien musst Du Dir dies ungefähr so vorstellen:

Auf kommunaler Ebene gibt es die sogenannten Ortsvereine, wo die meisten neu eingetretenen Mitglieder landen. Meistens findet einmal im Jahr ein Ortsverein-Parteitag statt. Alle Mitglieder dürfen kommen und über Anträge abstimmen. Gewählt wird ein neuer Parteivorstand, bestehend aus einem Vorsitzenden, Stellvertretern, einem Kassenwart und manchmal einem Schriftführer. Diese Ämter sind in den Regularien festgelegt. Darüber hinaus können diverse Beisitzer gewählt werden und der Vorstand kann auch Personen ernennen, die zwar nicht mitstimmen dürfen, aber beratend ihre Meinung vertreten. Ferner werden auf dem Parteitag die Delegierten für die nächsthöhere Ebene gewählt, für den Unterbezirk oder den Kreis.

Um es einfacher zu machen, tun wir mal so, als ob es hier nur den Kreis gibt. Dieser veranstaltet wieder einen Parteitag, auf dem dann wiederum ein Vorstand gewählt wird. Er besteht aus denselben Mitgliedern wie im Ortsverein. Und natürlich werden auch wieder Delegierte gewählt: für den Landesparteitag, für den Bundesparteitag, für den Europa-Parteitag. Es ist fast dasselbe – nur eben alles auf Kreisebene. Diese oben genannten Vorstandsregularien im Ortsverein können größtenteils auf alle Ebenen (Landesebene, Bundesebene etc.) übertragen werden. Darüber hinaus findest Du außerdem Parteikonvente, Kontroll- und Schiedskommissionen und Parteigerichte (jeweils auf Bundes-, Landes- und Kreis-Ebene) und daneben gibt es unzählige Ausschüsse, die alle beratend helfen sollen.

Das alles ist sehr diffus und unverständlich für Außenstehende, wie wir es sind. Trotzdem hoffe ich, das System ist Dir einigermaßen klar geworden, aber ich gebe zu, dass auch ich es schwer verständlich finde.

Unsere Verwirrung ist jedoch leider ganz im Sinne der führenden Verantwortlichen. Sie möchten nämlich nicht, dass wir, die „normalen Bürger“, diese internen Parteiprozesse und -strukturen sofort verstehen. Allerdings tummeln sich in den Parteien, besonders in deren Leitungsgremien, Menschen herum, denen solche Abläufe aus ihrer beruflichen Welt sehr vertraut sind (sehr oft Verwaltungsfachleute und Juristen). So ist es nicht verwunderlich, dass es nicht um das Wohl der Menschen geht, sondern dass sich diese Männer und Frauen hauptsächlich mit Vorschriften und Leitlinien befassen. Eine Partei ist straff organisiert mit unzähligen rechtlichen Einschränkungen: u. a. Parteisatzungen und Statuten sowie Geschäfts- und Schiedsordnungen. Darüber hinaus gibt es ein Parteiengesetz und verschiedene Bundeswahlgesetze – alles auf der Basis unseres Grundgesetzes, festgelegt im Art.21, Abs. 1: