cover
W. A. Hary

TEUFELSJÄGER 169-170: Clan der Dämonen

„Willkommen im Jenseits, Mark Tate!“


Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li ) ist jederzeit nachbestellbar.

 

TEUFELSJÄGER 169/170


W. A. Hary

Clan der Dämonen

Willkommen im Jenseits, Mark Tate!“


Ich hatte es geschafft. Nicht ganz so, wie ich es mir vorgenommen hatte zwar… Ich hatte zumindest den Übergang geschafft. Ohne zu wissen, was mich hier, in jener Parallelwelt, überhaupt erwartete. Denn hätte ich es auch nur geahnt, wäre ich dieses Abenteuer mit Sicherheit niemals eingegangen…


Impressum

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

Copyright dieser Fassung 2017 by www.HARY-PRODUCTION.de

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: wah@HaryPro.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.


Titelbild: Stefan Böttcher


Coverhintergrund: Anistasius


1


„Thor – Gott des Donners?“, zischte der dreiäugige, mächtige Troll verächtlich und schlug mit seinem gewaltigen Schwert zu.

Thor wich geschickt aus.

Das brachte ihm ein wütendes Schnauben des unter dem natürlich gewachsenen Zottelpelz und der leichten Lederrüstung krebsroten Trolls ein. Abermals versuchte das monströse Geschöpf, ihn mit seinem Schwert zu erschlagen.

Thor lachte rau, unterlief den Hieb und entwendete dem Angreifer mühelos das Schwert. Der Troll bekam einen Schlag mit dem berühmt-berüchtigten Donnerhammer vor die Brust, der ihn zu Boden taumeln ließ.

Verständnislos blinzelte er mit seinem glutroten Stirnauge. Das war ihm anscheinend noch nie passiert. Er hatte wohl seinen Gegner erheblich unterschätzt, obwohl er es hätte besser wissen müssen, denn Thor ging der Ruf voraus, ein wahrer Gott zu sein und nicht nur so genannt zu werden.

Und Thor war längst noch nicht fertig mit ihm. Er zog den schweren Körper des dreiäugigen Trolls hoch und blickte starr in dieses dritte Auge auf der Stirn, das vor magischer Energie rot aufglühte:

„Was suchst du hier? Bursche, gib Antwort, solange ich noch guter Laune bin!“

Der Troll war nicht kleiner als Thor, wobei Thor allerdings muskulöser und der Troll nur massig wirkte.

In dem roten Auge flackerte es auf einmal, als würde die magische Energie sich erschöpfen. Die beiden annähernd normal zu nennenden Augen verdrehten sich gleichzeitig. Dann wurde der Körper des Trolls schlaff.

Thor ließ ihn einfach zu Boden gleiten.

Er blickte auf den jetzt Bewusstlosen hinab und war sich darüber im klaren, dass er unter normalen Umständen kein so leichtes Spiel mit dem zotteligen Troll gehabt hätte, der durch das rote Auge in der Stirn recht abenteuerlich wirkte. Gerade das magische Auge auf der Stirn bewies, dass es sich nicht wirklich um einen gewaltig erscheinenden Kobold handelte, sondern um einen sogenannten Triklop. Er gehörte also für Thor eindeutig ihren Todfeinden an, der es gewagt hatte, allein, ganz ohne die üblichen Heerscharen, hierher zu kommen.

Nun, Thor war es ja auch allein gelungen, ihn zu stoppen, sozusagen im Handstreich. Aber in diesem Fall war das sowieso keine Kunst gewesen, wie er im Nachhinein fand, denn der Troll war total erschöpft gewesen.

Thor winkte seinen Kriegern zu.

„Bringt ihn in die Stadt!“

Seine Krieger standen ihm zumindest körperlich kaum nach. Dennoch war er ihnen haushoch überlegen. Denn es war ein Unterschied zwischen einem geübten Krieger und einem Kriegsgott.

Der letzte Krieg gegen einen anderen Kriegsgott, der sich Thor weit überlegen gedünkt hatte, nämlich Kriegsgott Mars, war noch nicht lange vorbei, und er war zu Gunsten von Thor ausgegangen. Es war ihm zwar letztlich nicht gelungen, Mars zu vernichten, weil ein Kriegsgott natürlich nicht so ohne Weiteres ausgeschaltet werden konnte, aber sie würden sicherlich für die nächsten Jahrzehnte ihre Ruhe vor ihm und seinen blutrünstigen Heerscharen haben. So lange würde es sicherlich dauern, bis er seine Kräfte hatte neu sammeln können, um mit ihnen wieder genügend Krieger zu unterjochen. Für den nächsten Angriff.

Dabei sah sich Thor selber überhaupt nicht als Kriegsgott. Hatte man ihn denn nicht einst auf Erden den Gott des Donners genannt? Eben als denjenigen, der mit dem Hammer auf die Wolken einschlug, um sie zum Blitzen zu bringen und den Donner grollen zu lassen?

Er schnalzte unwillkürlich mit der Zunge, was ihn beinahe menschlich wirken ließ.

Das waren noch Zeiten gewesen, als ich noch auf der Erde weilte, eben als dieser Gott mit dem Hammer. Die Germanen nannten mich Donar, und die nordischen Völker nannten mich bei meinem wahren Namen, nämlich Thor.

Aber das war längst aus und vorbei. Genauso wie das Gastspiel von Mars, der noch vor seiner Zeit auf der Erde geweilt hatte. Nur Thor konnte sich heute rühmen, der letzte Daedrafürst gewesen zu sein, der es geschafft hatte, das zu beenden, was sie alle zunächst einmal als Fluch gesehen hatten, nämlich die Verbannung auf die Erde. Erst mit der Zeit war ihnen damals klar geworden, was es bedeutete, von den Menschen als wahrer Gott anerkannt zu werden.

Heute musste er zugeben, dass er das nicht nur genossen, sondern teilweise doch arg ausgenutzt hatte. Er hatte in jener Zeit wahrlich schalten und walten können, wie er gewollt hatte. Sie waren untereinander auch keine echten Konkurrenten gewesen, denn die Erde war groß genug, um sie untereinander aufteilen zu können.

Diese tödliche Feindschaft zwischen ihnen war erst wieder entstanden, als sie nach und nach alle den Weg zurück ins Daedrareich geschafft hatten. Und dass diese Feindschaft hier gewissermaßen unerlässlich blieb, dafür sorgten die ganz besonderen Bedingungen im Daedrareich.

Abermals schnalzte er mit der Zunge, wie er es sich in jener Zeit auf der Erde angewöhnt hatte. Er schulterte seinen berühmten Hammer und ging zu dem Reittier hinüber, das nur ganz entfernt an ein irdisches Pferd erinnerte, dafür jedoch fast dreimal so groß war, mit so mächtigen Muskeln, die es nur noch monströser wirken ließen.

Nach dem gerade erst überstandenen letzten Krieg gegen Kriegsgott Mars hatten die Daedrakrieger nicht nur ihre eigenen, sondern auch die zurückgelassenen Reittiere der Angreifer wieder eingefangen und auf sich eingestimmt. Die Pferde leisteten ihnen gute Dienste.

Auch Thor hatte sich eines der Tiere gesichert - allerdings ein besonders kräftiges Exemplar, damit es nicht unter ihm zusammenbrach.

Die fünf Daedrakrieger, die zwar Thor begleiteten, jedoch in den ungleichen Kampf nicht eingegriffen hatten, banden den bewusstlosen Gefangenen quer über den Rücken eines Reservepferdes. Dann zogen sie los, von Thor angeführt.


*


Der Troll erwachte bald aus seiner Bewusstlosigkeit. Vorsichtshalber hatten die Daedrakrieger ihn so festgebunden, dass er sich unmöglich aus eigener Kraft daraus befreien konnte. Selbst wenn er wieder vollkommen bei Kräften gewesen wäre.

Wütend zerrte er an den unzerreißbaren Fesseln.

„Was habt ihr mit mir vor, ihr Ungeheuer?“

„Ungeheuer?“ Ein Daedrakrieger lachte belustigt. „Was bist du denn?“

„Ich bin der Namenlose aus dem Stamm der Dreiäugigen!“, verkündete der Troll stolz.

Jetzt lachten auch die anderen.

„Hört, hört, aus dem Stamm der Dreiäugigen! Das hätte ich jetzt wirklich nicht vermutet. Ihr vielleicht? Für mich jedenfalls ist das ganz einfach nur einer dieser scheußlichen Triklops. Du kannst von Glück sagen, dass wir dich nicht vernichtet haben, um deine Energie für uns nutzbar zu machen, wie es eigentlich üblich ist. So aber hat unser Kriegsherr wohl noch etwas Besonderes mit dir vor.“

Thor hörte es zwar, ging jedoch nicht darauf ein. Klar, seine Krieger wunderten sich darüber, dass er den Triklop am Leben ließ. Sie vermuteten irgendeine nicht für einen gewöhnlichen Krieger gleich erkennbare strategische Entscheidung und hofften auf nähere Erläuterungen, ohne es zu wagen, ihn direkt danach zu fragen. In Wahrheit jedoch tat der Gefangene ihm einfach nur leid. Nicht nur, weil das Ganze ihm mehr als seltsam anmutete. Ein Triklop, der es wagte, allein in ihr Reich einzudringen? Um dann sich auch noch schnurstracks zu ihrem wichtigsten Heiligtum zu begeben? So offensichtlich, dass Thor es schon meilenweit im Voraus gespürt hatte, um mit seiner Handvoll Kriegern sich des Triklops persönlich anzunehmen?

Ja, wenn dieser Triklop nicht so erschöpft erschienen wäre – so erschöpft jedenfalls, dass er sich kaum hatte zur Wehr setzen können…

Er trieb sein Pferd näher heran. Willig machten ihm die Krieger seines Volkes Platz.

„Wo kommst du her, Dreiäugiger? Was willst du von uns?“

„Gar nichts, Thor. Die Begegnung ist rein zufällig. Ich irrte durch die Wüste und habe seit zwei Tagen nichts getrunken und seit einer Woche nichts gegessen. Da kamt ihr. Was tut man, wenn man Ungeheuern wie euch begegnet? Man wehrt sich seiner Haut, auch wenn der eine freundlich tut und sich sogar mit seinem Namen vorstellt. Bist du wirklich Thor? Seit wann hat ein so hässliches Wesen mit zwei Augen einen Namen?“

„Zwei Tage ohne Wasser?“, echote der eine Daedrakrieger ungläubig. „Du willst uns wohl auf den Arm nehmen, was? Seit wann braucht ein daedrischer Triklop Wasser und sogar Nahrung?“

„Lass ihn, Brahim!“, befahl Thor scharf. Dann wandte er sich wieder an den angeblich Namenlosen. „Wieso bist du in Richtung Heiligtum unterwegs gewesen? Kein Fremder hat dort Zugang, denn es ist magisch geschützt. Wolltest du nicht zu unserer Stadt?“

„Wo soll denn in dieser verfluchten Einöde eine Stadt sein?“

Thor schüttelte irritiert den Kopf.

„Nun, wenn ein Triklop nicht weiß, dass es unsere Stadt gibt, dann weiß er wohl zumindest, wo sich unser wichtigstes Heiligtum befindet.“

„Was für ein verdammtes Heiligtum überhaupt?“

Abermals schüttelte Thor den Kopf. Ja, das war mehr als irritierend. Die Feindschaft zwischen den Triklops und der Daedrastadt, deren wahren Namen keiner von ihnen auszusprechen wagte, um keinen der ewigen Feinde damit zu beschwören, währte schon seit Urzeiten. Es konnte sich also nur um eine Lüge handeln, wenn der Triklop hier behauptete, nichts davon zu wissen.

Oder hing es irgendwie damit zusammen, dass sich die Triklops aus dem Krieg herausgehalten hatten, ohne sich die Schwächung durch die Heerscharen des Mars zunutze zu machen?

Nein!, entschied Thor bei sich. Sie haben sich deshalb herausgehalten, weil sie dabei Gefahr gelaufen wären, von Mars ebenfalls aufgerieben zu werden. Er hätte sich niemals mit den Triklops verbündet, um gegen uns ins Feld zu ziehen, denn die Triklops sind genauso auch seine ewigen Feinde, die er mit seiner Magie nicht so leicht unterordnen kann, dass sie sich von ihm unfreiwillig führen ließen.

Und das Heiligtum gar, jener Steingarten, um den bereits unzählige Kriege zwischen den Triklops und der Daedrastadt geführt worden waren… Er tat so, als wüsste er überhaupt nichts davon? Aber wieso hatte er sich dann schnurstracks in diese Richtung begeben?

Thor fragte ihn danach.

„Ich bin in diese Richtung gegangen, weil ich es gespürt habe. Es hat mich angelockt. Als wäre dort meine Rettung, um mich vor dem Tode durch verdursten und verhungern zu bewahren.“

„Schon wieder die Behauptung, Wasser und Nahrung zu sich nehmen zu müssen?“

„Was meinst du damit, Thor?“

„Du hast vorhin so getan, als würdest du nichts von mir wissen. Das hat jedoch anders geklungen, bevor es zum Kampf zwischen uns kam.“

„Ja, ja, zugegeben, ich habe von dir schon mal gehört. Vor kurzem erst. Ich habe jedoch keine Erinnerung mehr an die Zusammenhänge.“

„Bleibt noch die Behauptung, Wasser zu benötigen. Und in der Tat, du erscheinst mir sehr erschöpft und mitgenommen, also kaum wehrfähig. Was hat dich dermaßen geschwächt? Oder ging ein Kampf voraus, der dazu geführt hat?“

„Wie um alles in der Welt kommt ihr dazu, meine Worte zu bezweifeln, obwohl es allzu offensichtlich ist, was mir widerfuhr?“

„Aber Wasser und Nahrung…“, murmelte einer der Daedrakrieger ungläubig.

Thor wechselte einen Blick mit ihm und ließ ihn damit verstummen.

Aus irgendeinem Grund glaubte er dem Troll. Dieses Wesen war wirklich am Ende seiner Kräfte. Auch wenn sich keiner von ihnen erinnern konnte, wann jemals ein Daedra Wasser und Nahrung benötigt hätte. Vielleicht gab es ja solche Ausnahmen im Daedrareich wirklich? Aber wo sollte man hier so etwas finden, in einer ewigen Stein- und Geröllwüste mit vereinzelten Sandebenen? Nährte sich denn nicht jeder Daedra von den Daedraenergien, die diese Welt beherrschten?

Thor war längst an seinem persönlichen Limit angelangt. Das hieß, auch wenn er einen anderen Daedra vernichtete, konnte er dessen Energie nicht mehr aufnehmen. So hatte jedes Lebewesen seine persönliche Grenze. Es existierten nur wenige, deren Kapazität dermaßen groß war, dass sie sich über alle anderen mehr oder weniger erheben konnten. So wie eben Thor oder wie der Kriegsgott Mars.

Falls es jedoch der Wahrheit entsprach, wie auch immer: Hatte der Troll sich denn tatsächlich verirrt oder war er nicht vielmehr vor irgendetwas oder irgendwem auf der Flucht?

„Wir stammen aus der Daedrastadt mit dem geheimen Namen, jenseits der Berge, die du drüben siehst. Sie ist recht leicht zu erreichen, denn es gibt einen sicheren Weg. Für uns sicher, die wir ihn gut genug kennen und die wir ihn unbeschadet passieren dürfen. Denn dieser Weg ist nicht nur sicher einerseits, sondern andererseits sehr leicht zu kontrollieren. Er gehört somit zu unserer vordersten Verteidigung. Allerdings ist unser Heiligtum diesseits der Berge. Wäre es näher der Stadt, dürften wir uns nahezu unbezwingbar nennen.“

Thor lachte rau.

„Davon weiß ich überhaupt nichts!“, behauptete der Triklop keuchend. Hatte er wieder vorübergehend das Bewusstsein verloren und war daraus jetzt erst erwacht? Wie viel hatte er von dem mitbekommen, was Thor ihm erzählt hatte?

„Wie ich schon sagte!“, knurrte der Triklop genervt.

„Ich - ich habe mich nicht wirklich verirrt, sondern… bin auf der Flucht!“, stieß der Dreiäugige nämlich plötzlich hervor. „Die verdammten Zweiäugigen sind mir auf den Fersen. Und ihr gehört sicherlich zu ihnen. Denn ihr seid ebenfalls Zweiäugige. Eine verfluchte Falle für mich, den Namenlosen!“

Und dann preschte, beinahe wie aus dem Nichts aufgetaucht, ein Reitertrupp hervor und hielt genau auf sie zu.