Cover

Über Andreas Schlüter

© privat

Andreas Schlüter, geboren 1958 in Hamburg, machte eine kaufmännische Ausbildung und leitete später mehrere Jahre lang verschiedene Kinder- und Jugendgruppen, bevor er sich dem Schreiben widmete. Zunächst arbeitete er als Journalist und Fernsehredakteur, ab 1996 dann hauptberuflich als freier Autor. Seither sind von ihm zahlreiche Kinder- und Jugendbücher erschienen, u. a. auch die Erfolgsserie ›Level 4 – Die Stadt der Kinder‹. Der Autor lebt und arbeitet in Hamburg und auf Mallorca. Weitere Informationen unter www.aschlueter.de

Über das Buch

Top Secret: Planet der Kinder

Es ist eine äußerst gefährliche Mission – und niemand hat sie darauf vorbereitet. Aber ohne sie steht die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel. Nach einem Sprung in einen See tauchen Perry, Lea, Marvin und Emily an Bord eines gigantischen Raumschiffs im Jahr 2200 wieder auf! Kurs: „Planet der Kinder“, unbewohnter Ersatzplanet der Erde irgendwo am Rande der Milchstraße. Die Vier sollen den Planeten erforschen und bewohnbar machen. Doch niemand ahnt, dass sie hier nicht willkommen sind – denn der Planet der Kinder ist alles andere als unbewohnt …

Impressum

Originalausgabe

© 2015 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagbild und -gestaltung, Illustrationen: Max Meinzold

Lektorat: Michaela Kolodziejcok

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

eBook-Herstellung im Verlag (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-42844-6 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-76124-6

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423428446

Fußnoten

1

Sowohl alle bewussten Handlungen als auch unsere Kommunikation mit der Außenwelt werden vom sogenannten somatischen Nervensystem gesteuert, im Unterschied zum vegetativen Nervensystem, von dem alle unbewussten, »automatischen« Abläufe wie Atmung, Verdauung, Schwitzen usw. gesteuert werden.

2

Meteorologen unterteilen die (Erd)atmosphäre in zwei weitere Sphären: die Homosphäre, in der die Atmosphärengase gut durchmischt sind, und die darüberliegende Heterosphäre, in der sich die Bestandteile der Atmosphäre zunehmend entmischen. Der Übergang zwischen beiden liegt etwa in einer Höhe von 80120 Kilometern.

3

ASAT – Antisatellitenrakete

4

SBL – Space based Laser. Im Weltraum stationierte Laserwaffen, normalerweise auf Satelliten stationiert, aber die Kids’ Settlement One hat eigene an Bord.

Steckbriefe Spacekids








Abschied

Berlin, 5. August 2015 – 07:35 Uhr

»Sonne, Mond und Sterne!«, plärrte es aus dem Internet-Radio – ein Kinderlied. Perry schaltete die App auf seinem Smartphone aus und schob es in die Tasche seiner Shorts. Da war wohl ein falscher Sender eingestellt.

Sonne, Mond und Sterne!, wiederholte er in Gedanken. So ein Quatsch. Die Sonne ist ein Stern! Einer von etwa 200 Milliarden in der Milchstraße. 30 Millionen Jahre hatte er gebraucht, um aus einer Gaswolke zu einem Himmelskörper zu werden. Dabei ist er, 28000 Lichtjahre vom Zentrum seiner Spiralgalaxie Milchstraße entfernt, weder sehr groß noch mit 6000 Grad Celsius sonderlich heiß und – vom Standpunkt des Universums aus gesehen – vollkommen unbedeutend. Und doch ist dieser Stern – die Sonne – Grundlage allen Lebens, das sich auf einem kleinen, unscheinbaren Planeten, genannt Erde, abspielt. Diese kreist wiederum in 150 Millionen Kilometern Entfernung um die Sonne, umgeben von einer äußerst seltenen Atmosphäre, welche letztlich erst solche erstaunlichen Lebewesen möglich machte wie …

BAM!

Perrys Tür flog auf und knallte gegen den dahinter stehenden Schrank.

»LOS, RAUS, DU STUBENHOCKER

… die dreizehnjährige Lea, Perrys ein Jahr ältere Schwester, die genau in diesem Augenblick in sein Zimmer stürmte. Sie trug neongrüne Sandaletten, dazu grelle, enge Shorts, die sie Hotpants nannte, und ein ärmelloses gelbes Shirt, unter dem die Träger ihres Bikini-Oberteils hervorblitzten. Über ihrer Schulter lag ein großes Badetuch, die Sonnenbrille hatte sie ins Haar geschoben und in der Hand hielt sie ihren Schulrucksack, in dem mit Sicherheit aber keine Schulsachen steckten. Denn schließlich hatten sie Ferien.

»Die Sonne scheint!«, brüllte sie.

»Natürlich tut sie das!«, antwortete Perry. »Und zwar seit rund viereinhalb Milliarden Jahren!«

»Ja, du Klugscheißer!«, konterte Lea. »Aber meistens sind Wolken davor. Heute aber nicht. Um acht macht das Schwimmbad auf. Jetzt ist es schon zwanzig vor und in zehn Minuten sind wir mit Emily und Marvin vorm Eingang verabredet. Also bitte!«

Und schon war Lea wieder verschwunden, so schnell, wie sie gekommen war.

Perry schnappte seinen fertig gepackten Rucksack. In letzter Zeit ergab es sich immer öfter, dass die beiden Geschwisterpaare gemeinsam etwas unternahmen. Natürlich hätte Perry ebenso gut allein mit seinem besten Freund Marvin ins Schwimmbad gehen können, doch eigentlich fand er es gar nicht so schlecht, zusammen mit den Mädchen loszuziehen. Wo Wirbelwind Lea und ihre Freundin Emily aufkreuzten, herrschte immer gute Stimmung und man knüpfte schnell Kontakte. Die beiden Mädchen zogen andere Gleichaltrige an wie ein Magnet die Eisenspäne. Ganz im Gegensatz zu Perry. Wenn er nicht gerade mit Marvin zusammenhing, blieb er meistens für sich. Lea bezeichnete ihn deshalb immer als Nerd, ein seltsamer Außenseiter, dem außer seinem Sternenhimmel alles andere gleichgültig war. Aber das stimmte nicht. Perry war kein Nerd, sondern nur »sehr interessiert«, wie er selbst fand. Und zwar keineswegs ausschließlich an Astronomie, obwohl das sein Lieblingsthema war.

Perry las auch sehr gern Bücher über Raumfahrt, Science-Fiction-Comics und -Romane. Er hatte Spaß am Rechnen und lernte gern physikalische Formeln auswendig, einfach so. Und Sport mochte er ebenfalls, ansonsten würde er doch gar nicht mit zum Schwimmen gehen. Tischtennis zum Beispiel spielte er ausgezeichnet, Schach ebenso und obendrein war Perry als wagemutiger Achterbahnfahrer bekannt. Egal, wie hoch und wie steil die Bahn auch war, nie zeigte er Angst und noch kein einziges Mal war ihm schlecht geworden. Und das hatte er Marvin zu verdanken. Während Perry eher der Theoretiker war, was Weltraumabenteuer anging, war Marvin ganz wild aufs praktische Ausprobieren. Und so war er auch auf die Idee gekommen, auf jedem Jahrmarkt die spektakulärsten Fahrgeschäfte als »Astronautentraining« zu nutzen, so lange, bis einem nicht mehr schlecht wurde. Marvins Meisterleistung: einen Zauberwürfel während der Fahrt durch den Doppellooping einer Achterbahn korrekt zusammenzubauen.

Darüber hinaus galt Marvin als Experte für sämtliche Waffen, die in Science-Fiction-Filmen vorkamen, und er besaß sogar einen täuschend echt aussehenden Astronauten-Overall, den er mal preiswert von einem Filmausstatter gekauft und vom Änderungsschneider um die Ecke auf seine Größe hatte umarbeiten lassen. Es war sein Weihnachtsgeschenk vom letzten Jahr gewesen.

»Perryyyy!«, rief Lea. Sie kam zurück, um zu gucken, wo ihr Bruder blieb.

Perry warf einen sehnsüchtigen Blick auf sein neues Astronomie-Buch und überlegte, ob er das schwere Monstrum mit den vielen atemberaubenden Fotografien von fernen Galaxien mitnehmen sollte.

Seine Schwester sah seinen Blick und wusste sofort, was Sache war. »Bloß nicht!«, warnte sie. »Heute wollen wir Spaß haben! Der Dreier ist unser! Komm jetzt!«

Sie stürmte erneut los.

Perry warf seinem Buch einen letzten Abschiedsgruß zu. Noch einmal wanderte sein Blick zum Fotoposter von Rover, das über seiner Bücher- und Comicsammlung hing. Der Roboter, der zu Forschungszwecken seit einigen Jahren über den Mars fuhr, war schon sehr cool.

»PERRYYYYYY!«, drängte Lea.

Er schloss die Zimmertür hinter sich und folgte seiner Schwester aus der Wohnung.

Im Treppenhaus angekommen, stand er aber plötzlich allein da. Lea war doch vor ihm hinausgegangen? Der Fahrstuhl stand einstiegsbereit in ihrem Stockwerk – mit dem war sie also nicht gefahren. Und auf der Treppe hörte er auch kein Fußgetrappel.

Perry drehte sich um und trat durch die offene Wohnungstür zurück in den Flur. »Lea?«

»Moment!«, tönte es aus ihrem Zimmer. »Ich muss noch Kim und Kim füttern!«

Perry verzog das Gesicht. Erstens, weil es soeben noch geheißen hatte, er solle sich beeilen. Und zweitens, weil die Fütterung von Leas Haustieren in Perrys Augen eine ziemlich eklige Angelegenheit war. Seit einiger Zeit hatte seine Schwester nämlich zwei grasgrüne Eidechsen, die sie mit lebenden Heuschrecken fütterte, welche sie wiederum in einem Extra-Terrarium aufbewahrte und mit einer Pinzette herausnahm, um sie den Echsen zu geben. Lea liebte alle möglichen Arten von Tieren und Perry fragte sich nicht zum ersten Mal, weshalb sie ausgerechnet zwei Exemplare halten musste, die sich von lebenden Insekten ernährten.

Da Kim sowohl ein männlicher als auch ein weiblicher Vorname war, hatte Lea der Einfachheit halber die beiden Echsen unterschiedlichen Geschlechts gleich beide so genannt. Perry vermutete jedoch, dass seine Schwester die Tiere in Wahrheit nur nicht voneinander unterscheiden konnte, was sie natürlich vehement bestritt.

Perry stand in der Tür zu Leas Zimmer und überlegte gerade, ob sie das Gorilla-Poster über ihrem ›Labortisch‹ neu hatte, als Lea mit der Fütterung auch schon fertig war. Sie fischte ihr Smartphone zwischen dem Mikroskop und diversen Reagenzgläsern auf ihrem überquellenden Schreibtisch hervor und schenkte ihrem Bruder ein abenteuerlustiges Lächeln.

Beim Anblick ihres Zimmers hätte man Lea ohne Weiteres auch für einen Nerd halten können. Aber das wäre ungerecht, musste Perry zugeben. Seine Schwester war eher ein Mensch gewordener Tornado, der ohne Rücksicht auf Verluste durch besiedelte Gebiete fegte und dabei alles und jeden mit sich riss. Seine Schwester interessierte sich für vieles, wenn auch meist nur oberflächlich. Sie kannte jeden, machte alles mit und heckte ständig neue Pläne aus. Im Moment wollte sie, wenn sie erwachsen war, eine Tierpflegestation in Afrika eröffnen – darum auch die Eidechsen. Ein halbes Jahr zuvor hatte sie noch eine Autowerkstatt in New York betreiben wollen und für diesen Zweck einen Haufen alter Mofa-Motoren gesammelt. Sie hatte auch schon mal Popstar und Gerichtsmedizinerin werden wollen. Perry hatte die Erinnerung daran, was sie damals alles in ihrem Zimmer gehortet hatte, bereits erfolgreich verdrängt.

Am meisten aber erstaunte ihn immer wieder, dass seine Schwester – so wie jeder andere Mensch auch – Schlaf benötigte. Perry konnte sich alles vorstellen außer einer bewegungslos daliegenden, schlafenden Lea. Er hatte sich tatsächlich schon mal nachts heimlich in ihr Zimmer geschlichen, nur um sich zu vergewissern, ob sie auch wirklich schlief oder sich nicht doch zusammen mit irgendwelchen Fledermäusen auf nächtliche Jagden begab.

»So, jetzt können wir!«, gab Lea Bescheid.

»Wird auch Zeit!«, meckerte Perry.

Sie ließen den Fahrstuhl stehen und rannten zu Fuß hinunter in den Keller, um ihre Räder zu holen und endlich zum Schwimmbad zu düsen. Ohne zu ahnen, dass sie ihre Zimmer womöglich nie mehr wiedersehen würden.

Ein seltsamer Schatten!

Marvin und Emily warteten bereits vorm Eingang des Freibads. Emily, Leas beste Freundin, war mit ihren zwölf Jahren genauso alt wie Perry; ihr Bruder Marvin war ein Jahr jünger.

Emily rieb gerade mit skeptischer Miene über das neue Klebetattoo auf ihrem linken Oberarm und schien sich zu fragen, ob es auch wirklich wasserfest war. Es zeigte eine magische Fee. Emily war zurzeit auf dem Magie-Trip.

Marvin hingegen hielt eine gewaltige Wasserpistole in seinen Händen – eine exakte Nachbildung eines Ionengewehrs aus Star Wars.

Als Perry und Lea näher kamen, ging Marvin seinem Freund breit grinsend entgegen und präsentierte ihm stolz seine neueste Errungenschaft: »Zwei Liter Fassungsvermögen. Spritzt sechs Meter weit!«

»Nicht schlecht!« Perry nickte anerkennend und kicherte. »Ist sie geladen?«

»Logisch!«

Lea hauchte Emily zur Begrüßung ein Küsschen auf jede Wange, behielt die Jungs dabei aber genau im Auge.

»Denk nicht mal dran, Perry!«, rief sie ihm warnend zu. »Oder du wirst einen furchtbaren Tag erleben!«

Perry, der tatsächlich gerade auf seine Schwester hatte zielen wollen, ließ die Arme schnell wieder sinken.

»Später!«, flüsterte er Marvin zu, der ihm verschwörerisch zuzwinkerte.

Nachdem Perry und Lea ihre Räder angeschlossen hatten, betraten die vier Kinder schließlich das Freibad, das sich vor allem durch seinen Natursee auszeichnete.

Wie erhofft war das Bad noch menschenleer. Nur ein einziger eifriger Sportler absolvierte auf einer von zwei abgetrennten Bahnen sein morgendliches Training, während der Bademeister das fünfundzwanzig Meter lange, betonierte Uferstück fegte. Der Rest des Sees war von einem Naturufer gesäumt, das auf der einen Seite aus einem Sandstrand und auf der anderen aus Gras und Schilf bestand, wobei dieser Abschnitt nicht mehr zum Freibad gehörte. Auch der Kiosk, an dem sich im Laufe des Tages eine ewig lange Schlange von Badegästen bilden würde, die sich mit Süßigkeiten, Bockwurst oder Pommes eindecken wollten, hatte noch geschlossen. Er öffnete erst um 9 Uhr. Derart ungestört tummelten sich die Vögel munter in den Baumkronen oder badeten am Sandstrand im seichten, erstaunlich sauberen Wasser.

Und in der Mitte des Sees sah man den Dreier – das Sprungbrett, das zu dieser Tageszeit noch unberührt auf seine erste Benutzung wartete. Genau deswegen waren Perry, Lea, Emily und Marvin hierhergekommen. Natürlich genossen sie auch den See und den Strand, die hohen Birken, die besonders um die Mittagszeit angenehmen Schatten spendeten, aber vor allem hatte es ihnen das Sprungbrett angetan. Und das nicht obwohl, sondern gerade weil der Turm seine besten Zeiten schon lange hinter sich hatte. Es gab keine Plattformen und Sprungbretter in verschiedenen Höhen wie bei modernen Sprunganlagen, sondern eben nur dieses eine, leicht morsch wirkende Dreimeterbrett. Was auch der Grund war, warum die vier nie die Gelegenheit gehabt hatten, ihre Sprünge erst einmal vom Einer zu probieren. Entweder man sprang sofort vom Dreier oder man war zum Zuschauen verdammt.

Wegen des flachen Uferbereichs stand der Turm weiter draußen im See, sodass man erst den Nichtschwimmerbereich durchqueren und unter der Absperrleine hindurchtauchen musste, ehe man ihn mit ein paar letzten Schwimmzügen endlich erreichte. Dann galt es, die angerostete Leiter hochzuklettern, um schließlich von dem knarrenden Brett ins bräunliche Wasser zu springen, dessen Trübung vom aufgewühlten Sandboden herrührte. Lediglich der erste Springer eines Tages hatte vielleicht mal die Chance, durch klares Wasser ein Stück weit in die Tiefe sehen zu können.

So wie Perry in diesem Moment. Wie immer hatte er sich mächtig ins Zeug gelegt, um als Erster den Turm zu erklimmen und genau diesen Augenblick genießen zu können. Wenngleich ihm von vornherein klar gewesen war, dass er nur von kurzer Dauer wäre.

»Springst du heute noch oder hast du Angst?«, drängelte seine Schwester bereits von hinten.

Angst? Unsinn! Das wusste Lea doch. Schon seit einem Jahr machte er einen Kopfsprung vom Dreier! Was Marvin diesen Sommer zum ersten Mal wagen wollte. Bisher war er immer nur mit den Füßen oder dem Hintern voran ins Wasser gesprungen. Genau wie Emily, die sich wie ihr Bruder keinen Kopfsprung traute. Ganz anders Lea, die sogar schon einen Salto vom Dreier machte und überlegte, ob sie es diesen Sommer erstmalig mit einem Salto rückwärts probieren sollte. Perry musste aufpassen, sich nicht hoffnungslos von ihr abhängen zu lassen. Und das bedeutete, dass er in dieser Saison seinen ersten Salto schaffen musste!

»Na los, Arschbombe!«, rief Marvin ihm von der Leiter aus zu.

»Nee, Köpper!«, gab Perry zurück.

»Hauptsache, es wird heute noch was. Mir wächst ja schon Moos auf den Füßen vor lauter Warten!«, drängelte jetzt auch Emily.

Die Mädchen lachten.

Aber Perry sprang nicht. Er stand da wie festgenagelt und schaute mit gebeugtem Kopf angestrengt nach unten.

Dann streckte er eine Hand aus und zeigte mit dem Finger aufs Wasser. »Da ist irgendwas!«

Lea reckte den Hals, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Vermutlich wollte Perry nur Zeit schinden.

»Mach jetzt, spring!«, rief sie ihm zu. »Sonst springe ich zuerst!«

»Da ist eben ein dunkler Schatten vorbeigeschwommen«, behauptete Perry. »Ziemlich groß!«

»Du hast auch einen Schatten!«, motzte Lea. »Du willst bloß nicht springen!«

Inzwischen hatte auch Marvin die Sprungebene erreicht. »Was hat er denn?«, fragte er.

»Einen Schatten!«, lachte Lea.

»Einen Schatten gesehen!«, korrigierte Perry sie. »Er ist von da gekommen und dann direkt unter dem Brett durchgetaucht und weiter nach rechts. Dort entlang!«

Die Mädchen schauten kurz hoch in den blauen Himmel. Aber da war nichts, was einen Schatten aufs Wasser hätte werfen können. Kein Flugzeug, kein Heißluftballon, kein Vogel. Nichts.

Marvin drängte sich an den Mädchen vorbei und ging auf Perry zu. »Im Wasser? Echt? Zeig mal!«

»Das ist doch ein mieser Trick. Die Jungs wollen nur zusammen als Erste springen. Ins unberührte Wasser!«, sagte Emily misstrauisch.

»Genau! Aber nicht mit uns!«, brüllte Lea.

Die Mädchen waren sich sofort einig und stürmten gemeinsam auf die Jungen zu.

»Nein! Stopp!«, rief Perry. »Wirklich! Da war … Halt! Nicht! Neeeeiiiin!«

Zu spät!

Die Mädchen stießen die Jungen vom Brett. Laut kreischend fielen sie rücklings ins Wasser. Sofort sprangen Lea und Emily juchzend hinterher.

Die Fontäne spritzte beinahe hoch genug, um das Dreimeterbrett unter Wasser zu setzen.

Die Kinder tauchten unter. Luftblasen stiegen blubbernd an die Wasseroberfläche wie in einem Whirlpool. Dann war alles wieder ruhig und der See lag so friedlich und still da wie am frühen Morgen, bevor die Kinder das Freibad betreten hatten.

Aber keines der Kinder tauchte wieder auf.

Vom Bademeister unbemerkt, der gerade einen Putzeimer voll Wasser laufen ließ, blieben Perry, Lea, Marvin und Emily verschwunden.

Unter Wasser!

Perry hatte sich zwar vor einiger Zeit angewöhnt, unter Wasser die Augen offen zu halten, doch das nützte ihm hier nichts, weil man durch den aufgewirbelten Sand kaum mehr als die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Hinzu kamen noch Hunderte wild sprudelnder Luftblasen ringsum, die die Sicht behinderten. Aber das kannte er bereits und es machte ihm keine Angst.

Seltsam und neu jedoch war das Gefühl, so tief wie noch nie ins Wasser eingetaucht zu sein. Zwar wusste er nicht genau, wie weit unter der Oberfläche er sich befand, aber er hatte den sicheren Eindruck, dass er tiefer hinabsank als sonst.

Er begann, kräftig mit den Armen zu rudern, um nicht noch tiefer nach unten zu gleiten. Es gelang ihm nicht. Der Sog war zu stark. Richtig: ein Sog! Er sank nicht mehr hinab, nein, eine unsichtbare Kraft zog ihn hinunter! Unwillkürlich schoss ihm durch den Kopf: Das ist gefährlich! Schon oft hatte er davon gehört, dass Schwimmer, darunter auch richtig gute Sportler, plötzlich ertrunken waren und sich alle Welt fragte, wie so etwas bloß hatte passieren können? In diesem Zusammenhang war meist von einer Strömung die Rede gewesen oder einem Unterwassersog.

Nun war er selbst in einen solchen hineingeraten, der ihn wie ein ertrinkendes Insekt über dem Abfluss einer Badewanne trudeln ließ und dabei immer weiter in die Tiefe zog. Aber eine Strömung in einem Freizeitbad? Undenkbar! Und doch konnte er die Tatsachen nicht leugnen.

Soweit er wusste, maß der Badesee an seiner tiefsten Stelle gerade mal fünf Meter, eine Marke, die er längst überschritten haben musste. Er hatte das Gefühl, bereits zehn, fünfzehn Meter oder noch tiefer nach unten gesunken zu sein. Das war unmöglich!

Das Luftblasengeblubber um ihn herum wurde weniger, das Wasser ruhiger, aber es blieb trüb. Nicht weit von sich entfernt nahm er in der braunen Suppe schwache Umrisse wahr. Waren das seine Freunde, die zappelnd gegen den Sog ankämpften wie er?

Da! Kurz blitzte etwas Neongrünes auf. Der Sport-Bikini seiner Schwester – unverkennbar. Und das dort? Emilys Badeanzug? Der war schwarz, mit den drei Streifen des Sportartikelherstellers an der Seite, die im Sonnenlicht reflektierten.

Moment mal! Das war kein Sonnenlicht, oder? Das Licht kam von unten! Von unten? Scheinwerfer? Wo sollten die herkommen, mehrere Meter unterhalb der Wasseroberfläche eines Badesees?

Allmählich solltest du aufsteigen!, dachte Perry. Aber das Einzige, was bei ihm aufstieg, war Panik. Er würde bald mal wieder Luft holen müssen. Okay, er war gut im Luftanhalten. Sehr gut sogar. Besser als Lea und wesentlich besser als Marvin.

Wo steckte Marvin eigentlich? Perry versuchte, sich umzusehen, soweit er hier unten überhaupt etwas sehen konnte. Wieder erfasste er Leas neongrünen Bikini und Emilys schwarzen Schatten. Aber Marvin? Marvin war der Kleinste und Leichteste von ihnen. Insofern musste er sich theoretisch über ihnen befinden. Aber da war nichts. Perry schaute noch mal nach unten Richtung Licht. Da! Oder? War das nicht Marvins orangefarbene Badeshorts?

Selbst Perry wurde jetzt die Luft knapp. Wie schlimm musste es da erst für seinen besten Freund sein? Am liebsten hätte er laut nach Marvin gerufen. Aber das ging natürlich nicht. Perry sank immer tiefer, ruderte mit den Armen, strampelte mit den Beinen. Es half nichts, er gewann keinen Auftrieb, keinen verdammten Millimeter. Stattdessen ging es abwärts wie in einem unsichtbaren Fahrstuhl, der sich nicht aufhalten ließ, bis er sein Ziel in der untersten Etage erreicht hatte.

Neben dem All war die Unterwasserwelt noch ein Universum, das Perry faszinierte. Er wusste einiges darüber und hatte auch schon viel übers Tauchen gelesen. Das war sein heimlicher Traum. Eines Tages würde er seine Eltern dazu überreden, in den Ferien einen Tauchkurs machen zu dürfen. Wenn es für ihn überhaupt noch ein eines Tages geben sollte. Denn das hier war kein Tauchurlaub. Er hatte keine Pressluftflasche, nicht mal einen Schnorchel, der ihm so tief unter Wasser jedoch sowieso nichts genützt hätte.

Merkwürdig nur, dass er noch immer nicht den Grund erreicht hatte. Es kam ihm so vor, als würde er schon seit einer Ewigkeit diesem Licht da unten entgegensinken. Immer weiter und weiter hinab. Und je tiefer es ging, desto heller wurde es. Was völlig unlogisch war. Es hätte dunkler werden müssen, da kaum noch Sonnenlicht bis hier nach unten drang. Aber das Gegenteil war der Fall. Jetzt blendete ihn das grelle Licht dermaßen, dass er sich schützend die Hände vor die Augen halten musste.

Plötzlich stoppte die Abwärtsbewegung. Endlich. Stillstand. Perry schwebte auf der Stelle. Sofort fing er erneut mit Schwimmbewegungen an. Abermals vergeblich. Es zog ihn zwar nichts mehr hinab, aber hinauf kam er auch nicht.

Dann wurde es mit einem Mal stockfinster. Hatte er jetzt die Augen zu? Oder war er tot? Ertrunken im Freibad? Perry spürte nichts mehr. Alles an seinem Körper war taub. Wie gelähmt von Kopf bis zu den großen Zehen. Lediglich seine Augenlider spürte er noch; sie fühlten sich unsagbar schwer an.

Im nächsten Moment schien sich alles wieder ein Stück weit zu normalisieren. Er öffnete die Augen, ohne sicher zu sein, ob er sie überhaupt geschlossen hatte. Unter ihm war es noch immer stockdunkel, aber von oben schien Licht, so wie es sich gehörte. Tageslicht? Die Sonne kam näher, ohne dass er Auftrieb bekommen hätte.

Oder … Moment mal … Ja, jetzt begriff er! Er trieb nicht hinauf, sondern die Wasseroberfläche kam zu ihm herunter! Wie krass war das denn bitte? Das war doch gar nicht möglich, außer … der Wasserpegel sank! Erneut kam ihm der Vergleich mit einer Badewanne in den Sinn. Zuerst der Sog, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Und jetzt lief auch noch das Wasser ab?

Tatsächlich guckte plötzlich seine Nase aus dem Wasser heraus. Er konnte wieder atmen!

Perry holte tief Luft, gleich ein paarmal hintereinander. Nun sah er auch die Köpfe der anderen aus dem Wasser auftauchen. Einer nach dem anderen: Lea, Emily und da war auch Marvin. Alle schienen wohlauf.

»Was ist passiert? Wo sind wir?«, fragte Lea.

Eine mehr als berechtigte Frage, fand Perry. Vom Strandbad, dem Sprungbrett und dem Sommerhimmel war nämlich nichts mehr zu sehen. Stattdessen schwammen sie in einem kleinen Tauchbecken in einer Halle. Dann hatte er mit der Badewanne also gar nicht so falschgelegen. Unter normalen Umständen hätte Perry wohl vermutet, dass sie zu viert durch irgendeine Art Unterwasserverbindung – eine Röhre vielleicht – vom Freibad in den Schwimmhallenbereich gespült worden waren. Die Sache hatte nur einen Haken: Das Strandbad verfügte über keine Hallenbecken.

»Keine Ahnung, wo wir sind!«, antwortete er seiner Schwester.

»Ist mir ehrlich gesagt auch egal!«, warf Emily ein. »Ich will einfach nur so schnell wie möglich hier raus und zurück in unseren See.«

Damit sprach sie den anderen dreien aus der Seele. Die Schwimmhalle besaß keine Fenster. Dadurch wirkte sie nicht nur sehr trist, sondern auch ziemlich unheimlich. Emily zeigte über den Beckenrand hinweg auf eine dicke glatte Stahlschiebetür ohne Griff. Vielleicht öffnete sie sich ja selbsttätig, wenn man darauf zuging? Einen Versuch war es allemal wert.

Das tat sie jedoch leider nicht. Sie waren vergebens aus dem Wasser geklettert. Emily begann zu zittern. Tropfnass und ohne Handtuch war ihr hier draußen am Beckenrand erbärmlich kalt. Ihre Lippen begannen zu bibbern. Perry fragte sich, ob nur die Kälte daran schuld war oder ob sie vielleicht auch Angst hatte. Genau wie er. Wobei er die Situation zugegebenermaßen schon irgendwie spannend fand. Denn er hatte so eine bestimmte Idee, was hier vorging, auch wenn er das den Mädchen nicht auf die Nase binden wollte, um nicht gleich wieder als Spinner abgestempelt zu werden. Perry hoffte nämlich allen Ernstes insgeheim, dass hinter diesem mysteriösen Erlebnis Außerirdische steckten.

Er schaute zu seinem Freund hinüber. Ihre Blicke trafen sich. Marvin schien das Gleiche zu denken wie er. Schon oft hatten sie über ihren Comics, Büchern, Computerspielen und DVDs die Köpfe zusammengesteckt und sich gefragt, ob da draußen in dem unendlichen Universum wohl wirklich bewohnte Planeten existierten. Eigentlich hatten sie nie daran gezweifelt. Die spannendere Frage lautete vielmehr, ob dort irgendwo Wesen existierten, die sowohl biologisch als auch technologisch in der Lage wären, diese unvorstellbaren Entfernungen zu überwinden, um dem Planeten Erde einen Besuch abzustatten.

Ein einzelnes Lichtjahr beschrieb eine Entfernung von 9,46 Billionen Kilometern. Schon das war für den Menschen eine unüberwindbare Strecke. Aber um auch nur annähernd die Chance zu haben, auf andere Lebewesen zu treffen, müsste man zigtausend Lichtjahre zurücklegen. Die Heimatgalaxie der Erde, die Milchstraße, hatte einen Durchmesser von rund 120000 Lichtjahren. Mit dem unmittelbaren Nachbarn, den Zwerggalaxien Große und Kleine Magellansche Wolke, war das Milchstraßensystem über eine etwa 300000 Lichtjahre lange Wasserstoffgasbrücke, dem Magellanschen Strom, verbunden. Selbst akustische Signale anderer Lebewesen würden die Menschen erst Hunderttausende oder Millionen Jahre, nachdem sie ausgesandt worden waren, erreichen. So gesehen war es unvorstellbar, dass sich Lebewesen von verschiedenen Planeten tatsächlich je begegnen könnten. Dennoch glaubten Perry und Marvin fest daran. Es passierten schließlich jede Menge kurioser Dinge, wie sie ja gerade am eigenen Leib erfuhren.

»Kannst du irgendwas hören?«, fragte Lea und riss Perry damit aus seinen Gedanken.

Emily hatte ihr Ohr an die grifflose Tür gelegt. Doch kein Geräusch drang zu ihr hindurch. Lähmende Stille. Entweder war die Tür schallgeschützt oder dahinter gab es wirklich nichts.

»Irgendetwas muss da sein!«, wandte Lea ein. »Sonst gäbe es die Tür doch nicht.« Sie schlug einmal kräftig mit der Faust dagegen, ohne ein nennenswertes Geräusch zu verursachen – lediglich ein leises, dumpfes Ploppen, mehr nicht. Lea ließ die schmerzende Hand sinken.

Marvin runzelte die Stirn. Die Tür war offenbar wirklich schallgeschützt und obendrein noch sehr dick.

»So wie eine Safetür«, überlegte er laut.

»Oder eine Schleuse!«, ergänzte Perry.

Lea hob die Augenbrauen und wandte den Blick zum Schwimmbecken.

»Schleuse?«, stieß sie hervor. »Wie kommst du denn darauf? Meinst du, die fluten vom Becken aus den gesamten Raum, oder wie?«

Nein, das konnte Perry sich nicht vorstellen. Wozu hätte das gut sein sollen? Andererseits: Was sollte eine Schleusentür in einer Schwimmhalle?

»Das ist einfach nur eine dicke, feste Feuerschutztür!«, vermutete Emily. »Wie auch immer. Niemand wird uns durch sie hindurch hören. Aber sie ist der einzige Ausgang und von innen lässt sie sich nicht öffnen.«

Vermutlich hatte Emily recht. Ihnen blieb also nichts anderes übrig, als zu warten. Denn einer Sache war Perry sich sicher: Sie waren nicht aus purem Zufall oder versehentlich hierhergelangt. Jemand hatte sie geholt. Wer und aus welchem Grund auch immer. Und dieser Jemand musste sich ja irgendwann mal bei ihnen melden.

Begegnung!

Emily sprang zurück ins Wasser. Solange sie sich draußen am Beckenrand nicht abtrocknen konnte, war es im beheizten Wasser wärmer. Lea machte es ihr nach.

Die Jungen blieben draußen. Sie froren zwar ebenfalls, aber es kam ihnen irgendwie komisch vor, in solch einer Situation urlaubsmäßig im Pool herumzudümpeln. Außerdem erschien es ihnen nicht gerade angemessen, die Außerirdischen aus dem Wasser heraus zu begrüßen.

Perry schaute sich weiter um. Dass dieser Raum ein Wasserbecken besaß und nicht komplett mit Wasser gefüllt war und dass es einen Ausstieg sowie eine Tür nach draußen gab, ließ darauf schließen, dass die Außerirdischen keine fischähnlichen Wesen mit Kiemen waren, sondern wie Menschen Atemluft benötigten. Vielleicht gehörte das Wasser im Schwimmbad zu einer Art Transportsystem, mit dessen Hilfe sie aus dem See in dieses Becken verfrachtet worden waren.

Perry überlegte, ob man ihn und die anderen gezielt ausgesucht hatte oder ob es jeden x-Beliebigen hätte treffen können, der zufällig an diesem Tag zu dieser Stunde im Freibad ins Wasser gesprungen wäre. Vom Sportschwimmer war hier allerdings nichts zu sehen. Zufall?

Perry seufzte laut. Ach, wie gern hätte er sich mit Marvin jetzt darüber ausgetauscht. Aber dann würden sie wieder nichts als Hohn und Spott von den Mädchen ernten.

»Was ist?«, fragte Lea. »Wieso seufzt du so?«

»Nix!«, antwortete Perry knapp.

Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke und er zuckte zurück, hob einen Fuß und ließ seinen Blick suchend über den Boden gleiten, als hätte er etwas verloren.

»Was hat er denn jetzt schon wieder?«, fragte Emily.

»Ach, er spinnt manchmal ein bisschen«, antwortete Lea. »Weißt du doch!«

Marvin aber wusste sofort, was Sache war. Schon oft hatten er und Perry nämlich überlegt, wie Wesen von einem anderen Planeten wohl aussehen würden. Dabei waren sie von bestimmten Wahrscheinlichkeiten ausgegangen. Welche Lebewesen waren auf der Erde am zahlreichsten vertreten? Menschen? Keineswegs. Auf welche Lebewesen würden Außerirdische wohl am ehesten stoßen, wenn sie von weiter Ferne aus dem All den Planeten Erde analysierten?

Der größte Teil der Erdoberfläche war von Wasser bedeckt. Außerirdische, die irgendwo aus dem Meer eine Probe entnahmen oder Beobachtungssonden schickten, würden also vielleicht zu dem Schluss kommen, die Erde sei vor allem von Quallen, Schwarmfischen oder gar Plankton besiedelt. Falls sie aber eine Bodenuntersuchung vornähmen, könnten sie womöglich denken, der Planet Erde würde von Insekten, Ameisen, Käfern, Bakterien oder Viren beherrscht. Immerhin bildeten sie die übergroße Mehrheit der Bewohner und es gab kein Fleckchen auf dem Planeten, wo sie nicht vorkamen.

Und genau diese Überlegung war der Grund für Perrys seltsames Verhalten. Wenn sie es hier nun auch mit klitzekleinen Außerirdischen zu tun hatten? Und Perry und seine Freunde hatten sie nur übersehen und nicht gehört, weil sie zu winzig waren? Hatte er womöglich gerade den Herrscher eines fremden Planeten in einer fernen Galaxie zertrampelt, der sie nur hatte begrüßen wollen?

Marvin schüttelte den Kopf. Perry wusste sofort, was er ihm damit zu verstehen geben wollte: Wenn die fremden Lebewesen so klein wären, wozu gäbe es dann solch einen Raum mit großer Tür?

Lea merkte, dass sich die Jungen wegen irgendetwas die Köpfe zerbrachen, das sie ihr und Emily nicht verraten wollten. Doch gerade in dem Moment, als sie nachfragen wollte, schob sich die schwere Stahltür geräuschlos auf.

Perry und Marvin fuhren zusammen. Ein Junge kam herein. Er sah aus, als wäre er in Leas Alter, obwohl ihn vielleicht auch nur der haarlose Kopf älter wirken ließ, als er in Wahrheit war. Zwei tiefschwarze Augen musterten die erschrockenen Kinder. Die Miene des Jungen blieb vollkommen ausdruckslos.

Seine Stimme klang seltsam, aber freundlich: »Herzlich willkommen auf unserem Schiff. Mein Name ist VIUA. Vier Großbuchstaben: V.I.U.A. Guten Tag!«

»Hallo!«, erwiderte Lea und winkte aus dem Wasser heraus.

VIUA