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Cornelia Richter

Die Flucht aus dem Paradies ...

und warum Frauen keine Engel sind





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Ein etwas ketzerisches Vorwort

Diesen Roman widme ich allen Frauen, denen der Humor ein bisschen abhanden gekommen ist und denen, die ihr Leben genau so frei, ungezwungen und unabhängig genießen, wie ich es jetzt, nach all den Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, tue. Seht das Leben doch einfach von der lockeren Seite, seid nicht so streng zu euch und den Mannsbildern, sie können doch nichts für ihre Gene. Lasst ihnen ein bisschen Freiheit, denn mehr wollen sie eigentlich nicht. Gebt ihnen das Gefühl, der große Macher zu sein. Aber macht nicht den Fehler, ihnen aus der Hand zu fressen, umgekehrt wird ein Schuh draus. Gesteht ihnen das Recht zu, auch mal zu weinen und traurig zu sein, denn auch sie haben Gefühle und ihr solltet sie respektieren.

 

Und vergesst nie, zwischendurch auch mal eine Femme Fatale zu sein. Wenn ihr eure Waffen richtig einsetzt, könnt ihr alles von ihnen haben. Macht niemals den Fehler in eurer Partnerschaft nachlässig mit euch selbst umzugehen. Seid, wenn ihr Kinder habt, eine gute Mutter, aber vergesst nie, eine noch bessere Geliebte zu sein. Pflegt euch und zeigt ihnen, dass ihr es für sie tut, denn Männer mögen keine Schlampen. Erst dann seid ihr das, was sich alle Machos wünschen, ein kleines liebevolles Häschen, das sich am wohlsten in den Armen ihres starken Beschützers fühlt.

 

Wie ich so wurde, wie ich bin

Es soll ein wunderschöner Sommertag gewesen sein, als ich das Licht der Welt erblickte. Eigentlich hätte ich ein Sonnenkind sein müssen, aber genau das Gegenteil war der Fall. Ich quengelte herum, schrie halbe Nächte lang das ganze Haus zusammen. Mama stürzte von einer Verzweiflung in die nächste. Eigentlich hätte alles so wunderbar sein können, wenn nicht mein ewiger Eigensinn im Weg gewesen wäre. Ich mochte keinen Spinat, spuckte das Möhrengemüse quer über den Tisch, machte wie zum Trotz in die Windeln, die Mama gerade gewechselt hatte. Ich war ein Tyrann im zarten Alter von sechs Monaten und dies ließ, zum großen Bedauern meiner Mama auch nicht nach, als ich älter wurde. Ich prügelte mich mit den Mitschülern in der Klasse, gab meiner Lehrerin ein übers andere Mal rotzfreche Antworten. Irgendwann hatte sie genug von meinem absonderlichen Benehmen und forderte meine Eltern ultimativ auf, umgehend in der Schule zu einem Gespräch zu erscheinen. Gesagt, getan. Ich bekam eine Verwarnung mit dem Hinweis meiner Klassenlehrerin, dass ich von der Schule fliege, wenn ich so weitermache. Ich nahm mich ein wenig zurück und trug meine Scharmützel von diesem Moment an außerhalb der Schule aus.

 

Ich war inzwischen dreizehn Jahre alt, hatte schon einige Probleme in meiner Schule hinter mir, als sich, was kaum jemand für möglich gehalten  hatte, ein noch größeres Ungemach über meinem Blondschopf zusammenbraute. Ich war schon in meinem Alter obenrum recht gut bestückt, was natürlich dazu führte. das die pubertierenden Knaben in den oberen Klassen jedes Mal Stielaugen bekamen, wenn sie mich sahen. Natürlich war ich stolz auf das, was ich in der Bluse hatte und hatte auch keineswegs Hemmungen dies zu zeigen. Als aber einer dieser Typen, wir waren gerade auf dem Schulhof versammelt, auf mich zukam und mit martialischem Gebrüll versuchte, meine Lieblinge zu begrabschen, holte ich aus und machte meinem Ärger mit einem Schwinger Luft, der sich gewaschen hatte. Vierzehn Tages lief er nun mit diesem Brandmal herum und schämte sich zu erzählen, dass ich ihm dieses blaue Auge verpasst hatte. Er erzählte  mit Stolz geschwellter Brust allen, auch denen die es nicht hören wollten, dass er sich mit einem der Jungs aus der Oberstufe geprügelt hatte und selbstverständlich der Gewinner war. Da er sich wie ein ausgemachter Macho fühlte, war diese Aussage ein unbedingtes Muss, denn hätte er seinen Kumpels die Wahrheit gesagt, wäre er in ihrer Achtung in unergründliche Tiefen gerutscht. Sich von einer dummen Blondine ein blaues Auge zu holen, das ging gar nicht und deshalb schwieg er sich liebe aus und behielt sein Geheimnis für sich.

 

Alle Tribute, die einen Macho ausmachten, waren für mich schon im Teenyalter ein absolutes No-Go. Ich konnte dieses Typen einfach nicht leiden und legte mich mit jedem an, der sich ständig zwischen die Beine griff und damit wohl dokumentieren wollte, wie glücklich sich die dummen Girls schätzen konnten, wenn sie eine Chance hatten, mit ihm eine Runde zu fummeln. Ich bin im Sternzeichen des Löwen geboren und so fühlte ich mich auch. Mein Name Judith tat sein Übriges. Mich interessierte natürlich brennend welche Bedeutung dieser Name hatte und ich war, nachdem ich es im Internet nachlesen hatte, stolz darauf, dass meine Eltern mir diesen Namen gegeben hatten. Judith, so erfuhr ich, war eine mutige Frau, rief die Israeliten, nachdem sie von den Assyrern unterdrückt wurden,  zum Widerstand auf und wie es ihre Art war, schlich sie sich bei dem Boss von den Assyrern ein und gewann auf typisch weibliche Art sein Vertrauen. Bei einem Fest betrank sich der Hauptmann Holofernes und Judith nutzte die Gelegenheit und schlug ihm mit seinem eigenen Schwert den Kopf ab. Die Assyrer wurden durch dessen Tod führungslos und verloren den Krieg gegen die Hebräer.

 

Dieses soll aber nun nicht bedeuten, dass ich sadistische Neigungen habe und das Leben aller Machos auslöschen möchte, denn das wäre eine sinnloses Unterfangen, da es leider zu viele von ihnen gibt. All das bestärkte mich allerdings darin, dass ich mich von keinem Kerl unterdrücken lassen würde, zumindest dieses Privileg möchte ich mir nicht nehmen lassen. Ich wollte unabhängig sein, wollte meinen eigenen Weg gehen, wollte mein Leben selbst gestalten. Nur leider hatte dieser Eid, den ich vor mir selbst abgelegt hatte, keine lange Lebensdauer. Ich tappte, wie viele Frauen in die gleiche Falle und warum? Ja, genau, weil ich gemerkt hatte, wie anstrengend das Leben sein konnte, wenn man für sich selbst sorgen musste. Mittlerweile bin ich fünfundzwanzig Jahre alt und habe schon einige Lehrjahre hinter mir, die mich aber, das muss ich ganz ehrlich gestehen nicht gerade begeisterten. Beginnen will ich mit dem Tag X und Dir ein paar Anekdoten erzählen, die ganz stinknormal begannen und mich eine Zeit lang auf den falschen Weg führten.

 

Probleme, die bisher nie welche waren, nahmen plötzlich Dimensionen an, die ich nicht für möglich hielt und trotzdem ließ ich mich immer wieder auf solche unsäglichen Rollenspiele ein. Selbst schuld, wirst Du vielleicht sagen aber überleg mal in welcher Ausnahmesituation ich mich befunden habe. Und stell Dir vor, diese Einstellung hatte ich schon als ich noch ein Teenager war.

 

Ich wurde natürlich auch in meiner pubertären Verwirrung immer wieder von Zweifeln geplagt. Ich fand plötzlich die Jungens cool und sexy, hatte auch einige Freunde mit denen ich auf dem Motorroller durch die Gegend fuhr und mich großartig fühlte, wenn mich die anderen Mädchen beneideten. Aber irgendwie lief alles immer auf dasselbe hinaus. Erst fuhren sie mit mir durch die Gegend, machten an einem einsamen Ort eine Pause und wollten dort meine erogenen Zonen erforschen. Und wenn sie sich dann so dämlich anstellten, dass ich fast einen Lachkrampf bekam, setzten sie sich unverrichteter Dinge auf ihr Gefährt, machten 3 Mal brumm brumm und fuhren dann, eine Staubwolke hinter sich lassend, beleidigt zurück zu ihrer Mama. Ich musste natürlich zu Fuß nach Hause gehen. Aber nie vergaßen sie, mich "du blöde Schlampe" zu nennen und dies bestärkte mich darin, dass ich doch auf dem richtigen Weg war und mit dieser Spezies Mann oder Männlein, wie immer Du das nennen magst, auf Kriegsfuß stand.





1. Anekdote - Ich träumte von einem Adonis, als plötzlich der Wecker schellte

Oh verflixt, dieser verdammte Wecker hat schon wieder geklingelt. Jeden Morgen das Gleiche. Ich schaue mit verschlafenen Augen auf die Uhr, es ist 7.00 Uhr. Na ja, ein Viertelstündchen geht noch. Mit einem wohligen Gefühl kuschel ich mich noch einmal in die warmen Kissen. Aber das hätte ich besser nicht mehr tun sollen. Plötzlich werde ich durch ein unmenschliches Schellen geweckt.

 

"Ich werd wahnsinnig", schreie ich. Mein Wecker zeigt 10.00 Uhr. Wie wild geworden springe ich hoch und mein Blick geht sehnsüchtig zu meinem kuscheligen warmem Bett. Es war bestimmt wieder der Briefträger, der im Duett mit meinem Wecker geschellt hat.

 

Komisch, warum schellt der eigentlich immer bei mir? Na ja, auch egal, ich habe jetzt keine Zeit für solche "philosophischen" Betrachtungen. Nicht das Du jetzt denkst ich hätte was mit dem, der will immer in unser Haus und dort die Post einwerfen und außerdem stehe ich nicht auf Beamte, die sind mir ein bisschen zu spießig. In meinem Kopf geben sich die Nebel der Nacht ein Stelldichein. Ich torkel ins Bad und klatsche mir Hände mit kaltem Wasser ins Gesicht und hoffe, endlich wach zu werden. Mit letzter Kraft stolpere ich unter die Dusche.

 

Ich drehe die Dusche auf und das eiskalte Wasser lässt mich fast zur Eissäule erstarren. Ich habe das Gefühl, dass jeder Tropfen auf meinem Körper zu Eis wird. Ich zittere was das Zeug hält, aber es hilft. Die Nebel in meinem Kopf lösen sich langsam auf und allmählich kehren meine Lebensgeister zurück. Nachdem ich mich warm gezittert habe, schminke ich mich, föhne meine Haare. Alles im Eiltempo, aber das bin ich ja gewohnt. Ich fliege förmlich zum Fahrstuhl, runter in die Tiefgarage und dann ab in die Firma. Aber wie das mal so ist, ein Unglück kommt selten allein. Mein geliebtes Auto will nicht, gibt einfach keinen Ton mehr von sich. Jetzt bin ich aber total genervt, renne aus dem Haus zur nächsten Haltestelle. Endlich geschafft. Von wegen, der Fahrer schließt die Tür, direkt vor meiner Nase, und fährt einfach ab. Was hat der sich eigentlich dabei gedacht? Der hat mich doch gesehen. Aber das scheint ihn gar nicht zu interessieren. Ich stehe da, draußen versteht sich, und die Bahn fährt mir mit einem lauten Klingeln davon, natürlich ohne mich.

 

"So ein Mist", fluche ich leise vor mich hin. Das ist wieder so ein Tag, den man am liebsten vergessen sollte.

 

Und nun zu mir. Wie Du ja inzwischen weißt heiße ich Judith, bin naturblond aber nicht blöd. Bin 28 Jahre alt und ich muss sagen, ich habe keine Probleme mit meinem Alter, obwohl ich immer noch solo bin. Ich habe mich in den letzten Jahren an meinen Anblick gewöhnt, ja ich muß sagen, ich gefalle mir, so wie ich bin. Na ja, einiges würde ich schon noch gerne verändern, wenn ich ehrlich sein soll. Was mich stört ist mein Po, der ist zwar stramm aber doch etwas zu dick. Aber ich denke, diese Einschätzung ist wohl doch ziemlich weiblich. Woher ich das weiß? Ganz einfach, weil mir die Kerle ständig auf den Hintern starren und dann mein Busen. Wohin damit? Egal, schließlich soll man doch zeigen was man hat.

 

Männer lieben diese kugelrunden Sachen. Sie schauen uns doch sowieso nicht in die Augen, wenn sie einem gegenüber sitzen. Ob im Bikini, im engen Pulli oder in der etwas zu engen Bluse, die Kerle glotzen dir immer auf die Titten, stimmts? Aber jetzt mal im Ernst. Eine Frau kann doch bei einem Mann alles erreichen, sie muss nur den richtigen Weg finden. Also nach meinen Erfahrungen gehört nicht viel dazu, einen Mann herumzukriegen. Aber wem erzähle ich das, Du weißt sicher auch, wie das geht? Also nach dem ganzen Stress habe ich mir überlegt, mir einen Mann mit Geld zu suchen. Bin ja mal gespannt ob das klappt. Ich habe auch schon einen im Visier. Willst Du wissen wen?  Das ist einer der immer in meiner Nähe ist. Genau, ich meine meinen Chef. Der baggert schon eine ganze Weile an mir rum. Immer wenn ich auf dem Flur bin, geht der rein zufällig an mir vorbei, lächelt mich ständig süffisant grinsend an, überhäuft mich mit Komplimenten und lobt sogar den Kaffee, den ich gar nicht gekocht habe. Er sollte sich lieber bei unserer Bürohilfe bedanken, denn für diese Art von Dienstleistungen ist sie zuständig. Aber bei ihr gibts nicht viel zu gucken. Sie ist klein, pummelig und unscheinbar, trägt eine Brille und hat ansonsten nicht viel zu bieten. Aber das muss ich zu ihrer Ehrenrettung sagen, sie ist eine ganz liebe Kollegin, immer freundlich und hilfsbereit. Nur das genügt den Kerlen nicht. Die wollen was sehen. Sie brauchen Frauen mit Charisma, vor allem obenrum. Ich aber lasse mich nicht erweichen, spiele die Coole und lasse ihn, ein über das andere Mal abblitzen. Ein Mann, der mich haben will, muss sich schon wenig anstrengen, denn so leicht bin ich nicht zu haben.

                                                                                               

Tage später. Ich habe die Sache mit meinem kaputten Auto schon fast vergessen und auch der Fahrer der Straßenbahn hat bei mir, während mein Auto in der Werkstatt war, richtig Pluspunkte gesammelt. Der hat doch tatsächlich auf mich gewartet, als ich mal wieder zu spät war und völlig abgehetzt an der Haltestelle ankam. So wie der aussieht, ist er verheiratet. Eine Hellseherin bin ich allerdings nicht, aber mal ganz ehrlich, welcher unverheiratete Kerl macht sich, bevor er zur Arbeit geht, Wurststullen? Die obligatorische Thermosflasche mit Kaffee darf auch nicht fehlen.

 

Ein richtiger unverheirateter Kerl steht mit Sicherheit in seiner Pause an der nächsten Pommesbude und haut sich eine Frikadelle mit viel Senf oder eine leckere Currywurst mit Pommes rein. Wenn sie dann Feierabend haben, trinken sie noch ein kühles Pils und die Welt ist für sie wieder in Ordnung.

 

Sorry, ich war ein bisschen auf Abwegen. Also weiter. Das Wochenende naht. Der Tag läuft so lala, genauer gesagt, es ist Freitagnachmittag. Was mache ich heute Abend? Gehe ich mit meinen Freundinnen aus? Nach ja, schaun wir mal, da wird sich schon was ergeben. Ich bin immer sehr spontan, musst Du wissen. Es kann aber auch passieren, dass ich überhaupt nicht weggehe, mich in die Badewanne lege und ein leckeres Glas Wein schlürfe. Es muss ja nicht immer Aktion sein. Es ist auch mal ganz schön, ein Wochenende für sich alleine zu haben, finde ich. Die letzte Woche hat mich sowieso ziemlich genervt.

 

Es ist kurz vor Feierabend, ich habe gerade meine Tasse in die Kaffeeküche gebracht, als mir wieder mal mein geliebter Chef über den Weg läuft.

 

"Hallo Judith, hast du heute Abend schon was vor?", säuselt er mir ins Ohr.

 

Bitte? Was soll das denn jetzt? Ich bin bis jetzt zwar nett und freundlich zu ihm gewesen aber das ist immer noch kein Freibrief für ihn, mich einfach zum Essen einzuladen. Ich tat also so als hätte ich ihn nicht gehört, aber er dackelt hinter mir her wie ein Hündchen.

 

"Warte doch mal". Ich bleibe natürlich stehen. Was soll ich auch anderes tun, er ist ja schließlich mein Chef.

 

Ich schaue ihn an und merke, dass ihn meine Nähe schon wieder nervös macht.

 

"Ich wollte dich für heute Abend zum Essen einladen", hüstelt er verlegen, "hast du Lust?"

 

Ich habe aber nun mal mit Männern in seinem Alter schlechte Erfahrungen gemacht". Als ich mich mal auf einem Typ einließ, der mir hoch und heilig versprochen hatte, ledig zu sein, kam eines Tages seine Frau dahinter und was da los war, muss ich dir wohl nicht erzählen. Seitdem fürchte ich um mein Seelenheil, wenn mir Männer begegnen die in seinem Alter sind. Also steht immer im Vordergrund die Frage: Ist er verheiratet oder nicht?". Das Das Einzige was ich weiß, es steht kein Bild auf seinem Schreibtisch aber ob das ein Beweis für seine Ungebundenheit ist, na ja, da bin ich mir nicht so ganz sicher.

 

"Weißt du was ich meine?". Diese süßen Bildchen mit den schmucken, wohlerzogenen Kindern und der glücklich lächelnden Angetrauten, die schon durch ihren Blick das ganze Glück dieser Welt auf sich vereint und nicht den geringsten Zweifel daran lässt, dass der Mann ihr gehört. Allerdings bin ich noch nicht dahintergekommen, was das bei den Männern ist. Warum stellen sie sich so ein Bild auf ihren Schreibtisch? Ist es Koketterie oder pure Absicht, um sich noch interessanter zu machen? Appellieren sie damit an das "Ich-will-dich-trotzdem-haben-Gefühl" der Frauen?

                                                          

Ich schaue ihn mit einem Bedauern im Gesicht an und sage ganz beiläufig: "Ich wollte mich heute Abend eigentlich mit meinen Freundinnen treffen."

 

"Schade", sagt er enttäuscht, "da kann man nichts machen."

 

Mein Gott, dass die immer so schnell aufgeben, haben sie noch nicht begriffen, dass eine Frau erobert werden will.

 

"Ich sag dir nachher Bescheid ob es klappt", erwidere ich und verschwinde eilig in der Kaffeeküche. Dabei weiß doch jeder, dass ein Kerl der dich zum Essen einlädt, anschließend seine Belohnung haben will, also fast jeder. Aber trotzdem, wow, das ist der Hammer.

 

Ich flüstere: "Lass dir jetzt nichts anmerken, spiel bloß die Coole, auch wenn es dir schwer fällt."

Ich warte bis kurz vor Feierabend, dann rufe ich ihn an.

 

"Du", säusele ich ins Telefon, "wenn du immer noch magst, ich kann es heute Abend einrichten."

 

"Ehrlich?".  Er ist total verdattert und hat wohl nicht mehr damit gerechnet.

 

"Ich finde es super, dass wir zusammen weggehen, ich freue mich riesig, du wirst es nicht bereuen."

 

Nicht bereuen? Was meint der jetzt wieder damit? Dachte ich es mir doch, der will anschließend seine Belohnung haben. Ach, die Kerle sind doch so leicht zu durchschauen. Ich bin ja mal gespannt, wohin er mich schleppt.

 

Ich mache mich zurecht, ziehe ein Kleid mit einem tiefen Ausschnitt an, auch die High Heels dürfen nicht fehlen, denn schließlich weiß man ja als Frau, wie man einem Kerl imponiert. Pünktlich um acht Uhr schellt es an meiner Tür. Mein Gott ist der pünktlich, hoffentlich hält der das durch. Als er mich kommen sieht, springt er doch tatsächlich aus dem Auto und reißt wie ein Chauffeur die Wagentür auf.

 

Er lächelt mich verlegen an und bedankt sich, dass ich seine Einladung angenommen habe. Ja, ja so ist das, im Büro der große Zampano und beim ersten Date der kleine schüchterne Junge, der kaum ein Wort herausbekommt. Die Autofahrt verläuft dann auch entsprechend schweigsam. Also ein Macho ist er schon mal nicht, sonst würde er keine Gelegenheit auslassen, mir zu zeigen, dass er der Größte ist. Ein Pluspunkt für ihn.

 

Übrigens, ich stehe überhaupt nicht auf solche Gockel, die den ganzen Tag herumlaufen und keinen Spiegel und kein Schaufenster auslassen, um ihre "Männlichkeit " zu bewundern. Ja glauben die denn allen Ernstes, die können einer Frau mit diesem albernen Getue imponieren? Die sehen ja doch nur sich selbst und eine Frau ist für sie nur eine Trophäe, die es zu erobern gilt. Wenn sie uns dann haben, ist es auch schon wieder vorbei und sie wenden sich dem nächsten Opfer zu. Das Schlimmste sind die Typen, die sich ständig zwischen die Beine fassen und kein Mensch weiß, was sie da suchen.

 

Also mal ganz ehrlich, mein Ding ist das nicht. Dann lobe ich mir doch eher den, dem noch vor Aufregung die Finger zittern. Da weiß ich wenigstens, dass er wirkliches Interesse an mir hat. Ich weiß natürlich nicht, wie du darüber denkst, du musst ja auch nicht unbedingt meiner Meinung sein. Es gibt sicherlich auch genug weibliche "Machos", denen es imponiert, solch einen Typ an der Hand zu haben und die gerne so ein Dingelchen zwischen den Beinen hätten, einfach nur zum Spielen, damit sie wissen wie es sich anfühlt, wenn er erwachsen wird.

 

 Also liebe Männer, hört endlich mit dem Rumgefummel auf. Eine Frau überzeugt sich gerne in Natura davon, was ein Kerl in der Hose hat. Na ja, seis drum, soll jeder nach seiner Facon selig werden. Ich hab meins und das genügt mir und Spaß habe ich auch damit und zwar dann, wann ich es will.

 

Oh, verflixt, jetzt habe ich doch in dem Trubel ganz vergessen, dir meinen Verehrer vorzustellen. Dass er mein Chef ist, weißt du ja und wie er heißt? Alexander. Nein, nicht Alexander der Große, also ich meine groß ist er ja, so circa einsneunzig aber was sonst noch alles groß an ihm ist, weiß ich nicht, noch nicht. Woher soll ich das auch jetzt schon wissen, ich hab ja noch nicht einmal mit ihm gegessen.

 

Als wir vor dem Lokal ankommen, bleibt mir erst einmal die Spucke weg. In diesen noblen Schuppen will der mit mir gehen? Mein lieber Mann der lässt es aber krachen. Ein französisches Nobelrestaurant?

 

"Judith", sage ich mir, "nun bleib mal ganz ruhig, das ist durchaus angemessen!"

 

Schon an der Tür erwartet uns ein Oberkellner. Er hilft mir aus dem Mantel. Habe ich etwa einen Hörfehler oder hat der gerade gnädige Frau zu mir gesagt. Ich glaube ich bin in einem Film und muss aufpassen, dass ich nicht die Bodenhaftung verliere. So hat mich ja noch nie jemand genannt. Ob ich es genieße? Na klar, würdest du das nicht tun? Wenn ich nicht schon groß genug wäre, würde ich glatt noch zehn Zentimeter wachsen, so gut tut das. Aber trotzdem Mann bleibt Mann, Charme hin Charme her, er versäumt es natürlich nicht, auf meinen Busen zu starren, soviel Zeit muss sein.

 

Dann kommt er mit der Speisenkarte und stellt sich neben mich. Ja ist es denn möglich, schon wieder starrt mir dieser Kerl in den Ausschnitt, am liebsten möchte er wohl meine Halbkugeln herausnehmen und mit ihnen spielen, aber hier ist Essen angesagt und sonst gar nichts.

 

Aber ich denke mir: "Guck du nur, betrachte es schon mal als üppiges Trinkgeld." Ein Trinkgeld kommt ja immer gut an. Jedes Mal wenn er an unserem Tisch vorbeikommt, lächelt er mich an, sehr diskret natürlich, wie es sich für einen Oberkellner in einem Nobelrestaurant gehört.

 

Aber Alexander bekommt das doch mit, schaut mich an und raunt mir hinter vorgehaltener Hand zu: "Was glotzt dich dieser Typ immer so an? Merkst du das eigentlich nicht?"

 

Ich, ganz Unschuld vom Lande, lächle ihn an und verneine seine Frage mit einem unschuldigen Augenaufschlag. Soll er doch denken, dass ich es nicht wahrgenommen habe, das kann nur gut für mich sein. Dann bringt der Kellner den Champagner. Alexander prostet mir zu. Ich trinke das Glas, wie es sich für eine feine Dame gehört, mit einem Schluck leer und bekomme prompt einen Schluckauf. Er, ganz Gentleman, erfasst meine Hand und schaut mir verliebt in die Augen. "Es ist wunderschön mit dir", flüstert er mir zu.

 

"Ich darf jetzt nichts Falsches sagen“, hämmert es in meinem Kopf und ich spüre, wie mir der Champagner in den Kopf steigt.

 

"Sag jetzt lieber gar nichts“, höre ich meine innere Stimme und bleibe stumm, lächle nur zurück und lasse meine Hand in seiner liegen. Gut gemacht Judith. Und nun die Überraschung, die Vorspeise. Ach du lieber Himmel, Austern. Noch nie in meinem Leben habe ich Austern gegessen. Um Gottes Willen, was mache ich bloß mit diesen schlüpfrigen Dingern? Ich schau sie mir genau an. Also appetitlich sehen sie ja nicht gerade aus. Soll ich etwa dieses komische Zeug schlürfen? Ich schaue auf Alexander, will wissen wie er das macht. Er nimmt das Austernmesser und löst das Fleisch mit einem geübten Griff aus der Schale, träufelt Zitrone darauf und schlürft sie genüsslich grunzend in sich hinein.

 

"Dieses alte Ferkel“, denke ich, "das hört sich ja grauenvoll an." Aber egal, das Zeug muss runter. Mit geschlossenen Augen schlucke ich, einmal, zweimal, dann ist es überstanden. Also, wenn er noch mehr solche Überraschungen für mich hat, geh ich lieber eine Currywurst essen. Aber er verschont mich doch mit weiteren spektakulären Überraschungen. Der Wein, ein vorzüglicher "Cabernet Sauvignon", tut sein Übriges.

 

Nach dem vierten Glas gerate ich schon langsam an den Rand einer Halluzination. Sogar mein Inneres Ich fängt schon an zu lallen. Oh Mann, reiß dich bloß zusammen, sonst will er dich gleich hier vernaschen. Bei diesem Gedanken muss ich unwillkürlich lachen. Alexander schaut mich fragend an. Warum lache ich eigentlich so blöd? Soll ich es ihm etwa erklären? Soll ich ihm sagen, dass ich in diesem Moment nur an Sex denke und dass ich nichts dagegen hätte, wenn er es gleich hier mit mir tun würde.

 

Vor allen Leuten? Bist du jetzt völlig durchgeknallt? Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass er an meinem Knie rumfummelt, aber jetzt geht doch wohl meine Phantasie mit mir durch, denn als ich zu ihm herüberschaue, sitzt er ganz entspannt auf seinem Stuhl. Schließlich ist er ja kein anatomisches Wunder, denn so lange Arme hat er nun wirklich nicht. Jetzt ist es aber genug, ich glaube es ist besser, wenn ich meinen Mund halte, da kommt ja sowieso nichts Gescheites mehr raus. Ich habe, um es vorsichtig auszudrücken, einen ausgewachsenen Schwips. Wasser trinken, viel Wasser das ist die einzige Lösung, um einigermaßen aus dieser Geschichte wieder herauszukommen. Wie eine Kuh an der Tränke, schütte ich das Wasser in mich hinein. Alexander schaut mir zu und amüsiert sich köstlich. Dieser Blödmann, aber ich bin ja selbst schuld, warum muss ich auch so viel trinken.

 

Das viele Wasser hat natürlich dazu beigetragen, dass ich wieder so einigermaßen klar im Kopf werde, aber es hat einen Nachteil, jetzt muss ich ständig Pippi. Alle paar Minuten stehe ich auf und renne auf die Toilette. Mein Gott ist das peinlich. Bin ich nun eine erwachsene Frau oder ein kleine Mädchen, das sich die Blase erkältet hat? Aber anscheinend bin ich keins von beiden, ich bin nur eine dumme Gans, die zu viel getrunken hat.

 

Also ein Kompliment muss ich Alexander ja machen, er erträgt meine ständige Abwesenheit mit einer bewundernswerten Geduld. So gesehen ist der Abend ein voller Erfolg. Er hat sich von seiner besten Seite gezeigt, immer ganz Gentleman, in allen Situationen. Meine Vorurteile scheinen sich in Wohlgefallen aufzulösen. Ist er wirklich anders als andere Kerle oder ist er nur ein geschickter Taktiker? Versucht er in kleinen überlegten Schritten zum Erfolg zu kommen? Also wenn das so ist, ist er wohl doch nicht der ungeschickte Tollpatsch, der gleich jeder Frau an die Wäsche geht, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.

 

Und was mache ich jetzt? Schmeiße ich mich ihm an die Brust oder halte ich ihn mir, zumindest für heute vom Hals, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er mich zu jeder Zeit haben kann? Also ganz ehrlich, habe ich eigentlich keine anderen Sorgen? Anstatt mich darüber zu freuen, dass er mich wie eine Dame behandelt, komme ich auf die blödesten Gedanken. Vielleicht bin ich ja doch nicht das, was er sich vorstellt? Warum versucht er nicht mich herumzukriegen, einfach mit mir ins Bett zu steigen?

 

"Bist du blöd?“, meine innere Stimme meldet sich wieder mal zu Wort, "sei doch froh, dass er nicht so ist wie die Anderen."

 

Hast ja recht, aber dennoch, als Frau will man doch begehrenswert sein. Warum hab ich mich aufgebretzelt wie ein Zirkuspferd, latsche in High Heels herum, obwohl mir die Füße so weh tun, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mir, ziehe mir bei der Kälte Strapse und ein Nichts von einem Höschen an, obwohl ich jetzt lieber dicke wärmende Strumpfhosen tragen möchte? Das einzig Nackte wonach er greift, ist meine Hand... aber sonst Fehlanzeige.

Also wie ist das mit dem Nachtisch? Ist er so satt von der Mousse au Chocolat, dass er kein lebendes, festes Fleisch mehr mag, so als die Krönung des Abends meine ich. Papperlapapp, Du bist doch nur sauer, weil er dir nicht wie ein Wilder das Höschen herunterreißt und wie reagierst du, wenn er es trotzdem tut?

 

Du zierst dich natürlich und sagst zu ihm: "Bitte nicht, ich bin nicht so eine." Wenn er dann seine Hand da wegnimmt, wo du sie gerne hättest, denkst du: "Nun mach schon weiter, oder weißt du nicht wie eine Frau tickt?"

 

Aber er kapierts nicht, küsst mich zum Abschied auf die Wange und lässt mich mit kalten Füßen vor der Haustür stehen. Warte nur Kerlchen, dass wirst du mir büßen. Mit zitternden Fingern schließe ich die Haustür auf, ziehe mich aus und reiße mir dieses nutzlose Zeug vom Leib. Wofür war das nun gut, du blöde Kuh? Noch nicht einmal gefühlt hat er, der Sadist. Ich gehe in mein kaltes Bett, ohne männliche Wärmflasche, die ich heute so dringend gebraucht hätte. Ich verkrieche mich tief in meine Kissen und bereue eigentlich, dass ich ihm nicht deutlichere Signale gegeben habe. Was willst du? Bist du doch selber schuld. Jetzt muss ich mich selber wärmen, dass hab ich nun davon.

 

In meiner Phantasie male ich mir aus wie es wäre, wenn ich ihm keinen Korb gegeben hätte. Na ja, was solls, es ist vorbei. Ich räkel mich noch ein paar Mal und dann bin ich auch schon im Reich der Träume. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass ich ihn im Moment abblitzen lasse, dann kommt er wenigstens nicht auf die Idee, dass ich hinter ihm her bin und wenn jemand nach der Vorspeise lange genug auf das Menü warten muss, wird sein Appetit auf den eigentlichen Festschmaus umso größer. Und außerdem muss ja keiner wissen, was passiert ist. Passiert? Meine Güte Judith, was ist denn schon passiert? Du bist mit einem Kerl essen gegangen, der zufällig dein Chef ist, das ist alles.

 

Aber bevor du jetzt hysterisch wirst, komm erst mal in die Realität zurück, du hast nicht mit ihm geschlafen und das meine Liebe ist das, was bei den Kerlen den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt. Wir sind doch genau so, warst du mit einem im Bett oder aus der Sicht des Mannes er mit dir, sind wir ja in Gedanken mindestens schon verlobt, also jedenfalls fast. Und jeder, die sich nur zu nahe an ihn heranwagt, möchten wir am liebsten die Augen auskratzen und sogar noch schlimmere Dinge tun.

 

So läuft das, Besitzansprüche sind nun mal geschlechtslos, solange die Flamme der Liebe lichterloh brennt. Aber trotzdem, ich kann machen was ich will, dieser Kerl (ich meine meinen Chef) geht mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Ständig starre ich ihn an, sage aber kein Wort. Stattdessen mäkel ich schon an ihm herum wie ein alter Hausdrachen.. Er hätte sich zu dem Anzug auch eine andere Krawatte umbinden können und schau mal wie zerknittert sein Hemdkragen ist. Also wirklich, bist du nun seine Gouvernante oder eine Frau, die kurz davor ist, sich in ihn zu verlieben?

Schau ihm lieber in die Augen, damit er merkt, dass du mehr willst, als nur mit ihm essen zu gehen. Du schleichst um ihn herum wie ein verliebtes Schulmädchen, das in ihren Mathelehrer verknallt ist. Das bringt doch nichts. Wenn du jetzt nichts unternimmst und so weitermachst, wird das nie was. Okay, ich hab schon verstanden, ab sofort wird sich das ändern, mein Entschluss steht fest. Ich will ihn haben. Am nächsten Morgen stehe ich extra eine halbe Stunde früher auf, um für den ersten Tag nach unserem gemeinsamen Essen hübsch auszusehen. Ganz klar, natürlich will ich ihm gefallen und ich glaube, ich bin auch ein bisschen in ihn verknallt. Nur ein bisschen.

 

 

 

 

 

2. Anekdote - Verwirrung um einen Strauß roter Rosen

Als ich in der Firma ankomme, herrscht in dem Moment als ich den Raum betrete absolute Stille. Was ist denn jetzt los, seid ihr alle übergeschnappt. Und in diesem Moment sehe ich den Grund. Ich traue meinen Augen nicht. Auf meinem Schreibtisch steht ein riesiger Strauß rote Rosen. In diesem Moment nimmt mein Kopf die gleiche Farbe wie die Rosen an, oh man ist mir das peinlich. Alle schauen mich an und grinsen. Was hat Alex sich eigentlich dabei gedacht, mich so in Verlegenheit zu bringen? Ich bin stinkwütend, drehe mich um und verlasse genervt das Büro. Als ich an Alexanders Büro vorbeigehe, höre ich ihn lachen. Ein sympathisches und ansteckendes Lachen wie ich finde. Der scheint ja heute gut drauf zu sein, im Gegensatz zu mir.

 

Doch plötzlich meldet sich mal wieder meine innere Stimme: "Bist Du jetzt völlig übergeschnappt oder was ist los mit dir? Wem passiert das schon, dass man morgens ins Büro kommt und es steht ein Riesenstrauß Rosen auf dem Schreibtisch. Anstatt Dich zu freuen drehst du am Rad. Geh rein zu ihm und bedanke dich. Na wird’s bald."

 

"Ok, hast ja recht, was soll das Rumgezicke“, gebe ich kleinlaut nach und schon bin ich auf dem Weg zu ihm. Ich klopfe leise an und stecke den Kopf durch die Tür.

 

"Komm doch rein", ruft er lachend, steht auf und kommt auf mich zu. 

 

"Danke", flüstere ich mit einem verlegenen Lächeln.

 

"Hab ich sehr gerne getan und es hat mir viel Freude gemacht", erwidert er und schaut mich unverwandt an. Wie jetzt, was meint er damit? Ich bin wohl heute ein bisschen begriffsstutzig und verstehe kein Wort. Meint er jetzt die Rosen oder den gestrigen Abend? Mein Lieber, diese Einschätzung geht ja nun wirklich ein bisschen an der Realität vorbei. Vor der Tür hat er mich stehen lassen und ich hab mir fast eine Blasenentzündung geholt bei der Kälte. Also mein lieber Alexander, Freude sieht bei mir anders aus.

 

Ich schaue ihn ungläubig an, doch er fährt unbeirrt fort.

 

"Ich hoffe es war auch für Dich ein schöner Abend."

 

"OK“, denke ich, "es war ein schöner Abend und das Essen war sehr lecker, aber sonst?"

 

Ich habe das Gefühl er mauert und will nicht zugeben, dass die Rosen von ihm sind. Der ist ja doch raffinierter als ich dachte. Ich bin ein bisschen durcheinander, lasse mir aber nichts anmerken.

 

"Ja, es war ein sehr schöner Abend und dann dieser wunderschöne Strauß Rosen heute Morgen auf meinem Schreibtisch", weiter komme ich nicht, denn er schaut mich verdattert an.

 

"Rosen, was für Rosen?" und ihm entgleisen sämtliche Gesichtszüge. Also, das glaub ich jetzt nicht. Komm Judith, lass dich nicht auf den Arm nehmen, von wem sollen sie denn sonst sein? Aber so ganz sicher bin ich mir nicht mehr, denn sein entgeisterter Gesichtsausdruck verrät mir, dass er wohl doch nichts davon weiß. Ach du lieber Himmel, jetzt hab ich ja was angerichtet, der weiß wirklich nichts. Verlegen fasse ich nach seiner Hand, gebe ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange, drehe mich um und verschwinde eilig in mein Büro.

 

Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie unerträglich diese Ungewissheit ist. Aber es liegt wohl in der Natur der Frau, dass sie immer alles ergründen muss. Ich glaube du siehst das bestimmt genauso. Wir geben doch keine Ruhe, bis wir alles genau wissen und wenn wirs dann wissen, fällt alle Romantik von uns ab, weil ausgerechnet ein Kerl uns die Blumen geschickt hat, den wir nun überhaupt nicht ausstehen können. Aber trotzdem, ich gebe jetzt keine Ruhe bis ich weiß von wem die sind. Auf dem Weg zum Empfang glotze ich jeden Typ an, der mir über den Weg läuft. Guckt der mich vielleicht verliebt an oder gibt er mir vielleicht irgendwelche Signale? Aber die sind nur mit sich und ihrer Arbeit beschäftigt, kramen in ihren Unterlagen herum, lesen irgendwelche Verträge oder sie telefonieren. Judith, jetzt hör endlich mit dem Rumgeglotze auf, was sollen die denn von dir denken, wenn sie dich mal rein zufällig im Vorbeigehen anschauen.

 

Aber wer zum Teufel hat mir bloß diese Blumen geschickt? Die am Empfang muss doch wissen, wer sie abgeben hat und außerdem sitzt die da unten, weil sie so ein gutes Gedächtnis hat. Am Empfang angekommen, frage ich Patricia, so heißt sie nämlich, die hier unten ihren Job macht.

 

"Sag mal, weißt Du wer heute Morgen hier den Strauß Rosen abgegeben hat?"

 

"Ja ich erinnere mich" erwidert sie und grinst. Ich spüre wie mein Herz zu klopfen beginnt.

 

"Na los, rück schon raus damit". Ungeduldig hampel ich hin und her.

 

"Es war so ein dunkelhaariger Typ, sah ganz nett aus, doch muss ich sagen." 

 

"Mensch Patricia, jetzt reichts, raus damit."

 

"Ich glaube", und dann holt sie erst mal tief Luft, so als wollte sie gleich ersticken. "Ich glaube der war vom Blumenservice hier auf der Straße, hatte so eine grüne Latzhose an. Ich meine da stand "Blumenparadies" drauf."

 

Trotz meiner ganzen Fragerei komme ich keinen Schritt weiter, es bleibt ein Geheimnis, ein schönes zwar, aber trotzdem ein Geheimnis.

 

"Kannst Du Dir vorstellen, wie mich das wurmt? Kannst Du bestimmt, denn welche Frau möchte in diesem Moment nicht wissen, wer ihr heimlicher Verehrer ist."

 

Und dann schießen mir allerlei alberne Gedanken durch den Kopf. Hat mir vielleicht der Ober aus dem Nobelrestaurant, der mir den ganzen Abend in den Ausschnitt gestarrt hat... aber augenblicklich verwerfe ich diesen Gedanken wieder. Dieser arme Schlucker hat doch wohl kaum das Geld, mir einen solch teuren Strauß zu schicken.

 

Irgendwie herrscht nach der Geschichte mit den Blumen eine komische Stimmung zwischen Alexander und mir. Weiß der Teufel warum der jetzt so reagiert, der denkt doch wohl nicht, dass ich einen Lover habe. Ne, mein Lieber, Du kennst mich wirklich noch nicht. Wenn da jemand wäre, würde ich mich sicherlich nicht auf dich einlassen. Aber trotzdem spüre ich, dass er mir aus dem Weg geht. Alex, oh Alex du kleiner Zweifler, wenn du jetzt nicht den ersten Schritt machst, muss ich ja wohl die Initiative ergreifen. Ja ich tus, ich habe keine Lust noch mehr Zeit mit diesen Spielchen zu verschwenden, schließlich werde ich jeden Tag älter. Ich gebe mir einen Ruck und gehe einfach in sein Büro.