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William Voltz

 

 

 

HOTEL GALACTIC

 

Roman

 

 

 

 

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WING Publishing

 

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Über den Autor

1.

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11.

Impressum

 

Über den Autor

 

William Voltz wurde am 28.Januar 1938 in Offenbach geboren. Er interessierte sich bereits in früher Jugend für Science Fiction, wurde Mitglied im SFCD und war Mitbegründer des SF-Clubs STELLARIS in Frankfurt.

William Voltz begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und auch ein Buch mit dem Titel STERNENKÄMPFER wurde veröffentlicht. Für seine Stories, die sich großer Beliebtheit erfreuten, bekam er im Jahr 1961 den »Besten Fan-Autor Preis«.

Sein Engagement ebnete ihm 1962 den Weg ins damals noch junge und kleine PERRY RHODAN - Team.

Bis zu seinem viel zu frühen Tod am 24. März 1984 schrieb der Autor nicht nur für diese und andere Serien, sondern veröffentlichte auch Serien unabhängige Romane und Kurzgeschichten.

Bookwire gab uns die Möglichkeit, diese William Voltz Veröffentlichungen als e-books anzubieten.

1.

 

Das Landefeld erstreckte sich bis zum Horizont; die eintönige Fläche wurde nur von ein paar Lagerschuppen unterbrochen, die man vor ein paar Jahren aufgestellt und dann niemals benutzt hatte. Die Kontrolltürme und Verwaltungsgebäude des ehemaligen Raumhafens von Quibir bildeten jetzt das Armenviertel der riesigen Stadt; hier lebten Trinker, Rauschgiftsüchtige, alte Raumfahrer und andere Menschen, die beim gnadenlosen Existenzkampf im Innern der Stadt unterlegen waren.

Das Wetter war kalt und unfreundlich, als Samuel Flachsbarth an diesem Morgen die Türblenden seines Restaurants hochgleiten ließ. Flachsbarth fluchte, weil eine der Blenden klemmte und er sich beim Versuch, sie zu lösen, eine Quetschung am Daumen zuzog. Die Blenden rasselten in ihre Kästen, und dieser Lärm war gleichsam das Signal für die nähere Umgebung, aus dem Schlaf zu erwachen.

Flachsbarth betrat das Restaurant. Er ließ die Tür offen, damit der Geruch nach Rauch und abgestandenem Bier abziehen konnte. Wie jeden Morgen trug er die Abfalleimer hinaus und schüttete ihren Inhalt in die kleine Verbrennungsanlage hinter dem Haus. Danach wischte er die Tische ab, spülte Gläser und polierte die Kaffeemaschine.

Er genoss diese Minuten völliger Einsamkeit vor allem deshalb, weil sie mit Arbeit ausgefüllt waren und ihm etwas von jener Geschäftigkeit übermittelten, die er früher einmal hatte aufbringen müssen, um das Restaurant zu führen. Bevor man den Raumhafen von Quibir stillgelegt hatte, war Flachsbarth der reichste und populärste Wirt am Rand des Landefelds gewesen.

Samuel Flachsbarth war ein mittelgroßer, nicht sehr kräftiger Mann mit schmalen und nach vorn gezogenen Schultern. Seine Gesichtshaut war blass und großporig, so dass die dunklen Augen sehr lebhaft wirkten. Flachsbarth trug seine Haare zur Seite gekämmt, um den Glatzenansatz zu verbergen, der sich von Monat zu Monat vergrößerte. Er war zweiundvierzig Jahre alt, sah aber fünf Jahre älter aus.

Flachsbarth zählte die Einnahmen der vergangenen Nacht, dreiundfünfzig Galakto-Dollar, und drückte die entsprechenden Tasten der Registrierkladde, die an die Finanzzentrale von Quibir angeschlossen war. Auf diese Weise wurde die Tagessteuer ermittelt, die Flachsbarth zu entrichten hatte. Sie war im Vergleich zu früher lächerlich gering.

Flachsbarths letzte Arbeit bestand im Zurechtrücken von Tischen und Stühlen, dem Überprüfen der Spiel- und Genussautomaten und im Auskehren des Restaurants. Noch vor einem Jahr hatte ein Helfer diese Arbeit erledigt, doch jetzt war Flachsbarth nicht mehr in der Lage, diesem Mann den Lohn zu zahlen.

Mit dem Besen in der Hand blieb Flachsbarth im Eingang stehen. An diesem Morgen war der Himmel wolkenbedeckt, so dass es im Restaurant nicht sehr hell war. Wenn Flachsbarth seine Umgebung unter halbgeschlossenen Lidern beobachtete, konnte er sie in seiner Phantasie zu ihrem früheren Glanz erwachen lassen. Unsichtbar blieben dann der abgetretene Bodenbelag, die durchgescheuerten Stühle, Flecke an den Wänden und Schmutzränder auf den Tischen. Selbst die Automaten, sämtlich ältere Modelle, schienen wieder geheimnisvoll zu funkeln und jedem, der sie benutzen wollte, Reichtum und Glückseligkeit zu versprechen.

»Sam!«

Flachsbarth zuckte zusammen. Er umklammerte den Besen und ging ins Restaurant zurück.

»Sam! Wo bleibst du nur, Sam?«

Flachsbarth hastete zum hinteren Treppenaufgang, der das Restaurant mit der Wohnung verband.

»Was ist los?«, rief er hinauf.

»Ist der Kaffee fertig?«, fragte seine Frau. »Ich warte darauf.«

Wortlos wandte sich Flachsbarth ab und schaltete die Kaffeemaschine ein. Er lächelte, wenn er an Sylva dachte. Sie schien bis zum heutigen Tag noch nicht begriffen zu haben, welche Rückschläge er seit der Stilllegung des Raumhafens hatte hinnehmen müssen. Sylva weigerte sich, die Realitäten anzuerkennen. Auch die Tatsache, dass keiner jener prominenten Besucher, die früher ins Restaurant gekommen waren, sich noch zeigte, vermochte Sylva nicht zu erschüttern. Hatte sie früher Offiziere und hohe Beamte des Raumhafens in regelmäßigen Abständen eingeladen, so empfing sie jetzt Bewohner des Armenviertels mit der gleichen Liebenswürdigkeit und Höflichkeit, und es machte ihr nichts aus, dass diese Menschen sie verständnislos anblickten, wenn sie in einem sehr alten und sehr teuren Kleid durch die Wohnung lief, billiges Gebäck und Tee servierte und dabei Zitate von Moneolo und Wormstor zum Besten gab.

Im Gegensatz zu Flachsbarth hatte Sylva sich nicht verändert. Ihr fiel es auch leichter, die alten Gewohnheiten beizubehalten, denn es war Flachsbarth, der unten im Restaurant stand und die wenigen Gäste bediente, die alle noch ärmer waren als er. Es war Flachsbarth, der alle finanziellen Dinge regelte, und es war Flachsbarth, der sich mit der Auto-Polizei auseinandersetzte, wenn Quito, sein Sohn, wieder einmal in ein Delikt verwickelt war.

Der Kaffee war fertig, und Flachsbarth stellte Kanne und Tasse auf ein Tablett, um alles nach oben zu tragen. Als er auf der Treppe war, klang ihm Musik entgegen. Es war die Art von Musik, wie Sylva sie liebte, ein unmelodisches Trommeln, das sich manchmal in von elektronischen Effekten begleitetes Stampfen steigerte.

Flachsbarth stieß die Tür zur Wohnung mit dem Fuß auf. Sylva wandte ihm den Rücken zu, als er eintrat. Sie war eine hagere und große Frau, die sich sehr aufrecht hielt. Ihr kahlrasierter Kopf war mit Ultrafarben bemalt. Sylva änderte die Bildsymbole wöchentlich. Zu diesem Zweck kam jedes Mal ein Künstler aus der Stadt, der für seine Arbeit fünf Galakto-Dollar erhielt.

Flachsbarth stellte das Tablett auf den Tisch. Er war sicher, dass Sylva gehört hatte, wie er hereingekommen war. Er trat hinter sie und küsste sie sanft in den Nacken. Sie lehnte leidenschaftliche Liebesbezeigungen ab.

»Guten Morgen«, sagte Flachsbarth.

»Der Tisch ist gedeckt«, sagte sie. »Quito war in der vergangenen Nacht nicht zu Hause. Ich nehme an, er hat sie bei Freunden zugebracht.«

»Ja«, sagte Flachsbarth. »Das ist durchaus möglich.«

Dabei wusste er, dass Quito sich entweder in einem Bordell oder in einer Kapsel der Auto-Polizei aufhielt. Es war jedoch sinnlos, mit Sylva darüber zu sprechen, denn sie würde nicht glauben, dass ihr Sohn an Dingen Gefallen fand, die ihrer Ansicht nach verabscheuungswürdig waren.

Flachsbarth ließ sich am Tisch nieder. Sie bewohnten einen achtzig Quadratmeter großen Raum, den man durch drei versenkbare Wände abteilen konnte. Die Einrichtung war veraltet, aber kostbar. Die Wohnung war so sauber, dass sie fast schon steril wirkte. Das war Sylvas Welt, eine Umgebung, in der es unvorstellbar war, dass wenige Meter tiefer ein Restaurant lag.

Sylva kam an den Tisch. Ihre Blicke waren kritisch auf ihren Mann gerichtet.

Flachsbarth lächelte ihr entgegen.

»Ich hoffe, du hast gut geschlafen?«, sagte er, während er sich eine Scheibe Toast mit Käse belegte. »Ich war unten und habe das Restaurant in Ordnung gebracht.«

Sie umschloss die Kaffeekanne mit ihren Händen, als wollte sie sich erwärmen. Hinter ihr glitt einer der schwerelosen Leuchtkörper vorbei, die den Raum erhellten. Es gab keine Fenster. Die Frischluftzufuhr wurde von einer Klimaanlage geregelt. Flachsbarth war froh darüber, dass er das verlassene Landefeld von seiner Wohnung aus nicht sehen konnte.

»Wir sollten einen Tag schließen«, sagte sie unvermittelt.

Flachsbarth starrte sie an.

»Wir hatten schon lange keinen freien Tag mehr«, sagte sie. »Ich bin dafür, dass wir in die Stadt fahren, um einzukaufen. Du solltest einen neuen Anzug bekommen, und vielleicht finden wir ein paar passende Dekors für Quitos Zimmer.«

»Nun«, antwortete Flachsbarth vorsichtig. »Darüber können wir reden.«

»Morgen«, sagte sie entschieden.

Flachsbarth blickte von seinem Teller auf.

»Ich bin nicht sicher, ob wir so ohne weiteres schließen sollten«, sagte er.

»Du könntest einen Zettel an die Tür hängen, dass wir einen Tag wegen Krankheit geschlossen haben, oder so ähnlich.«

»Heutzutage wird kaum noch jemand krank«, wandte Flachsbarth ein.

»Es war ja auch nur ein Vorschlag. Hast du keine Phantasie? Es gibt viele Möglichkeiten. Und wir haben das Recht auf einen freien Tag. Wir könnten Quito mit in die Stadt nehmen. Er wird sich freuen, wenn er wieder einmal etwas anderes zu sehen bekommt.«

Flachsbarth begann mechanisch zu kauen. Welche Einwände er auch hervorbringen mochte, sie würde keinen davon akzeptieren.

»Ich habe keine Lust, in die Stadt zu fahren«, erklärte er verdrossen. »Du darfst nicht vergessen, dass wir nicht viel Geld zurückgelegt haben. Viel können wir nicht einkaufen.«

»Du könntest einen Kredit aufnehmen. Ich habe mit Major Bronsoms Frau gesprochen. Alles, was sie sich angeschafft haben, läuft auf Kredit.«

Flachsbarth kannte Major Bronsoms Frau nur flüchtig, aber dafür kannte er den Major sehr genau. Bronsom war ein alter, verhärmt aussehender Mann, den man wegen Trunksucht frühzeitig aus der Flotte entlassen hatte. Er kam jeden Tag kurz vor Einbruch der Dunkelheit in Flachsbarths Restaurant, um einen halben Liter Rotwein zu trinken. Mit gefalteten Händen und auf die Ellenbogen gestützt, saß er am Tisch. Er änderte diese Haltung nur, um zu trinken. Selten nur sprach er mit anderen Gästen. Seine Augen waren auf das öde Landefeld gerichtet, als könnte er dort Dinge erkennen, die jedem anderen verborgen blieben. Wahrscheinlich bereitete es ihm keine Sorgen, dass er verschuldet war.

»Können wir die Musik nicht etwas leiser stellen?«, fragte Flachsbarth nervös.

Sylva hob die Augenbrauen.

»Du bist zu oft unten«, sagte sie vorwurfsvoll. »Manchmal glaube ich, dass du jede Beziehung zum kulturellen Leben verloren hast.«

»Das ist schon möglich«, gab Flachsbarth zu.

»Du liest nicht, du siehst dir keine Deckenprogramme an und hörst keine Musik«, klagte Sylva. »Zum Glück kann ich mich mit meinen Besuchern über all diese Dinge unterhalten, sonst würde ich vollkommen verkümmern.«

Keiner der Besucher, die Sylva regelmäßig empfing, besaß auch nur den Bruchteil von Flachsbarths Wissen. Es störte ihn jedoch nicht, dass seine Frau ihm Vorwürfe machte. Wenn sie Besuch hatte, bestritt sie das Gespräch oft allein, und die ungebildeten Menschen, die in den verlassenen Gebäuden rings um das Landefeld lebten, hörten ihr verständnislos zu. Trotzdem verstand Sylva es, als Gastgeberin zu faszinieren. Sie schenkte den Gästen etwas von einer anderen Welt, sie gab ihnen Einblick in Kreise, von deren Existenz diese Menschen nur gerüchteweise gehört hatten.

Ihre Phantasie und sehr teure Zeitschriften machten es Sylva möglich, sich über alles zu unterhalten. Flachsbarth bewunderte seine Frau, obwohl er sich oft mit ihr stritt. Flachsbarth hatte sein Frühstück beendet. Er wischte sich über den Mund und erhob sich.

»Ich gehe jetzt nach unten«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. »Um diese Zeit kommen ein paar Arbeiter, um Kaffee zu trinken.«

Ihre grauen Augen ließen ihn nicht los.

»Was ist mit morgen?«

»Die Stadtfahrt? Nun gut, Sylva, ich werde morgen schließen, aber ich schlage vor, dass wir Quito nicht mitnehmen. Er wird sich in unserer Gegenwart nur langweilen.«

»Wie kannst du nur so etwas behaupten?«, fragte sie erregt. »Der Junge ist glücklich, wenn er mit uns zusammen sein kann. Ich möchte auf jeden Fall, dass du ihm von meinem Plan berichtest und ihn zum Mitkommen einlädst.«

»Also gut«, sagte er widerwillig.

Merkwürdigerweise empfand er Erleichterung, als er die Treppe hinabstieg. Wer in Sylvas Nähe kam, schien in eine Art Bannkreis zu geraten, wo sich alles auf ihre Persönlichkeit konzentrierte.

Als Flachsbarth das Lokal betrat, sah er seinen Sohn Quito, der die Kühltruhe geöffnet und sich davor niedergebeugt hatte. In einer Hand hielt er eine Flasche, die er der Truhe entnommen hatte. Quito war bis auf den Wärmeschild auf seiner Brust völlig nackt. Sein Körper schillerte in acht Ultrafarben.

»Was hältst du davon, wenn du statt des Alkohols einen Kaffee trinkst?«, fragte Flachsbarth und schlug wütend die Truhentür zu.

Quito antwortete nicht, sondern zog sich gähnend bis zu einem Tisch zurück, wo er sich mit der Flasche in der Hand niederließ. Er beobachtete seinen Vater mit spöttischen Blicken.

»Deine Mutter möchte, dass du morgen mit uns in die Stadt fährst«, sagte Flachsbarth.

»Sieh an!«, rief Quito vergnügt und nahm einen großen Schluck.

»Dazu wird es nötig sein, dass du Kleider anziehst«, sagte Flachsbarth. »Es gefällt mir sowieso nicht, wenn du in dieser Aufmachung herumläufst. Was sollen die Kunden denken, die hier hereinkommen?«

Quito zuckte mit den Schultern.

»Diese Menschen denken überhaupt nicht«, sagte er. »Außerdem: Was ist an dieser Kneipe noch zu verderben? An deiner Stelle würde ich mir eine Arbeit suchen. Du bist noch jung genug.«

»Warum arbeitest du nicht?«

»Muss ich das?« Quito lächelte. »Ich habe meine Mädchen, die für mich sorgen. Ich glaube, dass ich an einem Tag mehr Geld verdiene als du in einem Monat.«

»Aber du verspielst es wieder«, warf ihm Flachsbarth vor.

Quito sah seiner Mutter sehr ähnlich. Mit dem kantigen Gesicht und dem schlanken Körper besaß er etwas von ihrer äußeren Würde. Er war ungewöhnlich intelligent, aber er benutzte seine geistige Überlegenheit gegenüber anderen Menschen nicht. Flachsbarth hoffte, dass Quito sich ändern würde, wenn er zwanzig Jahre und älter wurde.

Quito schob die Flasche über den Tisch.

»Ihr werdet allein in die Stadt fahren müssen«, sagte er. »Ich habe schon etwas vor.«

»Deine Mutter wird sehr traurig sein.«

»Lüge ihr etwas vor«, sagte Quito. »Darin bist du doch ein wahrer Meister. Du hältst sie doch dort oben in ihrem goldenen Käfig und achtest darauf, dass nichts an sie herankommt, was mit der Wahrheit zu tun hat.«

Flachsbarth betrachtete ihn nachdenklich.

»Ich könnte dich psychisch umstellen lassen«, sagte er.

»War das eine Drohung?«

»Nein. Ich habe in letzter Zeit viel über dich nachgedacht. Die Gefahr, dass du von der Auto-Polizei an die Psychiater übergeben wirst, wächst ständig. Ich befürchte, dass sie dich umstellen, bevor du vernünftig wirst.«

Quito lachte, und die Farblinien rund um seinen Mund zogen sich in die Breite.

»Ich habe keine Angst.«

Ein paar Arbeiter kamen herein, und Flachsbarth bereitete Kaffee für sie vor. Sie alle wussten, dass Quito sein Sohn war, aber sie beachteten ihn nicht und sie sprachen auch nicht mit Flachsbarth über ihn. Offenbar war es ihnen peinlich.

Nach einer Weile ging Quito hinaus. Flachsbarth überlegte, was er Sylva sagen sollte.

Er hörte das Visiphon summen.

»Entschuldigt mich«, sagte er zu den Männern, die an der Theke lehnten und ihren Kaffee tranken.

Sie nickten ihm zu. Es war Monate her, dass Flachsbarth einen Anruf erhalten hatte, und er spürte, dass er aufgeregt war. Bestimmt war es wegen Quito. Hoffentlich musste er keine Strafe für ihn bezahlen, sonst musste der Stadtbesuch ausfallen.

Flachsbarth erreichte das Visiphon und schaltete auf Empfang.

»Wood!«, rief er überrascht, als er das Gesicht auf dem Bildschirm erkannte. »Wood Coleman!«

Das breite Gesicht Colemans lächelte auf ihn herab. Coleman hatte dichtes schwarzes Haar und trug eine Zahnprothese aus Vergon. Die künstlichen Zähne glänzten, wenn Coleman sie entblößte.

»Da staunst du, was?«, dröhnte Coleman. »Der alte Wood Coleman! Das hättest du nicht gedacht, dass er sich deiner erinnert.«

»Tatsächlich nicht, Wood«, gab Flachsbarth zu. »Nach allem, was ich von dir gehört und gelesen habe …«

Coleman winkte ab.

»Lächerlich!«, knurrte er. »Wood Coleman vergisst keinen alten Freund. Es stimmt schon, ich bin einer der reichsten Männer von ganz Quibir und habe ständig zu tun. Aber für ein Gespräch mit dir reicht die Zeit auf jeden Fall. Du bist älter geworden, Samuel. Geht es dir gut?«

»Ja«, sagte Flachsbarth leise. Es war ihm peinlich, dass die Männer an der Theke mithörten. Sie standen an ihren Plätzen und starrten herüber. Flachsbarth wünschte, Wood wäre nicht so impulsiv gewesen. Aber das war seine Art. So hatte Flachsbarth ihn in Erinnerung.

»Ich erinnere mich, dass ich zweimal in deinem Lokal gegessen habe«, fuhr Coleman fort. Er schmatzte genießerisch. »Großartig. Großartig, sage ich nur. Ich habe niemals in meinem Leben besser gegessen.«

»Das freut mich«, sagte Flachsbarth. »Aber inzwischen hat sich viel …«

»Hör zu, alter Junge«, unterbrach ihn Wood Coleman. »Was hältst du davon, wenn ich dich morgen besuche?«

Flachsbarth fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht kroch, und er senkte den Kopf, damit Coleman es nicht sehen konnte.

»Ich weiß nicht«, sagte er leise. »Ich habe Sylva versprochen, dass wir morgen in die Stadt fahren, und möchte sie nicht enttäuschen.«

»Aber das ist doch alles Unsinn«, rief Coleman. »Ich komme zu euch hinaus, um mit dir über ein neues Projekt zu sprechen, dann fahren wir gemeinsam in die Stadt, und ich gehe mit euch beiden aus.«

Flachsbarth seufzte. Sylva würde nicht davon entzückt sein. Sie nannte Coleman stets »einen zu Geld gekommenen Bauernlümmel«, wenn das Gespräch auf ihn kam. Sie hielt ihn für ungebildet. Sein einziger Vorzug war sein ungeheurer Reichtum.

Flachsbarth fragte sich, über welches Projekt Coleman mit ihm sprechen wollte.

»Also abgemacht!«, rief Coleman und lachte dröhnend. »Wir sehen uns morgen. Grüße Sylva und Quito von mir.«

Flachsbarth nickte, obwohl der Bildschirm bereits dunkel war. Er kehrte an die Theke zurück.

Einer der Arbeiter fragte: »War das Wood Coleman?«

»Ja«, sagte Flachsbarth verlegen.

Der Mann stieß einen Pfiff aus.

»Du solltest diese Freundschaft ausnutzen«, empfahl er Flachsbarth. »Coleman kann dir hier heraushelfen.«

Flachsbarths Hände umklammerten den Thekenrand.

»Ich habe nicht vor, diese oder eine andere Freundschaft auszunutzen«, sagte er böse.

Die Männer lachten.

»Du bist ein komischer Kerl, Sam«, sagte einer. »Willst du bis an dein Lebensende hier stehen und von ein paar Galakto-Dollar leben? Wenn ich einen Freund wie Wood Coleman hätte …«

Flachsbarth kassierte einen Dollar für den Kaffee und reinigte die Theke. Die nächsten Gäste würden erst am späten Nachmittag kommen. Flachsbarth ging nach oben.

»Gehst du heute nicht spazieren?«, fragte Sylva. Sie mochte es nicht, wenn sie während der Hausarbeit gestört wurde.

»Wood Coleman hat angerufen«, platzte Flachsbarth heraus.

»Coleman?« Sie räusperte sich durchdringend, und Flachsbarth wusste, dass dieses Geräusch der Auftakt einer minutenlangen Kritik an Wood Coleman sein würde. Er kam ihr zuvor.

»Er hatte nur wenig Zeit. Er will uns in die Stadt fahren. Außerdem sprach er von einem interessanten Projekt, über das er sich mit mir unterhalten will.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass eines von Colemans Projekten interessant für dich ist.«

»Sylva«, sagte er. »Coleman ist mein Freund. Ich habe ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Du musst versuchen, höflich zu ihm zu sein.«

»Das würde er überhaupt nicht merken.«

Flachsbarth nagte an seiner Unterlippe. Sylva und Wood, das war wie Feuer und Wasser. Er würde aufpassen müssen, dass es nicht zu einem Streit kam.

2.

 

Für Wood Coleman war der Name des Raumhafens von Quibir mit unangenehmen Erinnerungen verbunden, denn in den Büros am Rand des riesigen Landefelds hatte er seine schlimmsten geschäftlichen Niederlagen erlitten. Nach der Stilllegung des Raumhafens hatte Coleman das Glück in der Stadt versucht und war innerhalb kürzester Zeit zu einem der reichsten Männer dieses Distrikts aufgestiegen. In seiner Zeit war Colemans Leistung ein Wunder, und seine Taten wurden in Fernsehprogrammen und Zeitungsartikeln entsprechend gewürdigt. Er gehörte zu den zehn erfolgreichsten Männern der letzten fünf Jahre überhaupt, und mehrere Zeitschriften hatten ihn schon zum Mann des Jahres gewählt.

An Colemans äußerer Erscheinung war diese Veränderung spurlos vorübergegangen. Wie früher trug er weite Hosen aus Metallfäden und ärmellose Jacken, so dass sein fetter und stark behaarter Oberkörper fast vollständig zu sehen war. Colemans Auftreten wurde von Reportern oft als »lässig« beschrieben, aber das war eine Schmeichelei.

Der tiefere Grund für Colemans Erfolg war wahrscheinlich sein unbesiegbarer Optimismus und seine Fähigkeit, andere in kürzester Zeit zu überrumpeln. Coleman war in zahlreiche Skandalgeschichten verwickelt; er liebte es, als Frauenheld angesehen zu werden, obwohl seine Erfolge beim anderen Geschlecht ausschließlich auf seinen finanziellen Möglichkeiten beruhten. In drei der vornehmsten Hotels der Stadt war Coleman in Prügeleien verwickelt gewesen, und als ihn die Direktion eines dieser Häuser ersucht hatte, doch möglichst bald auszuziehen, hatte er das Hotel gekauft und den Direktor entlassen.

Als Flachsbarth seinen früheren Freund aus dem prunkvollen Wagen steigen sah, erkannte er, dass Coleman sich kaum verändert hatte. Die Tränensäcke unter den kleinen Augen waren dicker und die Falten im Gesicht zahlreicher geworden. Der Bauch hing noch mehr über den Hosenbund als früher, aber sonst war Wood Coleman der Alte.

»Hallo!«, schrie Coleman, kaum, dass er aus dem Wagen geklettert war. Er ruderte mit den Armen wild in der Luft herum.

»Hallo, Sam!« Coleman stürmte auf Flachsbarth zu, den Kopf nach vorn gebeugt, mit knisternden Metallhosen und offener Jacke.

Flachsbarth streckte ihm die Hand entgegen, und Coleman griff danach. Flachsbarth verzog schmerzhaft das Gesicht, dann traf ihn ein Schlag von Colemans linker Hand auf der Schulter, und er zuckte zusammen.

»Das ist aber eine sehr herzliche Begrüßung, Wood«, sagte er.

Coleman trat einen Schritt zurück, ohne Flachsbarths Hand freizugeben und kniff die Augen zusammen.

»Alle alten Freunde sollte man so begrüßen, Sam!«, rief er. Er riss Flachsbarth herum, ließ seine Hand los und legte ihm einen Arm auf die Schultern.

»Ich habe vergessen, ein Geschenk für Sylva mitzubringen, Sam«, sagte er. »Wird sie mir verzeihen?«

»Ja, natürlich«, sagte Flachsbarth, obwohl er überzeugt war, dass Sylva dieser menschlichen Dampfwalze alles ankreidete, was sie tat. Colemans Geiz war berüchtigt, so dass Flachsbarth ihn verdächtigte, dass er zwar an ein Geschenk gedacht, aber keines gekauft hatte.

Coleman zerrte ihn förmlich auf den Eingang des Restaurants zu. Flachsbarth hatte dort bereits ein Schild mit der Aufschrift HEUTE GESCHLOSSEN aufgehängt. Er hoffte, dass er seine wenigen Stammgäste dadurch nicht verärgerte.

»Jetzt werden wir erst mal ordentlich frühstücken, dann können wir uns über alles unterhalten«, sagte Coleman. Innerhalb des Lokals sah er sich überhaupt nicht um, sondern steuerte sofort auf den Treppenaufgang zu. Flachsbarth sah Quito auf einer Bank in der Ecke liegen und schlafen. Coleman sah ihn nicht. Er polterte vor Flachsbarth die Treppe hinauf.

»Sylva!«, schrie er. »Sylva, warum verbirgst du dein schönes Gesicht vor mir?«

Flachsbarth verzog das Gesicht.

Er beobachtete, wie Coleman die Tür aufstieß und die Arme ausbreitete.

»Da bin ich!«, rief er.

Sylva stand hinter dem Tisch und sah ihm hoheitsvoll entgegen.

»Ich habe dich schon gehört«, sagte sie.

Coleman wandte sich zu Flachsbarth um und grinste.

»Ist sie nicht wunderbar? Sam, ich sage dir, dass du überhaupt nicht weißt, was für ein Goldstück du dir da angelacht hast. Sie hat sich überhaupt nicht verändert. Noch immer jung und hübsch.«

Mit rudernden Armen ging er um den Tisch und drückte Sylva an sich, die diese Begrüßung bewegungslos über sich ergehen ließ.

»Du kannst dich ans Tischende setzen«, sagte Flachsbarth hastig. Er wollte retten, was noch zu retten war. Er kannte Sylva genau.

Coleman trottete wie ein großer Bär zum Sessel und warf sich hinein. Dann hieb er mit einer Hand auf den Tisch, dass das Geschirr klirrte.

»So richtig gemütlich habt ihr's hier«, sagte er lautstark. Er hob schnuppernd den Kopf. »Sylvas Kaffee war ja schon immer berühmt, was, Sylva?«

Er machte Anstalten, Sylva, die an ihm vorüberging, die Hüfte zu tätscheln. Sylva entging seinen Händen und blieb am Schrank stehen. Flachsbarth konnte sehen, dass sie vor Zorn außer sich war.

»Was gibt es Neues bei dir?«, fragte er, um Coleman abzulenken.

Coleman warf sich nach vorn und stützte sich auf die Ellenbogen. Er zwinkerte Flachsbarth zu, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis.

»Eine Menge, sage ich dir«, schnaubte Coleman. »Ich bin dabei, die Uranbergwerke auf Sholun zu kaufen.«

Flachsbarth wölbte ungläubig die Augenbrauen.

»Gehört Sholun nicht zur Byzer-Gruppe?«

»Doch, doch«, nickte Coleman. »Was interessiert mich die Byzer-Gruppe? Gewiss, dieser Konzern ist die stärkste Wirtschaftsmacht des Inneren Galaktischen Sektors, aber davor habe ich keine Angst. Ich werde ihnen Sholun vor der Nase wegschnappen.« Coleman demonstrierte mit einer Handbewegung, wie er sich das vorstellte. »Sie werden kochen vor Wut, aber bevor sie mir etwas anhaben können, bin ich mit meinen Sachen schon in Sicherheit.«

»Traust du dir da nicht ein bisschen zuviel zu?«

»Für Coleman ist nichts unmöglich«, sagte Sylva spitz.

Er wandte sich zu ihr um und lachte dröhnend.

»Hörst du?«, sagte er zu Flachsbarth. »Sie vertraut mir. Sie wird mir Glück bringen. Aber ich bin nicht gekommen, um mit dir über das Sholun-Projekt zu sprechen.« Unvermittelt wurde er ernst. »Für dich habe ich etwas anderes.«

»Für mich?« Flachsbarth lächelte. »Ich bin nur ein Restaurantbesitzer mit einem Umsatz, der dir ein mitleidiges Lächeln entlocken würde.«

»Restaurantbesitzer! Das ist es, worauf es ankommt.« Coleman sprang auf und kam auf Flachsbarth zu. »Ich gebe dir die Chance deines Lebens, Sam. Du kannst in ein paar Monaten reich werden.«

»Und auf welche Weise?«, erkundigte sich Flachsbarth. Er stand allen Versprechungen Colemans skeptisch gegenüber, weil er in der Vergangenheit wiederholt die Erfahrung gemacht hatte, dass sein reicher Freund es mit der Wahrheit nicht sehr genau nahm.

Colemans Gesicht bekam einen verschlossenen Ausdruck.

»Was hältst du davon, Hotelbesitzer zu werden?«

»Oh, Wood!«, rief Sylva erbost. »Hör auf, dich über uns lustig zu machen.«

»Ich meine es im Ernst. Sam hat Erfahrung auf diesem Gebiet, und ich habe das Hotel. Sam würde es für mich übernehmen.«